Artikel 101 [Recht auf den gesetzlichen Richter; Verbot von Ausnahmegerichten; Sondergerichte]
(1) 1 Ausnahmegerichte sind unzulässig. 2 Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
I. Bedeutung und Systematik
Art. 101 enthält ein einheitliches grundrechtsgleiches Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl. Jarass/Pieroth/Kment Art. 101 Rn. 1; Stern/Sodan/Möstl/Rixen § 133 Rn. 7 ff.), welches gem. Art. 93 I Nr. 4a verfassungsbeschwerdefähig ist. Die Norm verwirklicht die rechtsstaatlich gebotene Rechtssicherheit im Hinblick auf die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren (vgl. BVerfGE 20, 336 (344)). Die Kernaussage trifft Art. 101 I 2, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Das Verbot von Ausnahmegerichten in Art. 101 I 1 sowie die Zulassung von Sondergerichten nach Art. 101 II stellen in systematischer Hinsicht spezielle Teilausschnitte aus der Garantie des gesetzlichen Richters dar und konkretisieren diese Garantie (Sachs/Degenhart Art. 101 Rn. 1). Art. 101 II enthält gleichzeitig einen Gesetzesvorbehalt (BVerfGE 18, 241 (257)).
Ziel des Art. 101 I 2 ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294 (299); 95, 322 (327); BVerfG [K] NJW 2006, 3129 (3130); 2007, 3771 (3772)). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rspr. gewahrt sowie das Vertrauen der Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (BVerfGE 95, 322 (327)). Art. 101 ist stark normgeprägt und auf die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angewiesen (vgl. BVerfGE 95, 322 (327 f.)). Die Verfahrensgarantie des Art. 101 I 2 sichert nicht nur die Freiheit vor Eingriffen durch Organe der Legislative und Exekutive; ihre Schutzfunktion richtet sich auch nach „innen“, also darauf, dass niemand durch Maßnahmen der Gerichtsorganisation dem in seiner Sache gesetzlich berufenen Richter entzogen wird (BVerfGE 4, 412 (416); 82, 286 (298); HStR V/Sodan § 113 Rn. 63).
II. Recht auf den gesetzlichen Richter
1. Sachlicher Schutzbereich
a) Gesetzlicher Richter
Ist der unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Richter iSd Art. 97 (DHS/Maunz Art. 101 Rn. 11). Hierzu gehören nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit oder das erkennende Gericht als Spruchkörper, vor dem verhandelt wird, sondern auch die zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter (BVerfGE 17, 294 (298 f.)). Erfasst sind alle Tätigkeiten, die in spezifischer richterlicher Verantwortung wahrgenommen werden (etwa Endentscheidungen, Vorlageentscheidungen, Zeugenvernehmungen), selbst wenn es sich materiell nicht um Rspr. iSd Art. 92 handelt (vgl. BVerfGE 21, 139 (144) hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Richter bzw. Gerichte in diesem Sinne sind etwa die staatlichen Gerichte der allgemeinen oder besonderen Fachgerichtsbarkeit, das BVerfG (vgl. BVerfGE 13, 132 (142 ff.)), die Großen sowie die Gemeinsamen Senate als Vorfragengerichte (Leisner NJW 1989, 1446 (1447)), der EuGH, wenn diesem nach Art. 267 AEUV vorgelegt werden muss (vgl. BVerfGE 73, 339 (366 f.); 75, 223 (231); 82, 159 (192); 126, 286 (315); BVerfG [K] NVwZ 2015, 52 (53); auch Rn. 9), der im fachgerichtlichen Instanzenzug zuständige Richter (vgl. BVerfGE 30, 165 (168 f.) für den Revisionsrichter), der im Vorlageverfahren entscheidende Richter (BVerfGE 19, 38 (43)), der Richter bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung (BVerfGE 4, 412 (417 f.)), der Untersuchungsrichter (BVerfGE 25, 336 (345 f.)), der ehrenamtliche Richter (vgl. BVerfGE 91, 93 (117)), Schöffen (BVerfGE 31, 181 (183)) sowie der Ergänzungsrichter und der am Eröffnungsbeschluss beteiligte Richter (Sondervotum BVerfGE 30, 149 (157, 162 ff.); Jarass/Pieroth/Kment Art. 101 Rn. 2 f.; aA BVerfGE 30, 149 (155 ff.), mit abw. Sondervotum, 157, 162 ff.).
