Artikel 6 [Ehe und Familie; Elternrecht; Mutterschutz; nichteheliche Kinder]
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) 1 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. 2 Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
I. Überblick über die Regelungsgehalte des Art. 6
Art. 6 enthält mehrere Grundrechtsverbürgungen, die sich auf Ehe, Familie, Eltern und Kinder beziehen: Im Einzelnen handelt es sich um den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 I) sowie des Elternrechts (Art. 6 II und III), den Schutz- und Fürsorgeauftrag bezüglich Müttern (Art. 6 IV) sowie das Gleichstellungsgebot hinsichtlich unehelichen Kindern (Art. 6 V). Zudem weisen die Grundrechtsverbürgungen jeweils unterschiedliche Schutzdimensionen auf: Art. 6 enthält insoweit Abwehrrechte, Institutsgarantien, Wertentscheidungen, Gleichheitssätze sowie Schutz- und Gesetzgebungsaufträge.
II. Schutz von Ehe und Familie
1. Begriffe „Ehe“ und „Familie“
Nach Art. 6 I stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Beide Begriffe werden im Grundgesetz nicht definiert, sondern als von Alters her überkommene Institute vorausgesetzt (vgl. BVerfGE 10, 59 (66); 105, 313 (345)). Maßgebend für ihren Inhalt ist eine verfassungsrechtliche Begriffsbildung, nicht hingegen das einfache Gesetzesrecht. Vielmehr müssen die einfachgesetzlichen Regelungen von „Ehe“ und „Familie“ die wesentlichen, die Institute „Ehe“ und „Familie“ bestimmenden Strukturprinzipien (Rn. 12) beachten, die sich aus der Anknüpfung des Art. 6 I an vorgefundene, überkommene Lebensformen iVm dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderen Verfassungsnormen ergeben (BVerfGE 31, 58 (69)).
a) Ehe
Dem Ehebegriff des Grundgesetzes liegt das Bild der „verweltlichten“ bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde (BVerfGE 53, 224 (245)). „Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freien Entschluss unter Mitwirkung des Staates […], in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen […] und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können“ (BVerfGE 105, 313 (345) – ohne die Hervorhebungen; vgl. ferner BVerfGE 121, 175 (193); 149, 86 (124); 159, 223 (276); BVerfG NJW 2023, 1494 (1496)). Obwohl das BVerfG die Ehe lange Zeit in stRspr ausdrücklich „als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut“ bezeichnet hat (BVerfGE 131, 239 (259); 133, 377 (409)), wurde die auf der Ebene unterhalb des Verfassungsrechts angesiedelte Vorschrift in § 1353 I 1 BGB durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v. 20.7.2017 (BGBl. I 2787) wie folgt gefasst: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ In seinen seitdem ergangenen Entscheidungen ist das BVerfG dazu übergegangen, die Ehe als „eine rechtlich verbindliche und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten einhergehende, auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft“ zu bezeichnen, „die aufgrund eines jeweils freien Entschlusses durch die Eheschließung als formalisiertem, nach außen erkennbaren Akt begründet wird“ (BVerfG NJW 2023, 1494 (1497); vgl. auch bereits etwa BVerfG [K] NVwZ 2017, 617 (621)). Aufgrund einer fehlenden expliziten Auseinandersetzung mit seiner hergebrachten Rspr. zum Institut der Ehe und näheren Begründung der nun modifizierten Ehe-Definition bleibt unklar, ob das BVerfG die Beschränkung des Schutzes der Ehe auf verschiedengeschlechtliche Verbindungen nunmehr aufgegeben hat (so BeckOGK/Kriewald BGB § 1303 Rn. 15 f.; zurückhaltender, aber grds. ebenso Kingreen/Poscher Rn. 864) oder mangels Entscheidungserheblichkeit gegenüber anderen Strukturprinzipien lediglich in den Hintergrund hat treten lassen. Die Einschätzung, es sei zu einer dem einfachen Recht folgenden „Neuformulierung“ des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs gekommen (so Kingreen/Poscher Rn. 864), dürfte jedenfalls zu weit gehend sein. Der Gesetzgeber wird seinerseits in der Literatur aus rechtspolitischer Perspektive für die systematisch verfehlte Regelung (C. Schmidt NJW 2017, 2225) oder für die verpasste Chance der Erarbeitung eines kohärenten Konzepts von Ehe und Familie kritisiert (Froese DVBl 2017, 1152 (1155)). Inwiefern auf Geschlechter abstellende Regelungen vor dem Hintergrund der gesetzgeberisch gewollten und der verfassungsrechtlich erforderlichen Differenzierung über die hergebrachten binären Geschlechter hinaus (vgl. BVerfGE 147, 1 ff.) konsistent sind, bleibt abzuwarten. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive geht hinsichtlich der Ehe die (rechtswissenschaftliche) Literatur nahezu einhellig davon aus, dass hierfür ein Tätigwerden des verfassungsändernden Gesetzgebers erforderlich gewesen wäre (v. Coelln NJ 2018, 1 ff.; Froese DVBl 2017, 1152 (1153); ausf. J. Ipsen NVwZ 2017, 1096 ff.; C. Schmidt NJW 2017, 2225 (2226 f.); aA Brosius-Gersdorf NJW 2015, 3557 ff.). Insbes. das vielfach angeführte Argument, der Wortlaut von Art. 6 I lasse keinen Schluss auf die Geschlechterverschiedenheit zu, verfängt nicht. Geschützt wird durch Art. 6 I das hergebrachte Institut der Ehe mitsamt der sie konstituierenden Strukturmerkmale. Auch die anderen Strukturmerkmale wie etwa das Erfordernis der staatlichen Mitwirkungspflicht oder die Beschränkung auf zwei Personen finden keine Berücksichtigung im Wortlaut und sind für den einfachen Gesetzgeber nach einhelliger Auffassung dennoch nicht disponibel (Sachs/v. Coelln Art. 6 Rn. 3 ff., 31). Wer zwischen den die Ehe konstituierenden und darüber hinausgehenden, für die Gewährleistung der Funktion der Ehe nicht notwendigen Strukturprinzipien differenzieren