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Artikel 26 [Verbot des Angriffskrieges]

(1) 1 Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. 2 Sie sind unter Strafe zu stellen.

(2) 1 Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. 2 Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

I. Bedeutung der Norm

Mit Art. 26 rezipiert das GG aufgrund der historischen Vorbelastung Deutschlands die völkerrechtliche Ächtung des Krieges und macht daraus ein verfassungsunmittelbar geltendes Verbot der Kriegführung zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele. Die Norm findet weder in der RV noch in der WRV eine Entsprechung. Erst der Briand-Kellogg-Pakt v. 27.8.1928 (RGBl. 1929 II 97) ebnete den Weg zu einem umfassenden völkerrechtlichen Angriffskriegsverbot. Der am 24.7.1929 auch für das Deutsche Reich in Kraft getretene Pakt nahm gem. Art. 45 III WRV in der innerstaatlichen Rechtsordnung nur einfachen Gesetzesrang ein.

Im Gefüge des GG entfaltet Art. 26 prinzipiell unterstützende Wirkung (SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 4; vgl. aber auch Rn. 9). Das Angriffskriegsverbot ist seit 1949 zum universellen Völkergewohnheitsrecht erstarkt. Art. 25 bezieht dieses Verbot in die innerstaatliche Rechtsordnung ein (Art. 25 Rn. 23). Außerdem ist Deutschland völkervertragsrechtlich nach Art. 2 Ziff. 4 SVN verpflichtet, Angriffskriege zu unterlassen; diese Norm ist gem. Art. 59 II 1 Teil des einfachen Bundesrechts. Da in Art. 2 S. 2 des Zwei-Plus-Vier-Vertrags (BGBl. 1990 II 1318) aber auf das verfassungsrechtliche Angriffskriegsverbot des Art. 26 I Bezug genommen wird, ist es der Bundesrepublik Deutschland verwehrt, diese GG-Bestimmung abzuschaffen (MKS/Fink Art. 26 Rn. 9).

II. Verbot der Friedensstörung, insbes. des Angriffskriegs

1. Tatbestandsmerkmale

Das Verbot friedensstörender Handlungen gem. Art. 26 I 1 konkretisiert das Prinzip des friedlichen Zusammenlebens der Völker (BVerfGE 47, 327 (382)), das auch in der Präambel des GG zum Ausdruck kommt (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 2; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 26 Rn. 1). Es hat im Verhältnis zum Verbot des Angriffskriegs keine eigenständige, konstitutive Bedeutung (aA wohl Dreier/Wollenschläger Art. 26 Rn. 21 f.); allenfalls ist ihm der Aufruf zu entnehmen, dass die Staatsorgane aktiv an einer int. Friedensordnung mitwirken sollen (MKS/Fink Art. 26 Rn. 11 ff.), ohne dass damit aber eine rechtliche Verpflichtung zu friedenserhaltenden Maßnahmen begründet würde (Umbach/Clemens/Hartwig Art. 26 Rn. 22). Das Verbot des Angriffskriegs und seiner Vorbereitung in Art. 26 I 1 ist im Blick auf den gegenwärtigen Stand des völkerrechtlichen ius ad bellum und des Gewaltverbots zu interpretieren (MKS/Fink Art. 26 Rn. 5; Dreier/Wollenschläger Art. 26 Rn. 31). Art. 26 I bezweckt, Grundwerte der Völkerrechtsordnung zu schützen (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 4) und ist deshalb im Lichte völkerrechtlicher Rechtsentwicklungen dynamisch zu verstehen (Krieger DÖV 2012, 449 (451 f.); einschränkend HStR XI/Proelß § 227 Rn. 26). Den Tatbestand des Angriffskriegs erfüllt danach – unabhängig von der subjektiven Zielsetzung (BVerwGE 127, 302 (315)) – jede militärische Gewaltanwendung gegen einen anderen Staat, die gegen das allg. völkerrechtliche Gewaltverbot verstößt, also weder als individuelle oder kollektive Selbstverteidigung (vgl. Art. 51 SVN) noch als kollektive Zwangsmaßnahme des UN-Sicherheitsrats nach Art. 39 GG iVm Art. 42 SVN gerechtfertigt ist, und zudem ein gewisses Gewicht in Bezug auf Umfang und Ausmaß der Gewaltanwendung besitzt (Umbach/Clemens/Hartwig Art. 26 Rn. 14). Erforderlich ist ferner eine hinreichende Klarheit der Völkerrechtswidrigkeit (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 22; zweifelhaft daher BVerwGE 127, 302 (342 ff.)).

