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Artikel 106 [Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole]

(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:

  • die Zölle,
  • die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
  • die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern,
  • die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
  • die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben,
  • die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
  • Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:

  • die Vermögensteuer,
  • die Erbschaftsteuer,
  • die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen,
  • die Biersteuer,
  • die Abgabe von Spielbanken.

(3) 1 Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. 2 Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. 3 Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. 4 Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

  • Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
  • Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.

5 Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. 6 Das Nähere bestimmt das Bundesgesetz nach Satz 3.

(4) 1 Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. 2 Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. 3 In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.

(5) 1 Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. 2 Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. 3 Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.

(5a) 1 Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. 2 Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. 3 Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.

(6) 1 Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. 2 Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. 3 Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. 4 Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. 5 Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. 6 Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.

(7) 1 Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. 2 Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.

(8) 1 Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. 2 Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.

(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).

I. Systematische Einordnung

Gegenstand des Art. 106 ist die Ertragshoheit über die Steuern, dh die Frage der Verteilung der Steuererträge zwischen Bund und Ländern (Birk/Desens/Tappe Rn. 133 ff.). Die Ertragshoheit über die nicht-steuerlichen Abgaben ist dagegen an die Verwaltungskompetenz geknüpft (BVerfGE 105, 185 (193); v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 106 Rn. 1). Die Ergebnisse der Verteilung der Steuererträge nach Art. 106 stellen die erste Stufe eines insgesamt vierstufigen Systems des bundesstaatlichen Finanzausgleichs dar, das durch Art. 107 fortgeführt wird. Neben Art. 106 treten mit Art. 106a, 106b Spezialvorschriften zur Verteilung der Steuererträge zwischen Bund und Ländern.

1. Stellung im Gefüge des Finanzausgleichs

Zusammen begründen Art. 106, 107 ein komplexes System eines bundesstaatlichen Finanzausgleichs, der Bund und Ländern eine ihren Aufgaben entspr. Finanzausstattung ermöglichen soll und so Garant der staatlichen Selbstständigkeit von Bund und Ländern ist (BVerfGE 72, 330 (383)). Bis zur Anwendbarkeit der Neufassung des Art. 107 im Zuge der Föderalismusreform III (Art. 143g Rn. 1) vollzog sich der Finanzausgleich unstreitig in vier Stufen (BVerfGE 116, 327 (378 ff.); Häde LKV 2011, 1 ff.; Tappe DVBl 2013, 1079 (1082 f.)). Richtigerweise ist – jedenfalls bei materieller Betrachtung – auch weiterhin von einem vierstufigen System auszugehen (Rn. 2 unten bei (2)), das in Art. 106, 107 aber nur dem Grunde nach angelegt und vom einfachen Gesetzgeber auszufüllen ist (Rn. 3a zum MaßstG und zum umstr. Postulat einer Zweistufigkeit des Finanzausgleichs): (1) Der in Art. 106 geregelte primäre vertikale Finanzausgleich verteilt die Steuererträge zwischen dem Bund und der Ländergesamtheit (vertikal; s. auch BVerfGE 145, 171 (192)). Die Erträge werden in Anknüpfung an die Steuerart und als eigene Finanzmittel (primär) nach dem Trennsystem ausschließlich dem Bund (Abs. 1; →  Rn. 4), ausschließlich den Ländern (Abs. 2; →  Rn. 5) oder dem Bund und den Ländern gemeinsam zugewiesen (Gemeinschaftsteuern, Abs. 3; →  Rn. 6). (2) Auf der zweiten Stufe, dem primären horizontalen Finanzausgleich nach Art. 107 I aF, werden die der Ländergesamtheit zugewiesenen Mittel auf die einzelnen Länder (horizontal) als eigene Finanzmittel (primär) verteilt. Verteilungsmaßstab ist für die Einkommen- und die Körperschaftsteuer das örtliche Aufkommen (Art. 107 Rn. 3). Für die Umsatzsteuer wird das Aufkommen im Grundsatz nach Maßgabe der Einwohnerzahl umverteilt, dies erfolgt aber nur vorbehaltlich der Regelungen nach Abs. 2. Das alte Recht hatte dagegen Abs. 2 und 3 klar voneinander abgeschichtet, weshalb zT nunmehr von einem nur noch dreistufigen System auszugehen ist. Da die Verfassung in Abs. 1 S. 4 mit der Einwohnerzahl eine feste Ausgangsgröße vorgibt, die dann allerdings vorbehaltlich der nach Abs. 2 getroffenen Regelungen gilt, erscheint es gleichwohl stimmiger, auch weiterhin zwischen primärem und sekundärem horizontalen Finanzausgleich zu unterscheiden (3) Ziel der dritten Stufe, des sog. sekundären horizontalen Finanzausgleichs, ist es nach Art. 107 II 1–5, die Ergebnisse der primären Steuerverteilung mit Rücksicht auf den bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft durch Umverteilung (sekundär) zwischen den Ländern (horizontal) zu korrigieren (Art. 107 Rn. 9). (4) Zuletzt ermächtigt Art. 107 II 6 auf der letzten Stufe, dem sekundären vertikalen Finanzausgleich, den Bund, leistungsschwachen Ländern aus seinen Mitteln (sekundär) Ergänzungszuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allg. Finanzbedarfs zu gewähren (Art. 107 Rn. 15).