möchte (vgl. etwa Brosius-Gersdorf FamFR 2013, 169 (171)), gibt die Strukturprinzipien der Beliebigkeit preis. Denn eine Begrenzung des Kerns des Instituts der Ehe auf diejenigen Strukturmerkmale, die für ihre Funktion als auf wechselseitigen Bestand und Verantwortung rechtlich angelegte Lebensgemeinschaft notwendig sind, würde dazu führen, die staatliche Mitwirkungspflicht sowie die Begrenzung der Ehe auf die Einehe aufzugeben (vgl. auch krit. insbes. zur Entkopplung der Ehe als „gegenseitige Beistandsübernahme der Eheleute“ von der potentiell aus der Ehe hervorgehenden Familie Epping/Hillgruber/Uhle BeckOK GG Art. 6 Rn. 4). Je nach dem Verständnis von „wechselseitig“ ist nämlich eine rechtsgeschäftliche Bindung auch zwischen mehreren Personen ohne weiteres denkbar. Eine so verstandene Ehe wäre im Ergebnis nichts anderes als ein „umfassender, wechselseitig abgeschlossener Versicherungsvertrag, der im Einzelnen unbestimmte Lebensrisiken abzudecken bestimmt ist“ (C. Schmidt NJW 2017, 2225 (2227)). Ein Wandel der Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung kann – sofern sich dieser überhaupt nachweisen lässt – zur Begründung der Änderung des Verständnisses nur bedingt herangezogen werden (s. zur Berücksichtigung eines sog. Verfassungswandels Sachs/v. Coelln Art. 6 Rn. 3; Sachs/Sachs Einf. Rn. 27). Zunächst ist für die Bestimmung des Inhalts rechtlicher Begriffe primär auf die Fachsprache abzustellen (s. zum Begriff der Ehe im juristischen Sprachgebrauch Schüffner, Eheschutz und Lebenspartnerschaft, 2007, 131 ff.). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Verfassung grds. nur durch ausdrückliche Textänderung modifiziert werden kann (vgl. Art. 79 Rn. 6; Sachs/v. Coelln Art. 6 Rn. 3; J. Ipsen NVwZ 2017, 1096 (1098)). Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ist keine Ehe iSv Art. 6 I (BVerfGE 105, 313 (345 f.)); sie genießt den Schutz von Art. 2 I. Der EGMR nimmt unter „Berücksichtigung von Art. 9 GRCh […] nicht länger an, dass das in Art. 12 EMRK garantierte Recht, eine Ehe einzugehen, unter allen Umständen auf die Ehe zwischen zwei Partnern unterschiedlichen Geschlechts beschränkt ist“; die „Entscheidung aber, ob eine gleichgeschlechtliche Ehe zugelassen werden soll oder nicht, bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem Recht des Konventionsstaats überlassen“ (EGMR NJW 2011, 1421 (1423)). Weder nicht-eheliche Lebensgemeinschaften noch die Zeit unmittelbar vor einer beabsichtigten Eheschließung unterfallen dem Art. 6 I (BVerfGE 112, 50 (65)). Auch die Mehrehe („Polygamie“) ist nicht von Art. 6 I erfasst, da Leitbild abendländischer Tradition die Einehe ist (BVerfGE 29, 166 (176); v. Münch/Kunig/Robbers Art. 6 Rn. 42). Die im Ausland bzw. nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe genießt den Schutz des Art. 6 I, soweit sie den Strukturprinzipien einer „Ehe“ iSd Art. 6 I entspricht (BVerfGE 62, 323 (330); vgl. BVerfGE 31, 58 (79); 35, 382 (407 f.); 51, 386 (396)). Dies gilt auch, wenn die Ehe zwar nach ausländischem Recht wirksam geschlossen, nach deutschem Recht hingegen als „Nicht-Ehe“ zu beurteilen ist (sog. „hinkende Ehe“, s. BVerfGE 62, 323 (331 f.)). Auch die gescheiterte Ehe unterliegt dem Schutz des Art. 6 I, sodass der Gesetzgeber über die Regelung der Scheidungsfolgen hinaus verpflichtet sein kann, der in dieser Situation fortwirkenden personalen Verantwortung der Ehegatten durch eine Regelung Rechnung zu tragen, die unzumutbare Härten vermeiden hilft (BVerfGE 55, 134 (141 f.)). Einer erweislich nicht auf eheliches Zusammenleben gerichteten „Scheinehe“ ist der Schutz des Art. 6 I hingegen zu versagen (BVerfG [K] DVBl 2003, 1260; v. Sachs/Coelln Art. 6 Rn. 11; aA etwa Kingreen/Poscher Rn. 867); allerdings resultiert aus Art. 6 I ein strenger Maßstab für deren Nachweis. Erforderlich für eine „Ehe“ iSd Art. 6 I ist jedenfalls im Hinblick auf deren Bedeutung ein staatlicher Mitwirkungsakt (BVerfGE 29, 166 (176); aA wohl MKS/Robbers Art. 6 Rn. 39; differenzierend Dreier/Brosius-Gersdorf Art. 6 Rn. 49 f.), woran es bei einer rein kirchlichen oder gar privat geschlossenen „Ehe“ fehlt (Sachs/v. Coelln Art. 6 Rn. 9).
b) Familie
Familie iSv Art. 6 I betrifft die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und ihren Kindern (BVerfGE 10, 59 (66); 80, 81 (90); 151, 101 (124)) einschließlich Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern (BVerfGE 18, 97 (106); 133, 59 (83)) sowie volljährigen Kindern (BVerfGE 57, 170 (178); BVerfG [K] NJW 2021, 2355 (2356)) und unabhängig davon, ob die Gemeinschaft bzw. die Kinder ehelich oder nicht-ehelich sind (vgl. BVerfGE 18, 97 (105 f.); 79, 203 (211); 151, 101 (124); 159, 223 (276); s. auch Sodan, Künstliche Befruchtung und gesetzliche Krankenversicherung, 2006, 70 ff.). Nach neuerer Rspr. erstreckt sich der Schutz von Art. 6 I ferner auf nahe Verwandte, insbes. Großeltern (BVerfGE 136, 382 (389 f.); 151, 101 (124); 159, 223 (276)), weshalb nunmehr auch die sog. „Generationen-Großfamilie“ (vgl. dazu Uhle NVwZ 2015, 272 ff.) umfasst ist. Der verfassungsrechtliche Familienbegriff ist in geringerem Maße normgeprägt als der Begriff der Ehe (vgl. Dreier/Brosius-Gersdorf Art. 6 Rn. 100). Art. 6 I schützt auch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen einem Kind und seinem nicht rechtlichen, aber leiblichen (biologischen) Vater (BVerfGE 108, 82 (117 ff.): Grundrechtswidrigkeit einer Regelung, die den leiblichen Vater, der eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind hat, auch dann vom Umgang mit dem Kind ausschließt, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient).
