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Artikel 73 [Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung]

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

  • die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
  • die Staatsangehörigkeit im Bunde;
  • die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
  • das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
  • die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
  • den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
  • den Luftverkehr;
  • den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
  • das Postwesen und die Telekommunikation;
  • die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
  • den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
  • die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
  • die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
      in der Kriminalpolizei,
    • zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
    • zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
    sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
  • die Statistik für Bundeszwecke;
  • das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
  • die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
  • die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

I. Bedeutung

Art. 73 I zählt die Gegenstände auf, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 71) unterstehen. Der Katalog ist nicht abschließend, weitere Gegenstände finden sich – durch ausdrücklichen Verweis auf ein „Bundesgesetz“ oder ein „Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates“ – in anderen Vorschriften des GG (Art. 71 Rn. 2). Durch die Föderalismusreform des Jahres 2006 (BGBl. 2006 I 2034) ist der Katalog des Art. 73 um Gegenstände erweitert worden, die bis dahin der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung des Bundes unterstanden hatten. Es sind dies das Melde- und Ausweiswesen (jetzt Art. 73 I Nr. 3, früher Art. 75 I Nr. 5 aF), der Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland (jetzt Art. 73 I Nr. 5a, früher Art. 75 I Nr. 6 aF), das Waffen- und Sprengstoffrecht (jetzt Art. 73 I Nr. 12, früher Art. 74 I Nr. 4a), die Versorgung der Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen sowie die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen (jetzt Art. 73 I Nr. 13, früher Art. 74 I Nr. 10) und die friedliche Nutzung der Kernenergie (jetzt Art. 73 I Nr. 14, früher Art. 74 I Nr. 11a). Neu geschaffen wurde der Kompetenztitel des Art. 73 I Nr. 9a, der die Abwehr von Gefahren des int. Terrorismus aus der Länderzuständigkeit in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt. Damit ist die ausschließliche Bundeszuständigkeit im Rahmen der Föderalismusreform erweitert worden (zu einem Überblick s. Ipsen NJW 2006, 2801 (2804)). Auch die Untergliederung von Art. 73 in zwei Absätze wurde im Rahmen der Föderalismusreform eingeführt. Gem. Art. 73 II bedürfen Gesetze nach Art. 73 I Nr. 9a (Rn. 19, 26) der Zustimmung des BRats.

II. Die einzelnen Gegenstände

1. Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung (Nr. 1)

a) Auswärtige Angelegenheiten

Auswärtige Angelegenheiten betreffen die Beziehungen, die sich aus der Stellung Deutschlands als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten (BVerfGE 33, 52 (60)) sowie zu nichtstaatlichen oder zwischenstaatlichen Einrichtungen ergeben (BVerfGE 100, 313 (368 f.); 154, 152 (233)). Der Kompetenztitel des Art. 73 I Nr. 1 ergänzt damit Art. 32 im Hinblick auf die Gesetzgebung. Der Begriff der auswärtigen Angelegenheiten darf allerdings nicht ohne Rücksicht auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Übrigen bestimmt werden, dh, er darf nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen wird (BVerfGE 154, 152 (232)). Unter die auswärtigen Angelegenheiten iSv Art. 73 I Nr. 1 fallen u. a. die Auslandsaufklärung des BND (BVerfGE 100, 313 (370); 154, 152 (232)), der Beitritt zu int. Organisationen, die gesamtstaatliche Repräsentation im Ausland sowie der int. Rechts- und Amtshilfeverkehr (MKS/Heintzen Art. 73 Rn. 9; BK/Funke Art. 73 I Nr. 1 Rn. 21).

b) Verteidigung

Die Kompetenzzuweisung für die Verteidigung umfasst alles, was zur Abwehr eines gewaltsamen Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist (Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 6). Unter Verteidigung fallen etwa Regelungen zur Wehrpflicht und über zivile Dienstleistungen im Verteidigungsfall (BVerfGE 62, 345 (373)); für den Ersatzdienst ist jedoch Art. 12a II 3 lex specialis.

2. Staatsangehörigkeit im Bund (Nr. 2)

Die Staatsangehörigkeit im Bund betrifft die Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit (BVerfGE 83, 37 (52)), die materiell-rechtlich in erster Linie in Art. 16 I 1 und 116 I ausgestaltet sind. Nicht erfasst sind die aus der Staatsangehörigkeit folgenden Rechte und Pflichten (MKS/Heintzen Art. 73 Rn. 26).

