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Artikel 107 [Finanzkraftausgleich; Ergänzungszuweisungen]

(1) 1 Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer stehen den einzelnen Ländern insoweit zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). 2 Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sind für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Aufkommens zu treffen. 3 Das Gesetz kann auch Bestimmungen über die Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens anderer Steuern treffen. 4 Der Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern, vorbehaltlich der Regelungen nach Absatz 2, nach Maßgabe ihrer Einwohnerzahl zu.

(2) 1 Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. 2 Zu diesem Zweck sind in dem Gesetz Zuschläge zu und Abschläge von der jeweiligen Finanzkraft bei der Verteilung der Länderanteile am Aufkommen der Umsatzsteuer zu regeln. 3 Die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschlägen und für die Erhebung von Abschlägen sowie die Maßstäbe für die Höhe dieser Zuschläge und Abschläge sind in dem Gesetz zu bestimmen. 4 Für Zwecke der Bemessung der Finanzkraft kann die bergrechtliche Förderabgabe mit nur einem Teil ihres Aufkommens berücksichtigt werden. 5 Das Gesetz kann auch bestimmen, dass der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt. 6 Zuweisungen können unabhängig von den Maßstäben nach den Sätzen 1 bis 3 auch solchen leistungsschwachen Ländern gewährt werden, deren Gemeinden (Gemeindeverbände) eine besonders geringe Steuerkraft aufweisen (Gemeindesteuerkraftzuweisungen), sowie außerdem solchen leistungsschwachen Ländern, deren Anteile an den Fördermitteln nach Artikel 91b ihre Einwohneranteile unterschreiten.

I. Systematische Stellung und Regelungsgegenstand

Art. 107 ist auf das engste mit Art. 106 verbunden. Zusammen begründen beide Normen ein mehrstufiges System zur Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat des GG (Art. 106 Rn. 2). 2017 wurde Art. 107 durch die Föderalismusreform III (Vor Art. 104a Rn. 4) erheblich umgestaltet. Die Neufassung war mit Rücksicht auf die Übergangsregelung des Art. 143g aber erst ab dem 1.1.2020 anzuwenden. In der Interimszeit bestimmten sich die Regeln der Steuerertragsverteilung, des Länderfinanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen weiterhin nach dem Altrecht (Art. 143g Rn. 1).

Ein wichtiger Unterschied der neuen zur bisherigen Regelung ist, dass sich der Finanzkraftausgleich zwischen den Ländern im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nunmehr im Wesentlichen auf der dritten Stufe des weiterhin vierstufigen, wenngleich anders akzentuierten Finanzausgleichs vollzieht (für einen dreistufigen Aufbau dagegen SHH/Henneke Art. 107 Rn. 28 ff.). Der frühere Umsatzsteuervorwegausgleich (Art. 107 I S. 4 Hs. 2 aF) ist entfallen. Zudem ist in Art. 107 II 6 eine neue Möglichkeit der Zuwendung des Bundes an finanzschwache Länder getreten, die neben die bisherigen Ergänzungszuweisungen tritt (zum Ganzen instruktiv Sachs/Siekmann Art. 107 Rn. 13).

