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Artikel 24 [Zwischenstaatliche Einrichtungen; kollektives Sicherheitssystem]

(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.

(1a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen.

(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.

(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.

I. Bedeutung der Norm

Art. 24 regelt die sog. Integrationsgewalt und ist sowohl Staatszielbestimmung als auch Ermächtigungsnorm (DHS/Calliess Art. 24 I Rn. 22 ff.; aA hinsichtlich Staatszielbestimmung BK/Sauer Art. 24 Rn. 30). Die deutsche öffentliche Gewalt wird mit Art. 24 programmatisch auf die int. Zusammenarbeit festgelegt (BVerfGE 111, 307 (318)). Die Bundesrepublik Deutschland soll sich als gleichberechtigtes, friedliebendes Glied in die Staatengemeinschaft einordnen und zu diesem Zweck zwischenstaatlichen Einrichtungen beitreten (JöR 1 [1951], 226; BVerfGE 63, 343 (370)). Konkrete Pflichten – iSe Ergebnisgarantie – fließen aus Art. 24 jedoch nicht, da die zuständigen Staatsorgane über einen außenpolitischen Gestaltungsspielraum verfügen (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 1; DHS/Calliess Art. 24 I Rn. 26); lediglich Art. 23 schreibt die Mitwirkung an der EU verbindlich vor (Art. 23 Rn. 3). Würde sich die Bundesrepublik einer int. Zusammenarbeit im Dienst des Weltfriedens völlig verweigern, könnte eine solche Außenpolitik aber als Verstoß gegen Art. 24 angesehen werden (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 10). Praktisch gewichtiger als die in Art. 24 I enthaltene Zielbestimmung der kooperationsoffenen deutschen Staatlichkeit (Vogel, Die Verfassungsentscheidung für die int. Zusammenarbeit, 1964, 42) ist die Funktion von Art. 24 I und II als Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung von Hoheitsrechten. Im Jahr 1992 wurde der Wortlaut des Art. 24 um Abs. 1a ergänzt (BGBl. 1992 I 2086), um es den Ländern zu ermöglichen, im Rahmen der grenznachbarschaftlichen Zusammenarbeit Hoheitsrechte zu übertragen.

Bis zur Einführung des Art. 23 nF erfolgte die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland am Prozess der europäischen Einigung auf der Grundlage der Integrationsermächtigung des Art. 24 I. Die (ehemalige) E(W)G, die (seit 2002 aufgelöste) EGKS und die EAG wurden insofern verfassungsrechtlich als zwischenstaatliche Einrichtungen verstanden (Schmahl BayVBl. 2012, 1 (2)). Dieser bedeutsame Anwendungsfall des Art. 24 I ist jedoch entfallen, seit 1992 mit Art. 23 nF eine eigene spezialgesetzliche Grundlage für die europäische Integration geschaffen wurde (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 3; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 3). Als zwischenstaatliche Einrichtungen iSd Art. 24 I verbleiben heute vor allem Eurocontrol (dazu BVerfGE 58, 1 (31); 59, 63 (86 f.); BVerwGE 54, 291 (294)), die Europäische Kernenergie-Agentur, die Moselkommission, die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, die Europäische Patentorganisation (BVerfG [K] NVwZ 2006, 1403 (1404); NVwZ 2010, 641 (642)) sowie der Int. Seegerichtshof, der IStrGH und die vom UN-Sicherheitsrat eingesetzten ehemaligen Ad-hoc-Straftribunale für Ruanda und Jugoslawien (im Einzelnen Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 30 ff.; v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 57 ff.). Die Europäischen Schulen hat das BVerfG umstandslos Art. 24 – und nicht Art. 23 – zugeordnet (BVerfGE 149, 346 (360 f.)), obwohl das entspr. Übereinkommen auch von der EU ratifiziert wurde und es eine Schiedsklausel zugunsten des EuGH enthält (zu Recht krit. Stern/Sodan/Möstl/Gundel § 18 Rn. 24, Fn. 73). Strittig ist die Einordnung als zwischenstaatliche Einrichtung bei der NATO (bejahend BVerfGE 68, 1 (93); HStR X/Wolfrum § 221 Rn. 19; vgl. aber auch BVerfGE 90, 286 (350 f.); verneinend HStR VII/Tomuschat, 1. Aufl. 1992, § 172 Rn. 47), dem Exekutivausschuss nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (bejahend DHS/Randelzhofer, 30. EL, Art. 24 I Rn. 192 f.; verneinend BT-Drs. 12/2453, 99) und die Behandlung der Entscheidungen von Schiedsgerichten im Investitionsschutzbereich (näher Stoll/Holterhus/Gött, Investitionsschutz und Verfassung, 2017, 49 ff.; Grzeszick/Hettche AöR 141 [2016], 225 (258 ff.)). Keine zwischenstaatliche Einrichtung ist der EGMR, da dessen (endgültigen) Urteile keine unmittelbare Durchgriffswirkung auf die nationale Rechtsordnung entfalten (Grabenwarter/Pabel EMRK § 16 Rn. 3 ff.); damit unterscheidet sich der EGMR von den (früheren) internationalen Ad-hoc-Straftribunalen und dem IStrGH, deren Urteile dem Bürger gegenüber unmittelbar wirksame Hoheitsakte darstellen (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 28; aA Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 34). Art. 24 II ist insbes. für die deutsche Beteiligung am kollektiven Friedenssicherungssystem der VN und auch für die deutsche Beteiligung an der NATO relevant (BVerfGE 90, 286 (349); 104, 151 (195); 121, 135 (156)). Art. 24 III ist bislang nicht zur Anwendung gelangt.

II. Materieller Gehalt von Art. 24 I

1. Begriff der Hoheitsrechte

Art. 24 I ermöglicht dem Bund die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen durch Gesetz. Unter „Hoheitsrecht“ ist jede Kompetenz zur Ausübung öffentlicher Gewalt im innerstaatlichen Bereich zu verstehen. Es kann sich um Akte der Legislative, der Exekutive oder der Judikative handeln (BK/Sauer Art. 24 Rn. 33). Im Bereich der Rspr. können auch Kompetenzen zur Rechtsfortbildung übertragen werden (BVerfGE 75, 223 (242)). Der Bund kann auch über die innerstaatlich den Ländern zustehenden Hoheitsrechte verfügen (vgl. Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 26; MKS/Classen Art. 24 Rn. 4 sowie – implizit – BVerfGE 92, 203 (230, 238 ff.)). Obgleich im ParlRat erkannt worden war, dass eine vom Bund vorgenommene Übertragung von Hoheitsrechten ggf. Kompetenzen der Länder beeinträchtigen kann, ist eine deshalb geforderte Zustimmung des BR in Art. 24 I nicht festgeschrieben worden (JöR 1 [1951], 226).

