Artikel 139 [Entnazifizierungsvorschriften]
Die zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus“ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.
Die Bestimmung nimmt die sog. „Entnazifizierungsbestimmungen“ von jeder Kontrolle am Maßstab des GG durch das BVerfG (BVerfGE 1, 418 (424); 3, 58 (151)) und alle anderen Staatsinstanzen in Deutschland aus. Es sind dies ausschließlich Regelungen auf der Grundlage des nach 1945 erlassenen und 1949 noch geltenden Besatzungsrechts (Kontrollratsdirektiven 4 und 38 KRABl. 1946, 98 (184)), sowie Fortsetzungsrecht der Besatzungsmächte (vgl. Sachs/Sachs Art. 139 Rn. 9) und sog. „Entnazifizierungsgesetze“ der Länder, erlassen vor Inkrafttreten des GG. Der Begriff ist ieS zu verstehen (BVerfGE 1, 418 (424)), ihm unterfallen also nicht die Regelungen nach Art. 131, die nur allg. beamtenrechtliche (Unrechts-)Folgen betrafen (BGH NJW 1954, 225 (228)). Das „Entnazifizierungsrecht“ konnte nach Inkrafttreten des GG trotz Art. 139 aufgehoben werden (BVerfG NJW 1999, 134 (135)).
Dass dem „typisch nationalsozialistischen“ Recht nach 1945 die Weitergeltung versagt und dass es durch neues verfassungsgemäßes Recht zu ersetzen war, ergab sich als normative Notwendigkeit aus dem Inhalt des GG und ist nie in Frage gestellt worden. Aus Art. 139 kann jedoch keine weitere Rechtswirkung mehr abgeleitet werden – mit Ausnahme des Bestandsschutzes der vor 1949 auf seiner Grundlage geschaffenen Verhältnisse (BVerwG NJW 1990, 134 (135)). Die Verfassungsordnung des GG ist mit gleicher Intensität gegen jede Bedrohung zu schützen (Art. 9 II, 18, 21 II).