Weiterhin teilt Art. 106 das Finanzaufkommen vertikal zwischen Bund und der Ländergesamtheit auf (erste Stufe: vertikaler primärer Finanzausgleich). Art. 107 I regelt, „was den einzelnen Ländern als eigene Finanzausstattung zusteht“ (BVerfGE 72, 330 (385); 86, 148 (214) zur a.F.; zweite Stufe: horizontaler primärer Finanzausgleich ). Dieser primäre horizontale Finanzausgleich schloss nach altem Recht auch den solidarisch motivierten Umsatzsteuervorwegausgleich ein (Art. 107 I 4 Hs. 2 aF). Nach diesem stand fest, „was den einzelnen Ländern als eigene Finanzausstattung zusteht“ (BVerfGE 72, 330 (385); 86, 148 (214)). Die Ergebnisse der primären Steuerverteilung korrigierte der horizontale sekundäre Finanzausgleich nach Art. 107 II (BVerfGE 72, 330 (386)). Konsequenterweise wurden in den Haushaltsplänen der sog. Geberländer die nach Art. 107 I aF zugeteilten Steuererträge als Einnahmen und die Ausgleichsverbindlichkeiten nach Art. 107 II 1–2 aF als Ausgaben erfasst (vgl. exemplarisch: Freistaat Bayern, Haushaltsplan 2017/2018, 56, 58). Eine solche abgeschlossene primäre Finanzverteilung sieht die Neuregelung nicht mehr vor, weil die horizontale Steuerverteilung vorbehaltlich des Art. 107 II 4 erfolgt. Gleichwohl ist es schon aus Gründen der Transparenz sinnvoll, weiterhin zwischen der zweiten und dritten Stufe zu unterscheiden (so auch BeckOK GG/Kube vor Art. 107 Rn. 1). Die Bedeutung der zweiten Stufe beschränkt sich dann darauf, die Steuerverteilung auf Grundlage des verfassungsrechtlich vorgegebenen Regelverteilungsmaßstabs sichtbar zu machen. Die Verteilungsmaßstäbe differenzieren nach Steuerarten und sind abschließend in Art. 107 I geregelt. Außerdem muss zur Berechnung der Zu- und Abschläge nach Art. 107 II 1–4 zumindest gedanklich eine Verteilung des Umsatzsteueraufkommens nach Einwohnerzahl erfolgen, um festzustellen, ob überhaupt ausgleichsbedürftige Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern bestehen. Versteht man die – provisorische – Zuteilung nach Einwohnerzahlen gem. Abs. 1 S. 4 als Zuteilung von Eigenem anhand des örtlichen Aufkommens, lassen sich die Zu- und Abschläge als Umverteilung von Eigenem deuten (BeckOK GG/Kube Art. 107 Rn. 15). Dies soll auch dem erklärten Willen und Verständnis der Geberländer entsprechen (Förster/Krönert ZG 2017, 228 (239)). Art. 107 II 1–4 gibt dann vor, wie diese Regelverteilung mit dem Ziel, Finanzkraftunterschiede angemessen auszugleichen, modifiziert wird (dritte Stufe: horizontaler sekundärer Finanzkraftausgleich). Art. 107 II 5, 6 erlaubt es dem Bund zuletzt, subsidiär Lücken aufzufüllen, die nach dem horizontalen Finanzkraftausgleich zwischen den Ländern verbleiben (vierte Stufe: sekundärer vertikaler Finanzausgleich). Ergänzt wird der Finanzkraftausgleich ferner durch Finanzzuwendungen des Bundes gem. Art. 91a–91e, 104b (BVerfGE 72, 330 (387 f.)), 104c, 104d sowie Art. 106a, 106b.

Das in Art. 106, 107 angelegte System muss auf Grundlage der in Art. 106 III, IV und Art. 107 I 2, II erteilten Regelungsaufträge durch den Bundesgesetzgeber konkretisiert und ausgefüllt werden. Missachtet der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben, so beschränkt sich das BVerfG auf die Feststellung der Unvereinbarkeit des Gesetzes mit dem GG (BVerfGE 72, 330 (421 f.)). Nach der umstr. Rspr. des BVerfG sind die finanzverfassungsrechtlichen Gesetzgebungsaufträge in zwei Stufen zu erfüllen, wobei dem konkreten Finanzausgleichsgesetz ein den Gesetzgeber selbst bindendes MaßstG vorzuschalten ist (BVerfGE 101, 158 (214 ff.); →  Art. 106 Rn. 3a).

II. Primärer horizontaler Finanzausgleich (Abs. 1)

Verteilungsmasse des primären horizontalen Finanzausgleichs sind das Aufkommen der Landessteuern (Art. 106 II) und die Länderanteile an den Gemeinschaftsteuern (Art. 106 III) (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 107 Rn. 4). In Anknüpfung an die Steuerart gibt Art. 107 I unterschiedliche Verteilungsmaßstäbe vor, die durch der Zustimmung des BRats bedürftige Bundesgesetze zu konkretisieren sind. Nicht erfasst sind die landesrechtlich geregelten Steuern, deren Aufkommen den jew. Ländern zusteht, sowie die Gemeindesteuern, deren Aufkommen in Art. 106 V, VI geregelt ist (Dreier/Heun/Thiele Art. 107 Rn. 21).

1. Für die Landessteuern (Art. 106 II) und den Länderanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 III) gibt Art. 107 I 1 als Verteilungsmaßstab das örtliche Aufkommen vor, welches sich nach der Steuervereinnahmung der Finanzbehörden im jew. Gebiet bestimmt. Vereinnahmt wird der Geldbetrag dort, wo er in die Verfügungsmacht staatlicher Behörden übergegangen ist (BK/Wernsmann Art. 107 Rn. 123). Im Verhältnis zum Steuerpflichtigen kommt Art. 107 I 1 keine subjektivrechtliche Relevanz zu (BFH NJW 1971, 1335 (1336)), für die Länder begründet er hingegen einen verfassungsrechtlichen Anspruch sowohl gegenüber dem Bund wie gegenüber den anderen Ländern (BeckOK GG/Kube Art. 107 Rn. 3).