Für eine „Übertragung“, präziser: für eine Einräumung von Hoheitsrechten (Rn. 5), ist erforderlich, dass sich die auf die Einrichtung übertragene Rechtsgestaltungskompetenz direkt auf den innerstaatlichen Bereich auswirkt, also unmittelbare Rechtsbefehle an den Bürger und/oder die deutschen Rechtsanwendungsorgane erteilt werden (BVerfGE 37, 271 (280); 73, 339 (374)). Demgegenüber stellt die Befugnis einer zwischenstaatlichen Einrichtung, den Staat als solchen lediglich völkerrechtlich zu verpflichten, kein Hoheitsrecht iSv Art. 24 I dar (Dreier/Pernice, 2. Aufl. 2006, Art. 24 Rn. 25; v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 35 f.; aA Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 28 f.; Schorkopf, StaatsR int. Beziehungen, § 2 Rn. 140). Die innerstaatliche Rechtsordnung wird in einem solchen Fall, etwa bei einem nach Art. 25 SVN verbindlichen Beschluss des UN-Sicherheitsrats, erst durch staatliche Durchführungsvorschriften tangiert (Proelß VölkerR/Schmahl, Abschn. 4 Rn. 151). Ausnahmsweise liegt ein eingeräumtes Hoheitsrecht aber auch in der Befugnis einer zwischenstaatlichen Einrichtung zu schlicht-hoheitlichem Handeln, wenn es sich dabei um eine als wesentlich einzustufende faktische Einwirkung in den innerstaatlichen Rechtsraum handelt (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 14, 16; offengelassen in BVerfGE 163, 165 (218 ff.)). So war etwa eine Hoheitsrechtsübertragung darin zu sehen, dass die Bundesrepublik einem fremden Staat im Rahmen der NATO die Stationierung von Waffen auf deutschem Gebiet erlaubt und diesem Staat auch die Kompetenz eingeräumt hatte, im Ernstfall allein über den Waffeneinsatz zu entscheiden (BVerfGE 68, 1 (94); 77, 170 (233 f.); krit. v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 36).

2. Übertragung von Hoheitsrechten

Der Ausdruck der Übertragung von Hoheitsrechten ist ungenau (eingehend Schiffbauer AöR 141 [2016], 551 (553 ff.)). Ein auf der Grundlage des Art. 24 I erlassenes „Übertragungsgesetz“ enthält eine Kompetenzzuweisung an die betreffende zwischenstaatliche Einrichtung und zugleich die Rücknahme des grds. ausschließlichen Herrschaftsanspruchs der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des GG. Damit wird der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle Raum gelassen (BVerfGE 37, 271 (280); 58, 1 (28); 68, 1 (90); 73, 339 (374 f.); Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 21, 47). Diese Öffnung bedeutet keinen – auch keinen partiellen – substantiellen Verzicht auf deutsche Hoheitsgewalt, der unwiderruflich wäre (BVerfGE 68, 1 (93)). Die Übertragung von Hoheitsrechten auf eine zwischenstaatliche Einrichtung führt nicht zu einem dinglichen Souveränitätsverlust, sondern ist lediglich ein Ausübungsverzicht, der durch einen „actus contrarius“ (Aufhebungsgesetz) staatsrechtlich wieder rückgängig gemacht werden könnte (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 5; BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 24 Rn. 11). Eine gewisse zeitliche Bindung ist bei Art. 24 I aber vonnöten (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 18; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 5).

Dem Recht der Einrichtung, auf die Hoheitsgewalt übertragen wird, kann mittels eines entspr. Rechtsanwendungsbefehls nach Art. 59 II 1 Anwendungsvorrang vor dem innerstaatlichen Recht beigelegt werden. Art. 24 I ordnet zwar nicht schon selbst unmittelbare Geltung und Vorrang des von der Einrichtung gesetzten Rechts an. Die Norm gestattet es aber, eine in den Gründungsverträgen zwischenstaatlicher Einrichtungen enthaltene Vorrangregel durch das Zustimmungsgesetz in die innerstaatliche Rechtsordnung aufzunehmen (BVerfGE 31, 145 (173 f.); 73, 339 (374 f.); 123, 267 (402); SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 9; Hömig/Wolff/Wolff Art. 24 Rn. 3; zur EU Art. 23 Rn. 18).

3. Übertragung durch Gesetz

Es ist zu eng formuliert, wenn Art. 24 I von der Übertragung der Hoheitsrechte „durch Gesetz“ spricht. Zwischenstaatliche Einrichtungen können nicht durch unilaterale Rechtsakte des deutschen Gesetzgebers, sondern nur durch völkerrechtlichen Vertrag gegründet und mit bestimmten Hoheitsrechten ausgestattet werden (vgl. BVerfGE 2, 347 (377 f.)). Das Übertragungsgesetz billigt die völkerrechtliche Vereinbarung und ist zugleich rechtsanwendungserteilendes Zustimmungsgesetz iSd Art. 59 II 1 (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 24; SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 5; Art. 59 Rn. 10). Für den Übertragungsakt des Art. 24 I bedarf es eines Bundesgesetzes im formellen Sinne; eine Hoheitsrechtsübertragung durch RVO ist ebenso ausgeschlossen wie eine Übertragung durch Landesgesetz (BVerfGE 58, 1 (35 f.)). Durch RVO soll aber der Zeitpunkt der Übertragung festgesetzt werden können (BVerwGE 54, 291 (299)).