Präventive Selbstverteidigung, mit der ein konkreter und unmittelbar bevorstehender Angriff durch einen Erstschlag abgewendet wird, ist dann völker- und verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Gefahr eines Angriffs „instant, overwhelming, leaving no choice of means, and no moment for deliberation“ ist (sog. Webster-Formel, hierzu Verdross/Simma Universelles VölkerR § 470). Anderes gilt, wenn die Verteidigungsabsicht nur vorgetäuscht wird oder im weiteren Verlauf der militärischen Auseinandersetzung einer neuen, aggressiven Zielsetzung weicht (SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 10). Problematisch sind die Fälle, in denen argumentativ auf die präventive Selbstverteidigung zurückgegriffen wird, um einen Militärschlag gegen einen Staat zu legitimieren, von dem aufgrund seiner Politik und Aufrüstungsbestrebungen anzunehmen ist, er werde in einem nicht näher bestimmbaren Zeitraum andere Staaten angreifen. Bei einer solchen, bloß abstrakten Gefahr ist ein Verstoß gegen das allg. Gewaltverbot und – wäre Deutschland an einem derartigen Militärschlag beteiligt – auch gegen Art. 26 I gegeben (Bothe EJIL 14 [2003], 227 ff.; vgl. auch BVerwGE 127, 302 (311 ff.); einschränkend SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 11). Die humanitäre Intervention, die nicht durch den UN-Sicherheitsrat mandatiert ist, ist indes nicht zwingend völkerrechtswidrig (vgl. Doehring VölkerR Rn. 1013; aA Simma EJIL 10 [1999], 1 (5)). Erst recht liegt kein Angriffskrieg vor, da es der humanitären Intervention an einem verwerflichen Charakter und an der Absicht, das friedliche Zusammenleben der Völker zu gefährden, fehlt (Friauf/Höfling/Hobe Art. 26 Rn. 10; SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 12; krit. Umbach/Clemens/Hartwig Art. 26 Rn. 17c).

Art. 26 I steht dem Beitritt Deutschlands zu Verteidigungsbündnissen nach Art. 24 II nicht entgegen, solange deren Ausrichtung nicht aggressiv, sondern defensiv ist (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 37). Dies schließt auch die kollektive Selbstverteidigung im Falle eines Angriffs auf ein anderes Mitglied ein (MKS/Fink Art. 26 Rn. 22 f.). Im Rahmen solcher Bündnisse darf die Bundesrepublik die Stationierung ausländischer Waffen zu Verteidigungszwecken auf deutschem Territorium erlauben; sie ist nicht verpflichtet, sich die Verfügungsbefugnis über die Waffen einräumen zu lassen, um einen eventuellen vertragswidrigen Missbrauch dieser Waffen zu Angriffszwecken verhindern zu können (BVerfGE 77, 170 (233 f.); Art. 24 Rn. 4).

Die Rettung deutscher (und ausländischer) Staatsangehöriger aus dem Ausland unter Einsatz der Streitkräfte (vgl. zB den Einsatz der Bundeswehr 1997 in Albanien, hierzu Kreß ZaöRV 57 [1997], 329 (349); die „Operation Pegasus“ 2011 in Libyen, dazu BVerfGE 140, 160 (Rn. 69 ff.); die Evakuierungsmission im Südsudan 2016, dazu Neubert DÖV 2017, 141; sowie die Evakuierungen aus Afghanistan, dazu Schäfer DVBl 2022, 689) ist weder ein Verstoß gegen Art. 26 I noch gegen das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot. Solche Rettungsaktionen insbes. aus Staaten, die den Schutz von Ausländern nicht (mehr) garantieren können oder wollen, sind in der Staatenpraxis weithin üblich und akzeptiert (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 32; zur problematischen verfassungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage bei Evakuierungsaktionen Art. 24 Rn. 22, Art. 87a Rn. 11). Im Übrigen fehlt für das Vorliegen eines Angriffskriegs bereits die erforderliche Intensität des Militäreinsatzes.

