Artikel 115 [Kreditbeschaffung]
(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz.
(2) 1 Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. 2 Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. 3 Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. 4 Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach den Sätzen 1 bis 3 zulässigen Kreditobergrenze werden auf einem Kontrollkonto erfasst; Belastungen, die den Schwellenwert von 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt überschreiten, sind konjunkturgerecht zurückzuführen. 5 Näheres, insbesondere die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen und das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der Regelgrenze, regelt ein Bundesgesetz. 6 Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. 7 Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. 8 Die Rückführung der nach Satz 6 aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen.
I. Regelungsgegenstand und Regelungssystematik
Art. 115 normiert auf Bundesebene die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Staatsschuldenpolitik. Abs. 1 begründet für die Aufnahme von Krediten und die dort enumerierten finanzpolitischen Instrumente einen besonderen Gesetzesvorbehalt. Diese formelle Vorgabe wird in Abs. 2 durch eine materielle Vorgabe ergänzt, bei der der verfassungsändernde Gesetzgeber 2009 mit der Föderalismusreform II (Vor Art. 104a Rn. 4) einen grdl. Paradigmenwechsel vollzogen hat. An die Stelle der vorher geltenden „goldenen Regel“ (BT-Drs. 16/12410, 5), die Nettokreditaufnahme durch die Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen zu begrenzen, ist die Schuldenbremse des Art. 109 III getreten, die sowohl für die Bundesebene wie für die Ebene der Länder vom Grundsatz eines ohne Kredite ausgeglichenen Haushalts ausgeht (Art. 109 Rn. 8 f.). Da die Grundlinien der Schuldenbremse bereits in Art. 109 III vorgezeichnet sind (Art. 109 Rn. 8 ff.), erschöpft sich die Bedeutung des Art. 115 II darin, das Rechtsregime der Schuldenbremse näher für den Bundeshaushalt auszuformen (vgl. Art. 109 III 4). Wegen der Übergangsregelung des Art. 143d erlangt die Schuldenbremse auf Bundesebene erst 2016 ihre volle Wirksamkeit (Art. 143d Rn. 3 f.).
II. Voraussetzungen und Grenzen der Kreditaufnahme (Abs. 1)
Art. 115 I 1 statuiert einen Gesetzesvorbehalt für die Aufnahme von Krediten und die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen, welche zu Ausgaben in zukünftigen Rechnungsjahren führen können. Damit konkretisiert Art. 115 I 1 den Parlamentsvorbehalt und sichert das Budgetrecht für künftige Haushaltsjahre (BVerfGE 130, 318 (346)). Das Parlament hat die für die Entwicklung des Gesamtschuldenstandes wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und darf sie nicht durch allg. formulierte Ermächtigungen der Exekutive überlassen (BVerfGE 130, 318 (346)). Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf den Bundeshaushalt und das Sondervermögen des Bundes; nicht erfasst sind hingegen andere juristische Personen auf Bundesebene (BeckOK GG/Reimer Art. 115 Rn. 12). Kredit ist jede Begründung von Verbindlichkeiten zur Beschaffung von Geld oder zur Abgeltung von Ansprüchen (BeckOK GG/Reimer Art. 115 Rn. 15 f.). Einbezogen sind auch die in § 13 I Nr. 2 HGrG, § 18 I Nr. 2 BHO, § 1 S. 3 G 115 geregelten Kassenverstärkungskredite, die lediglich der Zwischenfinanzierung kurzfristiger Kassendefizite dienen (DHS/Kube Art. 115 Rn. 72; zur abw. Einordnung im Rahmen der Schuldenbremse Rn. 5; Art. 109 Rn. 10). Die Regelung erstreckt sich nur auf die Kreditaufnahme, nicht hingegen auf die Kreditgewährung (Sachs/Siekmann Art. 115 Rn. 14).