Der Parlamentsvorbehalt in Art. 24 I dient dem Demokratieprinzip (Art. 20 I, II) und hat auch rechtsstaatliche Funktion mit individualschützender Wirkung (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 19 f.). Eine Generalermächtigung verstieße gegen Art. 38 (BVerfGE 89, 155 (171, 182); 123, 267 (351)). Es genügt aber, wenn durch das Vertragsgesetz die Möglichkeit einer Übertragung von Hoheitsrechten mit hinreichender Bestimmtheit vorgesehen ist und weitere Vollzugsschritte noch offenbleiben (BVerfGE 58, 1 (37)). Lediglich das Integrationsprogramm muss die Rechte und Pflichten, die der Bundesrepublik daraus erwachsen, hinreichend voraussehbar normieren (BVerfGE 58, 1 (37); 68, 1 (98 f.); 77, 170 (232); 89, 155 (187 ff.); 123, 267 (351 ff.)). An diese Bestimmtheit ist nicht derselbe Maßstab wie bei rein nationalen Sachverhalten anzulegen, sondern es ist der Eigenart des im Vertrag geregelten Lebenssachverhaltes und der Praktikabilität im int. Bereich Rechnung zu tragen (BVerfGE 68, 1 (99); 90, 286 (350); krit. Umbach/Clemens/Deiseroth Art. 24 Rn. 70). Wesentliche Änderungen des im Gründungsvertrag vorgezeichneten Integrationsprogramms sind hingegen nicht mehr vom ursprünglichen Zustimmungsgesetz gedeckt (BVerfGE 68, 1 (98 f.); vgl. aber auch BVerfGE 104, 151 (209 f.); sowie Rn. 21). Zur EU Art. 23 Rn. 24 ff.

Anders als im Rahmen von Art. 23 I 2 (Art. 23 Rn. 20) genügt für die Hoheitsrechtsübertragung nach Art. 24 I ein einfaches Gesetz, obgleich es sich auch hier in den innerstaatlichen Auswirkungen um eine materielle Verfassungsänderung handelt. Es bedarf keiner verfassungsändernden Mehrheiten im BT oder BR nach Art. 79 II, auch keiner Ergänzung des Wortlauts des GG nach Art. 79 I (v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 42). Im Gegensatz zu Art. 23 I 2 ist auch nicht die Zustimmung des BR vorgeschrieben, und zwar selbst dann nicht, wenn die übertragenen Hoheitsrechte innerstaatlich den Ländern zugewiesen sind (BK/Sauer Art. 24 Rn. 84). Da das Übertragungsgesetz aber zugleich auch Vertragsgesetz iSd Art. 59 II 1 ist, kann die Zustimmungsbedürftigkeit aus dieser Norm folgen (DHS/Calliess Art. 24 I Rn. 56; aA Dreier/Pernice, 2. Aufl. 2006, Art. 24 Rn. 30; diff. Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 36). Die insgesamt geringeren Anforderungen, die Art. 24 I im Verhältnis zu Art. 23 etabliert, lassen sich mit der sektoral begrenzten Hoheitsrechtsübertragung erklären (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 22).

4. Adressat des Übertragungsaktes: Zwischenstaatliche Einrichtung

Art. 24 I erlaubt die Übertragung von Hoheitsrechten an zwischenstaatliche Einrichtungen. Erfasst werden davon sowohl int. Organisationen als auch int. Organe, soweit sie durch völkerrechtlichen Vertrag geschaffen wurden und den Regeln des Völkerrechts unterstehen (Beispiele hierfür Rn. 2; teilweise abweichend BK/Sauer Art. 32 Rn. 96). Auf die Rechtsfähigkeit des Organs kommt es nicht an (MKS/Classen Art. 24 Rn. 20). Daher ist auch die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt als Einrichtung iSv Art. 24 I anzusehen (Umbach/Clemens/Deiseroth Art. 24 Rn. 134). Dasselbe gilt für das Europäische Patentamt hinsichtlich der Erteilung europäischer Patente (BGHZ 102, 118). Ungeachtet des Begriffs „zwischenstaatlich“ dürfen außer Staaten auch andere Völkerrechtssubjekte an dem völkerrechtlichen Gründungsvertrag der Einrichtung beteiligt sein (DHS/Randelzhofer, 30. EL, Art. 24 I Rn. 44). Voraussetzung ist aber, dass es sich um Einrichtungen handelt, an denen die Bundesrepublik selbst – entweder vom Vertragsschluss an oder durch späteren Beitritt – diskriminierungsfrei beteiligt ist (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 7). Nicht unter Art. 24 I fallen Einrichtungen, die dem Recht oder der Aufsicht eines Staates unterstehen (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 20). Deshalb war die durch einen Vertrag zwischen dem Land Baden und der Straßburger Hafenbehörde installierte gemeinsame Verwaltung des Kehler Hafens keine zwischenstaatliche Einrichtung, denn sie unterstand deutscher Staatsaufsicht und deutschem Recht (vgl. BVerfGE 2, 347 (377 f.)). Auch nichtstaatliche Organisationen wie das IOC werden von Art. 24 I nicht erfasst (Friauf/Höfling/Hobe Art. 24 Rn. 21; BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 24 Rn. 12).

Ob und in welchem Kontext Hoheitsrechte auf einen anderen Staat übertragen werden dürfen, wird von Art. 24 nicht geregelt. Art. 24 dürfte gleichwohl Sperrwirkung für solche Hoheitsrechtsübertragungen entfalten, die weder von der lex specialis des Art. 23 noch von Art. 24 erfasst sind (Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 33; SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 14; aA MKS/Classen Art. 24 Rn. 65 f.). Das LG Konstanz hat die Übertragung der hoheitlichen Flugsicherungsaufgabe (Art. 87d) auf ein privates Schweizer Unternehmen für unzulässig gehalten (LG Konstanz BeckRS 2007, 11147 (Rn. 3); vgl. nunmehr aber Art. 87d I 2 idF v. BGBl. 2009 I 2424). Auch das BVerfG musste im „Pershing“-Urteil den US-Präsidenten zu einem „besonderen Organ“ der NATO deklarieren (BVerfGE 68, 1 (92)), um die ihm eingeräumte Befugnis, selbstständig über den Einsatz der in Deutschland stationierten Nuklearwaffen zu entscheiden, nicht als unzulässige Übertragung von Hoheitsrechten an die USA, sondern an die NATO als zwischenstaatliche Einrichtung qualifizieren zu können (krit. Umbach/Clemens/Deiseroth Art. 24 Rn. 35, 56). Anderes gilt, wenn es um die Nutzung von Organen eines anderen Mitgliedstaates durch die Einrichtung geht. Es begegnet im Blick auf Art. 24 I keinen grds. Bedenken, wenn Rechtsschutz gegen Akte einer int. Einrichtung durch die Gerichte eines Mitgliedstaats ausgeübt wird (BVerfGE 58, 1 (42)).

