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Artikel 52 [Präsident; Beschlussfassung; Bildung einer Europakammer]

(1) Der Bundesrat wählt seinen Präsidenten auf ein Jahr.

(2) 1 Der Präsident beruft den Bundesrat ein. 2 Er hat ihn einzuberufen, wenn die Vertreter von mindestens zwei Ländern oder die Bundesregierung es verlangen.

(3) 1 Der Bundesrat faßt seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen. 2 Er gibt sich eine Geschäftsordnung. 3 Er verhandelt öffentlich. 4 Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(3a) Für Angelegenheiten der Europäischen Union kann der Bundesrat eine Europakammer bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates gelten; die Anzahl der einheitlich abzugebenden Stimmen der Länder bestimmt sich nach Artikel 51 Abs. 2.

(4) Den Ausschüssen des Bundesrates können andere Mitglieder oder Beauftragte der Regierungen der Länder angehören.

Die GeschO des BRats regelt Näheres über Organe, Kompetenzen und Verfahren im Bereich des BRats, im Rahmen des Art. 52 (vgl. Abs. 3 S. 2); in der gegenwärtigen Fassung gilt sie seit 1993 (vgl. BGBl. 1988 I 857). Die GeschO beruht auf der Verfassungs(organ)autonomie des BRats; sie ist ein Normenwerk eigener Art (BVerfGE 1, 44 (48); 10, 20 (49); 70, 324 ff.), steht im normativen Rang aber unter dem GG; ihre Bestimmungen müssen sich daher stets in dessen Rahmen halten.

Der Präsident (Art. 52 I) sowie drei Vizepräsidenten (§ 5 I GeschOBRat) – zulässig tätig als seine Hilfsorgane (§ 8 GeschOBRat) in einem „Präsidium“ – werden jew. auf ein Jahr gewählt, nach dem „Königssteiner Abkommen“ v. 30.8.1950, in der degressiven Reihenfolge der Einwohnerzahlen der Länder (Art. 51 Rn. 2). Das mag sich in der Praxis bewährt haben, erfolgt aber ohne verfassungsrechtliche Bindungswirkung: „Wahlen“ sind grds. frei. Präsident und Vizepräsident müssen Mitglieder des BRats (Art. 51 GeschOBRat) oder deren Stellvertreter (§ 46 GeschOBRat) sein; ein Verfassungsorgan kann keinen externen Vorsitzenden haben. Diese Rechtsstellungen enden durch Zeitablauf, Tod, Rücktritt, Verlust der BRats-Mitgliedschaft, nicht aber durch Ausscheiden aus dem Amt eines Ministerpräsidenten/Bürgermeisters; dann greift Vertretung durch Vizepräsidenten ein (§ 7 I GeschOBRat), bis zur Nachwahl für den Rest der Wahlperiode. Der Präsident vertritt den BR nach außen (§ 16 I GeschOBRat), bereitet die Sitzungen vor, leitet sie (§ 20 I GeschOBRat), und übt das Hausrecht und die Personalgewalt des BRats aus. Bei Letzterem ist er an die Mitwirkung des ständigen Beirats (§ 9 GeschOBRat) gebunden (§ 6 II GeschOBRat), der ihn und das Präsidium im Übrigen unterstützt; diesem gehören „die Bevollmächtigten der Länder“ beim Bund an (§ 9 GeschOBRat); dies ist zulässig und soll enge Kooperation zwischen BR und Ländern sichern

Einberufen wird der BR vom Präsidenten (Art. 52 II); ein „Selbstversammlungsrecht“ wie der BT (Art. 39 III 1) hat der BR nicht. Einberufen muss er werden, wenn die Vertreter von mindestens zwei Ländern oder die BReg es verlangen; das Verlangen eines Landes (so aber § 15 I GeschOBRat) genügt nicht.

Beschlüsse können nur mit mindestens der Mehrheit der Stimmen gefasst werden (Art. 52 II 1); deren Führer müssen daher zur Beschlussfähigkeit anwesend sein (§ 28 I 1 GeschOBRat). Die Abstimmung erfolgt offen durch Handaufheben (§ 29 I GeschOBRat), was sinnvoll ist, damit die einheitliche Stimmabgabe der Länder festgestellt werden kann (Art. 51 III 2). In den Fällen der Art. 61 I 3 und 79 II ist 2/3 -Mehrheit nötig, deren Erreichung hat auch die – wichtigen – Rechtsfolgen nach Art. 77 IV 2. Die grds. Öffentlichkeit der Verhandlung kann ausgeschlossen werden (Art. 52 III 4). Abstimmungen können bis zum Sitzungsende wiederholt werden (§ 33 GeschOBRat).

Die (fakultative) Europakammer nach Abs. 3a (§§ 45b ff. GeschOBRat) fasst Beschlüsse, die als solche des BRats gelten. Jedes Land ist mit mindestens einem BRats-Mitglied, höchstens mit der Gesamtzahl seiner BRats-Mitglieder vertreten. Ihre Aufgaben ergeben sich aus Art. 23 (Rn. 28 ff.). Das Verfahren entspricht dem des BRats (Rn. 5); Umlaufverfahren ist zulässig.

Die vorbereitende Arbeit der ständigen Ausschüsse ist sehr wichtig. Ihnen wie den für besondere Angelegenheiten gebildeten Ausschüssen können auch Mitglieder von Landesregierungen oder von diesen Beauftragte angehören, die nicht Mitglieder des BRats sind (Art. 52 IV GG, §§ 11, 36 ff. GeschOBRat). Jedes Land ist durch ein Mitglied vertreten (§ 11 GeschOBRat). Zahl, Art und Zuständigkeiten der Ausschüsse bestimmt der BR. Vorsitzende und Stellvertreter werden von ihren Mitgliedern gewählt (§ 12 GeschOBRat). „Fraktionen“ nach Zugehörigkeit zu politischen Parteien gibt es – faktisch – (nur) nach Länderstimm-Gruppen („A-, B-Länder“). Einen UA kann der BR nicht einsetzen (Gegenschluss aus Art. 44). Da die Ausschüsse die Beschlussfassung des BRats vorbereiten (§ 39 I GeschOBRat), läuft dessen „Sacharbeit“ weithin in diesen Ausschüssen ab, unter maßgeblichem Einfluss von Ministerialbediensteten aus den Ländern.