2. Schutzgebot und Abwehrrecht
a) Sachlicher Schutzbereich
Art. 6 I beinhaltet die Verpflichtung des Staates zum besonderen Schutz von Ehe und Familie und ein daraus resultierendes Abwehrrecht (vgl. Vor Art. 1 Rn. 11 ff.) gegen staatliche Beeinträchtigungen. Der sachliche Schutzbereich reicht im Hinblick auf die Ehe von deren Schließung (BVerfGE 29, 166 (175)) über alle Modalitäten des ehelichen Zusammenlebens bis zur Ehescheidung (vgl. BVerfGE 31, 58 (82 f.); 53, 224 (250 f.)) und deren Folgewirkungen wie etwa Unterhalt und Versorgung oder Vermögensaufteilung (BVerfGE 53, 257 (296); 108, 351 (364)). Geschützt sind somit etwa der freie „Zugang“ zum Institut Ehe (Eheschließungsfreiheit) einschließlich der freien Wahl des Ehepartners (BVerfGE 36, 146 (161); 105, 313 (342); BVerfG NJW 2023, 1494 (1496)). Wenn Art. 6 I somit – richtigerweise – auch vor einem aufgezwungenen Ehepartner schützt, dann muss er konsequenterweise ebenso vor einer aufgezwungenen Ehe („Ehezwang“ oder „Zwangsehe“) schützen, sodass auch die „negative“ Eheschließungsfreiheit in Art. 6 I zu verorten ist und nicht in Art. 2 I (in letzterem Sinne aber BVerfGE 56, 363 (384 f.); wie hier etwa MKS/Robbers Art. 6 Rn. 57). Auch die eigenständige und selbstverantwortliche Aufgabenverteilung sowie die persönliche und wirtschaftliche Lebensführung innerhalb der Ehe sind durch Art. 6 I geschützt (BVerfGE 53, 257 (296 f.)), ebenso ihr Fortbestand (s. hierzu BVerfGE 121, 175 (198 ff.) betr. transsexuelle Ehepartner und deren – mit Art. 6 I unvereinbare – gesetzliche Verpflichtung zur Ehescheidung als Voraussetzung der Anerkennung ihrer geänderten Geschlechtszugehörigkeit). „Die Ehe als allein der Verbindung von Mann und Frau vorbehaltenes Institut […] erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um diesem Schutzauftrag Genüge zu tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern“ (BVerfGE 131, 239 (259); 133, 377 (409)). Der Schutz des durch Ehenamenwahl erworbenen Namens erwächst hingegen allein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 I iVm Art. 1 I (BVerfGE 109, 256 (267); 123, 90 (101 ff.) betr. Zulässigkeit von Mehrfachnamen bzw. „Namensketten“).
Hinsichtlich der Familie schützt Art. 6 I zunächst die Familiengründung (BVerfGE 76, 1 (42)), also insbes. die freie Entscheidung für Kinder (BVerfGE 105, 1 (11)). Hingegen soll Art. 6 I insoweit nicht berührt sein, wenn der Gesetzgeber die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf miteinander verheiratete Personen beschränkt (BVerfGE 117, 316 (329); aA Sodan [Rn. 4], 66 ff.). Ferner erfasst Art. 6 I alle Bereiche des familiären Zusammenlebens, sowohl in immateriell-persönlicher wie in materiell-wirtschaftlicher Hinsicht (BVerfGE 112, 332 (352); vgl. ferner BVerfG [K] NJW 2021, 2355 (2356)). Er berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortung und Rücksicht frei zu gestalten; die Auswirkungen familiärer Freiheit nach außen, insbes. auf das Berufsleben, das Schulwesen, die Eigentumsordnung und das öffentliche Gemeinschaftsleben, müssen aber mit der verfassungsmäßigen Rechtsordnung übereinstimmen (BVerfGE 80, 81 (92); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2019, 1510 f.). Der Schutz des Art. 6 I erstreckt sich dabei auf sämtliche Stadien der familiären Verantwortungsgemeinschaft: Zuvörderst auf die familiäre Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, aber auch auf die mit steigender Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Kinder eintretende Hausgemeinschaft sowie nach deren Auflösung die Begegnungsgemeinschaft (vgl. BVerfGE 159, 223 (244 f.)), wobei sich die mit der Zeit abnehmende Nähe der Familienmitglieder zueinander auf die Schutzintensität des Art. 6 I auswirkt (BVerfGE 80, 81 (90 ff.); vgl. auch MKS/Robbers Art. 6 Rn. 89). Art. 6 I schützt somit auch die familiären Beziehungen zwischen einem volljährigen, im Haushalt der Eltern betreuten Kind und dem betreuenden Familienangehörigen, sodass die Bedeutung des familiären Zusammenhaltes und die Funktion der „Familie als Schutzraum“ bei der Entscheidung über die Entlassung des betreuenden Familienangehörigen und der Bestellung eines Berufsbetreuers zwingend zu berücksichtigen sowie mit den Nachteilen dieses „Rollenkonflikts“ abzuwägen ist (BVerfG [K] NJW 2021, 2355 (2357 f.)). Ferner gewährleistet Art. 6 I den Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinem Kind (BVerfGE 57, 170 (178); 112, 332 (352); BVerfG [K] ErbR 2019, 224 (225)).
b) Personeller Schutzbereich
Der Schutz des Art. 6 I erstreckt sich auf alle natürlichen Personen, unabhängig von deren Nationalität (vgl. BVerfGE 31, 58 (67 f.); 76, 1 (41 ff.); 80, 81 (93)), und erfasst auch die von einem Akt der öffentlichen Gewalt betroffenen Ehepartner oder Familienangehörigen (BVerfGE 76, 1 (44)). Für Nicht-Deutsche ohne den grds. erforderlichen Gebietskontakt zur Bundesrepublik Deutschland genügt es, wenn der Betroffene mit einer anderen Person, die ihrerseits Gebietskontakt mit der Bundesrepublik hat, in Ehe oder Familie verbunden ist (BVerfGE 76, 1 (46); hierzu aber auch Rn. 9).