5. Materielle Schranken der Integrationsermächtigung

Obgleich die Integrationsermächtigung des Art. 24 I dem Gesetzgeber ein Ermessen einräumt, gilt dieses nicht schrankenlos (BVerfGE 58, 1 (40)). Wie bei jeder Verfassungsbestimmung sind auch bei Art. 24 I die fundamentalen Bestandteile des Verfassungsgefüges zu beachten. Deshalb gestattet Art. 24 I es nicht, den Grundrechtsteil des GG vorbehaltlos zu relativieren (BVerfGE 37, 271 (279 f.); 58, 1 (30 ff.); 73, 339 (376); 149, 346 (360 f.); 163, 363 (426)). Die absolute Grenze der Übertragung von Hoheitsgewalt bilden die durch Art. 79 III geschützten Verfassungsfundamente (BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 23 Rn. 21; krit. BK/Sauer Art. 24 Rn. 169); diese dürfen weder aufgegeben noch ausgehöhlt werden (BVerfGE 73, 339 (375 f.); BGHZ 102, 118 (122 f.); HStR VII/Mosler, 1. Aufl. 1992, § 175 Rn. 67). Werden die materiellen Grenzen der Übertragung nicht beachtet, weil die zwischenstaatliche Ordnung erhebliche strukturelle Defizite aufweist, ist das Übertragungsgesetz innerstaatlich unwirksam (BVerfGE 89, 155 (174 f.)). Die Anforderungen des GG erfordern darüber hinaus auch beim Vollzug des Integrationsprogramms Beachtung (BVerfGE 149, 346 (362)). Eine verfassungswidrige Anwendungspraxis soll nach Ansicht des BVerfG sogar dazu führen, dass ein zunächst verfassungsmäßiges Integrationsgesetz nachträglich verfassungswidrig wird (BVerfGE 133, 168 (233 f.); 143, 216 (245); 149, 346 (362)). In diesem Sinne überträgt das BVerfG die im Rahmen von Art. 23 entwickelte Rechtsfigur der Integrationsverantwortung (Art. 23 Rn. 20, 26) auch auf Art. 24 I (BVerfGE 163, 363 (424 ff.)) und legt sie darüber hinaus extensiv aus. Diese Auffassung ist überschießend, da es verfassungsrechtlich ausreichend ist, wie bei Art. 23 dem einzelnen „ausbrechenden Rechtsakt“ die Anwendung zu verweigern (Art. 23 Rn. 29 ff.), ohne die gesamte Beteiligung der Bundesrepublik an der zwischenstaatlichen Einrichtung dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu unterstellen (zutr. v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 53).

Der Bund darf sich innerhalb der zwischenstaatlichen Einrichtung keiner diskriminierenden Behandlung unterwerfen (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 21). Dies schließt nicht aus, dass die Einrichtung verbindliche Mehrheitsbeschlüsse treffen darf; es ist nach Art. 24 I nicht erforderlich, dass den deutschen Vertretern in den Organen der Einrichtung durch Geltung des Einstimmigkeitsprinzips ein Vetorecht zukommt (BVerfGE 89, 155 (182 ff.)). Auch ist es nicht geboten, dass der Bundesrepublik in den Organen der Einrichtung dasselbe Stimmgewicht zusteht wie anderen Mitgliedstaaten (MKS/Classen Art. 23 Rn. 21). UU kann es sogar reichen, dass die Vertreter Deutschlands nur eine beratende Funktion wahrnehmen (BVerfGE 68, 1 (95); Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 45).

6. Rechtsschutzfragen

Die Gewährung innerstaatlichen Rechtsschutzes gegen Handlungen zwischenstaatlicher Einrichtungen liefe dem Telos von Art. 24 I zuwider, da sie die Funktionsfähigkeit der Einrichtung beeinträchtigen könnte, zumal sie das Risiko eines ungleichmäßigen Rechtsschutzes in den einzelnen Mitgliedstaaten birgt (BVerfGE 22, 293 (298); 58, 1 (28)). Der Wegfall des deutschen (Grund-)Rechtsschutzes muss aber durch einen im Wesentlichen vergleichbaren Rechtsschutz auf anderer Ebene ausgeglichen werden (BVerfGE 58, 1 (40 f.); 73, 339 (376); 149, 346 (364 ff.)). Dies kann durch gerichtsförmige Organe der zwischenstaatlichen Einrichtung selbst erfolgen (zur Unionsgerichtsbarkeit Art. 23 Rn. 29 ff., vgl. auch EGMR EuGRZ 2006, 197 (202)), durch Rechtsschutz eines anderen Mitgliedstaates der zwischenstaatlichen Einrichtung (BVerfGE 58, 1 (42 f.)) oder einer anderen int. Organisation (BVerfGE 59, 63 (85 ff.); 149, 346 (364, 367 ff.); 163, 363 (423 ff.); vgl. auch EGMR EuGRZ 1999, 207 (Rn. 67), sowie einschränkend EGMR NVwZ 2008, 645 (650)). Das BVerfG entscheidet über Verfassungsbeschwerden gegen internationale Rechtsakte nur, wenn ihre Begründung nahelegt, dass im Rahmen der in Rede stehenden Organisation der nach dem GG als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell und offenkundig nicht mehr gewährleistet ist (BVerfGE 149, 346 (370 f.); vgl. bereits BVerfG [K] NVwZ 2010, 641 (643)). Maßnahmen einer int. Organisation können allerdings als Vorfrage Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung des BVerfG sein, soweit zulässigerweise geltend gemacht wird, dass sie das vom Integrationsgesetzgeber im Rahmen der Integrationsverantwortung zu beachtende Minimum unterschreiten (BVerfGE 163, 363 (424 ff.)).