2. Grundfragen

Art. 106 ist zwingend und kann nicht durch abw. vertragliche Vereinbarung zwischen Bund und Ländern abbedungen werden (BVerfGE 105, 185 (194)). Dies schließt aber nicht die Mitfinanzierung anderer Gebietskörperschaften aus dem Aufkommen bestimmter Steuern aus, wenn dies – wie etwa in Art. 91a, 91b, 91c, 91d, 91e, 104b, 104c, 104d – vorgesehen ist. Mit Ausnahme der Umsatzsteuer, der im Gefüge der Finanzverfassung eine wichtige Ausgleichsfunktion zukommt, lässt sich Art. 106 keine Garantie der Existenz bzw. eines bestimmten Aufkommens der dort genannten Steuerarten entnehmen (BK/Drüen Art. 106 Rn. 225 ff.). Zwischen der Gesetzgebungshoheit und der Ertragshoheit besteht keine zwingende Verbindung, dh die Ertragshoheit steht auch dann dem Bund zu, wenn diese im Anwendungsbereich der Art. 105 I, II auf einer landesrechtlichen Rechtsgrundlage beruht (Art. 105 Rn. 6, 10). Die differenzierte Regelung, die die Ertragshoheit in Art. 106 gefunden hat, schließt ein Steuererfindungsrecht des Bundes aus (BFHE 141, 369 (372); BVerfGE 145, 171 (199 ff.)); ein Steuererfindungsrecht der Länder und Kommunen scheitert bereits an Art. 105 IIa (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 105 Rn. 47).

Um eine „rein interessenbestimmte Verständigung über Geldsummen auszuschließen oder zumindest zu erschweren“, will das BVerfG den Gesetzgebungsaufträgen des Art. 106 III, IV, 107 II den „doppelten Auftrag“ an den Gesetzgeber entnehmen, in einem MaßstG zunächst die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Finanzverteilung inhaltlich zu verdeutlichen und seine verfassungskonkretisierenden Maßstäbe der Zuteilung und des Ausgleichs tatbestandlich zu benennen. Erst in einem zweiten Schritt sollen dann aus diesen Maßstäben die konkreten finanzrechtlichen Folgerungen für die konkrete Finanzverteilung gezogen werden (BVerfGE 101, 158 (214 ff.)). Das Postulat einer den einfachen Gesetzgeber selbst bindenden Maßstäbegesetzgebung findet im geltenden Verfassungsrecht keinen unmittelbaren Ausdruck. Insbes. bleibt offen, warum der einfache Gesetzgeber unter Verstoß gegen den lex posterior-Grundsatz an einmal beschlossene Verteilungsmaßstäbe gebunden sein soll, obwohl es hierfür im Unterschied zu Art. 109 IV (Art. 109 Rn. 19) keinen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt gibt (zur Kritik etwa BK/Wernsmann Art. 107 Rn. 86; Tappe DVBl 2013, 1079 (1082); Pieroth NJW 2000, 1086 f.; zahlreiche Nachw. bei Sachs/Siekmann vor Art. 104a Rn. 61 ff.). Den ihm aufgegebenen Regelungsauftrag hat der Bundesgesetzgeber durch das MaßstG (zul. geänd. durch Art. 3 Gesetz v. 17.12.2018, BGBl. I 2522) erfüllt. Mit der Neufassung des Art. 107 II dürfte der verfassungsändernde Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG in seinen Willen aufgenommen haben. Jedenfalls scheint sich der einfache Gesetzgeber weiterhin daran gebunden zu fühlen, was mit der Anpassung des MaßstG an die neuen verfassungsrechtlichen Vorgaben und der Entfristung dokumentiert wird (Art. 1 Gesetz v. 14.8.2017, BGBl. I 3122). De lege lata kann die Kritik an der Zweistufigkeit daher nicht mehr aufrechterhalten werden.