c) Eingriffe
Eingriffe in den Schutzbereich (vgl. Vor Art. 1 Rn. 47 ff.) sind alle staatlichen Maßnahmen, welche die „Ehe“ oder die „Familie“ schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 6, 55 (76); 81, 1 (6); BVerfG [K] NJW 2019, 1510). Soweit solche Maßnahmen indes zur – notwendigen – Ausgestaltung der Rechtsinstitute „Ehe“ oder „Familie“ erfolgen, sind sie keine Eingriffe, sofern sie nicht den durch die Institutsgarantie (Rn. 12) gezogenen Rahmen verlassen, wobei dem Gesetzgeber bei der von Art. 6 I vorausgesetzten Ausgestaltung ein erheblicher Gestaltungsspielraum verbleibt (vgl. BVerfGE 31, 58 (68 ff.); 81, 1 (6 f.); BVerfG NJW 2023, 1494 (1497)). Typische Eingriffe sind etwa Regelungen, die das Eingehen einer „Ehe“ iSd Art. 6 I verhindern, wie zB das Eheverbot für die sog. Geschlechtsgemeinschaft (BVerfGE 36, 146 (161 ff.)) oder sog. Zölibatsklauseln für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BVerwGE 14, 21 (27)). Wegen der personellen Exklusivität einer Ehe ist es aber gerechtfertigt, die rechtsverbindliche Eingehung einer „eheähnlichen“ Lebensgemeinschaft, etwa einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft, als Ehehindernis auszugestalten (vgl. BVerfGE 105, 313 (344)). Ferner ist es dem Gesetzgeber grds. unbenommen, Anforderungen an die Ehefähigkeit, etwa in Gestalt von Mindestaltersgrenzen, für die Eheschließung aufzustellen, um die durch Art. 6 I geschützte autonome Entscheidung beider Eheschließenden zu sichern (BVerfG NJW 2023, 1494 (1497)). Neben Ehehindernissen bilden solche Regelungen eine weitere typische Art von Eingriffen in den Schutzbereich des Art. 6 I, die nicht von vornherein der Gründung einer Familie bzw. der Schließung einer Ehe entgegenstehen oder ihren Bestand bedrohen, sondern auf andere Weise die Möglichkeit beschneiden, über die Ausgestaltung des familiären und ehelichen Zusammenlebens selbst frei zu entscheiden, etwa, indem die Möglichkeit zu beliebigen familiären und ehelichen Zusammenkünften eingeschränkt wird (BVerfGE 159, 223 (276 f., 333 f.) – Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie – „Bundesnotbremse I“).
Nach der Rspr. des BVerfG gibt Art. 6 I jedenfalls für einen prinzipiellen Anspruch eines Ausländers auf Einreise oder (weiteren) Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke ehelichen oder familiären Zusammenlebens „nichts her“ (BVerfGE 76, 1 (47)). Andererseits aber resultiert aus Art. 6 I zumindest ein Anspruch des Betroffenen darauf, dass die Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein solches Begehren die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen des Antragstellers an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz in Art. 6 dem Schutz von Ehe und Familie erkennbar beimisst; daher braucht es der Betroffene nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden nahen Angehörigen ständigen Aufenthalt zu nehmen (BVerfGE 76, 1 (49 f.); 80, 81 (93); s. zur Bedeutung von Art. 6 im Zusammenhang mit einer Rückführung nach dem „Dublin-Verfahren“ BVerfG [K] NVwZ 2014, 1511 f.). Hierbei ist grds. eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der einerseits die ehelichen oder familiären Bindungen und andererseits die sonstigen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (BVerfG [K] NVwZ 2000, 59 f.; 2002, 849 f.). Ist etwa dem in Deutschland ansässigen Familienmitglied des Betroffenen das Verlassen der Bundesrepublik nicht zuzumuten, so kann die Pflicht des Staates zum Schutz der Familie einwanderungspolitische Belange zurückdrängen (BVerfG [K] NJW 1994, 3155; NVwZ 2000, 59). Auch darf der ausländische Ehepartner einer Deutschen nicht wegen Straftaten ausgewiesen werden, die nicht hinreichend schwer wiegen (BVerfGE 51, 386 (397 f.): besondere Schwere bejaht bei Rauschgiftkriminalität).
d) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Eingriffe in Art. 6 I, nicht hingegen bloß ausgestaltende Regelungen (Rn. 8), bedürfen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Da Art. 6 I vorbehaltlos gewährleistet ist, kommt hierzu nur kollidierendes Verfassungsrecht in Betracht (verfassungsimmanente Schranken, vgl. Vor Art. 1 Rn. 53). Im Hinblick auf die materiellen Schranken-Schranken ist neben dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Vor Art. 1 Rn. 60 ff.) vor allem die in Art. 6 I verbürgte Institutsgarantie bezüglich Ehe und Familie zu beachten: Diese sichert den „Kern“ bzw. die „bestimmenden Merkmale“ des der Verfassung zugrunde liegenden Bildes von „Ehe“ und „Familie“ gegenüber staatlichen Zugriffen (BVerfGE 80, 81 (92); näher dazu Rn. 12). Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ferner der Charakter des Art. 6 I als „wertentscheidender Grundsatznorm“ (BVerfGE 162, 378 (414 mwN); Rn. 13) zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 105, 313 (345)).
Aufgrund des vorbehaltlos ausgestalteten Gewährleistungsgehaltes von Art. 6 I konnten die Eingriffe „mit durchaus erheblichem Gewicht“ in das Familiengrundrecht und die Ehegestaltungsfreiheit (BVerfGE 159, 223 (320)) gerechtfertigt sein, welche durch die mit dem am 23.4.2021 in Kraft getretenen Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 22.4.2021 (sog. Bundesnotbremse ) eingefügten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen erfolgt sind und lediglich auf einer Abwägung mit überragend wichtigen sowie selbst mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechts- und Gemeinschaftsgütern, namentlich dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens beruhten (BVerfGE 159, 223 (301 ff., 342 ff.) – „Bundesnotbremse I“; s. zu einem Überblick über die Rspr. des BVerfG zur sog. Bundesnotbremse Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 87 Rn. 78 f.).