Unter Art. 101 I 2 fallen auch LVerfGe (vgl. BVerfGE 60, 175 (214)). Dies muss entgegen BVerfGE 96, 231 (242 ff.) ferner dann gelten, wenn ein LVerfG in einem Verfahren entscheidet, in dem eine landesverfassungsrechtliche Streitigkeit in der Sache abschließend entschieden wird: Auch wenn hier der Rechtsweg zum BVerfG in der Sache nicht gegeben ist (vgl. Art. 93 I Nr. 4, § 13 Nr. 8 BVerfGG), ändert dies nichts an der Bindung des LVerfG an Art. 101 I 2 und an der insoweit bestehenden Zuständigkeit des BVerfG aus Art. 93 I Nr. 4a.
Nicht von Art. 101 I 2 erfasst sind rein administrative Tätigkeiten von Richtern im Bereich der Justizverwaltung (SHH/Müller-Terpitz Art. 101 Rn. 8). Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen sind etwa Rechtspfleger (BVerfGE 56, 110 (127)), parlamentarische Untersuchungsausschüsse (BVerfGE 77, 1 (42)) oder staatliche Prüfer (BVerwGE 30, 172 (178)).
b) Verfahrensrechtlicher Gehalt
Der verfahrensrechtliche Gehalt des Art. 101 I 2 verpflichtet den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist; jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch vermieden werden (BVerfG [K] NJW 2006, 3129 (3130)). Die geforderte Vorausbestimmung der richterlichen Zuständigkeiten verlangt die formellgesetzliche Festlegung zumindest der „fundamentalen Zuständigkeitsregeln“, dh der Gesetzgeber muss bestimmen, welche Gerichte mit welchen Spruchkörpern für welche Verfahren sachlich, örtlich und instanziell zuständig sind (BVerfGE 19, 52 (60); 95, 322 (328); BVerfG [K] NJW 2017, 1233 (1234)). Im Übrigen kann die Bestimmung des zuständigen Richters, unter Beachtung von Art. 80, durch RVO vorgenommen werden (BVerfGE 27, 18 (34 f.)). Für die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der einzelnen Gerichte genügen schriftlich, im Voraus, abstrakt-generell und in richterlicher Unabhängigkeit aufgestellte Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungspläne, auf deren Grundlage die Sache nach objektiven Kriterien, dh unabhängig von der Person oder dem Einzelfall, „blindlings“ an den entscheidenden Richter gelangt (BVerfGE 95, 322 (329 f.); BVerfG [K] NJW 2017, 1233 (1234)). Die Verwendung unbestimmter, auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe ist zwar nicht ausgeschlossen; jedoch dürfen keine vermeidbaren Spielräume bei der Bestimmung des einzelnen Richters verbleiben (BVerfGE 95, 322 (329 ff.)).
c) Materieller Gewährleistungsgehalt
Über diese verfahrensmäßige Garantie hinaus hat Art. 101 I 2 nach der gefestigten Rspr. des BVerfG auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt, welcher garantiert, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist sowie die Gewähr für die Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfGE 21, 139 (145 f.); 89, 28 (36); 152, 332 (337 f.); BVerfG [K] NJW 2006, 3129 (3130); DVBl 2012, 963 (964); NJW 2012, 3228). Es soll sichergestellt werden, dass ausschließlich „gesetzliche“, dh den Anforderungen des Grundgesetzes entspr. Richter die Rechtsprechungsgewalt ausüben (vgl. BVerfGE 82, 286 (298)). Diese grundgesetzlichen Anforderungen an Richter bzw. die Rspr. sind vor allem in Art. 92 und 97 enthalten. Art. 101 I 2 verleiht den Prozessparteien damit das subjektive, verfassungsbeschwerdefähige Recht, dass diese materiellen Anforderungen an die Objektivität und Neutralität richterlicher Tätigkeit gewahrt werden (HStR V/Sodan § 113 Rn. 64).
2. Personeller Schutzbereich
Träger des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 I 2 ist jedermann (arg.: „niemand“). Da der Schutzzweck der Norm darin besteht, die objektiven Funktionsbedingungen der rechtsstaatlichen Rspr. zu sichern (vgl. BVerfGE 96, 231 (244)), kann sich jede Prozesspartei auf Art. 101 I 2 berufen; infolgedessen sind über Art. 19 III hinaus sogar ausländische juristische Personen (BVerfGE 18, 441 (447); 64, 1 (11)) sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts Trägerinnen des Art. 101 I 2 (BVerfGE 6, 45 (49); 61, 82 (104); 138, 64 (83); MKS/Classen Art. 101 Rn. 9 f.). Selbst ausländische Staaten können eine Verfassungsbeschwerde auf die Verletzung von Art. 101 I 2 stützen (BVerfG [K] NJW 2014, 1723 mwN). Hingegen dient die Norm nicht dem Schutz des übergangenen Richters (BVerfGE 15, 298 (301)).