II. Alleinige Steuerertragskompetenz des Bundes (Abs. 1)

Art. 106 I enthält einen abschließenden Katalog der Steuern, deren Ertrag ausschließlich dem Bund zusteht. Hierzu gehören nach Art. 106 I Nr. 1 Zölle und Finanzmonopole, deren Definitionen denen aus Art. 105 entsprechen (Art. 105 Rn. 7, 8). Auch der Begriff der Verbrauchsteuern iSd Art. 106 I Nr. 2 ist wie in Art. 105 IIa zu verstehen (Art. 105 Rn. 16). Die Zuweisung der Straßengüterverkehrsteuer nach Art. 106 I Nr. 3 an den Bund läuft leer, da diese gegenwärtig nicht mehr erhoben wird (zur Verfassungsmäßigkeit: BVerfGE 38, 61 ff.). Durch das 54. Gesetz zur Änderung des GG (v. 19.3.2009, BGBl. I 606) ist die Ertragskompetenz für die Straßenverkehrsteuer von den Ländern (Art. 106 II Nr. 3 aF) auf den Bund übergegangen. Ergänzend hinzugetreten ist die Ertragskompetenz für sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern (zur gesetzgeberischen Intention →  Art. 106b Rn. 1). Hierunter fällt auch die Besteuerung des Luftverkehrs durch die Luftverkehrsteuer, weil dem Bund eine umfassende Kompetenz für die Mobilitätsbesteuerung zur Entwicklung eines in sich geschlossenen Konzepts zu Verkehrsbesteuerung gegeben werden sollte. Eine Beschränkung auf den straßengebundenen Verkehr widerspricht damit sowohl dem Wortlaut wie dem Willen des historischen Gesetzgebers (BVerfGE 137, 350 (363); aA Eilers/Hey DStR 2011, 97 (99)). Nicht mehr erhoben werden die in Art. 106 I Nr. 4 vorgesehene Kapitalverkehrsteuer sowie die Wechselsteuer. Erhoben wird hingegen die Versicherungsteuer (VersStG; Neubekanntmachung v. 27.4.2021, BGBl. I 874), bei der es sich wie bei den zuvor Genannten steuersystematisch um Verkehrsteuern handelt (Rn. 5 zum Begriff der Verkehrsteuer). Die einmaligen Vermögensabgaben nach Art. 106 I Nr. 5 sind nicht mit dem Lastenausgleich (Art. 120a) identisch, müssten sich aber von der in der Ertragskompetenz der Länder stehenden Vermögensteuer unterscheiden (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 106 Rn. 20; Wieland Speyerer Arbeitshefte Nr. 208, 2012, 15 f.; str.). Zulässig können sie nur bei einem außerordentlichen Finanzbedarf des Bundes sein, der mit dem des Lastenausgleichs vergleichbar ist (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 106 Rn. 21). Die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und zur Körperschaftsteuer nach Art. 106 I Nr. 6 muss der Höhe nach begrenzt sein, um nicht die Einkommen- und Körperschaftsteuer auszuhöhlen, deren Erträge als Gemeinschaftsteuern nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern zufließen. Bei einem Zuschlag von 3 % ist die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen jedenfalls nicht überschritten (BVerfGE 32, 333 (339 f.)). Der BFH sieht auch eine Belastung von 5,5 % durch den Solidaritätszuschlag noch als zulässig an (BFH BStBl. II 2012, 43 (45); auf diese Entscheidung Bezug nehmend BVerfG NJW 2023, 3007 (3009)). Eine zeitliche Befristung ist nicht erforderlich (BVerfGE 32, 333 (340 ff.); BVerfG [K] NJW 2011, 441 (442); BFH BStBl. II 2006, 692 zum Solidaritätszuschlag zur Finanzierung der deutschen Einheit; BGBl. 1993 I 944; zuletzt BFH BStBl. II 2012, 43 (45 f.)). Allerdings ist ein dauerhafter Finanzbedarf regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die für die Einführung maßgebenden Verhältnisse grdl. geändert haben (BFH BStBl. II 2012, 43 (46)). Da es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine Steuer handelt, obliegt die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BFH BStBl. II 2012, 43 (46)). Zu den Abgaben im Rahmen der EG nach Art. 106 I Nr. 7 gehören neben Steuern auch die Abgaben des EG-(Agrar-)Marktordnungsrechts. Weiterhin zählt hierzu der EU-Energiekrisenbeitrag nach dem EU-Energiekrisenbeitragsgesetz (BGBl. 2022 I 2294; BeckOK GG/Kube Art. 106 Rn. 14 unter Hinweis auf VO (EU) 2022/1854). Für Zölle ist die Ertragshoheit abzüglich eines Anteils von 10 % zur Abdeckung der Erhebungskosten auf die EU übergegangen (Sachs/Siekmann Art. 106 Rn. 4).