III. Übertragung von Hoheitsrechten auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen

Bis zur Einführung von Abs. 1a in Art. 24 durch das ÄndG v. 21.12.1992 (BGBl. I 2086) konnten die Länder ihre Hoheitsbefugnisse nicht selbst auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen; diese Befugnis oblag allein dem Bund. Seither ist es den Ländern gestattet, ihnen zustehende Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen zu übertragen. Diese Kompetenz ist bewusst nicht in Art. 23 geregelt worden, um die Übertragungskompetenzen der Länder nicht auf die Zusammenarbeit im Rahmen der EU zu beschränken (diese ist freilich ebenfalls erfasst, vgl. Friauf/Höfling/Hobe Art. 24 Rn. 45), sondern auch die Zusammenarbeit zwischen einem Bundesland und einem Nicht-EU-Mitglied einzubeziehen (BT-Drs. 12/3896, 21). Dieser Anwendungsfall hat sich jedoch durch den Beitritt fast aller Nachbarstaaten der Bundesrepublik zur EU (bis auf die Schweiz) heute nahezu erledigt. Auch im Übrigen gab und gibt es keine praktischen Anwendungsfälle des Art. 24 Ia; lediglich informelle Kooperationen haben sich zwischen den deutschen Ländern und Kommunen mit ihren ausländischen Pendants entwickelt, etwa in der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (näher Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 55). Neben der Befugnis der Länder aus Art. 24 Ia bleibt die Kompetenz des Bundes nach Art. 24 I bestehen. Nicht ausgeschlossen ist auch eine kumulative Anwendung beider Absätze auf denselben Sachverhalt in der Form, dass auf deutscher Seite beim Abschluss eines „Übertragungsvertrages“ sowohl der Bund als auch das betroffene Land als Vertragspartner auftreten (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 30).

Der Begriff der „Übertragung von Hoheitsrechten“ ist entspr. wie bei Art. 24 I zu verstehen (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 38). Die Reichweite der Übertragungskompetenz bestimmt sich akzessorisch zum Umfang der Zuständigkeit der Länder im innerstaatlichen Recht; erfasst ist der gesamte Bereich der den Ländern nach dem GG zustehenden Verbandskompetenzen, unabhängig davon, welcher der drei Gewalten sie zuzuordnen sind (Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 59; restriktiver Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 16). Umfasst sind ebenfalls Kompetenzen der kommunalen Ebene, die staatsorganisationsrechtlich Teil der Bundesländer sind (Aust, Das Recht der globalen Stadt, 2017, 133); allerdings sind nur die Länder, nicht aber die Kommunen selbst zur Übertragung von Hoheitsrechten befugt (DHS/Calliess Art. 24 Ia Rn. 17; aA MKS/Classen Art. 24 Rn. 73). Auch im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 ff. können die Länder ihre Zuständigkeiten auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen (BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 24 Rn. 27; aA Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 49). Dabei sind auch Aufgaben der Auftragsverwaltung nach Art. 85 staatliche Aufgaben, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Allerdings müssen die Länder bei der konkreten Ausgestaltung der Übertragungsvereinbarung darauf achten, dass eine Umsetzung von Weisungen des Bundes durch die Einrichtung gesichert ist (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 32).

Anders als Art. 24 I erlaubt Abs. 1a die Übertragung von Hoheitsrechten nur auf grenznachbarschaftliche – nicht zwischenstaatliche – Einrichtungen. Daraus folgt zum einen, dass der Tätigkeitsbereich der Einrichtung grenzunmittelbar sein muss und sich nicht ausschließlich auf das Hinterland bezieht (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 43; SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 34; aA Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 61). Dabei kommt es nicht auf den Sitz der Organisation, sondern allein auf ihren regionalen Wirkungsbereich an (v. Münch/Kunig/Rojahn, 6. Aufl. 2012, Art. 24 Rn. 90). Zum anderen muss die Vereinbarung, mit der die Einrichtung gegründet wird, nicht notwendig völkerrechtlicher Rechtsnatur sein. Anders als die deutschen Länder (vgl. Art. 32 III) besitzen die möglichen Vertragspartner jenseits der Grenze häufig keine partielle Völkerrechtssubjektivität (DHS/Calliess Art. 24 Ia Rn. 20 f.). Deshalb hat man bei der Formulierung der Norm bewusst den neutralen Ausdruck „grenznachbarschaftlich“ gewählt und auf das Adjektiv „zwischenstaatlich“ verzichtet (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 17; krit. BK/Sauer Art. 24 Rn. 237). Da die Rechtsform der Einrichtung nicht vorgegeben ist, kommt sogar eine privatrechtliche Organisation in Betracht, auf die Hoheitsrechte im Wege der Beleihung übertragen werden können (MKS/Classen Art. 24 Rn. 71; SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 36). Bsp. für eine Anwendung des Art. 24 Ia wären die gemeinsame Abwasser- und Müllbeseitigung, gemeinsame Schulen und die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (BT-Drs. 12/3338, 10; vgl. auch DHS/Randelzhofer, 30. EL, Art. 24 I Rn. 196).

Zur Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes für die Außenpolitik sieht Art. 24 Ia für die Übertragung von Hoheitsrechten durch die Länder die vorherige Zustimmung der BReg vor; dies korrespondiert mit der allg. Regelung des Art. 32 III. Eine Verweigerung der Zustimmung ist nur bei erheblicher Beeinträchtigung der Gesamtstaatsinteressen zulässig (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 18; v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 72); das Land ist vorher zu hören (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 46). Ob es für die Übertragung nach Art. 24 Ia eines Landesgesetzes bedarf, richtet sich nach dem einschlägigen Landesverfassungsrecht (Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 57). Aus Art. 28 I lässt sich eine zwingende Beteiligung des Landesgesetzgebers nur dann herleiten, wenn iSd „Wesentlichkeitstheorie“ gewichtige Zuständigkeiten übertragen werden (DHS/Calliess Art. 24 Ia Rn. 26; aA DHS/Randelzhofer, 30. EL, Art. 24 I Rn. 198). Agiert die grenznachbarschaftliche Einrichtung aufgrund eines entspr. Vertrags supranational, gelten die von ihr gesetzten Rechtsakte unmittelbar im Hoheitsbereich der sie tragenden Gebietskörperschaften und gehen kollidierendem Landesrecht in der Anwendung vor. Die Geltung von Bundesrecht kann jedoch nicht abbedungen werden. Für Verwaltungsverträge bleibt der Gesetzesvorrang uneingeschränkt bestehen (MKS/Classen Art. 24 Rn. 75). Auch im Rahmen von Art. 24 Ia sind die Verfassungsorgane verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der vom GG geforderte grundrechtliche Mindeststandard nicht unterschritten wird (BVerfGE 149, 346 (361); Rn. 12).