Von Art. 26 I verboten ist nicht nur die aktive Beteiligung an einem Angriffskrieg mit eigenen Truppen, sondern auch jede aktive Unterstützung eines anderen Staates bei dessen militärischer Aktion (Friauf/Höfling/Hobe Art. 26 Rn. 7; vgl. auch BVerwGE 139, 272 (293)). Dabei ist entscheidend, ob Deutschland in einer deliktsvölkerrechtlich vorwerfbaren Weise Beihilfe zum Angriffskrieg eines fremden Staates leistet (vgl. Art. 16 UNGA Res. 56/83; näher DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 28). Rein passives Verhalten, das sich in einer bloßen Nichtverhinderung eines von einem anderen Staat vorbereiteten Angriffskriegs erschöpft, wird indes von Art. 26 I nicht erfasst (Sachs/Streinz Art. 26 Rn. 24; SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 13).

Das Verbot des Art. 26 I geht über das völkerrechtliche Gewaltverbot hinaus, indem es schon die Vorbereitung eines Angriffskriegs und alle vorsätzlichen friedensstörenden Handlungen verbietet (BVerwGE 127, 302 (314 f.); MKS/Fink Art. 26 Rn. 39). Darunter können etwa Kriegspropaganda oder das Schüren gewaltbereiten rassistischen Hasses fallen (Sachs/Streinz Art. 26 Rn. 16; vgl. auch JöR 1 [1951], 236). Allerdings müssen die Handlungen im Blick auf Art und Umfang von Gewichtigkeit sein (BVerwG NJW 1982, 194 (195)). Dies ist nach Ansicht des LG Köln (NStZ 1981, 261) nicht der Fall, wenn in einer Zeitschrift mit einer Auflagenstärke von monatlich ca. 40.000 Stück zur militärischen Besetzung der Erdölfelder im Nahen Osten aufgerufen wird.

Art. 26 I richtet sich nicht nur unmittelbar an die deutschen Staatsorgane, sondern verbietet – über das grds. völkerrechtlich Gebotene hinaus – auch Individuen sowie juristischen Personen des Privatrechts die Vorbereitung eines Angriffskriegs und andere vorsätzliche Friedensstörungen (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 52; v. Münch/Kunig/Aust Art. 26 Rn. 38). Insoweit gewinnt Art. 26 I gegenüber Art. 25 (Rn. 2) zusätzliche Bedeutung (HStR VII/Doehring, 1. Aufl. 1992, § 178 Rn. 30). Das Verbot gilt für jede im Geltungsbereich des GG handelnde Person, unabhängig welcher Staatsangehörigkeit. Es erstreckt sich – extraterritorial – auch auf die im Ausland handelnden Deutschen (BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 26 Rn. 4). Außerdem können sogar ausländische Staaten und ihre Amtsträger an Art. 26 I 1 gebunden sein, wenn sie in Deutschland Streitkräfte stationiert haben (v. Münch/Kunig/Aust Art. 26 Rn. 38). Art. II S. 1 des NATO-Truppenstatuts verpflichtet ausländische Staaten in einem solchen Fall ausdrücklich dazu, die deutsche Rechtsordnung zu beachten (BVerwGE 154, 328 (355); 170, 345 (357)). Ferner ist unerheblich, zwischen welchen Staaten der Frieden gestört wird (Sachs/Streinz Art. 26 Rn. 22 f.). Der innerstaatliche Frieden als solcher wird dagegen nicht durch Art. 26 I geschützt; es bedarf jedenfalls einer Störung des Zusammenlebens der Völker, also eines grenzüberschreitenden Elements (BVerfG NJW 1982, 194 (195); krit. Sachs/Streinz Art. 26 Rn. 12; GWC/Windthorst Art. 26 Rn. 6).