3. Eingriffe in den Schutzbereich
Eingriffe in das Recht auf den gesetzlichen Richter sind vor allem Verstöße gegen die weitest mögliche Vorausbestimmung der Zuständigkeiten, dh insbes. das Fehlen oder die nicht hinreichende Klarheit solcher Regelungen (BVerfGE 95, 322 (329 f.)). Die Falschanwendung von Zuständigkeitsregeln ist hingegen erst dann ein Eingriff, wenn sie willkürlich oder unter grdl. Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Art. 101 erfolgt ist (s. etwa BVerfGE 3, 359 (364 f.); 29, 45 (48 f.); 82, 286 (299); 87, 282 (284 f.); 109, 13 (23 f.); 118, 212 (242); BVerfG [K] NJW 2012, 3228; NVwZ 2012, 426 (427 f.); 2012, 1033 f.; NJW 2014, 2417 (2418)). Die Nichtzulassung eines Rechtsmittels stellt einen Eingriff dar, „wenn die Entscheidung insoweit sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert“ (BVerfG [K] NVwZ 2016, 378 (379); vgl. ferner BVerfGE 42, 237 (241); 101, 331 (359 f.)). Der Willkürmaßstab gilt auch hinsichtlich einer Pflichtvorlage an den EuGH nach Art. 267 III AEUV (s. etwa BVerfGE 82, 159 (194 ff.); 126, 286 (315 ff.); 147, 364 (378 ff.); BVerfG [K] NVwZ 2008, 780; NJW 2010, 2419 (2420 f.); 2012, 1202 f.; 2014, 1945 f.; krit. Roth NVwZ 2009, 345 (349 ff.)), denn das Unionsrecht gebietet keinen strengeren Prüfungsmaßstab (vgl. BVerfG [K] NJW 2014, 2489 (2491)). Die Willkürkontrolle führt zu der Prüfung durch das BVerfG, ob „die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel […] bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist“ (BVerfG [K] NVwZ 2012, 297 (298); 2015, 52 (53); NJW 2016, 1010 (1011); 2016, 2401 (2402); nahezu wortgleich bereits BVerfGE 82, 159 (194); 126, 286 (315); 135, 155 (232); 152, 216 (245 f.)). In der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. haben sich drei nicht abschließende (BVerfG [K] NJW 2010, 1268 (1269); NVwZ 2012, 297 (298)) Fallgruppen dafür herausgebildet, dass die Vorlagepflicht unhaltbar gehandhabt wurde (BVerfGE 82, 159 (195 f.); 126, 286 (316 f.); BVerfG [K] NJW 2012, 598 (599); 2012, 1202 (1203); NVwZ 2012, 297 (298); 2012, 426 (427 f.); 2012, 1033 f.; 2015, 52 (53 f.); 2016, 378 (379)): Dies ist etwa der Fall, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt („grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht“). Ferner gilt dies in Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rspr. des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt („bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft“). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rspr. des EuGH noch nicht vor oder hat eine vorliegende Judikatur die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rspr. des EuGH nicht lediglich als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 I 2 nur beeinträchtigt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat („Unvollständigkeit der Rechtsprechung“). Dabei kommt es für die Prüfung nicht auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des materiellen Unionsrechts (so der Zweite Senat des BVerfG, vgl. BVerfGE 126, 286 (317); 135, 155 (232); s. ferner BVerfG [K] NJW 2012, 598 (599); NVwZ 2012, 426 (428)), sondern auf diejenige der Handhabung der Vorlagepflicht an (so der Erste Senat des BVerfG, vgl. BVerfGE 128, 157 (188); s. ferner BVerfG [K] NJW 2010, 1268 (1269); NVwZ 2012, 297 (298); s. hinsichtlich des Bezugspunktes der Vertretbarkeitsprüfung Britz NJW 2012, 1313 (1314 f.); Calliess NJW 2013, 1905 (1907 ff.)). Für die Nichtvorlage einer entscheidungserheblichen Frage zum Unionsrecht eines letztinstanzlichen Hauptsachegerichts ist damit maßgebend, ob die Lösung des nationalen Gerichts in vertretbarer Weise auf die bestehende Rspr. des EuGH zurückgeführt werden kann [„acte éclairé“] oder einer eindeutigen Rechtslage entspricht [„acte clair“] (BVerfGE 147, 364 (378 ff.); BVerfG BeckRS 2023, 36206 Rn. 67; Calliess NJW 2013, 1905 (1907 ff.) unter Verweis auf BVerfG [K] NZA 2013, 165 (166); s. auch Schaks NZS 2013, 841 (843 ff.)). Ein Eingriff in Art. 101 I 2 liegt ferner