IV. Einordnung in ein kollektives Sicherheitssystem

1. Allgemeines

Mit Art. 24 II wird dem Bund (nicht den Ländern!) die Möglichkeit eröffnet, sich in Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen. Die Entscheidung, ob sich die Bundesrepublik in ein int. Sicherheitssystem einordnet, steht im außenpolitischen Ermessen von BT und BReg (BK/Sauer Art. 24 Rn. 253). Im Rahmen der Einordnung in ein kollektives Sicherheitssystem lässt die Bundesrepublik eine Beschränkung von Hoheitsrechten zu. Art. 24 I ergänzt in diesem Sinne Art. 24 II (DHS/Calliess Art. 24 II Rn. 62). Eine echte Übertragung von Hoheitsrechten wie bei Art. 24 I liegt aber nicht vor (BK/Sauer Art. 24 Rn. 295 ff.; v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 76; aA BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 24 Rn. 28), weshalb an Systeme kollektiver Sicherheit auch keine speziellen Homogenitätsanforderungen gestellt werden (HStR XI/Oeter § 243 Rn. 17 ff., der jedoch von einer Hoheitsrechtsübertragung ausgeht).

2. System gegenseitiger kollektiver Sicherheit

Der Begriff „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ ist nicht geklärt. Nach einer Auslegung sind darunter nur solche Systeme wie die VN zu verstehen, die darauf ausgerichtet sind, die Mitglieder vor einem Angriff durch ein anderes Mitglied zu schützen (Umbach/Clemens/Deiseroth Art. 24 Rn. 213; MKS/Classen Art. 24 Rn. 77 ff.). Eine andere Lesart subsumiert auch Verteidigungsbündnisse wie die NATO (und die ehemalige WEU), die darauf abzielen, ihre Mitglieder vor einem Angriff von Seiten eines Drittstaates zu schützen, unter Art. 24 II (BVerfGE 90, 286 (349 f.); 104, 151 (210); 118, 244 (261 f.); Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 65 f.). Der Entstehungsgeschichte lässt sich nur entnehmen, dass die Vereinten Nationen ein System iSv Art. 24 II darstellen (JöR 1 [1951], 225; vgl. auch BVerfGE 90, 286 (349 f.); 104, 151 (195); 121, 135 (157)) und der verfassungsrechtliche Begriff des kollektiven Sicherheitssystems mit dem entspr. Völkerrechtsbegriff identisch sein soll (vgl. JöR 1 [1951], 227). Anders als im ParlRat angenommen, gibt es jedoch keinen völkerrechtlichen terminus technicus (BVerfGE 90, 286 (348); eingehend DHS/Calliess Art. 24 II Rn. 8 ff.). Da sowohl die kollektiven Sicherheitssysteme als auch die kollektiven Verteidigungsbündnisse letztlich den Schutz ihrer Mitglieder vor militärischen Angriffen sicherstellen wollen, und vor dem Hintergrund, dass Art. 24 II primär auf die Wahrung des Friedens ausgerichtet ist, sind auch die defensiven Selbstverteidigungsbündnisse wie die NATO (und die frühere WEU) als von dieser Vorschrift erfasst anzusehen (BVerfGE 90, 285 (349 f.); 104, 151 (206 ff.); 118, 244 (261 f.); 121, 135 (156); BK/Sauer Art. 24 Rn. 263 ff.; Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 63 f.). Auch die EU ist auf dem Weg, sich zu einem Verteidigungsbündnis zu entwickeln (vgl. Art. 42 EUV, weitergehend Röben ZaöRV 63 [2003], 585 (590)), wobei dann Art. 23 als speziellere Integrationsermächtigung die Vorschrift des Art. 24 II verdrängen dürfte (DHS/Scholz Art. 23 Rn. 66; aA BVerfGE 123, 267 (425); offengelassen in BVerfGE 152, 8 (33 ff.); unentsch. Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 21). Voraussetzung für eine gemeinsame Verteidigung ist allerdings ein einstimmiger Beschluss im Europäischen Rat, der rückgebunden ist an die Erfüllung verfassungsrechtlicher Erfordernisse in den Mitgliedstaaten (Art. 42 II UAbs. 1 EUV). Durch den Lissabonner Vertrag wird der Schritt zu einer veritablen (supranationalen) gemeinsamen Verteidigung noch nicht vollzogen, sondern nur vorbereitet (BVerfGE 123, 267 (425 f.); krit. HStR XI/Fassbender § 244 Rn. 73 f.). Zurzeit bietet daher allein Art. 24 II die tragfähige Ermächtigungsgrundlage etwa zur Bekämpfung der Seepiraterie durch die EU-geführte Operation Atalanta (Rn. 22). Auch ein Streitkräfteeinsatz auf der Grundlage der Beistandsklausel des Art. 42 VII UAbs. 1 S. 1 EUV ist durch Art. 24 II legitimiert; insoweit stellt die EU bereits heute ein System (regionaler) gegenseitiger kollektiver Sicherheit dar (Cremer ZfG 2016, 97 (119); Friauf/Höfling/Hobe Art. 24 Rn. 57; DHS/Calliess Art. 24 II Rn. 45 ff.; diff. K. Schmidt, Deutsche Streitkräfte in militärischen Missionen der EU, 2021, 65 ff.). Die restriktiven Ausführungen des Lissabon-Urteils (BVerfGE 123, 267 (360 f., 423 ff.)) stehen dem nicht entgegen, da sie vornehmlich bezwecken, den wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt aus Gründen des Demokratieprinzips gegen eine Supranationalisierung abzusichern (vgl. BVerfGE 123, 267 (423), 425 f.; Art. 87a Rn. 14; so jetzt auch ausdrücklich BVerfGE 152, 8 (33)). Eine solche supranationale Pflicht lässt sich Art. 42 VII UAbs. 1 S. 1 EUV aber nicht entnehmen; die Beistandspflicht ist vielmehr – ebenso wie die Beistandsklausel nach Art. 5 NATO-Vertrag – intergouvernemental ausgestaltet und belässt innerstaatliche Spielräume (Cremer ZfG 2016, 97 (116 f.); SHH/Krieger Art. 87a Rn. 23). Hingegen ist die bloß auf politischer Grundlage beruhende OSZE trotz ihrer zunehmenden Involvierung in militärische Konflikte kein kollektives Sicherheitssystem iSd Art. 24 II (Gutmann/Sassenrath NZWehrr 2017, 177 (189 ff.)). Erst recht fehlt diese Qualität Ad-hoc-Bündnissen von Staaten, wie sie sich als „Coalition of the willing“ als Reaktion auf die Anschläge vom 11.9.2001 oder zur Bekämpfung des IS im Jahr 2015 gefunden haben. Sie basieren weder auf einer völkervertraglichen Grundlage noch verfügen sie über gefestigte Organisationsstrukturen (DFGH SicherheitsR-HdB/Weingärtner § 53 Rn. 47).