3. Freizügigkeit, Passwesen, Melde- und Ausweiswesen, Ein- und Auswanderung, Auslieferung (Nr. 3)

a) Freizügigkeit

Der Begriff der Freizügigkeit des Art. 73 I Nr. 3 geht über den in Art. 11 I verwendeten Freizügigkeitsbegriff hinaus. Da hier die Einschränkung „im ganzen Bundesgebiet“ fehlt (Art. 11 Rn. 2), sind sowohl die Einreise als auch die Ausreise erfasst (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 73 Rn. 10; Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 13; aA BK/Funke Art. 73 I Nr. 3 Rn. 14).

b) Passwesen

Das Passwesen bezieht sich auf die Gesamtheit der mit der Erteilung und dem Entzug von Pässen verbundenen Maßnahmen (DHS/Uhle Art. 73 Rn. 65). Pässe sind Ausweise zur Identifizierung und Legitimation von Personen. In Abgrenzung zu (Personal-)Ausweisen (Rn. 7) müssen sie dem Gebrauch im grenzüberschreitenden Verkehr dienen.

c) Melde- und Ausweiswesen

Das Melde- und Ausweiswesen wurde durch die Föderalismusreform in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt (bis dahin: Rahmengesetzgebung gem. Art. 75 I 1 Nr. 5 aF). Das Meldewesen umfasst die An- und Abmeldung bei Gründung oder Aufgabe eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts von natürlichen Personen (Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 14). Für das Meldewesen der Ausländer ist Art. 74 I Nr. 4 einschlägig (Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 14; Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 10; aA Hömig/Wolff/Schnappauff/v. Knobloch Art. 73 Rn. 5). Das Ausweiswesen betrifft die Ausstellung und den Gebrauch von Ausweisen über die Identität von natürlichen Personen zur Benutzung im Inland (Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 11).

d) Ein- und Auswanderung

Einwanderung meint den auf Daueraufenthalt gerichteten Zuzug von Ausländern (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 73 Rn. 12); die Stellung von Ausländern nach erfolgter Einwanderung richtet sich hingegen nach Art. 74 I Nr. 4 (Dreier/Wittreck Art. 73 Rn. 26). Die Kompetenz in Bezug auf die Einwanderung umfasst auch Regelungen über die Zurückweisung an der Grenze (Dreier/Wittreck Art. 73 Rn. 26). Auswanderung bezeichnet das dauerhafte Verlassen des Bundesgebietes.

e) Auslieferung

Der Begriff der Auslieferung entspricht dem in Art. 16 II. Er umfasst die zwangsweise Überführung von Deutschen an die Bundesrepublik Deutschland oder – in der anderen Richtung – von Ausländern oder Deutschen an einen Mitgliedstaat der EU oder an einen int. Gerichtshof (Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 13; v. Münch/Kunig/Broemel Art. 73 Rn. 13).

4. Währungswesen, Maße (Nr. 4)

a) Währungswesen

Als Oberbegriff umfasst das Währungswesen das Geld- und Münzwesen, dh die Bestimmung und die institutionelle Ordnung der gesetzlichen Zahlungsmittel, die Devisenbeschaffung sowie die Grundsätze der Währungspolitik (BVerfGE 4, 60 (73)). Geldwesen betrifft dabei die Geldnoten und das Buch- oder Giralgeld, Münzwesen die Herstellung, Stückelung, das Material, den Nennwert, die Ausgabe, die Einziehung, Entwertung und Vernichtung aus technischen Gründen (SHH/Sannwald Art. 73 Rn. 54). Hier ist jedoch zu beachten, dass mit der Einführung des Euro weitreichende Kompetenzen auf die EU übertragen worden sind (Haratsch/Koenig/Pechstein EuropaR Rn. 290 ff.).

b) Maße

Maße als Oberbegriff zu Gewichte und Zeitbestimmung bezeichnet die Festlegung der von den Naturwissenschaften eingeführten Maße. Umfasst sind die im Eichwesen festgelegten Schutzvorschriften (Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 15). Die Zeitbestimmung betrifft u. a. die Festlegung des Kalenders sowie die Einführung der Sommerzeit (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 73 Rn. 17; Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 19; DHS/Uhle Art. 73 Rn. 88).