III. Alleinige Steuerertragskompetenz der Länder (Abs. 2)

Die Vermögensteuer nach Art. 106 II Nr. 1 ist eine Personalsteuer, die an Vermögenswerte anknüpft (BVerfGE 43, 1 (7)). Dabei muss es sich nicht um eine Sollertragsteuer (so aber BVerfGE 93, 121 (137)), sondern kann es sich auch um eine Substanzsteuer handeln (Minderheitenvotum; BVerfGE 93, 121 (156)). Eine Vermögensteuer zielt nicht auf die Einkommensverwendung ab, sondern auf die im Vermögen liegende potenzielle Ertragskraft und das daraus fließende fundierte Einkommen (BVerwG NVwZ-RR 2014, 657). Für Veranlagungszeitpunkte nach dem 31.12.1996 kann die Vermögensteuer nicht mehr erhoben werden, weil die unterschiedliche Belastung des einheitsbewerteten und nicht-einheitsbewerteten Vermögens dem Gleichheitssatz widerspricht (BVerfGE 93, 121 (148)). Die Erbschaftsteuer nach Art. 106 II Nr. 2 besteuert den Erwerb durch Erbschaft, Vermächtnis und Schenkung. Auch die Kraftfahrzeugsteuer gem. Art. 106 II Nr. 3 ist eine Verkehrsteuer (BFHE 110, 213 (217); BVerGE 161, 1 (49)), was sich aber erst im Rahmen der Bestimmung der Verwaltungskompetenz nach Art. 108 auswirkt (Art. 108 Rn. 7). Kennzeichen einer Verkehrsteuer nach Art. 106 II Nr. 4 ist es, an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anzuknüpfen (BVerfGE 16, 64 (73)). Diese stehen den Ländern aber nur zu, sofern keine vorrangige Zuweisung an den Bund nach Art. 106 I Nr. 3, 4 erfolgt ist oder es sich nicht, wie bei der Umsatzsteuer, um Gemeinschaftsteuern handelt. Im Ergebnis verbleiben den Ländern damit die Feuerschutzabgabe, die Grunderwerbsteuer (Art. 105 Rn. 22 zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Festsetzung der Steuersätze durch die Föderalismusreform I), die Lotterie- und Rennwettsteuer (BVerwGE 97, 12 (14)). Die Biersteuer gem. Art. 106 II Nr. 5 ist eine überörtliche Verbrauchsteuer, steht aber traditionell den Ländern zu und wird gem. Art. 108 I vom Bund verwaltet. Steuer und nicht Vorzugslast ist die Abgabe von Spielbanken iSd Art. 106 II Nr. 6 (BFHE 177, 276 (283); offen aber BVerfGE 28, 119 (150 f.)).