3. Einordnungskompetenz; Beschränkung von Hoheitsrechten

Die Einordnungskompetenz nach Art. 24 II ist keine Blankettermächtigung, sondern bedarf der hinreichend bestimmten Zustimmung des Gesetzgebers (BVerfGE 104, 151 (194 f.)). Die einmal erteilte Ermächtigung deckt dann auch die interpretative Fortbildung der vertraglichen Grundlagen durch nachfolgende Organpraxis, solange und soweit diese nicht von wesentlichen Strukturentscheidungen des Vertrags deutlich abweicht und die friedenswahrende Ausrichtung aufgibt (BVerfGE 118, 244 (262, 271); Murswiek NVwZ 2007, 1130 (1132); Verlage DVBl 2007, 1245 (1246)). Die Zuweisung neuer Aufgaben stellt indes eine materielle Änderung des Bündnisvertrages dar und bedarf somit der erneuten Zustimmung des Gesetzgebers (Klein/Schmahl RuP 1999, 198 (205)). Dagegen hat das BVerfG das ohne Mitwirkung des BT zustande gekommene „Neue Strategische Konzept“ der NATO 1999 gebilligt, weil es darin noch eine vom NATO-Vertrag gedeckte Fortentwicklung und Konkretisierung des Bündnisauftrags gesehen hat (BVerfGE 104, 151 (195, 209 f.); bestätigt in BVerfGE 118, 244 (260); 121, 135 (158 f.); 126, 55 (71 f.); zur UN ähnlich BVerfGE 152, 8 (23 ff.)). Art. 24 II wird damit in problematischer Weise für eigendynamische Entwicklungen ausgehöhlt (Art. 59 Rn. 11). Das Ziel der Friedenswahrung, auf das das BVerfG entscheidend abstellt (BVerfGE 104, 151 (212 f.)), ist zu allgemein und nicht aussagekräftig (zutr. SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 45).

4. Ermächtigung zum Einsatz der Streitkräfte

Mit der Ermächtigung, einem System kollektiver Sicherheit beizutreten, erteilt Art. 24 II dem Bund zugleich die Befugnis, die Streitkräfte im Rahmen dieses Systems einzusetzen (BVerfGE 90, 286 (345, 351); 121, 135 (156); 126, 55 (71); 152, 8 (22); BVerwGE 103, 361 (364)); anderenfalls würde das Funktionieren kollektiver Sicherheitssysteme, die wesentlich auf gegenseitige militärische Pflichtenübernahme abstellen, grds. in Frage gestellt (SHH/Hillgruber Art. 24 Rn. 47; Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 74 f.). Art. 87a steht einem Einsatz nicht entgegen, da der Begriff „Verteidigung“ nicht im Gegensatz zur „kollektiven Sicherheit“ iSv Art. 24 II steht, sondern auf die Gesamtaufgabe militärischer Friedenssicherung verweist (BVerfGE 90, 286 (355 ff.); 104, 151 (212); DHS/Calliess Art. 24 II Rn. 29). Die kollektive Selbstverteidigung zugunsten von Bündnispartnern ist ohnehin durch Art. 87a II gedeckt (Art. 87a Rn. 9 f.). Art. 24 II stellt insoweit nur ein zweites Standbein dar (Blumenwitz BayVBl. 1994, 641 (645)) und legitimiert zugleich die mit der Einordnung der Bundeswehr in integrierte Kommandostrukturen verbundene Beschränkung deutscher Hoheitsrechte (BVerfGE 90, 286 (350 f.; 353 ff.)). Sofern die NATO „out of area“ und zu anderen Zwecken als der kollektiven Selbstverteidigung tätig wird, erlaubt Art. 24 II einen solchen Einsatz, wenn er im Rahmen der VN erfolgt und die NATO als Hilfsorgan iSv Art. 48 II, Art. 53 I 1 SVN fungiert (Art. 87a Rn. 10). Auch die vom UN-Sicherheitsrat autorisierte EU-geführte Operation Atalanta zur Bekämpfung der Seepiraterie vor der Ostküste Somalias ist als von Art. 24 II erfasst anzusehen (Fischer-Lescano/Tohidipur NJW 2009, 1243 (1246); Schmahl AöR 136 [2011], 44 (83 f.)). Jegliche Einsätze der Streitkräfte bedürfen der konstitutiven Zustimmung des BT (BVerfGE 90, 286 (381); 108, 34 (42 f.); 121, 135 (153 ff.); 124, 267 (276); 140, 160 (187 f.); zu Ausnahmen bei Inlandseinsätzen vgl. BVerfGE 126, 55 (71); zum wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt näher Art. 87a Rn. 12 ff.). Problematisch sind indes Auslandseinsätze der Streitkräfte, wenn sie auf unilateraler Grundlage stattfinden, wie dies typischerweise bei Evakuierungsaktionen zugunsten deutscher (und auch ausländischer) Staatsangehöriger der Fall ist (Art. 87a Rn. 11). Art. 24 II erlaubt den Auslandseinsatz „nur in Systemen kollektiver Sicherheit“ (BVerfGE 123, 267 (360)). Eine explizite verfassungsrechtliche Legitimation einseitiger Rettungsaktionen bleibt daher Desiderat (vgl. Abschlussbericht der Rühe-Kommission in BT-Drs. 18/5000, Rn. 13; Walter DVBl 2023, 390 (394 ff.)), auch wenn dem „Pegasus“-Urteil des BVerfG von 2015 eine inzidente Akzeptanz unilateraler Einsätze zu entnehmen ist (BVerfGE 140, 160 (187 f.); Art. 87a Rn. 11). Anderes gilt indes für die Beteiligung der deutschen Streitkräfte am Antiterroreinsatz der internationalen „Anti-IS-Koalition“ in Teilen des Irak und Syriens (dazu Sassenrath NVwZ 2020, 442 (444 ff.)). Dieser Streitkräfteeinsatz ist in Wahrnehmung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 SVN von Ziff. 5 der Sicherheitsratsresolution 2249 (2015) umfasst (vgl. BT-Drs. 18/6866 und 18/9960; Verlage ZRP 2016, 90; SHH/Krieger Art. 87a Rn. 14, 18; offengelassen in BVerfGE 152, 8 (30 f.); aA Payandeh/Sauer ZRP 2016, 34 (36 f.); DFGH SicherheitsR-HdB/Weingärtner § 53 Rn. 50) und erfolgt damit im Rahmen und nach den Regeln des kollektiven Sicherheitssystems der VN gem. Art. 24 II. Das Selbstverteidigungsrecht stellt eine nach Konstellation und Zielrichtung für die Effektivität des Gesamtsystems der VN systemimmanente Ergänzung dar (v. Kielmansegg AVR 50 [2012], 285 (314 f.); vgl. auch BVerfGE 90, 286 (349); 118, 244 (267)). Darüber hinaus bietet die Beistandsklausel des Art. 42 VII UAbs. 1 S. 1 EUV eine valide Grundlage für die Beteiligung der deutschen Streitkräfte am Kampf gegen die Terrororganisation IS, da auch die EU ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit iSd Art. 24 II darstellt (Rn. 20).