5. Einheit des Zoll- und Handelsgebietes (Nr. 5)

Von der Einheit des Zoll- und Handelsgebietes ist das gesamte Zollwesen umfasst, also die Erhebung von Abgaben auf den Warenverkehr über die Hoheitsgrenzen hinweg – insoweit besteht eine Überschneidung mit dem Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland – oder auf die räumliche Bewegung von Waren innerhalb des Hoheitsgebietes (BVerfGE 8, 260 (268 ff.)). Die Handels- und Schifffahrtsverträge betreffen alle Außenhandelsbeziehungen in Bezug auf Regelungen, die typischerweise in Handels- und Schifffahrtsverträgen enthalten sind (BVerfGE 91, 207 (219 ff.); SHH/Sannwald Art. 73 Rn. 64). Die Freizügigkeit des Warenverkehrs, die sich in Abgrenzung zum folgenden Gegenstand nur auf den inländischen Warenverkehr bezieht, ist bereits in der Einheit des Zoll- und Handelsgebiets enthalten. Bzgl. des Waren- und Zahlungsverkehrs mit dem Ausland bestehen Überschneidungen mit dem o. g. Gegenstand der Handels- und Schifffahrtsverträge; vor allem der Zahlungsverkehr, gemeint ist auch der Kapitalverkehr (BVerfGE 110, 33 (47)), geht aber darüber hinaus. Erfasst sind auch die auf den Außenwirtschaftsverkehr bezogenen präventiv-polizeilichen Maßnahmen (BVerfGE 110, 33 (48)). Vom Zoll- und Grenzschutz, der entgegen dem Wortlaut („einschließlich“) einen eigenständigen Bereich bildet, ist auch die grenzschutzspezifische polizeiliche Tätigkeit an der Grenze erfasst, nicht aber die allg. Gefahrenabwehr in diesem Bereich (vgl. BVerfGE 97, 198 (218)).

6. Schutz des deutschen Kulturgutes (Nr. 5a)

Unter den Begriff des Kulturgutes fallen – in privatem oder öffentlichem Besitz stehende – Kunstwerke sowie andere Objekte, an denen ein besonderes historisches, wissenschaftliches oder technisches Interesse besteht (SHH/Sannwald Art. 73 Rn. 77). Abwanderung liegt im Falle einer nicht nur kurzfristigen Ausfuhr in das Ausland vor (Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 21).

7. Luftverkehr (Nr. 6)

Vom Luftverkehr umfasst ist nicht allein der reine Flugverkehr, sondern sind alle mit dem Luftfahrtwesen unmittelbar zusammenhängenden Tätigkeiten und Anlagen, also auch die Luftaufsicht und die Flughäfen (BVerwGE 160, 157 Rn. 14; HessStGH DÖV 1982, 321). Ebenfalls zum Luftverkehr gehört – im Wege eines Erst-recht-Schlusses – die Raumfahrt (Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 22; Dreier/Wittreck Art. 73 Rn. 45; aA DHS/Uhle Art. 73 Rn. 138). Die Zuständigkeit für Regelungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Abwehr von spezifisch aus dem Luftverkehr herrührenden Gefahren ergibt sich als Annexkompetenz zu Art. 73 I Nr. 6 (BVerfGE 132, 1 (6 f.)). Auch die Regelungen des LuftSiG über Einzelheiten des Einsatzes von Streitkräften im Zusammenwirken mit den Ländern zur Bewältigung eines regionalen oder überregionalen Katastrophennotstands im Zusammenhang mit Luftzwischenfällen folgt aus Art. 73 I Nr. 6 (BVerfGE 132, 1 (5 ff.); aA für die Abwehr von Gefahren, die aus einer missbräuchlichen Nutzung von Luftfahrzeugen als Angriffswaffen resultieren, Ladiges NVwZ 2012, 1225). Das BVerfG hat seine frühere Rspr., wonach die Kompetenz für derartige Regelungen unmittelbar aus Art. 35 II 2 und III herzuleiten war (vgl. BVerfGE 115, 118 (141)), ausdrücklich aufgegeben.

