Zur Startseite navigieren

Artikel 87d [Luftverkehrsverwaltung]

(1) 1 Die Luftverkehrsverwaltung wird in Bundesverwaltung geführt. 2 Aufgaben der Flugsicherung können auch durch ausländische Flugsicherungsorganisationen wahrgenommen werden, die nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft zugelassen sind. 3 Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung übertragen werden.

I. Bundesverwaltung

Art. 87d I ist im Jahr 2009 neu gefasst worden (BGBl. 2009 I 2247), um im Zuge der europarechtlichen Ausgestaltung der Luftverkehrsverwaltung die Möglichkeit zu eröffnen, ausländische Organisationen mit der Flugsicherung zu betrauen. Gegenstand der Norm ist die Luftverkehrsverwaltung. Der Begriff des Luftverkehrs entspricht dem des Art. 73 I Nr. 6 (Art. 73 Rn. 14) und ist genauso weit auszulegen (Dreier/Hermes Art. 87d Rn. 19; BeckOK GG/Remmert Art. 87d Rn. 1). Erfasst ist nicht der Luftverkehrsbetrieb durch den Bund, gemeint sind nur Aufgaben der Verwaltung, wie etwa Maßnahmen zur Ordnung, Überwachung und Regulierung des Luftverkehrs (MKS/Horn Art. 87d Rn. 18). Erfasst ist auch die Abwehr von Gefahren ausgehend vom und für den Luftverkehr. Art. 87d I 1 verleiht dem Bund die Zuständigkeit für die Flugsicherung, aber auch für den Schutz vor Angriffen auf die Luftsicherheit, etwa durch Flugzeugentführungen und Sabotageakte (BVerfGE 97, 198 (226)). Aus Art. 87d I 1 folgt eine Gewährleistungsverantwortung des Bundes für die Sicherheit des Luftverkehrs.

Art. 87d I 1 ist eine anderweitige Regelung iSv Art. 30 Hs. 2 und Art. 83 Hs. 2. Er schreibt eine obligatorische Bundesverwaltung vor. Anders als Art. 87d I 1 aF, der ausdrücklich eine unmittelbare Bundesverwaltung verlangte, ermöglicht die Bestimmung nunmehr auch eine mittelbare Bundesverwaltung (BeckOK GG/Remmert Art. 87d Rn. 5; Hömig/Wolff/Wolff Art. 87d Rn. 2; Friauf/Höfling/Durner Art. 87d Rn. 15). Art. 87d I 1 ist lex specialis zu Art. 87 III (MKS/Horn Art. 87d Rn. 35; Dreier/Hermes Art. 87d Rn. 52).

Anders als die frühere Fassung der Bestimmung sieht Art. 87d I die Wahrnehmung von Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung in den Formen des Privatrechts nicht ausdrücklich vor. Da die Neufassung von Art. 87 I das Spektrum der zulässigen Organisationsformen jedoch nicht einengen, sondern erweitern will, ist auch die Alternative eröffnet, die Luftverkehrsverwaltung in privatrechtlicher Organisationsform durchzuführen (MKS/Horn Art. 87d Rn. 26). Bedient sich der Bund beliehener juristischer Personen des Privatrechts, muss aufgrund der Gewährleistungsverantwortung des Bundes (Rn. 1) sichergestellt sein, dass ihm über Kontroll- und Steuerungsrechte ein bestimmender Einfluss verbleibt (MKS/Horn Art. 87d Rn. 27). Da dies in der von BT und BR bereits beschlossenen Neufassung des Flugsicherungsgesetzes (BT-Drs. 16/240) nicht sichergestellt war, hatte der BPräsident dessen Ausfertigung im Jahr 2006 verweigert (BT-Drs. 16/3262).

II. Ausländische Flugsicherungsorganisationen

Nach Art. 87d I 2 können Aufgaben der Flugsicherung auf ausländische Flugsicherungsorganisationen übertragen werden. Diese Bestimmung dient zum einen der verfassungsrechtlichen Absicherung der in grenznahen Gebieten geübten Praxis, die Flugsicherung ausländischen Organisationen zu überlassen, und ermöglicht die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums (Single European Sky – SES) im Rahmen der EU (vgl. BeckOK GG/Remmert Art. 87d Rn. 8 ff.). Die EU will ein System errichten, das durch eine Trennung der Durchführung der Flugsicherung durch Flugsicherungsorganisationen von der Beaufsichtigung der Flugsicherung durch nationale Aufsichtsbehörden gekennzeichnet ist (vgl. Art. 4 VO [EG] Nr. 549/2004, ABl. 2004 L 96, 1; geänd. ABl. 2009 L 300, 34).

Bei der Flugsicherung handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Luftverkehrsverwaltung. Sie umfasst die sichere Abwicklung des Luftverkehrs, insbes. die Überwachung und Lenkung von Luftraumbewegungen (MKS/Horn Art. 87d Rn. 31; Dreier/Hermes Art. 87d Rn. 26). Flugsicherungsorganisationen sind private oder öffentliche Stellen, die derartige Dienste für den zivilen Luftverkehr erbringen (BeckOK GG/Remmert Art. 87d Rn. 8) und die nach dem Recht der EU zugelassen, dh, zertifiziert sind (vgl. Art. 7 VO [EG] Nr. 550/2004, ABl. 2004 L 96, 10; geänd. ABl. 2009 L 300, 34). Die wichtigste deutsche Flugsicherungsorganisation ist die auf der Grundlage von § 31b I LuftVG (neugefasst BGBl. 2007 I 698; zul. geänd. BGBl. 2023 I Nr. 272) durch RVO (BGBl. 1992 I 1928; zul. geänd. BGBl. 2021 I 1766) gegründete bundeseigene DFS Deutsche Flugsicherung GmbH.

Die Aufgaben der nationalen Aufsichtsbehörde nimmt in Deutschland das 2009 gegründete Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung wahr (BGBl. 2009 I 2424). Es handelt sich dabei um eine Bundesoberbehörde, die gem. den Vorgaben des EU-Rechts (Art. 4 II VO [EG] Nr. 549/2004; Rn. 4) von den Flugsicherungsorganisationen unabhängig und zumindest funktional getrennt ist. Die nationale Aufsichtsbehörde wird von der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt (vgl. Art. 75 II VO (EU) 2018/1139, ABl. 2018 L 212, 1).

III. Fakultative Auftragsverwaltung der Länder

Gem. dem Art. 87d II kann der Bund durch Gesetz, das der Zustimmung des BRats bedarf, Zuständigkeiten aus dem Bereich der Luftverkehrsverwaltung aus der bundeseigenen Verwaltung gem. Art. 87d I in die Auftragsverwaltung der Länder gem. Art. 85 überführen. Zustimmungsbedürftig sind nur Regelungen, die den Aufgabenbestand der Länder vergrößern (BVerfGE 126, 77 (103 f.)). Eine lediglich quantitative Vermehrung der Aufgabenlast löst hingegen keine Zustimmungspflicht aus (BVerfGE 126, 77 (105)). Art. 87d II gestattet keine vollständige Delegation auf die Länder (BVerfGE 97, 198 (227)). Der Bund kann sich auch für einen von Land zu Land unterschiedlichen Verwaltungsvollzug der Luftverkehrsregelungen entscheiden (BVerfGE 97, 198 (227)). Von seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz nach Art. 87d II hat der Bund in § 31 II LuftVG Gebrauch gemacht und den Ländern abschließend aufgezählte Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung zur Auftragsverwaltung übertragen.