IV. Gemeinschaftsteuern (Abs. 3, 4)

1. Bestandteile des Steuerverbundes

Der Anteil der Gemeinschaftsteuern umfasste 2022 82,8 % des Gesamtsteueraufkommens (BMF-Monatsbericht Januar 2023). Einbezogen in den Steuerverbund sind die Einkommen-, die Körperschaft- und die Umsatzsteuer. Die Einkommensteuer besteuert den Erwerb natürlicher Personen und mittelbar auch den der Personengesellschaften. Die Einkommensteuer umfasst den ehemaligen Stabilitätszuschlag 1973 (BVerfGE 36, 66 (70 f.)), die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (BVerfGE 27, 111 (126)) und die Vorschriften zum Kindergeld einschließlich § 31 S. 2 EStG (BVerfGE 162, 277 Rn. 57), nicht hingegen Ergänzungsabgaben wie derzeit den Solidaritätszuschlag (Rn. 4). Die Körperschaftsteuer besteuert den Erwerb juristischer Personen und ist damit das Gegenstück zur Einkommensteuer. Die Umsatzsteuer ist auf Grund von nach Art. 113 AEUV (ex Art. 93 EGV) erlassenen Richtlinien weitgehend vergemeinschaftet und als Nettoumsatzsteuer (Mehrwertsteuer) ausgestaltet (BVerfGE 37, 38 (45 f.)), nachdem das BVerfG das frühere Konzept der Allphasenbruttoumsatzsteuer als verfassungswidrig verworfen hatte (BVerfGE 21, 12 (26 ff.)).

2. Verteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer

Das Aufkommen der Körperschaftsteuer wird jew. zur Hälfte auf Bund und Länder verteilt (Abs. 3 S. 2). Von der Einkommensteuer ist vor der hälftigen Teilung der Gemeindeanteil abzuziehen (Abs. 5; →  Rn. 13).

3. Verteilung der Umsatzsteuer

a) …Art. 106 Va…

Weitaus komplexer ist die Verteilung der Umsatzsteuer, an deren Ertragshoheit nach Art. 106 Va auch die Gemeinden beteiligt sind und deren Anteil vorab abgezogen wird (Rn. 14). Hier legt das GG keine festen Quoten fest, sondern begründet für die Verteilung in Art. 106 III 3 eine ausschließliche Bundesgesetzgebungskompetenz, deren Ausübung an die Zustimmung des BRats gebunden ist. Damit wird die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zum beweglichen Scharnier, mit dem vergleichsweise flexibel sowie ausgaben- und bedarfsorientiert auf Veränderungen in der Finanzwirtschaft von Bund und Ländern reagiert werden kann (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 106 Rn. 28). Seine Gesetzgebungskompetenz hat der Bund durch § 1 FAG sowie § 4 I MaßstG ausgefüllt (BeckOK GG/Kube Art. 106 Rn. 23).

b) Maßstäbe für die…

Maßstäbe für die Verteilung geben Art. 106 III 4 Nr. 1, 2 und III 5 vor. Die Vorgaben für die Deckungsquoten lassen dem Gesetzgeber einen erheblichen Entscheidungsspielraum (BK/Drüen Art. 106 Rn. 77 ff.). Um den politischen Prozess unter einem „Schleier des Nichtwissens“ zu rationalisieren, verlangt das BVerfG, dem Finanzausgleichsgesetz ein den einfachen Gesetzgeber selbst bindendes MaßstG vorzuschalten (Rn. 3a). Art. 106 III 5, 6, IV 1 Hs. 2 schreiben die bisherige Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern im Familienlastenausgleich fest. Seine Neuordnung im Jahressteuergesetz 1996 hat zu Mindereinnahmen der Länder geführt, die nunmehr durch die Festsetzung der Umsatzsteueranteile kompensiert werden (BK/Drüen Art. 106 Rn. 247 ff.). Art. 106 III 6 ist neben Art. 106 III 3 überflüssig.

c) Art. 106 IV…

Art. 106 IV 1 enthält eine Revisionsklausel, sofern sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt. Davon ist nur auszugehen, wenn die Entwicklung zu einer nachhaltigen, erheblichen und offensichtlichen Änderung führt (Sachs/Siekmann Art. 106 Rn. 21). Auf kurzzeitige Veränderungen kann dagegen nur im Rahmen des Art. 106 IV 2, 3 reagiert werden (Rn. 11). Eine Neufestsetzung der Anteile ist aber auch möglich, wenn die Voraussetzungen des Abs. 4 S. 1 Hs. 1 nicht vorliegen (MKS/Schwarz Art. 106 Rn. 93).