vor, wenn ein Fachgericht entgegen Art. 100 I die Vorlage zur Normenkontrolle an das BVerfG unterlässt, weil es eine unvertretbare verfassungskonforme Auslegung des betreffenden Gesetzes annimmt (BVerfGE 138, 64 (88 ff.)). Ebenso greifen die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters oder einer Person, die kein Richter ist (s. etwa BVerfGE 4, 412 (417); 30, 165 (167); 63, 77 (79 f.)) sowie die Nichtmitwirkung eines zuständigen Richters (BVerfGE 48, 246 (263); 91, 93 (117)) in den Schutzbereich ein. Kein Eingriff stellt indes die Überlastung des einzelnen Richters dar, etwa durch Zuweisung des Vorsitzes zweier Senate (BVerfG [K] DVBl 2012, 963 f.). Die Verhängung bzw. Verhängbarkeit einer Kriminalstrafe durch die Verwaltung verstößt gegen Art. 101 I 2, weil die Verurteilung zu einer solchen Strafe nach Art. 92 den Richtern vorbehalten ist (BVerfGE 22, 49 (73 ff.)). Hingegen wird Art. 101 I 2 nicht verletzt, wenn die Verwaltung nach strafrichterlicher Entziehung einer Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB und nach Ablauf oder Abkürzung der vom Strafrichter verhängten Sperrfrist (§ 69a StGB) die (Neu)erteilung der Fahrerlaubnis unter präventiven Gesichtspunkten vollumfänglich prüft (BVerfGE 20, 365 (369 f.)).
4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Art. 101 I 2 ist, abgesehen von Art. 101 II (Rn. 12), vorbehaltlos gewährleistet und kann daher nur durch verfassungsimmanente Schranken (vgl. Vor Art. 1 Rn. 53) beschränkt werden. Kollidierendes Verfassungsrecht, das eine Beschränkung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zuließe, ist schwer auszumachen.
III. Verbot von Ausnahmegerichten
Gem. Art. 101 I 1 sind „Ausnahmegerichte“ verboten. Ausnahmegerichte sind Spruchkörper, die in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle berufen sind (BVerfGE 3, 213 (223); 10, 200 (212)). Da ein Ausnahmegericht immer auch gegen Art. 101 I 2 verstößt, besteht der eigentliche Gehalt von Art. 101 I 1 vor allem in der Herausstellung des „ultimativen“ Eingriffs in Art. 101 I 2. Zugleich entzieht Art. 101 I 1 diesen Eingriff jeglicher Rechtfertigungsmöglichkeit („sind unzulässig“), mithin selbst der Rechtfertigung durch die für Art. 101 I 2 im Übrigen zumindest theoretisch in Betracht kommenden verfassungsimmanenten Schranken (Rn. 10).
IV. Sondergerichte
Art. 101 II erlaubt es, Gerichte für besondere Sachgebiete (Sondergerichte) durch formelles Gesetz zu errichten. Dieser Gesetzesvorbehalt umfasst nicht nur die Ordnung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, des Instanzenzuges und der Zusammensetzung der Spruchkörper, sondern erstreckt sich auch auf die Regelung der Auswahl und Ernennung der Richter; diese Voraussetzungen sind so wesentlich für den Charakter einer Gerichtsbarkeit, dass sie vom Gesetzgeber selbst geregelt werden müssen (BVerfGE 18, 241 (257)). Die Gerichte für besondere Sachgebiete müssen allen Voraussetzungen von Art. 92 und Art. 97 genügen (Sachs/Degenhart Art. 101 Rn. 25). Sie dürfen nur für besondere Sachgebiete, nicht aber für bestimmte Personengruppen errichtet werden, es sei denn die Beschränkung auf ein bestimmtes Sachgebiet bringt die Beschränkung auf eine bestimmte Personengruppe unvermeidlich mit sich (BVerfGE 26, 186 (192): Berufsrecht bestimmter Personengruppen, etwa der Rechtsanwälte). Sondergerichte in diesem Sinne sind insoweit etwa die Berufsgerichte der Ärzte oder sonstiger Freier Berufe, Ehrengerichte der Rechtsanwälte, Richterdienstgerichte, Disziplinargerichte für Beamte, Schifffahrtgerichte und Flurbereinigungsgerichte (v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger Art. 101 Rn. 54). Keine Sondergerichte sind die bereits in Art. 92 und 95 f. benannten Gerichte bzw. Gerichtsbarkeiten des Bundes (vgl. BVerfGE 26, 186 (192)). Wegen dieser abschließenden grundgesetzlichen Festlegung der Bundesgerichte sind Sondergerichte des Bundes unzulässig (BVerfGE 26, 186 (192)). Sondergerichte dürfen demgemäß nur auf Landesebene errichtet werden.