Artikel 54 [Wahl durch die Bundesversammlung]
(1) 1 Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt. 2 Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.
(2) 1 Das Amt des Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. 2 Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig.
(3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.
(4) 1 Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeit des Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nach diesem Zeitpunkt zusammen. 2 Sie wird von dem Präsidenten des Bundestages einberufen.
(5) Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4 Satz 1 mit dem ersten Zusammentritt des Bundestages.
(6) 1 Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält. 2 Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.
(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
I. Stellung und Zuständigkeiten – Allgemeines
Der BPräsident (vgl. Voßkuhle/Schemmel JuS 2021, 118) ist zwar nicht „Protokollpräsident“, als Verfassungs- und oberstes Bundesorgan, aber rechtlich weit entscheidungsschwächer als der Reichspräsident nach der WRV. Insbes. steht ihm ein allg. Parlaments-„Auflösungs-„ und Notverordnungs-Recht nicht zu, Volksentscheide kann er nicht anordnen. Andererseits fehlt ihm die Legitimation der Volkswahl (Art. 41 WRV; vgl. MKS/Fink Art. 54 Rn. 1). Als solcher übt der BPräsident keine einheitliche Gewalt aus, sondern nur ein Bündel von Zuständigkeiten nach dem GG und den Gesetzen (zB Ordensverleihung). Er ist der vollziehenden Gewalt (Art. 20 III) zuzuordnen, da er zentrale gesetzgeberische oder richterliche Befugnisse nicht ausübt.
Problematisch sind Versuche, Stellung und Aufgaben des BPräsidenten allg. zu charakterisieren (vgl. Stern II, 217 ff., sowie BVerfG NVwZ 2014, 1156 (1158)). Er ist weder Inhaber eines „Pouvoir neutre“ (vgl. Sachs/Nierhaus Art. 54 Rn. 5) wie früher der Monarch – zu parteipolitischer Neutralität (vgl. BVerfGE 88, 359 (362 f.)) sind auch viele andere Staatsorgane, insbes. Gerichte, verpflichtet – noch „Hüter der Verfassung“ (iSv Carl Schmitt AöR 55 [1929], 161 (233 ff.)) wie das BVerfG. „Staatsoberhaupt“ ist er nach Völkerrecht (Art. 59). Spezielle „Integrationsaufgaben“ hat er nicht; die „Staatseinheit“ haben alle Staatsorgane zu wahren. „Repräsentation“ als Aufgabe ist Staatspraxis, allenfalls – im Einzelnen schwer fassbares – Verfassungsgewohnheitsrecht. „Staatsnotare“ sind auch BKanzler und BMinister (Gegenzeichnung). Eine allg. (Legalitäts-)Reservegewalt steht dem BPräsidenten nicht zu. Seine (verfassungs)gesetzlichen Zuständigkeiten lassen sich über derartige staatsrechtliche Systematisierungsversuche nicht erweitern.
II. Wahl durch die Bundesversammlung – Amt(szeit) – Wiederwahl
Die BVersammlung besteht hälftig aus BTags-Mitgliedern und von den Landtagen in Verhältniswahl Bestimmten (§ 54 III BPrWG; BGBl. 1959 III 1100), die nicht deren Mitglieder sein müssen; damit wird die demokratische Legitimation des schon nicht direkt vom Volk gewählten BPräsidenten (weiter) geschwächt (Sachs/Nierhaus Art. 54 Rn. 10). Die BVersammlung tritt innerhalb der Frist des Art. 54 IV zusammen und dient als Kreationsorgan ausschließlich der Aufgabe, den Bundespräsidenten zu wählen (BVerfG NVwZ 2014, 1149 (1152 f.)). Die Rechtsstellung ihrer Mitglieder sowie deren Aufgaben entsprechen nicht denjenigen der Mitglieder des BTags, so dass die Bestimmungen des Art. 38 I 2, II nicht übertragbar sind (vgl. BVerfG NVwZ 2014, 1149 (1152 f.); 2015, 216 (217)). Wählbar ist jeder Deutsche (Art. 116), der das aktive und passive Wahlrecht zum BT besitzt (Art. 38 III GG, §§ 12 ff. BWG), das 40. Lebensjahr vollendet hat, und nicht schon während zwei zusammenhängender Amtszeiten BPräsident war. Wahlvorschläge kann jedes Mitglied der BVersammlung für jeden Wahlgang machen (näher § 9 BPrWG). Eine Aussprache findet nicht statt (Art. 54 I), gewählt wird mit verdeckten Stimmzetteln (§ 9 III BPrWG). Gewählt ist, wer im ersten und zweiten Wahlgang die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der BVersammlung erhält, oder nach den beiden ersten in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen der Anwesenden (Art. 54 VI).
Die Amtszeit des BPräsidenten beträgt 5 Jahre (Art. 54 II). Sie beginnt ohne Ernennung mit Ablauf der Amtszeit des Vorgängers und Eingang der Annahmeerklärung beim BTags-Präsidenten (§ 9 IV BPrWG). An die Amtszeit anschließende Wiederwahl ist nur einmal möglich; nach Wahl (mindestens) einer anderen Person – nicht erst nach deren fünfjähriger Amtszeit (str.; vgl. MKS/Fink Art. 54 Rn. 33) – sind weitere zwei Wahl(perioden) zulässig. Der BPräsident hat ein öffentliches Amt inne, das nur durch das GG geregelt ist. BMinG und Beamtengesetze sind unanwendbar (Ausnahme: Geheimhaltungspflicht).