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Artikel 131 [Frühere Angehörige des öffentlichen Dienstes]

1 Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienste standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, sind durch Bundesgesetz zu regeln. 2 Entsprechendes gilt für Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten. 3 Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes können vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher Regelung Rechtsansprüche nicht geltend gemacht werden.

Die Bestimmung betraf alle Personen, die am 8.5.1945 Angehörige des öffentlichen Dienstes waren und aus nicht-dienstrechtlichen Gründen im Jahre 1949 nicht mehr oder nicht ihrer bisherigen Stellung entspr. verwendet wurden (S. 1), oder keine Versorgung mehr erhielten (S. 2). Art. 131 erteilte dem Bund einen Auftrag zur Regelung durch Gesetz (BVerfGE 3, 58 (133); 7, 305 (313); 12, 264 (273)), aufgrund einer damit zugleich begründeten Sondergesetzgebungskompetenz (BVerfGE 3, 58 (113); 15, 105 (112)), und schloss bis zu dessen Erfüllung die Erhebung von dienstrechtlichen Ansprüchen aus (S. 3). Dem Auftrag wurde durch die sog. 131er Gesetzgebung entsprochen (insbes. BGBl. 1951 I 302; Kriegsfolgenabschlussgesetz, BGBl. 1994 I 2442), deren Regelungen im Einzelnen noch immer wirken. Im Übrigen entfaltet Art. 131 keine Rechtswirkungen mehr.

Grds. und damit weiter wirkende Bedeutung kam jedoch Art. 131 von Anfang an deshalb zu, weil das BVerfG kurz nachher sämtliche Beamtenverhältnisse als mit dem 8.5.1945 erloschen erklärte (BVerfGE 3, 58 (76 ff.); 15, 80 (100); 22, 387 (408 f.)), daher in der gesetzlichen Regelung nur Fürsorgemaßnahmen sah (BVerfGE 3, 58 (146); 15, 105 (120)) und folglich dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zubilligte (BVerfGE 3, 58 (134); 12, 264 (273); 25, 198 (206)): Gebunden sei er nur an den Gleichheitssatz (BVerfGE 15, 46 (75); 27, 133 (138 ff.)), nicht aber an die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 V) oder Art. 14 (BVerfGE 28, 163 (174); 76, 256 (328)). Allerdings solle er sich an diese doch „anlehnen“ (BVerfGE 3, 58 (138); 15, 167 (196)), bei Versorgungsberechtigten sogar „in stärkerem Maße“ (BVerfGE 8, 1 (12 ff.)). Auf dieser Grundlage erfolgten weitestgehende Wiedereinstellungen und die Fortsetzung der Versorgung. Ein Ausschluss dieser Rechte wurde als berechtigt nur angesehen, wo durch die Amtstätigkeit Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verletzt worden waren (BVerfGE 6, 132 (205); 72, 367 (408 f.)).

Diese Regelungen – weit mehr als die Praxis im Einzelnen – haben gewichtige (vgl. BGHZ 13, 265 (292)) und teilweise heftige Grundsatzkritik hervorgerufen (vgl. MKS/Dietlein Art. 131 Rn. 6): Die Annahme des Erlöschens der Beamtenverhältnisse widerspreche der verfassungsgerichtlichen Judikatur über das Fortbestehen Deutschlands als Völkerrechtssubjekt, sie verletze schwerstwiegend das Vertrauen in den Staat und entwerte auch für die Zukunft die Grundlagen des Berufsbeamtentums. Befürworter sahen dagegen darin eine entschlossene Abkehr von der Vergangenheit; dazu hätte allerdings ein Ausschluss bei Amtsmissbrauch (Rn. 2 aE) genügt.

Bei der Wiedervereinigung wurden entspr. Grundsätze nicht aufgenommen (BVerfGE 84, 133 (147); 92, 140 (151 ff.); 96, 171 (182)). Die Gesetzgebung beschränkte sich auf Sonderkündigungsrechte (Eignungsmangel, herausgehobene frühere Tätigkeit für Staat und Partei), welche einzelfallbezogen und grundrechtsorientiert wahrgenommen werden sollten. Weit zurückliegende Vorgänge dürfen nicht zur Begründung dienen (BVerfGE 96, 171 (187 f.)).