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Artikel 83 [Grundsatz der Länderexekutive]

Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.

I. Allgemeines

Art. 83 regelt die Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern und ist damit Ausdruck des Bundesstaatsprinzips. Vorausgesetzt ist dabei, dass sich die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen nach unterschiedlichen Regelungen bestimmen, worin sich der Grundsatz der Gewaltenteilung widerspiegelt.

Die Vorschrift ist eine funktionsspezifische Generalklausel für die Verwaltung, die das Grundprinzip der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, das in Art. 30 festgelegt ist, wieder aufnimmt und konkretisiert. Danach ist die Wahrnehmung der Verwaltungsfunktionen grds. Sache der Länder, soweit nicht das GG ausnahmsweise eine abweichende Regelung trifft oder zulässt (Grundsatz der Subsidiarität der Zuständigkeit des Bundes). Die Landesverwaltung kommt dabei in den Formen der Landeseigenverwaltung (Art. 84) und der Auftragsverwaltung (Art. 85) vor; die Bundesverwaltung ist in Art. 86 geregelt. In den Art. 87 ff. werden die verschiedenen Sachmaterien der jew. Verwaltungsform zugeordnet. Damit kommen dem Bund im Gegensatz zu seinen recht weitreichenden Gesetzgebungskompetenzen deutlich reduzierte Verwaltungszuständigkeiten zu.

II. Bundesgesetze

Art. 83 betrifft allein die Ausführung von Bundesgesetzen, dh die gesetzesakzessorische Verwaltung. Hinsichtlich der gesetzesfreien Verwaltung, dh insoweit die Verwaltung ohne gesetzliche Grundlage tätig wird, gilt die allgemeinere Zuständigkeitsvermutung des Art. 30. Bundesgesetze sind alle vollzugsfähigen bundesrechtlichen Rechtssätze geschriebener oder ungeschriebener Art (Sachs/Winkler Art. 83 Rn. 19). Hierunter fallen insbes. das GG, formelle Bundesgesetze und RVOen. Für die Ausführung von unmittelbar anwendbaren Normen des EU-Rechts gelten die Art. 83 ff. analog (BVerwGE 102, 119 (125 f.); DHS/F. Kirchhof Art. 83 Rn. 88 ff.). Die Ausführung von Landesgesetzen fällt hingegen in die alleinige Kompetenz der Länder; jegliche Einflussnahme des Bundes auf die Landesverwaltung ist insoweit ausgeschlossen (BVerfGE 21, 312 (325)). Dasselbe gilt für die gesetzesfreie Landesverwaltung.

III. Ausführung

Ausführung von Bundesgesetzen bedeutet die Ausführung in verwaltungsmäßiger Weise (BVerfGE 11, 6 (15)). Wie sich aus Art. 84 und Art. 85 ergibt, gehören hierzu die Einrichtung der Behörden, die Regelung des Verwaltungsverfahrens, der Erlass von Verwaltungsvorschriften sowie, soweit eine entspr. Ermächtigung besteht, der Erlass von RVOen. Nicht zur Gesetzesausführung gehört die staatsleitende Regierungstätigkeit (BVerfGE 105, 252 (271)). Ebenfalls nicht als Ausführung ist die bloße Beachtung von Rechtsvorschriften zu werten (BVerfGE 8, 122 (131); 21, 312 (327)), wohl aber die Subsumtion wie auch die Ausübung von Gestaltungsspielräumen, die der Verwaltung in Bundesgesetzen eingeräumt werden. Die Organisations- oder Handlungsform der Verwaltung wird nicht in Art. 83 geregelt, so dass sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Formen in Betracht kommen.

IV. Die Verteilung der Verwaltungskompetenzen

1. Grundsatz der landeseigenen Verwaltung

a) Doppelte Regelzuständigkeit

Wenn dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis für ein bestimmtes Sachgebiet zusteht, bedeutet dies nicht automatisch, dass er auch die Kompetenz zur Ausführung des Gesetzes hat. Die bundeseigene Verwaltung ist gem. Art. 83 Hs. 2 vielmehr ein Ausnahmefall. Die Regelzuständigkeit für die Ausführung von Bundesgesetzen liegt gem. Art. 83 Hs. 1 bei den Ländern. Hierfür sind wiederum zwei Formen vorgesehen, die sich hinsichtlich der Kontroll- und Weisungsbefugnisse des Bundes unterscheiden. Entweder führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus (Art. 83, 84) oder im Auftrag und nach Weisung des Bundes (Art. 85). Der landeseigene Vollzug ist hierbei wiederum der Regelfall, so dass von einer doppelten Regelzuständigkeit gesprochen werden kann (Dreier/Hermes Art. 83 Rn. 19; Sachs/Winkler Art. 83 Rn. 1). Zum einen besteht eine Regelzuständigkeit hinsichtlich der Verbandskompetenz der Länder, zum anderen hinsichtlich der landeseigenen Verwaltung als Vollzugstyp.