e) Besonderer Gleichheitssatz
Neben diesen freiheitsrechtlichen Garantien ist in Art. 6 I zudem ein besonderer Gleichheitssatz enthalten, der es einerseits verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen, und andererseits Privilegierungen der Ehe rechtfertigen kann (BVerfGE 131, 239 (259)). Das Diskriminierungsverbot untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen, von Eltern gegenüber Kinderlosen sowie von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften (BVerfGE 99, 216 (232 mwN); 112, 268 (279)). Daher verstößt etwa eine bestimmte, die Ehe schlechter stellende Ausgestaltung der Zweitwohnungsteuer gegen Art. 6 I (BVerfGE 114, 316 (333 ff.); s. zu einer mit Art. 6 I vereinbaren Ausgestaltung hingegen BVerfG [K] NVwZ-RR 2010, 457 (458 f.)). Darüber hinaus kann Art. 6 I auch dadurch verletzt sein, dass innerhalb der Gruppe der Familien bestimmte Familienkonstellationen gegenüber anderen benachteiligt werden (vgl. BVerfGE 161, 163 (265 ff.): Verfassungswidrigkeit der unterschiedslosen Beitragsbelastung von Versicherten mit Kindern in der sozialen Pflegeversicherung unabhängig von der Kinderzahl und dem mit dieser einhergehenden niedrigeren oder höheren wirtschaftlichen Erziehungsaufwand). Eine Rechtfertigung kann sich nur durch „aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben“ (BVerfGE 28, 324 (347); 78, 128 (130)). Relevant wird dieser Gleichheitssatz etwa bei abgabenrechtlichen Sachverhalten; so muss zB das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei sein (BVerfGE 99, 216 (232 ff.), auch zu Kosten für Kinderbetreuung und -erziehung; 162, 277 (310 mwN)). Das Lebenspartnerschaftsgesetz verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des Art. 6 I, da die Ehe gegenüber der „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ nicht schlechter gestellt wird und ihr keine Einbußen drohen (BVerfGE 105, 313 (346 f.)).
3. Institutsgarantie
Als Institutsgarantie (Vor Art. 1 Rn. 30) gewährleistet Art. 6 I den Bestand der Rechtsinstitute „Ehe“ und „Familie“ insoweit, als die bestimmenden Strukturprinzipien dem Zugriff des Gesetzgebers, insbes. der Aufhebung oder wesentlichen Umgestaltung, entzogen sind (BVerfGE 80, 81 (92)). Sowohl bezüglich Eingriffen als auch ausgestaltenden Maßnahmen (vgl. Rn. 8) muss der Gesetzgeber insoweit den Kernbestand dieser Rechtsinstitute wahren. Hierzu gehören etwa die Ausrichtung der Ehe auf Dauerhaftigkeit sowie die Beschränkung der Ehe auf zwei Personen (BVerfGE 31, 58 (69)) oder die grds. Möglichkeit zur Scheidung (BVerfGE 53, 224 (245)). Insoweit war die Einführung der „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ für Gleichgeschlechtliche durch das Lebenspartnerschaftsgesetz problematisch, da sie nicht das wesentliche eheliche Strukturprinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit (Rn. 3) erfüllt, im Übrigen aber weitgehend wie eine „Ehe“ ausgestaltet ist. Daher hat es sich das BVerfG insoweit zu einfach gemacht, als es die Institutsgarantie des Art. 6 I nicht als berührt ansah, weil die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ gerade keine „Ehe“ sei (BVerfGE 105, 313 (344 ff.)). Denn allein eine andere Bezeichnung für eine dieses Strukturprinzip nicht erfüllende Lebensgemeinschaft kann nicht zu einer Verneinung der Einschlägigkeit der Institutsgarantie des Art. 6 I führen (so zu Recht das Sondervotum von Papier in BVerfGE 105, 357 (358 f.); vgl. ferner das Sondervotum von Haas in BVerfGE 105, 359 (360 ff.); s. ausf. Schüffner, Eheschutz und Lebenspartnerschaft, 2007, 229 ff.). Unbedenklich im Hinblick auf die Institutsgarantie war hingegen etwa der Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip bei der Ehescheidung (BVerfGE 53, 224 (245 ff.)) oder die Einführung des Versorgungsausgleichs (BVerfGE 53, 257 (299 ff.)).
4. Wertentscheidende Grundsatznorm
Ferner gebietet Art. 6 I als verbindliche Wertentscheidung („wertentscheidende Grundsatznorm“) für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten sowie öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung; daher ist es nicht nur Aufgabe des Staates, die Ehe in ihrer wesentlichen Struktur zu gewährleisten sowie alles zu unterlassen, was sie schädigt oder sonst beeinträchtigt, sondern vor allem auch, sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 87, 1 (35); 105, 313 (346); 151, 101 (148 mwN); näher Di Fabio NJW 2003, 993 (994)). Dies kann zugleich Schlechterstellungen anderer Partnerschaftsformen rechtfertigen (vgl. BVerfGE 131, 239 (259); BVerfG [K] NJW 2008, 2325 (2327)). Indes soll nach Auffassung des BVerfG das Schutzgebot hinsichtlich der Ehe keine Privilegierung der Ehe bei Benachteiligung anderer Lebensformen (etwa der eingetragenen Lebenspartnerschaft) rechtfertigen, wenn diese hinsichtlich des Lebenssachverhalts und der Regelungsziele der Ehe vergleichbar sind (BVerfGE 124, 199 (226 ff.); 126, 400 (420 f.); einen hinreichend gewichtigen sachlichen Differenzierungsgrund jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 I verlangt auch BVerfGE 151, 101 (148 f.); vgl. ferner BVerwG NJW 2011, 1466 (1467); aA BGH NJW-RR 2007, 1441 (1442); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2008, 2325 (2327); BVerfG [K] NVwZ 2017, 617 (621) sieht in der Wertung des Art. 6 I selbst bereits einen hinreichenden sachlichen Differenzierungsgrund). Nicht nur die bestehende Ehe, sondern auch die Folgewirkungen einer geschiedenen Ehe werden durch Art. 6 I geschützt (BVerfGE 108, 351 (364) – „Ehegattensplitting“). Dabei hat der Gesetzgeber aber eine grds. Gestaltungsfreiheit; insbes. steht die Förderpflicht unter dem „Vorbehalt des Möglichen“ (BVerfGE 87, 1 (35 f.)). Ferner lassen sich keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen aus dem Förderungsgebot ableiten (BVerfGE 82, 60 (81); 107, 205 (213)). Mit diesem Gebot einher geht das Benachteiligungsverbot (Rn. 11). Das BVerfG entnimmt dieser Förderpflicht kein „Abstandsgebot“, also kein Gebot zur Besserstellung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen, etwa der eingetragenen Lebenspartnerschaft für Gleichgeschlechtliche (s. ausführl. BVerfGE 105, 313 (347 ff.); s. auch BVerfGE 151, 101 (148 f.); krit. Tettinger JZ 2002, 1146 (1151); Braun JuS 2003, 21 (22); Stern/Sodan/Möstl/Leisner-Egensperger § 104 Rn. 49; s. zum gesamten Problembereich eingehend Schüffner, Eheschutz und Lebenspartnerschaft, 2007; vgl. bereits Rn. 12). Das BVerfG hat in den letzten Jahren die Vollangleichung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft durch Entscheidungen zur betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (BVerfGE 124, 199 ff.), zum Familienzuschlag im Rahmen der Beamtenbesoldung (BVerfGE 131, 239 ff.), zur Erbschaftsteuer (BVerfGE 126, 400 ff.), Grunderwerbsteuer (BVerfGE 132, 179 ff.) und Einkommensteuer (BVerfGE 133, 377 ff.) sowie zur sog. Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner (BVerfGE 133, 59 ff.; 151, 101 ff.) erheblich vorangetrieben (krit. zu dieser Entwicklung Hillgruber JZ 2013, 843 ff.). Die „lebenswichtige Funktion der Familie für die menschliche Gemeinschaft, wie sie der Verfassungsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG zugrunde liegt“, kann die Strafbarkeit des Inzests (§ 173 II 2 StGB) rechtfertigen, weil „das vorausgesetzte Ordnungsgefüge durch inzestuöse Beziehungen ins Wanken gerät“ (BVerfGE 120, 224 (245); s. dazu auch EGMR NJW 2013, 215 ff.).