d) …Art. 106 IV…

Bei bestimmten finanzwirksamen Bundesgesetzen zu Lasten der Länder ermöglicht es Art. 106 IV 2, 3, die kurzzeitige Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des BRats bedarf, mit Finanzzuweisungen des Bundes auszugleichen. Die Mehrbelastung kann durch zusätzliche Ausgaben der Länder oder den Entzug von Einnahmen bedingt sein. Kurzzeitig ist auch noch ein Zeitraum von zwei Haushaltsjahren (Jarass/Pieroth/Kment Art. 106 Rn. 16). Mit Rücksicht auf den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens (Art. 20 Rn. 17 ff.) kann das Ermessen zum Ausgleich der Mehrbelastung auf Null reduziert sein (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 106 Rn. 43).

V. Ertragskompetenz der Gemeinden und Gemeindeverbände (Abs. 5–7, 9)

1. Grundlagen

Einnahmen und Ausgaben der Länder sind nach Art. 106 IX auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden. Damit gilt das zweigliedrige Bundesstaatsverständnis des GG, das in den Kommunen keine eigenständige dritte Ebene, sondern einen Teil der Länder sieht (Art. 20 Rn. 13), auch für die Finanzverfassung. Gleichwohl enthält Art. 106 Sonderregeln, die den Kommunen einen angemessenen Anteil am Steueraufkommen sichern sollen (Abs. 5 S. 3, Abs. 5a, 6, 7) und damit der Verstärkung der kommunalen Finanzhoheit als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II dienen (BVerfGE 125, 141 (159); BVerwGE 138, 89 (94 f.); →  Art. 28 Rn. 13 ff. zur angemessenen Finanzausstattung). In den Stadtstaaten steht die Ertragshoheit mangels Gemeinden generell den Ländern (analog) Art. 106 VI 3 zu (Sachs/Siekmann Art. 106 Rn. 30).

2. Gemeindeanteil an der Einkommensteuer (Abs. 5)

Art. 106 V 1 begründet eine eigenständige Mitertragshoheit der Gemeinden und nicht nur einen Anspruch auf Zuweisung, weshalb der Begriff „weiterleiten“ in die Irre führt (BK/Drüen Art. 106 Rn. 275). Als Verteilungsmaßstab gibt Art. 106 V 1 die Einkommensteuerleistungen der Einwohner der Gemeinde vor. Einfachgesetzlich wird dies durch das Gemeindefinanzreformgesetz (neugefasst durch Bekanntmachung v. 10.3.2009, BGBl. I 502) konkretisiert. Rechtsgrundlage ist die in Art. 106 V 2 vorgesehene ausschließliche und an die Zustimmung des BRats gebundene Bundesgesetzgebungskompetenz, das Nähere zu bestimmen. Von der in Art. 106 V 3 vorgesehenen Option, den Gemeinden ein Hebesatzrecht für den Gemeindeanteil festzusetzen, wurde bislang noch nicht Gebrauch gemacht (BeckOK GG/Kube Art. 106 Rn. 33).

3. Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer (Abs. 5a)

Die seit dem 1.1.1998 obligatorische Beteiligung der Gemeinden am Ertrag der Umsatzsteuer kompensiert den Wegfall der früheren Gewerbekapitalsteuer. Für die eigenständige Mitertragshoheit der Gemeinden kann auf Abs. 5 verwiesen werden (Rn. 13). Als Verteilungsmaßstab gibt Art. 106 Va einen orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssel vor. Die nähere Konkretisierung erfolgt durch ein der Zustimmung des BRats bedürftiges Gesetz, für das dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zusteht. Einfachgesetzliche Regelungen befinden sich im Finanzausgleichsgesetz (zul. geänd. durch Art. 1 Gesetz v. 13.11.2023, BGBl. 2023 I Nr. 310) sowie im Gemeindefinanzreformgesetz (Rn. 13).

