Artikel 145 [Inkrafttreten des Grundgesetzes]
(1) Der Parlamentarische Rat stellt in öffentlicher Sitzung unter Mitwirkung der Abgeordneten Groß-Berlins die Annahme dieses Grundgesetzes fest, fertigt es aus und verkündet es.
(2) Dieses Grundgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Verkündung in Kraft.
(3) Es ist im Bundesgesetzblatte zu veröffentlichen.
I. Bedeutung der Norm
Art. 145 trifft – in Konkretisierung der Präambel – die abschließenden Regelungen zum Verfahren der Verfassunggebung und ist heute nur von verfassungsgeschichtlichem Interesse (SHH/Hopfauf Art. 145 Rn. 24). Art. 145 ist die einzige Norm des GG, die den ParlRat erwähnt; die Bezugnahme auf die Abgeordneten Groß-Berlins ist vor dem Hintergrund der alliierten Vorbehalte zu sehen (Art. 144 Rn. 4 f.).
II. Annahme, Ausfertigung, Verkündung und Veröffentlichung
Die in Art. 145 I geforderte Annahme des GG bezieht sich auf die gem. Art. 144 I notwendige Annahme durch die Volksvertretungen der Länder. Diese hat der ParlRat durch seinen Präsidenten Konrad Adenauer am 23.5.1949 festgestellt. Die Feststellung war rein deklaratorischer Natur (MKS/Unruh Art. 145 Rn. 5; Sachs/Huber Art. 145 Rn. 2). Die anschließende Ausfertigung erfolgte in derselben Sitzung mit der Unterzeichnung der Originalurkunde des GG durch die Mitglieder des ParlRats (mit Ausnahme zweier KPD-Mitglieder) sowie durch sämtliche Ministerpräsidenten und Landtagspräsidenten der beteiligten Länder (Dreier/Dreier Art. 145 Rn. 5 f.). Die Vertreter Berlins, denen im ParlRat nur eine beratende Stimme zugebilligt worden war, wirkten an der Ausfertigung des GG gleichberechtigt mit (v. Münch/Kunig/Kerkemeyer Art. 145 Rn. 9). Ebenfalls auf dieser Sitzung verkündete der Präsident des ParlRats ohne Verlesung des Textes das GG (Dreier/Dreier Art. 145 Rn. 8). Die Veröffentlichung im BGBl. 1949, 1 erfolgte am selben Tag (Art. 145 III). Auch sie hat, im Unterschied zu Art. 82, lediglich deklaratorischen Charakter (Friauf/Höfling/Höfling/Burkiczak Art. 145 Rn. 12).
III. Inkrafttreten
Das GG ist gem. Art. 145 II mit Ablauf des Tages der Verkündung in Kraft getreten, also am 23.5.1949 um 24.00 Uhr (Jauernig JZ 1989, 615 ff.; ihm folgend Dreier/Dreier Art. 145 Rn. 10; Sachs/Huber Art. 145 Rn. 5; für den 24.5.1949, 0.00 Uhr indes BeckOK GG/Hillgruber Art. 145 Rn. 2; für Identität v. Münch/Kunig/Kerkemeyer Art. 145 Rn. 10; die Rspr. des BVerfG schwankt zwischen beiden Daten, vgl. BVerfGE 2, 237 (258); 4, 331 (341); 157, 223 (276) einerseits und BVerfGE 2, 124 (135); 11, 126 (129) andererseits). Dieser Zeitpunkt markiert die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland. Auf die erst im Herbst 1949 erfolgte Konstituierung der Bundesorgane kam es insoweit nicht an (DHS/H. Klein Art. 145 Rn. 12; SHH/Hopfauf Art. 145 Rn. 20). Seither ist die deutsche Staatsgewalt unmittelbar an das GG gebunden (vgl. Art. 20 III, 1 III). Die Bindung am 23.5.1949 um 24.00 Uhr betraf alle bereits konstituierten Organe der Länder sowie die fortbestehenden Einrichtungen der Übergangszeit (BVerfGE 2, 237 (258)). Die Anforderungen des GG gelten für alle staatlichen Maßnahmen, die nach diesem Zeitpunkt durchgeführt werden (BVerfGE 4, 331 (341); 29, 166 (175 f.); 29, 413 (437)). Gesetze aus der Zeit vor dem Inkrafttreten müssen nur in materieller Hinsicht dem GG entsprechen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 145 Rn. 1; vgl. Art. 123).
Das Inkrafttreten des GG am 23.5.1949 bezog sich zunächst nur auf das Gebiet der an der Verfassunggebung beteiligten Länder und Berlin (West). Nicht beteiligt waren die Länder der SBZ sowie das der französischen Zone angehörende Saarland. Dieses erklärte zum 1.1.1957 auf der Grundlage des Art. 23 aF den Beitritt zum GG (BGBl. 1956 I 1011). In den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in Ostberlin trat das GG gem. Art. 3 EinigungsV (BGBl. 1990 II 889) zum 3.10.1990 um 0.00 Uhr in Kraft (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 145 Rn. 3). Allerdings galt für die ostdeutschen Länder bis 1996 eine Reihe von Übergangsregelungen (vgl. Art. 143).