III. Schutz des Elternrechts
1. Allgemeines
Das über Art. 6 II und III geschützte Elternrecht „beruht auf dem Grundgedanken, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution“ (BVerfGE 162, 378 (408); BVerfG [K] NJW 2013, 1867 (1868)). Es umfasst die Pflege, dh die Sorge für das körperliche Wohl, sowie die Erziehung der (minderjährigen) Kinder (BVerfGE 104, 373 (385); 162, 378 (408 f.)). Mit dem Elternrecht korrespondiert eine entsprechende Pflicht der Eltern, die nicht nur eine das Recht begrenzende Schranke darstellt (Rn. 18), sondern ein wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechts ist, das insoweit treffender als „Elternverantwortung“ bezeichnet werden kann (BVerfGE 56, 363 (381 f.)). Art. 6 II und III begründen zum einen ein Abwehrrecht der Eltern gegenüber staatlichen Eingriffen, die nicht durch das Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft (Art. 6 II 2, Rn. 18) gedeckt sind (BVerfGE 31, 194 (204)). In vergleichbarer Weise wie in Art. 6 I (Rn. 12 f.) wird in dem Elternrecht zudem eine dessen wesentliche Elemente gegen staatliche Preisgabe sichernde Institutsgarantie (vgl. BVerfGE 84, 168 (180)) sowie eine wertentscheidende Grundsatznorm (vgl. BVerfGE 21, 132 (138); 84, 168 (180)) gesehen. Bspw. verpflichtet diese Funktion als wertentscheidende Grundsatznorm die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die inländischen familiären/väterlichen Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers angemessen zu berücksichtigen (BVerfG [K] NVwZ 2009, 387; NVwZ 2022, 406). Auch soweit die Pflege- und Erziehungspflicht bei den Eltern liegt, hat der Staat gegenüber dem Kind eine „grundrechtliche Gewährleistungspflicht“ aus Art. 2 I iVm Art. 6 II 1; „ihm verbleibt eine Kontroll- und Sicherungsverantwortung dafür, dass sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern tatsächlich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln kann“ (BVerfGE 133, 59 (74); s. ferner BVerfGE 162, 378 (413); BVerfG [K] NJW 2017, 1295 (1297); NZFam 2021, 953 (958); NJW 2022, 3570 (3572)). Werden die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht oder können sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten, hat das Kind insbes. aus den Grundrechten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf körperliche Unversehrtheit einen Anspruch auf staatlichen Schutz (BVerfG [K] NJW 2017, 1295 (1296); NZFam 2021, 953 (958)). Ist das Kindeswohl gefährdet, folgt aus dem staatlichen Wächteramt nicht lediglich die Berechtigung, sondern zugleich die Verpflichtung, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen (BVerfG [K] NJW 2017, 1295 (1297); NZFam 2021, 953 (958)). Der Schutz der Familie nach Art. 6 I umfasst auch familiäre Bindungen zwischen Großeltern und ihrem Enkelkind, was etwa bei der Auswahl eines Vormunds bedeutsam werden kann (BVerfGE 136, 382 (389 f.); auch Rn. 4). Schon seit längerer Zeit wird nicht nur angesichts weitreichender Rspr. des BVerfG zum Elternrecht (s. dazu Heilmann NJW 2014, 2904 ff.) über die Einführung von sog. Kinderrechten in das Grundgesetz diskutiert (vgl. Hohmann-Dennhardt FPR 2012, 185 ff.). Vielfach dürfte jedoch bereits eine sachgemäße Einstellung der grundrechtlich geschützten Rechtspositionen von Kindern in die Abwägung mit Freiheitsrechten der Eltern und dem elterlichen Erziehungsrecht zu sachgerechten Ergebnissen führen: Insbes. die soeben genannten Grundrechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf körperliche Unversehrtheit sind im Rahmen der religiösen Kindererziehung zu berücksichtigen (etwa zur Beschneidung nicht einsichts- und urteilsfähiger Kinder Art. 4 Rn. 17; s. ferner BVerfG [K] NJW 2017, 1295 (1296 ff.)).