b) Eigene Angelegenheit

Die Gesetzesausführung durch die Länder findet „als eigene Angelegenheit“ statt. Das bedeutet, dass die Länder in eigener Verantwortung handeln, also grds. nicht den Weisungen des Bundes unterworfen sind und einer beschränkten Aufsicht nach Art. 84 unterstehen. Zudem kommt den Ländern – nach Maßgabe des Art. 84 – die Organisationsgewalt zu, dh die Kompetenz, die Behörden einzurichten und das Verwaltungsverfahren zu regeln (Art. 84 Rn. 4).

c) Pflicht zur Gesetzesausführung

Anders als die Regelung des Art. 70, die den Ländern „das Recht“ der Gesetzgebung iSe Befugnis verleiht (Art. 70 Rn. 8), begründet Art. 83 auf dem Gebiet der Verwaltung nicht nur eine Befugnis, sondern zugleich eine Pflicht zur Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder (BVerfGE 37, 363 (385); 55, 274 (318); 75, 108 (150)). Inhalt der Pflicht ist es, die Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen entspr. den Anforderungen sachgerechter Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes einzurichten (BVerfGE 55, 274 (318)).

2. Ausnahmen

a) Verfassungsrechtlicher Regelungsvorbehalt

Die Regelzuständigkeit der Länder zur Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit steht gem. Art. 83 Hs. 2 unter dem Vorbehalt, dass das GG nichts anderes bestimmt oder zulässt. Dabei ist zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen das GG selbst Ausnahmen obligatorisch vorschreibt oder Ausnahmen fakultativ zulässt. Solche Ausnahmen vom Grundsatz der landeseigenen Verwaltung sind zum einen die Auftragsverwaltung der Länder (Art. 85) und zum anderen die bundeseigene Verwaltung (Art. 86).

b) Auftragsverwaltung der Länder

Die Auftragsverwaltung ist grds. Verwaltung durch Landesbehörden. Auch hier erlassen die Länder die Vorschriften über Behörden und Verfahren. Der Bund kann jedoch jew. mit Zustimmung des BRats abweichende gesetzliche Regelungen treffen (Art. 85 I) oder allg. Verwaltungsvorschriften erlassen (Art. 85 II). Da die Verwaltungskompetenz jedoch nur im Auftrag ausgeübt wird, hat der Bund hier, anders als bei der landeseigenen Verwaltung, umfassende Einwirkungsbefugnisse. Kennzeichen der Auftragsverwaltung sind eine umfassende Weisungsbefugnis des Bundes (Art. 85 III) sowie ein damit korrespondierendes Aufsichtsrecht (Art. 85 IV).

c) Bundeseigene Verwaltung

aa) Ausdrückliche Kompetenzzuweisung

Ausnahmsweise führt der Bund selbst die Bundesgesetze aus, wenn ihm hierzu ausdrücklich die Kompetenz durch das GG zugewiesen wird oder eine Zuweisung ermöglicht wird. Dabei ist zwischen unmittelbarer und mittelbarer Bundesverwaltung zu unterscheiden. Bei der unmittelbaren Bundesverwaltung handeln bundeseigene Behörden (Art. 86 Rn. 7). Als mittelbare Bundesverwaltung dagegen wird das Handeln selbständiger juristischer Personen bezeichnet, die dem Bund unterstellt sind (Art. 86 Rn. 8).

bb) Ungeschriebene Verwaltungskompetenzen

Auch im Rahmen der Verwaltungskompetenzen kann der Bund, ähnlich wie bei den Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 Rn. 16 ff.), ausnahmsweise in engen Grenzen auf ungeschriebene Kompetenzen zurückgreifen. Solche können kraft Natur der Sache, aufgrund Sachzusammenhangs oder als Annexkompetenzen bestehen. Verwaltungskompetenzen aufgrund Sachzusammenhangs oder Annexes bestehen nur für Hilfstätigkeiten und untergeordnete Nebenzwecke der Erfüllung von der Bundesverwaltung nach Art. 86 ff. zugewiesenen Aufgaben (MKS/Trute Art. 83 Rn. 81 f.). Eine Kompetenz kraft Natur der Sache kann angenommen werden, wenn der Zweck eines Gesetzes durch das Verwaltungshandeln eines Landes überhaupt nicht erreicht werden kann; nicht ausreichend ist, dass eine Ausführung durch den Bund zweckmäßiger wäre (BVerfGE 11, 6 (17 f.); 22, 180 (216 f.); 41, 291 (312)).

d) Verbot der Mischverwaltung

Aus Art. 83 ergibt sich eine organisatorische und funktionelle Trennung der Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern (BVerfGE 108, 169 (182)). Daraus folgt ein grds. Verbot der Mischverwaltung, etwa iF einer Verwaltungsorganisation, bei der eine Bundesbehörde einer Landesbehörde übergeordnet ist, oder bei der ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden durch Zustimmungserfordernisse erfolgt (BVerfGE 11, 105 (124)). Das GG kann eine Mischverwaltung jedoch ausdrücklich zulassen (BVerfGE 32, 145 (156); 39, 96 (120); 108, 169 (182)).