Vom Gesetzesvorbehalt werden nur Finanzschulden, nicht aber Verwaltungsschulden erfasst (Begründung: BT-Drs. V/3040, Ziff. 133; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 115 Rn. 3). Allerdings liegt ein Kredit vor, wenn die üblichen Zahlungsfristen deutlich überschritten werden oder nachträglich ein Zahlungsziel eingeräumt wird (BeckOK GG/Reimer Art. 115 Rn. 17). Zwangsanleihen (BK/Höfling/Rixen Art. 115 Rn. 151 f.; offen BVerfGE 67, 256 (280 f.)) und Kassenverstärkungskredite bedürfen ebenfalls einer gesetzlichen Grundlage (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 115 Rn. 16; s. auch § 13 I Nr. 2 S. 1 HGrG, § 18 II BHO), ebenso Leasing- und Mietverträge, bei denen der Finanzierungsaspekt im Vordergrund steht (VerfGH RhPf NVwZ-RR 1998, 145 (147); MKS/Wendt Art. 115 Rn. 25; aA Dreier/Heun Art. 115 Rn. 14). Alternativtatbestände sind die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können. Ihnen gemein ist, dass aus ihnen potentielle Schulden erwachsen können. Hiervon erfasst sind insbes. die Gewährleistungsübernahmen im Zusammenhang mit der Euro-Rettung (BVerfGE 130, 318 ff. (345); → Vor Art. 104a Rn. 5). Art. 115 II findet auf kreditähnliche Geschäfte hingegen keine Anwendung (BeckOK GG/Reimer Art. 115 Rn. 23; BVerfGE 129, 124 (182); → Rn. 5). Aus dem Demokratieprinzip kann sich eine Obergrenze für die Übernahme von Gewährleistungen nur für den Fall ergeben, dass im Eintrittsfall die Haushaltsautonomie nicht nur eingeschränkt würde, sondern praktisch vollständig leerliefe (BVerfGE 129, 124 (183); 132, 195 (242)).
Nach Art. 115 I 1 muss der parlamentarische Gesetzgeber den finanziellen Umfang der Ermächtigung zur Kreditaufnahme oder Gewährleistungsübernahme durch einen bestimmten oder wenigstens bestimmbaren Höchstbetrag selbst festlegen (BVerfGE 130, 318 (346)). Bei der Ermächtigung zu Gewährleistungen, die mit dem Risiko einer schwerwiegenden Reduzierung des Spielraums für künftige haushaltspolitische Entscheidungen verbunden sind, darf sich der Gesetzgeber nicht auf die Festlegung der Höhe beschränken. Mit Rücksicht auf die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen BTags müssen über den Umfang der Ermächtigung hinaus auch flankierende Rahmenbedingungen festgelegt werden. Dies kann durch die gesetzliche Bindung der Inanspruchnahme an risikobegrenzende Kriterien und dadurch geschehen, dass die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ihrerseits an die Mitwirkung des BTags gebunden bleiben (BVerfGE 129, 124 (180); 130, 318 (346)). Damit bedarf nicht nur jede einzelne Disposition der Zustimmung des BTags, darüber hinaus muss gesichert sein, dass weiterhin hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht (BVerfGE 129, 124 (180 f.); 132, 195 (241)). Abgesichert wird dies durch den EUV und den AEUV, deren Integrationsprogramm die Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ausgestaltet (BVerfGE 129, 124 (181); 132, 195 (243); 135, 317 (403)). Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen BTags zwingt dazu, bei der Ratifizierung des ESM-Vertrages den Vorbehalt anzumelden, dass die Haftung der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Zustimmung des BTags über 190 Mrd. Euro hinaus erhöht werden kann (BVerfGE 132, 195 (257)). Budgetrecht und haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen BTags werden grds. durch Verhandlung und Beschlussfassung im Plenum wahrgenommen (BVerfGE 130, 318 (347)). Das Demokratieprinzip gebietet, dass der BT an diejenigen Informationen gelangen kann, die er für eine Abschätzung der wesentlichen Grundlagen und Konsequenzen seiner Entscheidung benötigt (BVerfGE 135, 317 (402 f.)).
Diese gesetzliche Ermächtigung durch Bundesgesetz begründet weder gegenüber den Ländern noch den Bürgern Kompetenzen, sondern betrifft allein das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative (BVerfGE 67, 256 (281)); sie muss ausdrücklich erfolgen (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 115 Rn. 19), dh durch Erteilung im Haushalts- oder anderem förmlichen Bundesgesetz (MKS/Wendt Art. 115 Rn. 17). Dabei sind ausreichende Konkretisierungen, insbes. bzgl. der Höhe des Kredits sowie des Umfangs und Zwecks der Verpflichtung erforderlich (SHH/Henneke Art. 115 Rn. 9). Die Ermächtigung gilt idR bis zum Ende des nächsten Haushaltsjahres (§ 18 III BHO).