4. Grundsteuer, Gewerbesteuer, örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern (Abs. 6)

a) Oberbegriff für die den Gemeinden in Art. 106 VI 1 zugewiesene Grund- und Gewerbesteuer ist der der Realsteuern (BVerfGE 120, 1 (25)). Diese stellen im Gegensatz zu Personalsteuern nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Steuersubjekts ab, sondern erfassen als Objektsteuern den Grundbesitz bzw. den Gewerbebetrieb (BVerfGE 46, 224 (237); BVerfG [K] NJW 2009, 1868; s. auch BVerfGE 120, 1 (27)). Ihr Ertrag steht zwingend den Gemeinden zu. Nachdem 1997 der Begriff der Realsteuer durch die Grund- und Gewerbesteuer ersetzt wurde, bietet Art. 106 VI keine Grundlage mehr, eine Steuerpflicht an andere Realien zu knüpfen (BK/Drüen Art. 106 Rn. 283 ff.). Dass der verfassungsändernde Gesetzgeber in der Änderung nur eine Klarstellung sah (BT-Drs. 13/8348, 15; BVerfGE 120, 1 (25)), steht dem schon mit Blick auf § 3 II AO nicht entgegen. Das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 105 Rn. 15 ff.) kann nach Maßgabe der Landesgesetzgebung und im Unterschied zu den Realsteuern auch den Gemeindeverbänden zugewiesen werden (Abs. 6 S. 1 Hs. 2).

b) Für die Realsteuern garantiert Art. 106 VI 2 den Gemeinden ein Hebesatzrecht im Rahmen der Gesetze. Wie die Selbstverwaltungsgarantie im Allg. und die Finanzhoheit als eines ihrer wesentlichen Elemente, darf auch das in Art. 106 VI 2, 28 II 3 gewährleistete Hebesatzrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt werden (BVerwGE 138, 89 (96 f.)). Damit ist es zulässig, für die Hebesätze einen Korridor vorzugeben (BVerwG NVwZ 1991, 894) und die Gemeinden zur Erhebung dieser Steuern zu verpflichten (BVerfGE 125, 141 (162 ff.); offen aber BVerfGE 112, 216 (222 f.)). Allerdings darf der Rahmen, innerhalb dessen die Hebesätze festzusetzen sind, nicht beliebig eng gezogen werden. Grenzen setzen sowohl der Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfGE 124, 141 (167 f.)). Nicht beanstandet wurde ein Mindesthebesatz der Gewerbesteuer von 200 % (BVerfGE 125, 141 (173). Ihrerseits steht den Kommunen bei der Festsetzung der Hebesätze ein weites Ermessen zu, das nur im Erdrosselungsverbot, im Übermaßverbot und im Willkürverbot eine Grenze findet (s. BVerwG BeckRS 2016, 54462; VG Gießen LKRZ 2015, 389; VG Darmstadt BeckRS 2018, 26873). Sofern sich eine Gemeinde in einer anhaltenden Haushaltsnotlage befindet, steht Art. 106 VI 2 einem Einschreiten der Kommunalaufsicht gegen eine Absenkung der Hebesätze nicht entgegen, wenn nicht absehbar ist, wie der dadurch unmittelbar bewirkte Einnahmeverlust verlässlich ausgeglichen werden kann (BVerwGE 138, 89 (99)). Durch Landesgesetz ist dies aber nur möglich, sofern der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch macht (BVerwG NVwZ 1994, 176 (177)). Den Gemeinden ist nicht ein bestimmter Steuerertrag, sondern lediglich die Zuweisung des tatsächlich angefallenen Ertrags garantiert (BFHE 168, 350 (360); BVerwGE 140, 34 (40); →  Art. 108 Rn. 12). Aus Art. 106 VI kann kein Recht der Gemeinden auf Erlass bestimmter Steuermessbescheide oder auf Ausgleich des durch Fehler im Steuermessbetragsverfahren verursachten Steuerausfalls hergeleitet werden (BFH BFH/NV 2017, 1323 Rn. 8). Zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Absicherung der Gewerbesteuer in Art. 106 VI s. BVerfG NVwZ-RR 2016, 841 Rn. 27. Soweit in einem Land keine Gemeinden bestehen, steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu (Abs. 6 S. 3).