2. Sachlicher Schutzbereich
Der sachliche Schutzbereich von Art. 6 II und III umfasst die freie Entscheidung der Eltern über Art und Weise, Ausmaß und Intensität von Pflege und Erziehung (BVerfGE 31, 194 (204)). Hierzu gehören etwa die Befugnis, die Lektüre der Kinder zu bestimmen (BVerfGE 83, 130 (139)), Dritten Kontakt oder Einfluss auf das Kind einzuräumen (BVerfGE 105, 313 (354)), die Begegnungs- und Erlebnismöglichkeiten des Kindes festzulegen (BVerfGE 92, 216 (232)), dem Kind einen bestimmten Namen zu geben (BVerfGE 104, 373 (384 f.); s. zu den Grenzen aus Art. 6 II 2 BVerfG [K] NJW 2009, 663 f.), ferner – im Verbund mit Art. 4 I und II – das Recht auf religiöse oder weltanschauliche Kindererziehung (BVerfGE 93, 1 (17)) sowie – vorbehaltlich des staatlichen Erziehungsauftrags in der Schule (Art. 7 I), der neben das Elternrecht tritt (BVerfGE 52, 223 (236); Art. 7 Rn. 4) – die schulische und außerschulische Bildung des Kindes (BVerfGE 34, 165 (183); 99, 216 (232); 159, 355 (440) – Recht der Eltern, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg wählen zu können). Teil des von Art. 6 II geschützten Rechts ist das Umgangsrecht eines Elternteils. „Es ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen“ (BVerfG [K] NJW 2015, 2561; s. ferner BVerfG [K] NZFam 2023, 402 (403)). Die gesetzliche Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind verbunden mit (der Androhung von) Zwangsmitteln im Falle der Umgangsunwilligkeit misst das BVerfG nicht an Art. 6 II; stattdessen sieht es hierin einen Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 I iVm Art. 1 I (BVerfGE 121, 69 ff. – Verfassungswidrigkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht; BVerfG [K] NZFam 2022, 397 (398)). Ebenso wie das Fortbestandsinteresse hinsichtlich einer rechtlichen Vaterschaft selbst bei Zweifeln an der Übereinstimmung von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft (BVerfG [K] NJW 2009, 425 f.) schützt Art. 6 II 1 auch das Interesse des rechtlichen Vaters, sich von der Vaterschaft zu lösen, wenn sich herausstellt, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist (BVerfGE 117, 202 (234) – betr. die Anforderungen an ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft). Das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 II wird verletzt, wenn gegen den Willen der Mutter die elterliche Sorge für nichteheliche Kinder nicht auf den Vater übertragen werden kann, soweit nicht der Mutter das Sorgerecht entzogen ist, dieses ruht oder die Mutter verstorben ist (BVerfGE 127, 132 (146 ff.)).
3. Personeller Schutzbereich
Der durch Art. 6 II und III vermittelte Schutz erstreckt sich zuvörderst auf die Eltern und steht jedem Elternteil einzeln zu (BVerfGE 47, 46 (76); 99, 145 (164)). Träger des Elternrechts sind mithin die leiblichen Eltern sowie die Adoptiveltern (BVerfGE 24, 119 (150); 133, 59 (73 f.)), auch im Falle der Scheidung, dagegen wohl nicht die Pflegeeltern (BVerfGE 79, 51 (60); vorsichtiger, aber offenlassend BVerfG [K] NJW 1994, 183), ferner nicht die Großeltern (BVerfGE 19, 323 (329)), es sei denn sie sind zum Vormund des Kindes bestellt worden (BVerfGE 34, 165 (200)). Hinsichtlich nichtehelicher Kinder steht das Elternrecht nicht nur der Mutter, sondern auch dem Vater zu (BVerfGE 92, 158 (176 ff.)). Allein die Stellung als leiblicher Vater macht diesen allerdings noch nicht zum Träger des Grundrechts aus Art. 6 II 1, die Grundrechtsnorm schützt ihn aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen; zwar vermittelt dies kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu bekommen, jedoch muss ihm der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und dessen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht (BVerfGE 108, 82 (99 ff.); s. auch BVerfG [K] NJW 2018, 3773; NJW 2019, 3441 (3442)). Der rechtliche Vater eines Kindes ist jedenfalls dann Träger des Rechts aus Art. 6 II 1, wenn er für das Kind Elternverantwortung wahrnimmt (BVerfG [K] NJW 2008, 2835). Mit der den Eltern auferlegten Pflicht gegenüber dem Kind, es zu pflegen und zu erziehen, korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 II 1 (BVerfGE 121, 69 (89)).
4. Eingriffe
Eingriffe in das Elternrecht sind alle Beeinträchtigungen der freien Pflege und Erziehung des Kindes (Rn. 15), die nicht der notwendigen gesetzgeberischen Ausgestaltung unter Berücksichtigung der durch die Institutsgarantie gewährleisteten „wesentlichen Elemente“ des Elternrechts dienen (vgl. BVerfGE 84, 168 (180)). Ob sie im Verhältnis zum Kind oder im Verhältnis der Eltern zueinander eintreten, ist unerheblich (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 6 Rn. 49 f.). Eingriffe sind folglich etwa die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil oder die staatliche Trennung des Kindes von den Eltern gegen deren Willen. Dies gilt auch für den Entzug des Sorgerechts für ein bereits im Waisenhaus untergebrachtes Kind (BVerfG [K] NJW 2014, 2936 ff.). Ferner sind diejenigen staatlichen Maßnahmen Eingriffe in das Elternrecht, die im Hinblick auf dessen Ausübung die Entschließungsfreiheit der Eltern mittelbar beeinträchtigen. Dazu gehören: das Verbot von Präsenzunterricht mit dem Ziel des Infektionsschutzes als Eingriff in das Recht der Eltern aus Art. 6 II, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg wählen zu können (BVerfGE 159, 355 (440)); die Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Masern: Ist diese Voraussetzung für die Möglichkeit, eine Betreuung in vorhandenen Tageseinrichtungen oder Kindertagespflegestellen in Anspruch zu nehmen, stellt die diesbezügliche gesetzliche Regelung einen Eingriff dar, weil die Eltern entweder von einer freien Entscheidung hinsichtlich der elterlichen Gesundheitssorge, zwischen allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für eine durch Art. 2 I geschützte freie Entfaltung des Kindes wählen zu können, absehen müssen, oder ihnen bei einer durch Art. 6 II geschützten Entscheidung gegen eine Impfung die Möglichkeit der freien Entscheidung über die Hinzuziehung bestimmter Dritter zur Betreuung des Kindes verwehrt ist (BVerfGE 162, 378 (409 ff.)).