III. Umsetzung der Schuldenbremse auf Bundesebene (Abs. 2)
Art. 115 II 1 wiederholt zunächst nur den bereits in Art. 109 III 1 geregelten Grundsatz, den Bundeshaushalt ohne Kredite auszugleichen (materieller Haushaltsausgleich), der wegen Art. 143d allerdings erst seit 2016 seine volle Wirksamkeit entfaltet hat (Art. 143d Rn. 3 f.). Keine Kredite iSd Art. 115 II sind bloße Gewährleistungsermächtigungen, die tatsächliche Übernahme von Gewährleistungen sowie Kassenverstärkungskredite (Friauf/Höfling/Pünder Art. 115 Rn. 79; → Art. 109 Rn. 10). Umstr. ist, inwieweit Verwaltungsschulden mit Finanzierungsfunktion einzubeziehen sind (dafür Friauf/Höfling/Pünder Art. 115 Rn. 83; dagegen Tappe/Wernsmann Rn. 444). Die Gewährleistungsübernahmen des Bundes im Zuge der Euro-Rettung (Vor Art. 104a Rn. 5) berührt Art. 115 II daher nicht direkt (BVerfGE 129, 124 (182); Kube/Reimer NJW 2010, 1911 (1914)). Wie bereits in Art. 109 III 4 Hs. 1 angelegt, nimmt Art. 115 II 2 den Grundsatz des materiellen Haushaltsausgleichs dahingehend zurück, dass dem Bund eine strukturelle Neuverschuldung bis zur Höhe von 0,35 % des nominalen BIP gestattet ist (Art. 109 Rn. 16). Referenzjahr ist das der Aufstellung des Haushalts vorangegangene Jahr (§ 4 S. 2 G 115). Um diesen Spielraum auszuschöpfen, bedarf es im Unterschied zu dem einfachgesetzlich zu bestimmenden Konjunkturbereinigungsverfahren nach Abs. 2 S. 5 keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 115 Rn. 8).
Abs. 2 S. 3 knüpft an die in Art. 109 III 2 Hs. 1 eröffnete Option an, eine antizyklische Konjunkturpolitik zu betreiben und verpflichtet den Haushaltsgesetzgeber, die konjunkturelle Entwicklung bei der Ermittlung der zulässigen Kreditaufnahme zu berücksichtigen (BT-Drs. 16/12410, 12). Wann eine Abweichung von der Normallage vorliegt und welchen Bedeutungsgehalt das Gebot einer im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung auf den Haushalt hat, bestimmt sich nach den gleichen Grundsätzen wie in Art. 109 III 2 (Art. 109 Rn. 13). Dabei steht dem Gesetzgeber ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, der durch eine Begründungslast im Gesetzgebungsverfahren flankiert wird (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 115 Rn. 11 unter Hinweis auf BVerfGE 79, 311 (344 f.); 119, 96 (140)). Die Wirkungen der geplanten konjunkturpolitischen Maßnahmen müssen durch den BTag hinreichend ermittelt und dargelegt werden (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1904)).
Art. 115 II 4 Hs. 1 stellt sicher, dass die Schuldenbegrenzung im Haushaltsvollzug nicht unterlaufen werden kann (BT-Drs. 16/12410, 7, 12). So sind Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von dem nach Abs. 2 S. 1–3 zulässigen Wert nach Abs. 2 S. 4 Hs. 1 auf einem Kontrollkonto zu erfassen. Die Abweichungen können insbes. darauf beruhen, dass sich die Konjunktur anders als bei Aufstellung des Haushalts angenommen entwickelt hat (BT-Drs. 16/12410, 13). Um die tatsächliche strukturelle Kreditaufnahme zu ermitteln, muss der konjunkturelle Verschuldungsspielraum daher anhand der tatsächlichen Entwicklung des BIP des abgelaufenen Haushaltsjahres neu berechnet und aus der Gesamtkreditaufnahme herausgerechnet werden (BT-Drs. 16/12410, 13). Sofern Belastungen den Schwellenwert von 1,5 % des nominalen BIP überschreiten, sind sie gem. Abs. 2 S. 4 Hs. 2 konjunkturgerecht zurückzuführen. In § 7 III G 115 hat der einfache Gesetzgeber den Schwellenwert auf 1 % herabgesetzt. Unbenommen bleibt die Möglichkeit, das Kontrollkonto auch unterhalb der Schwelle zurückzuführen. Dies kann einnahmen- oder ausgabenseitig erfolgen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 115 Rn. 12).