2. Rechtsfolgen

Art. 26 I ist unmittelbar verbindliche Rechtsnorm (MKS/Fink Art. 26 Rn. 6). Rechtsfolge ist, dass die verpönte Handlung rechts- und verfassungswidrig ist (HStR XI/Proelß § 227 Rn. 27). Das bedeutet, dass sie von vornherein keinen Grundrechtsschutz genießt (Umbach/Clemens/Hartwig Art. 26 Rn. 12; DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 51; aA wohl BVerfGE 47, 327 (382); diff. Krieger DÖV 2012, 449 (451)). So können zB Ausländer, die nach Aufnahme in Deutschland Kriegsverbrechen begehen, im Lichte von Art. 26 I keinen asylrechtlichen Schutz nach Art. 16a beanspruchen (BVerwGE 139, 272 (293)). Weitere Folge ist, dass gegen Art. 26 I verstoßende einfachgesetzliche Normen nichtig sind; auch entspr. Verwaltungsakte sind bei Evidenz wegen § 44 VwVfG nichtig (aA SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 17). Desgleichen sind militärische Befehle oder dienstliche Weisungen, die Art. 26 I offenkundig verletzen, unwirksam (zweifelhaft aber BVerwGE 127, 302 (314 f., 342 ff.)). Auch privatrechtliche Verträge, die zur Vorbereitung eines Angriffskriegs verpflichten, sind nach § 134 BGB iVm Art. 26 GG nichtig (v. Münch/Kunig/Hernekamp, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 25; zu weitgehend indes LG Stuttgart NJW 1994, 1077).

Da Art. 26 I lediglich objektives Verfassungsrecht darstellt und keine subjektiven Rechte verleiht, kann eine Verletzung dieser Norm verfassungsprozessual gegenwärtig nicht geltend gemacht werden (zutr. SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 19). Zwar könnte ein friedensstörendes Gesetz Gegenstand einer Normenkontrolle sein, und auch ein Bürger, der zur Mitwirkung an einem Angriffskrieg einen Einberufungsbescheid erhält, könnte Verfassungsbeschwerde erheben. Beschlüsse von BReg und BT über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr gem. Art. 42 II sind aber weder formelle Gesetzesbeschlüsse noch bringen sie Eingriffe in Grundrechte des Bürgers mit sich, sofern – wie bisher – nur Freiwillige eingesetzt werden (MKS/Fink Art. 26 Rn. 53). Dem steht nicht entgegen, dass Art. 26 I im Rahmen von Verfassungsbeschwerden als objektives Verfassungsrecht Bedeutung gewinnen kann (Dreier/Wollenschläger Art. 26 Rn. 40; v. Münch/Kunig/Aust Art. 26 Rn. 45). Da der BT kein organschaftliches Recht auf Beachtung des Art. 26 I hat, scheidet auch ein Organstreitverfahren einer überstimmten Fraktion aus (vgl. BVerfGE 100, 266 (268 f.); 124, 267 (280); 126, 55 (67 f.)).

Art. 26 I 2 erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, die nach Art. 26 I 1 verbotenen Handlungen unter Strafe zu stellen. Dies war mit §§ 80 und 80a StGB aF wegen der Beschränkung auf die Vorbereitung von Angriffskriegen unter Beteiligung Deutschlands nur unvollständig geschehen (Sachs/Streinz Art. 26 Rn. 33; BK/Bothe Art. 26 Rn. 46). Inzwischen stellt jedoch § 13 VStGB, der den früheren § 80 StGB zum 1.1.2017 abgelöst hat (BGBl. 2016 I 3150), den Angriffskrieg als solchen, einschließlich seiner Vorbereitung, Auslösung und Durchführung, unter Strafe. Auf völkerrechtlicher Ebene bestand indes lange Zeit keine Pflicht zur persönlichen Bestrafung der für eine Aggression verantwortlichen Individuen. Dies hat sich inzwischen geändert. Die im Römischen Statut (BGBl. 2000 II 1393) vorgesehene Zuständigkeit des IStrGH über die Aburteilung von Aggressionsverbrechen (vgl. Art. 5 II IStrGH-Statut) ist nach einem komplizierten Mechanismus, der in die Einigung von Kampala über die Definition des Tatbestands der Aggression (Art. 8 bis IStrGH-Statut) im Jahr 2010 mündete, aber aus politischen Gründen erst mit Verspätung in Kraft trat, seit 2018 anwendbares Recht. Die Bundesrepublik hat die Änderungen von Kampala als einer der ersten Vertragsstaaten ratifiziert (BGBl. 2013 II 139). Im Wesentlichen wiederholt die in Kampala konsentierte Definition die Vorgaben der Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung (UNGA-Res. 3314 (XXIX)) und beschränkt die individuelle Verantwortlichkeit auf Personen, die in zentralen Befehls- und Führungspositionen stehen (Krieger DÖV 2012, 449 (452 ff.); v. Münch/Kunig/Aust Art. 26 Rn. 12). Eine Strafverfolgung der russischen Führung wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine iSd Art. 8 bis IStrGH-Statut ist dennoch nicht möglich. Die Russische Föderation ist nicht Vertragsstaat des Römischen Statuts, und der IStrGH hat keine Jurisdiktion für das Verbrechen der Aggression, wenn es von Staatsangehörigen eines Nichtvertragsstaats begangen wird (Art. 15 bis IStGH-Statut). Dass alternativ der UN-Sicherheitsrat die Situation gem. Art. 15 ter IStGH-Statut verweisen wird, dürfte wegen des Veto-Rechts Russlands im UN-Sicherheitsrat ausgeschlossen sein (Schmahl NJW 2022, 969 (974)).