8. Eisenbahnen des Bundes (Nr. 6a)

Der Begriff der Eisenbahnen als Unterfall von Schienenbahnen (Art. 74 Rn. 47) umfasst das Gesamtsystem von Rad und Schiene (BT-Drs. 12/5015, 5). Eisenbahnen des Bundes sind solche, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen. Unterschieden wird zwischen dem Verkehr, also allen unmittelbaren Leistungen der Eisenbahn (Verkehrsangebot, Leistungs- und Versorgungspflichten einschließlich Fahrplänen, Verkehrsregeln, aber auch die Gefahrenabwehr; vgl. BVerfGE 97, 198 (218 ff.)), der Infrastruktur, dh dem Bau, der Unterhaltung und dem Betreiben von Schienenwegen, sowie der Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege. Alle diese Bereiche werden von Art. 73 I Nr. 6a erfasst.

9. Postwesen und Telekommunikation (Nr. 7)

Postwesen umfasst die herkömmlichen Zweige der Post, auch die Postbank. Insoweit ist Art. 73 I Nr. 7 eine gegenüber Art. 74 I Nr. 11 speziellere Vorschrift (Art. 74 Rn. 14 f.). Die Telekommunikation betrifft „die technische Seite der Telekommunikationsinfrastruktur und die auf Informationsübermittlung mit Hilfe von Telekommunikationsanlagen bezogenen Dienste“, nicht aber die übermittelten Inhalte, die Art der Nutzung oder deren evtl. Überwachung (BVerfGE 113, 348 (368); 114, 371 (385); 125, 260 (314); 130, 151 (185 f.)). Nicht erfasst sind insbes. die Veranstaltung von Rundfunk (BVerfGE 12, 205 (225 ff.)) sowie die Erhebung von Rundfunkgebühren (BVerfGE 90, 60 (105)) oder -beiträgen.

10. Rechtsverhältnisse der Bediensteten des Bundes (Nr. 8)

Art. 73 I Nr. 8 betrifft die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen. Voraussetzung ist, dass der Bund oder eine bundesunmittelbare Körperschaft, Anstalt oder Stiftung Dienstherr ist. Nicht erfasst sind die Kirchen, da sie nicht bundesunmittelbar sind (Dreier/Wittreck Art. 73 Rn. 57). Bedienstete iSd Vorschrift sind etwa Beamte, Angestellte, Arbeiter, Minister und parlamentarische Staatssekretäre. Umfasst ist das gesamte Dienstrecht, insbes. die Entstehung des Dienstverhältnisses, die Besoldung und Versorgung sowie das Disziplinar- und Disziplinarverfahrensrecht. Nicht erfasst ist das Arbeitsrecht für Angestellte des öffentlichen Dienstes.

11. Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Verlagsrecht (Nr. 9)

Der gewerbliche Rechtsschutz betrifft den Schutz des geistigen Schaffens auf gewerblichem Gebiet (Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 45), insbes. also das Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster-, Patent-, Sortenschutz-, Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht (BK/Spranger Art. 73 I Nr. 9 Rn. 15, 26). Das Urheberrecht umfasst die Normen zum Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst (vgl. das UrheberrechtsG). Das Verlagsrecht betrifft in erster Linie die Rechtsbeziehungen zwischen dem Verfasser eines Literatur- oder Tonkunstwerks und dem Verleger, nicht aber das gesamte Recht des Verlagswesens (Dreier/Wittreck Art. 73 Rn. 61; DHS/Uhle Art. 73 Rn. 203) oder das Pflichtexemplarrecht (BVerfGE 58, 137 (146)).