5. Rechtsschutzfragen

Da Art. 24 II nur die Einwilligung in die Beschränkung von Hoheitsrechten, aber keine Hoheitsrechtsübertragung vorsieht, sind die Verpflichtungen aus einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit durch die Mitgliedstaaten umzusetzen. Bei belastenden Maßnahmen besteht unmittelbar Rechtsschutz vor innerstaatlichen Gerichten, ggf. im Anschluss daran vor dem EGMR (v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 84). Grund- und Menschenrechte kommen grds. auch im Auslandseinsatz zum Tragen (vgl. zum einen BVerfGE 154, 152 (215 ff.); dazu Aust DÖV 2020, 715 ff.; Schmahl NJW 2020, 2221 ff.; zum anderen EGMR NJW 2012, 283 (286 f.); NJW 2021, 1291 (1295 ff.)). Staatsorganisationsrechtliche Aspekte der Mitgliedschaft Deutschlands in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit können Gegenstand von Organstreitverfahren vor dem BVerfG sein (BVerfGE 104, 151 (210); 118, 244 (263)). Hingegen sind einzelne (behauptete) Verstöße eines solchen Systems gegen völkerrechtliche Normen, insbes. das Gewaltverbot, nur insoweit im Wege des Organstreits überprüfbar, als sie Hinweise für eine deutliche Überschreitung des Integrationsprogramms enthalten (BVerfGE 118, 244 (271)); v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 84; krit. Rensen/Brink/Sauer, 585 (616)). Versuchen, das Prüfprogramm im Organstreitverfahren auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle allgemeiner Natur auszudehnen, ist das BVerfG in seinem Beschluss zum Anti-IS-Einsatz zu Recht entgegengetreten (BVerfGE 152, 8 (27)).

V. Beitritt zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

Art. 24 III erteilt den bindenden Auftrag für den Bund, Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende und obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit zur friedlichen Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten beizutreten (BVerfGE 111, 307 (318); DHS/Calliess Art. 24 III Rn. 3). Unter allg. Schiedsgerichtsbarkeit versteht man diejenige, der sich die überwiegende Zahl aller Staaten entweder bereits angeschlossen hat oder wenn eine begründete Aussicht auf eine solche Entwicklung besteht (BK/Sauer Art. 24 Rn. 346). Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf regionale Abmachungen (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 82; aA MKS/Classen Art. 24 Rn. 98). Umfassend ist die Schiedsgerichtsbarkeit, wenn kein Sachgebiet, auf dem zwischenstaatliche Streitigkeiten anfallen können, ausgenommen ist (BK/Sauer Art. 24 Rn. 347). Als obligatorisch ist eine Schiedsgerichtsbarkeit anzusehen, wenn die beteiligten Staaten schon aufgrund der Vereinbarung dem Spruch des Schiedsgerichts unterworfen sind, eine besondere Unterwerfungserklärung im Einzelfall also nicht erforderlich ist (DHS/Calliess Art. 24 III Rn. 29; v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 96). Eine die drei genannten Kriterien kumulativ erfüllende Schiedsgerichtsbarkeit gibt es im Völkerrecht gegenwärtig nicht; der Ständige Schiedshof in Den Haag, der zwar umfassend und allgemein ausgerichtet ist, stellt kein verpflichtendes Streitbeilegungsgremium dar (HStR VI/Wolfrum § 242 Rn. 3, 5).

Erfasst von Art. 24 III werden aber nicht nur Schiedsgerichte im technischen Sinn, sondern auch int. Gerichte (BK/Sauer Art. 24 Rn. 345). Der IGH erfüllt allerdings bislang ebenfalls nicht die Anforderungen des Art. 24 III. Die Zuständigkeit des IGH kann nur freiwillig durch eine besondere Unterwerfungserklärung nach der Fakultativklausel des Art. 36 II IGH-Statut erfolgen (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 87). Da Art. 24 III eine Unterwerfung unter nicht-obligatorische Gerichtsbarkeiten aber nicht ausschließt, sondern vielmehr den Bund grds. verpflichtet, den Aufbau von int. Schiedsgerichtsbarkeiten zu fördern (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 24 Rn. 26; zurückhaltend Dreier/Wollenschläger Art. 24 Rn. 78), durfte sich die Bundesrepublik der Jurisdiktion des IGH prinzipiell unterwerfen, was zum 1.5.2008 geschehen ist (Tams VN 2008, 153; vgl. auch ZaöRV 67 [2007], 825). Einer Zustimmung des BT bedurfte es hierzu nicht (Sachs/Streinz Art. 59 Rn. 45; Eick ZaöRV 68 [2008], 763 (773 f.)). Deutsche Gerichte und Behörden sind zudem verpflichtet, die Rspr. des IGH im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen; dies gilt auch für Urteile, die anlässlich von Streitigkeiten zwischen anderen Staaten ergangen sind (BVerfGE 152, 8 (31 f.); zuvor bereits BVerfG NJW 2007, 499 (502); 2011, 207 (209 f.), näher BK/Sauer Art. 24 Rn. 356 f.). Der EGMR ist kein Gericht iSd Art. 24 III, da es sich bei Individualbeschwerden nicht um zwischenstaatliche Streitigkeiten handelt (AK/Zuleeg Art. 24 III Rn. 53) und die Staatenbeschwerde keinen umfassenden Charakter hat (Friauf/Höfling/Hobe Art. 24 Rn. 72 f.). Entsprechendes gilt für den IStrGH (Sachs/Streinz Art. 24 Rn. 87); den Int. Seegerichtshof und das Streitbeilegungssystem des Welthandelsrechts (v. Münch/Kunig/Aust Art. 24 Rn. 100 f.).