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Artikel 89 [Bundeswasserstraßen]

(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen.

(2) 1 Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. 2 Er nimmt die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die Aufgaben der Seeschiffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. 3 Er kann die Verwaltung von Bundeswasserstraßen, soweit sie im Gebiete eines Landes liegen, diesem Lande auf Antrag als Auftragsverwaltung übertragen. 4 Berührt eine Wasserstraße das Gebiet mehrerer Länder, so kann der Bund das Land beauftragen, für das die beteiligten Länder es beantragen.

(3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau und dem Neubau von Wasserstraßen sind die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren.

I. Allgemeines

Art. 89 I regelt die Eigentumslage an früheren Reichswasserstraßen. Art. 89 II und III treffen Regelungen über die Zuständigkeiten für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen, wobei Art. 89 III zugleich materielle Vorgaben für die Verwaltung enthält.

II. Bundeseigentum an Reichswasserstraßen

Nach Art. 89 I ist der Bund Eigentümer der früheren Reichswasserstraßen. Das Eigentum an diesen Wasserstraßen ist mit Inkrafttreten des GG, also zum 24.5.1949, 0.00 Uhr, auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die Regelung erfasst die bei Inkrafttreten des GG in dessen damaligem Geltungsbereich belegenen Reichswasserstraßen, nicht hingegen die Reichswasserstraßen auf dem früheren Gebiet der DDR (MKS/Ibler Art. 89 Rn. 12; Sachs/Sachs Art. 89 Rn. 17; aA BVerwGE 102, 74 (77); Friesecke LKV 1991, 129 (130)). Zu den Wasserstraßen iSd Vorschrift zählen Wasserläufe, Binnenwasser- sowie Seewasserstraßen, die dem allg. Verkehr dienen.

Art. 89 I regelt den Übergang des privatrechtlichen Eigentums. Der Eigentumsübergang ist unmittelbar kraft Verfassungsrechts erfolgt. Der Eigentumserwerb an den Reichswasserstraßen erstreckt sich auf das Flussbett einschließlich der nach damaligem Recht dazugehörenden Zubehörstücke, soweit diese für die Verwaltung nötig sind (DHS/Gröpl Art. 89 Rn. 31). Art. 89 I verlangt nicht, dass das Bundeseigentum an diesen Wasserstraßen auf Dauer fortbesteht (DHS/Gröpl Art. 89 Rn. 38; aA BeckOK GG/Remmert Art. 89 Rn. 6). Eigentum und Verwaltungsträgerschaft können daher auseinanderfallen (Sachs/Sachs Art. 89 Rn. 13 ff.).

III. Verwaltung der Bundeswasserstraßen

1. Bundeseigene Verwaltung

Nach Art. 89 II 1 iVm Art. 87 I 1 verwaltet der Bund die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden, also im Wege der unmittelbaren bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau; eine mittelbare Bundesverwaltung ist damit ausgeschlossen (v. Münch/Kunig/Bickenbach Art. 89 Rn. 47; Dreier/Hermes Art. 89 Rn. 20; Friauf/Höfling/Durner Art. 89 Rn. 33). Zur Verwaltung der Bundeswasserstraßen bestehen derzeit als Oberbehörden u. a. die Bundesanstalt für Wasserbau und die Bundesanstalt für Gewässerkunde, als Mittelbehörde die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt sowie als Unterbehörden die Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter und die Wasserstraßen-Neubauämter.

Die Verwaltungskompetenz des Bundes umfasst die Unterhaltung, den Aus- und Neubau der Bundeswasserstraßen (BGHZ 86, 152 (158 f.)). Ebenso zählen dazu die Strompolizei, die Seenotrettung und das Betreiben von Schifffahrtszeichen (v. Münch/Kunig/Bickenbach Art. 89 Rn. 71 ff.).

2. Fakultative Auftragsverwaltung eines Landes

Nach Art. 89 II 3, 4 kann die Verwaltung von Bundeswasserstraßen auf Antrag eines oder mehrerer Länder einem Land als Auftragsverwaltung iSv Art. 85 fakultativ übertragen werden. Bei der Entscheidung, für die ein Übertragungsakt der BReg ausreicht, steht dieser Ermessen zu (MKS/Ibler Art. 89 Rn. 68; v. Münch/Kunig/Bickenbach Art. 89 Rn. 54).

Art. 89 II 3 sieht dabei vor, dass die Übertragung der Verwaltungszuständigkeit auf ein Land zulässig ist hinsichtlich von Bundeswasserstraßen, die im Gebiet des antragstellenden Landes liegen. Eine Übertragung von Zuständigkeiten für Wasserstraßen außerhalb des Landesgebiets ist nach Art. 89 II 3 nicht gestattet (Sachs/Sachs Art. 89 Rn. 28). Nach Art. 89 II 4 kann für Bundeswasserstraßen, die das Gebiet mehrerer Länder berühren, die Verwaltung auf gemeinsamen Antrag der beteiligten Länder hin auf ein einziges Land übertragen werden. Dies bedeutet, dass das beauftragte Land im Gebiet anderer Länder Staatsgewalt ausüben kann. Dabei handelt es sich um eine föderative Sonderregelung, die eine Ausnahme von der klassischen Auftragsverwaltung nach Art. 85 darstellt.

3. Einvernehmen mit den Ländern

Nach Art. 89 III sind bei der Wasserstraßenverwaltung die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft zu wahren. Dies bedeutet eine materielle Bindung des jew. Verwaltungsträgers bei der Wahrnehmung von Verwaltungskompetenzen. Mit dem Begriff „Landeskultur“ ist die geordnete Bewirtschaftung der vorhandenen Flächen zum Zwecke der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei angesprochen. Wasserwirtschaft ist die rechtliche Ordnung des Wasserhaushalts und dient dazu, den Wasserhaushalt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen (BVerwGE 116, 175 (177 ff.)).

Wird der Bund nach Art. 89 II 1 verwaltend tätig oder nimmt er im Falle der Auftragsverwaltung nach Art. 89 II 3, 4 Einwirkungsbefugnisse gem. Art. 85 wahr, muss er gem. Art. 89 III hinsichtlich der zu wahrenden Belange im Einvernehmen mit den betroffenen Ländern handeln, dh, er muss eine volle Willensübereinstimmung herstellen (BVerwGE 57, 98 (101)). Auch das nach Art. 89 II 4 im Wege der Auftragsverwaltung handelnde Land trifft die Pflicht, das Einvernehmen mit den anderen betroffenen Ländern herzustellen.

IV. Landesüberschreitende Schifffahrtsverwaltung

Die Verwaltung der Binnen- und Seeschifffahrt unterliegt nach Art. 83 grds. der Landesverwaltung. Fakultativ kann der Bund nach Art. 89 II 2 die über den Bereich eines Landes hinausgehenden Aufgaben der Binnen- und Seeschifffahrt wahrnehmen, wenn ein entspr. Bundesgesetz ihn hierzu ermächtigt. Es handelt sich um einen Fall fakultativer Bundesverwaltung, wobei der Bund gem. Art. 87 I 1 auf eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau festgelegt ist. Die Verwaltung der länderüberschreitenden Binnenschifffahrt ist dem Bund durch Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt (BGBl. 2001 I 2026, neugefasst BGBl. 2023 I Nr. 82; geänd. BGBl. 2023 I Nr. 409) übertragen worden. Für die Seeschifffahrt gilt entspr. das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt (BGBl. 2002 I 2876, neugefasst BGBl. 2016 I 1489; zul. geänd. BGBl. 2023 I Nr. 73).