Art. 115 II 5 verpflichtet den Bundesgesetzgeber, in einem Ausführungsgesetz die sich aus Abs. 2 ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben näher zu konkretisieren. Von dieser Befugnis ist durch das G 115 Gebrauch gemacht worden (Art. 2 Gesetz v. 10.8.2009, BGBl. I 2702), auf das bereits in den Gesetzgebungsmaterialien Bezug genommen wird und das so mittelbar Aufschluss über den Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers zulässt. Zu dem nicht abschließenden Katalog der zu regelnden Fragen gehören die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen (§ 3 G 115; s. bereits BVerfGE 119, 96 (144); krit. Kastrop/u. a./Tappe, Die neuen Schuldenregeln im GG, 2010, 432 (436 ff.); Hetschko/Thye DVBl 2012, 743 ff.), das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens (§§ 2, 4, 5 G 115), die Kreditgrenze in Ausnahmesituationen (§ 6 G 115) sowie die Kontrolle und der Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der Regelgrenze (§ 7 G 115). Gegenüber dem Haushaltsgesetzgeber entfalten die Vorgaben des G 115 Bindungswirkung (BeckOK GG/Reimer Art. 115 Rn. 49).
Weitere Ausnahmen vom Grundsatz des materiellen Haushaltsausgleichs gestattet Abs. 2 S. 6 in den aufgeführten exogenen Notsituationen (Naturkatastrophen, außergewöhnliche Notsituationen), die den Vorgaben des Art. 109 III 2 Hs. 2 entsprechen und die abschließend sind (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1893); Art. 109 Rn. 14). Der zur Inanspruchnahme der Ausnahme im Einzelfall erforderliche Parlamentsbeschluss muss mit der Mehrheit der Mitglieder des BTags gefällt werden (Art. 121). Der qualifizierte Mehrheitsbeschluss, der die Tragweite der Entscheidung verdeutlicht (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1893)), kann ein Gesetzesbeschluss sein. Denkbar ist aber auch ein gesonderter Parlamentsbeschluss, der idR im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über das Haushaltsgesetz erfolgt, mit dem die Kreditaufnahme über die Regelgrenzen hinaus ermöglicht wird (BT-Drs. 16/12410, 13). Abs. 2 S. 7 zwingt den BT dazu, den nach Abs. 2 S. 6 zu fällenden Beschluss mit einem Tilgungsplan zu verbinden. Ein förmlicher Gesetzesbeschluss ist nicht notwendig, ausreichend ist ein einfacher Parlamentsbeschluss (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1894)). Dessen Bindungswirkung folgt unmittelbar aus der Verfassung (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1894)). Nach Abs. 2 S. 8 ist in diesem ein angemessener Zeitraum für die Rückführung der nach Abs. 2 S. 6 aufgenommenen Kredite zu bestimmen. Bei dessen Bestimmung steht dem Parlament ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, der von der Größenordnung der erhöhten Kreditaufnahme und der konkreten konjunkturellen Situation abhängig ist (BT-Drs. 16/12410, 13). Weitere materielle Beschränkungen für eine krisenbedingte Kreditaufnahme sieht Art. 115 II 6 GG nicht vor. Insbesondere ist der Haushaltsgesetzgeber nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1898)). Zu fordern ist aber, dass die Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers zur Krisenbewältigung geeignet sein muss (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1898)).
Als Rechtsfolge gestattet Art. 115 II 6 die Überschreitung der Kreditobergrenzen. Über den Wortlaut des Art. 115 II 6 hinaus ist jedoch ein sachlicher Veranlassungszusammenhang zwischen der Naturkatastrophe oder der außergewöhnlichen Notsituation und der Überschreitung der Kreditobergrenze erforderlich (Art. 109 Rn. 14a.). Sowohl für die Diagnose der Art und des Ausmaßes der Notsituation als auch für die Ausgestaltung der Maßnahmen zur Bekämpfung, Anpassung und gegebenenfalls Nachsorge kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1897); Art. 109 Rn. 15). Dem Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum entspricht dann eine Darlegungslast des Gesetzgebers (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1898)).