c) Gewerbesteuerumlage und weitere Umlagen (Abs. 6 S. 4–6): Umlagen sind Finanzierungslasten, die öffentlichen Gebietskörperschaften von einer anderen öffentlichen Gebietskörperschaft regelmäßig höherer Ordnung auferlegt werden. Ziel der Umlage kann aber nicht nur ein vertikaler Finanzausgleich, sondern auch ein horizontaler Finanzausgleich durch Rückfluss der Umlage sein (BVerfGE 83, 363 (389 f.)). Die Umlagebeteiligung von Bund und Ländern am Aufkommen der Gewerbesteuer (Abs. 6 S. 4) setzt ein Bundesgesetz voraus, das der Zustimmung des BRats bedarf. Dabei handelt es sich um eine ausschließliche Bundesgesetzgebungskompetenz (Abs. 6 S. 5). Von dieser Option hat der Gesetzgeber mit dem Gemeindefinanzreformgesetz (Rn. 13) Gebrauch gemacht. Entzogen werden darf nur ein Teil des Gewerbesteuerertrags. Ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig (BVerwGE 145, 378 (382)). Bei den weiteren Umlagen nach Art. 106 VI 6, die an die dort genannten Bemessungsgrundlagen anknüpfen können, wird zwischen Umlagen als allg. Finanzierungsinstrument und den ebenfalls zulässigen Zweckumlagen zur Finanzierung besonderer Aufgaben unterschieden (BVerfGE 83, 363 (390)). Als Bemessungsmaßstab sind die Länder allein an den Gleichheitssatz, nicht aber an das Äquivalenzprinzip gebunden (BVerfGE 83, 363 (392 f.)). Umlagen nach Abs. 6 S. 6 dürfen nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen (BVerwGE 145, 378 (382)). Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden dürfen nicht eingeebnet werden, ebenso unzulässig ist es, die Steuerkraftreihenfolge zu verändern (BVerwGE 145, 378 (382)). Weitere Grenzen ergeben sich aus der verfassungsgebotenen finanziellen Mindestausstattung der Gemeinden (BVerwGE 145, 378 (383)).

5. Beteiligung am Gemeinschaftsteueranteil der Länder (Abs. 7)

Art. 106 VII ist die verfassungsrechtliche Grundlage des kommunalen Finanzausgleichs (MKS/Schwarz Art. 106 Rn. 142). Die Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern nach S. 1 ist obligatorisch, die Beteiligung an den Landessteuern dagegen nach S. 2 fakultativ. Um die mit Rücksicht auf die Garantie der Selbstverwaltung gebotene Mindestausstattung zu garantieren, stützt sich die Rspr. zunehmend auf prozedurale Sicherungen (instruktiv und krit. Tappe/Wernsmann Rn. 1032 ff.). Denkbar ist bspw. die Einschaltung fachkundiger Gremien (StGH BW DÖV 1999, 687 (691 ff.)).

VI. Ausgleich für Sonderbelastungen (Abs. 8)

Art. 106 VIII verfolgt das Ziel, einer Schwächung der Finanzkraft der Länder und Kommunen Rechnung zu tragen, die durch eine vom Bund veranlasste besondere Einrichtung verursacht worden ist. Dazu begründet die Norm einen unmittelbaren Anspruch gegen den Bund, der allerdings durch den nach S. 2 vorzunehmenden Vorteilsausgleich gemindert wird (Sachs/Siekmann Art. 106 Rn. 47). Nicht erfasst sind der allg. Versorgung dienende Einrichtungen. Die Sonderbelastung muss unmittelbar verursacht und wegen ihrer Höhe unzumutbar sein. Die Schwächung der Finanzkraft kann durch Mehrausgaben begründet sein oder in einem durch die Einrichtung veranlassten Einnahmeverlust bestehen (BVerwG NVwZ 1994, 786). Anwendungsbeispiele für Art. 106 VIII sind der Sonderlastenausgleich nach § 14 III FStrG (BVerwG NVwZ 1992, 264 (266)) oder Entscheidungen über den Sitz von Behörden und die Standorte wissenschaftlich-technischer Forschungseinrichtungen und Anstalten (BVerfGE 86, 148 (268)). Allerdings wird Art. 106 VIII im Rahmen seines Anwendungsbereichs durch die spezielleren Art. 91a III, 91b III, 104b verdrängt. Als Annex kann Art. 106 VIII 1 auch die Kosten abdecken, die durch den Entzug einer besonderen Funktion bedingt sind, wie bspw. den Verlust der Hauptstadtfunktion Bonns (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 106 Rn. 62).