5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Schranken im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen ergeben sich – neben verfassungsimmanenten Schranken (Vor Art. 1 Rn. 53) – sowohl aus der Pflichtenbindung der Eltern (Rn. 14) als auch aus der staatlichen „Wächterfunktion“ (Art. 6 II 2). Aus der elterlichen Pflichtenbindung resultiert vor allem die Pflicht zur „rechtstreuen“ Erziehung; danach haben sich die Eltern gegenüber ihren Kindern rechtswidriger Handlungen zu enthalten (vgl. BVerfGE 99, 145 (156 f.)). Die staatliche „Wächterfunktion“ berechtigt – und verpflichtet – den Staat demgegenüber, bei schwerwiegendem elterlichem Versagen die Pflege und Erziehung des Kindes in dessen Interesse durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen (s. dazu BVerfGE 24, 119 (144 f.); 107, 104 (117 ff.); BVerfG [K] NJW 2004, 1586 (1587); NJW 2017, 1295 (1297); NJW 2022, 3570 (3572)). Eine besondere Regelung hierzu iSe „Schranken-Schranke“ trifft dabei Art. 6 III für die staatliche Trennung von Eltern und Kind als stärksten Eingriff in die Rechte von Erziehungsberechtigten (BVerfGE 107, 104 (118)). „Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt“ indes den Staat auf Grundlage seines Wächteramtes, „die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen“; vielmehr muss das elterliche Fehlverhalten „ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist“ (BVerfG [K] NJW 2010, 2333 (2334); ähnl. streng auch BVerfG [K] NJW 2015, 223 (224); NJW 2017, 1295 (1297); NJW 2022, 3570 (3572)). Nach stRspr setzt die „Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes“ voraus, „dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ (BVerfG [K] NJW 2017, 1295 (1297); NJW 2022, 3570 (3572)). Beschränkt wird das Elternrecht zudem durch die staatliche Schulaufsicht nach Art. 7 I (s. hierzu etwa BVerfG [K] NVwZ 2008, 72 (73) – betr. Ethikunterricht; s. dazu auch BVerfG [K] NVwZ 2018, 728 (730); ferner Art. 7 Rn. 4). Dem Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Kindes (Art. 2 I) entspricht es, dass mit abnehmender Pflege- und Erziehungsbedürftigkeit sowie zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbefugnisse zurückgedrängt werden, bis sie schließlich mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen (BVerfGE 72, 122 (137); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2021, 2355 (2358)). Eine Einschränkung oder der Ausschluss des elterlichen Umgangsrechts kommen „in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren“ (BVerfG [K] NJW 2015, 2561). Alle Beschränkungen des Elternrechts müssen auf formellgesetzlicher Grundlage erfolgen (s. dazu BVerfGE 107, 104 (120)) und verhältnismäßig sein. Der mit den temporären Schulschließungen durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 22.4.2021 (sog. Bundesnotbremse ) einhergehende Eingriff in das Elternrecht, konkret das Recht der Eltern, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg festzulegen, soll – ebenso wie der Eingriff in das Recht der Kinder und Jugendlichen auf schulische Bildung aus Art. 2 I iVm Art. 7 I (Art. 7 Rn. 3) – dem BVerfG zufolge verfassungsrechtlich vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer Eindämmung des pandemischen Geschehens zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gerechtfertigt gewesen sein (BVerfGE 159, 355 (440, 409 ff., 412 ff.) – „Bundesnotbremse II“; s. zu einem Überblick über die Rspr. des BVerfG zur sog. Bundesnotbremse Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 87 Rn. 78 f.).
IV. Schutz und Fürsorge für Mütter
Art. 6 IV enthält einen bindenden Gesetzgebungsauftrag bezüglich Schutz und Fürsorge von Müttern hinsichtlich deren besonderen Belastungen durch Schwangerschaft sowie Mutterschaft und trifft zugleich eine Wertentscheidung, die eine Ausstrahlungswirkung auf das gesamte private und öffentliche Recht hat (BVerfGE 32, 273 (277)). Untersagt etwa der Gesetzgeber der Frau für eine bestimmte Zeit vor und nach der Geburt eines Kindes die Fortsetzung oder Wiederaufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung, so ist er gehalten, die sich aus diesem Verbot unmittelbar ergebenden sozialrechtlichen Nachteile soweit wie möglich auszugleichen (BVerfGE 115, 259 (271)). Mit dem Gesetzgebungsauftrag einhergehen dürfte ein subjektiv-rechtlicher Verschaffungsanspruch (vgl. BVerfGE 60, 68 (74); 115, 259 (271); s. näher Dreier/Brosius-Gersdorf Art. 6 Rn. 221 f.; HGR IV/Burgi § 109 Rn. 14). Darüber hinaus verbietet Art. 6 IV Diskriminierungen von (werdenden) Müttern, die auf Schwangerschaft oder Mutterschaft beruhen (BVerfGE 65, 104 (112 f.)), und rechtfertigt zudem Privilegierungen unter Abweichung von den Gleichheitssätzen des Art. 3 (näher Sachs/v. Coelln Art. 6 Rn. 94).
V. Gleichstellung nichtehelicher Kinder
Der Gleichstellungsauftrag des Art. 6 V hinsichtlich nichtehelichen Kindern verbietet vor allem die Ungleichbehandlung von ehelichen sowie nichtehelichen Kindern und enthält darüber hinaus ebenfalls einen Gesetzgebungsauftrag sowie eine Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder (BVerfGE 84, 168 (184 f.)), ferner eine verfassungsrechtliche Wertentscheidung (BVerfGE 8, 210 (217); 25, 167 (173); BVerfG [K] NJW 2021, 223 (224)). Letztere bedeutet für die Gerichte insbes. eine Bindung an Art. 6 V GG bei der Interpretation der sog. einfachen, also im Rang unterhalb der Verfassung stehenden Gesetze (BVerfG [K] NJW 2009, 1065; NJW 2021, 223 (225)). So verstößt es bspw. gegen Art. 6 V, die Dauer eines Unterhaltsanspruchs, den der Gesetzgeber einem Elternteil wegen der Betreuung seines Kindes gegen den anderen Elternteil einräumt, für eheliche und nichteheliche Kinder unterschiedlich zu bestimmen (BVerfGE 118, 45 (62 ff.)). Ebenso verstößt eine enge Auslegung des Abkömmlingsbegriffs in Art. 116 II mit der Folge, dass uneheliche Kinder eines unter dem NS-Regime ausgebürgerten Elternteils keinen Rechtsanspruch auf Wiedereinbürgerung haben, gegen Art. 6 V (BVerfG [K] NJW 2021, 223 ff.).