12. Terrorismusbekämpfung (Nr. 9a)

Der Begriff des Terrorismus ist unter Rückgriff u. a. auf die terrorismusqualifizierenden Merkmale des § 129a II 2 StGB auszulegen (vgl. BT-Drs. 16/813, 12). Unter den Begriff fallen schwerwiegende Gewalttaten, die geeignet sind, Unsicherheit und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten, und die die Grundstrukturen eines Staates oder einer int. Organisation erheblich beeinträchtigen (Starck/Heintzen, Föderalismusreform, 2007, Rn. 96; Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 32). Art. 73 I Nr. 9a erfasst nur die Gefahr des int. Terrorismus, dh, er darf nicht auf Deutschland beschränkt sein (BeckOK GG/Seiler Art. 73 Rn. 44). Schließlich darf – zur Wahrung der Länderkompetenzen – die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar sein oder die oberste Landesbehörde nicht um eine Übernahme ersuchen. Art. 73 I Nr. 9a verleiht eine unmittelbare Kompetenz zur Gefahrenabwehr einschließlich aller präventiv-polizeilichen Befugnisse (Degenhart NVwZ 2006, 1209 (1215)). Art. 73 II schreibt für Gesetze auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 9a die Zustimmung des BRats vor. Daraus darf allerdings nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Gesetze alle anderen Gegenstände des Art. 73 I betr. keiner Zustimmung des BRats bedürften. Eine Zustimmungsbedürftigkeit kann sich aus anderen Bestimmungen des GG ergeben.

13. Verbrechensbekämpfung und Verfassungsschutz (Nr. 10)

a) Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung

Der Kompetenztitel der Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung betrifft die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder auf den in lit. a–c genannten Gebieten. Die Kriminalpolizei (Art. 73 I Nr. 10 lit. a) meint die Verhütung, Aufklärung und Verfolgung von Kriminalunrecht, soweit nicht nur unbedeutende Straftaten betroffen sind (BVerfGE 133, 277 (318)). Nicht umfasst ist die Errichtung von Bundespolizeibehörden (SHH/Sannwald Art. 73 Rn. 149). Der Verfassungsschutz (Art. 73 I Nr. 10 lit. b) ist legaldefiniert. Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Bestand des Bundes oder eines Landes sind ebenso wie in Art. 21 II zu verstehen (Art. 21 Rn. 36). Die Sicherheit des Bundes oder eines Landes fordert – über den polizeirechtlichen Begriff der Sicherheit hinausgehend – Sicherheitsbelange von besonderem Gewicht, die also die innere und äußere Sicherheit des Bundes und der Länder, ihrer Institutionen und der Amtsführung ihrer Organe betreffen. Der Kompetenztitel zum Schutz vor die auswärtigen Belange gefährdenden Bestrebungen (Art. 73 I Nr. 10 lit. c) entspricht der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands, von seinem Gebiet ausgehende gewaltsame Handlungen gegen andere Staaten zu unterbinden, und umfasst Aktivitäten, die sowohl von Ausländern als auch von Deutschen ausgehen. Dabei sind aus der systematischen Zusammenschau mit den Kompetenztiteln der lit. a und b Angelegenheiten von einiger Bedeutung zu fordern. Zusammenarbeit meint – weitergehend als die Amtshilfe nach Art. 35 – laufende gegenseitige Information, Beratung und Unterstützung sowie organisatorische Verknüpfungen und gemeinsame Einrichtungen (BVerfGE 133, 277 (317 f.); 163, 43 (79); DHS/Uhle Art. 73 Rn. 231; ähnlich BK/Wolff Art. 73 I Nr. 10 Rn. 224). Hierunter fällt auch die durch das Antiterrordateigesetz vorgesehene Zusammenarbeit von Bundes- und Landesbehörden (BVerfGE 133, 277 (318)). Erfasst ist nicht nur die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern, sondern auch die Zusammenarbeit der Länder untereinander (BVerfGE 163, 43 (80); Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 34).

b) Bundeskriminalpolizeiamt und internationale Verbrechensbekämpfung

Art. 73 I Nr. 10 gibt dem Bund die Kompetenz zur Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (vgl. dazu auch die Verwaltungskompetenz des Bundes nach Art. 87 I 2; Art. 87 Rn. 7). Die int. Verbrechensbekämpfung betrifft alle Straftaten, deren Bekämpfung eine int. Zusammenarbeit erfordert (Sachs/Degenhart Art. 73 Rn. 53). Strafverfolgungsbefugnisse folgen aus beiden Kompetenztiteln nicht (MKS/Heintzen Art. 73 Rn. 120).