III. Kriegswaffenkontrolle

Gem. Art. 26 II 1 dürfen Kriegswaffen nur mit Genehmigung der BReg hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Hierbei handelt es sich um ein verfassungsunmittelbares repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (MKS/Fink Art. 26 Rn. 74 f.; aA BeckOK GG/Heintschel v. Heinegg/Frau Art. 26 Rn. 33). Die Genehmigung (iSe vorherigen Zustimmung, vgl. Friauf/Höfling/Hobe Art. 26 Rn. 18) ist von der BReg als Kollegialorgan, nicht von einem einzelnen Minister zu erteilen. Die Möglichkeit der Delegation im Rahmen des § 11 II KrWaffKontrG (Rn. 14) ist daher verfassungswidrig (Epping, GG und Kriegswaffenkontrolle, 1993, 210 ff.; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 26 Rn. 12; aA v. Münch/Kunig/Hernekamp, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; offengelassen in BVerfGE 137, 185 (239 f.)). Der parlamentarische Informationsanspruch in Bezug auf Rüstungsexportgenehmigungen des Bundessicherheitsrats besteht nach Ansicht des BVerfG nur in engen Grenzen (BVerfGE 137, 185 (250 f.); krit. v. Achenbach JZ 2015, 96; Stemmler DÖV 2015, 139). Namentlich bei unterstützenden Waffenlieferungen an Konfliktparteien überzeugt diese weitreichende Beschränkung parlamentarischer Informationsrechte nicht, zumal Geheimhaltungserfordernissen im Einzelfall durch Geheimschutzmaßnahmen begegnet werden kann (Krieger JZ 2022, 1013 (1018 ff.); vgl. auch Wischmeyer, Die Verwaltung 51 [2018], 393 (412)). Ohnehin ist es nicht sonderlich konsistent, dass für die Entsendung von Streitkräften ins Ausland mit Recht ein konstitutiver Parlamentsvorbehalt gilt (Art. 87a Rn. 12), der BT aber nur ex post und restriktiv über Rüstungslieferungen informiert wird (vgl. Ley AöR 146 [2021], 299 (337)).

Art. 26 II weicht vom völkerrechtlichen Normbestand insoweit ab, als dieser eine umfassende Kriegswaffenkontrolle nicht gebietet. Die Bundesrepublik hat freilich in verschiedenen Verträgen auf die Herstellung und den Besitz bestimmter Waffen verzichtet (im Einzelnen SHH/Hillgruber Art. 26 Rn. 26). Zur Regelung des Näheren ist gem. Art. 26 II 2 das KrWaffKontrG (BGBl. 1990 I 2506) ergangen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 26 II 2 erstreckt sich dabei auch auf Regelungen zur Verhütung von Straftaten (BVerfGE 110, 33 (49)). Zur Kriegführung bestimmte Waffen sind alle in der Anlage zum KrWaffKontrG aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen (vgl. § 1 KrWaffKontrG). Allerdings sind die Restriktionen des Art. 26 II 1 nur auf Gegenstände gerichtet, die objektiv militärischen Zwecken zu dienen bestimmt sind (DHS/Herdegen Art. 26 Rn. 60), weshalb sog. „dual-use-Güter“, die auch zivil genutzt werden können, vom Anwendungsbereich des Art. 26 II 1 nicht erfasst sind (HStR XI/Proelß § 227 Rn. 31; aA Friauf/Höfling/Hobe Art. 26 Rn. 14).