14. Statistik für Bundeszwecke (Nr. 11)

Unter Statistik ist die methodische Erhebung, Sammlung, Darstellung und Auswertung von Daten und Fakten zu verstehen (BVerfGE 8, 104 (111); 27, 1 (7)). Dazu gehört auch die Feststellung politischer Wertungen und Meinungen, soweit sie auf die Erhebung des Tatsachenmaterials beschränkt ist, also ohne die Absicht, politische Aktionen zu bewirken (BVerfGE 8, 104 (111)). Von einer Statistik für Bundeszwecke ist auszugehen, wenn sie der Erfüllung von Bundesaufgaben dient (BVerfGE 8, 104 (119); 65, 1 (39)), unschädlich ist aber, wenn gleichzeitig Aufgaben der Länder Rechnung getragen wird (BVerfGE 65, 1 (39)). Die Tätigkeit privater Meinungsforschungsinstitute ist nicht erfasst (Jarass/Pieroth/Kment Art. 73 Rn. 40).

15. Waffen- und Sprengstoffrecht (Nr. 12)

Das Waffen- und Sprengstoffrecht umfasst alle Bereiche des Umgangs mit Waffen und Sprengstoff, also sowohl den gewerblichen als auch den sicherheitsrechtlichen Teil (BK/Spranger Art. 73 I Nr. 12 Rn. 22 ff.). Bzgl. Kriegswaffen ist die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz dem Bund gem. Art. 26 II zugewiesen (MKS/Heintzen Art. 73 Rn. 127; BK/Spranger Art. 73 I Nr. 12 Rn. 19).

16. Versorgung und Fürsorge bei Kriegsbetroffenen (Nr. 13)

Bei diesem Kompetenztitel handelt es sich um ein Teilgebiet aus Art. 74 I Nr. 10 in der bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform geltenden Fassung, das von der konkurrierenden in die ausschließliche Gesetzgebung überführt wurde. Die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen ist auf Personenschäden begrenzt (s. BundesversorgungsG), die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen umfasst daneben auch Sachschäden (BK/Spranger Art. 73 I Nr. 13 Rn. 16). In beiden Fällen sind sowohl Militär- als auch Zivilpersonen erfasst (DHS/Uhle Art. 73 Rn. 284, 290).

17. Kernenergie (Nr. 14)

Die Kompetenzzuweisung erstreckt sich auf den gesamten Bereich des Kernenergiewesens. Die Vorschrift des Art. 73 I Nr. 14 ist umfassend und erschöpfend zu verstehen; sie erstreckt sich auf sämtliche kernenergierelevanten Sachverhalte und umfasst auch Regelungen zu Transport und Umschlag von Kernbrennstoffen (BVerfGE 160, 1 (26 f.)). Durch die Aufnahme in den Kompetenzkatalog des Art. 73 I wird die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken von der Verfassung als grds. zulässig erachtet (BVerfGE 53, 30 (56)). Art. 73 I Nr. 14 hat somit nicht lediglich einen kompetenzrechtlichen Gehalt, sondern enthält zudem eine materiell-rechtliche Legitimation der Kernenergie (BVerfGE 160, 1 (28)). Nicht damit verbunden ist aber ein Verfassungsauftrag zur Gestattung derselben, vielmehr liegt die Entscheidung beim Gesetzgeber. Auch die geregelte Beendigung der Kernenergienutzung (sog. Atomausstieg) fällt hierunter. Die Nutzung zu militärischen Zwecken hingegen untersteht Art. 73 I Nr. 1. Umfasst sind die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die friedlichen Zwecken dienen, einschließlich der Standortplanung und der Genehmigung der Anlagen, der Stilllegung und des Rückbaus (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 73 Rn. 56). Der Schutz gegen Gefahren schließt das Strahlenschutzrecht und die Beseitigung bereits eingetretener Gefahren ein.

III. Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 73 II

Art. 73 II schreibt für Gesetze auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 9a die Zustimmung des BRats vor. Das Erfordernis der Zustimmung des BRats für Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung von Gefahren des int. Terrorismus soll den Eingriff in die ansonsten bei den Ländern liegende Kompetenz für das Sicherheits- und Polizeiwesen kompensieren, der mit der ebenfalls durch die Föderalismusreform erfolgten Schaffung der neuen Kompetenz gem. Art. 73 I Nr. 9a einhergegangen ist. Aus Art. 73 II darf allerdings nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Gesetze alle anderen Gegenstände des Art. 73 I betr. keiner Zustimmung des BRats bedürften. Eine Zustimmungsbedürftigkeit kann sich aus anderen Bestimmungen des GG ergeben.