Für die Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens begründet Art. 107 I 2, 3 eine ausschließliche Bundeskompetenz, deren Ausübung an die Zustimmung des Bundesrates gebunden ist. Eine Rechtspflicht, von dieser auch Gebrauch zu machen, besteht nach S. 2 nur für die Körperschaft- und Lohnsteuer. Hierdurch sollen erhebungstechnisch bedingte Abweichungen zwischen Vereinnahmung und örtlicher Steuerkraft vermindert und die Steuerverteilung nach dem örtlichen Aufkommen gewährleistet werden (BeckOK GG/Kube Art. 107 Rn. 4). Durch Abgrenzung werden Steuern einem Land zur Gänze zugesprochen, durch Zerlegung hingegen nach einem besonderen gesetzlichen Schlüssel verteilt (MKS/Huber Art. 107 Rn. 74 f.). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 107 I 2, 3 wird durch die Vorgabe eingeschränkt, die Zuteilung der Steuern der wirklichen Steuerkraft anzunähern, dh der Steuerleistung, die der Wirtschaft und den Bürgern des einzelnen Landes entspricht (BVerfGE 72, 330 (391 f.)). Seinen Regelungsauftrag hat der Gesetzgeber durch das Zerlegungsgesetz erfüllt (zul. geänd. durch Art. 11 Gesetz v. 11.12.2018, BGBl. I 2338).

2. Für die Verteilung des Länderanteils der ertragreichen Umsatzsteuer ist das Aufkommen gem. Art. 107 I 4 grds. nach der Einwohnerzahl aufzuteilen. Dies rechtfertigt sich durch die besondere Erhebungstechnik der Steuer (BVerfGE 72, 330 (384)): Da die Umsatzsteuer bei dem leistenden Unternehmer erhoben wird und auf Überwälzung ausgelegt ist, würde eine Verteilung nach den örtlichen Aufkommen zu Verzerrungen führen. Allerdings erfolgt die Zuteilung nach Maßgabe der Einwohnerzahl nur vorbehaltlich des Abs. 2 (Rn. 9).

III. Sekundärer horizontaler Finanzausgleich (Abs. 2 S. 1–4)

Art. 107 II wurde durch die Föderalismusreform III erheblich umgestaltet. Unverändert besteht nach Art. 107 II 1 Hs. 1 eine Rechtspflicht, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen. Die Ersetzung der Wörter „das Gesetz“ durch die Wörter „Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf“ ist rein redaktioneller Natur (BT-Drs. 18/11131, 17). Abs. 2 S. 2–4 enthalten nähere Vorgaben zur technischen Ausgestaltung des Ausgleichs. Nach der Rspr. des BVerfG ist dieser Regelungsauftrag mehrstufig zu verstehen. Der Bundesgesetzgeber ist dem durch das MaßstG und das FAG nachgekommen (Art. 106 Rn. 3a). Beide Gesetze stehen unter dem Vorbehalt einer Außerkraftsetzung nach Art. 143f (Art. 143f Rn. 1).

Die Finanzkraft eines Landes umfasst grds. alle Finanzmittel, die ein Land zu haushaltspolitischen Gestaltungen befähigen, beschränkt sich also nicht auf das Steueraufkommen, sondern bezieht auch sonstige Finanzmittel ein (BVerfGE 101, 158 (222); zur Sonderregel für die bergrechtliche Förderabgabe Rn. 13). Soweit die sonstigen Abgaben den haushaltswirtschaftlichen Gestaltungsspielraum eines Landes kaum erweitern, ihre Ermittlung zu aufwendig ist oder sie bei allen Ländern verhältnismäßig pro Kopf gleich anfallen, kann als Indikator der Leistungskraft aber auch allein die Steuerkraft herangezogen werden (BVerfGE 101, 158 (223)). Um das Finanzvolumen von Ländern unterschiedlicher Größe vergleichbar zu machen und so die Finanzkraft auf objektive, von politischen Bedarfs- und Dringlichkeitsentscheidungen unabhängige Finanzaufgaben zu beziehen, ist ein abstraktes Bedarfskriterium geboten. Hierfür bietet sich vor allem die Einwohnerzahl an (BVerfGE 101, 158 (223)), sodass die objektiven Erträge auf die Einwohnerzahl umzurechnen sind (BVerfGE 72, 330 (400 ff.)). Bei der Ermittlung der Finanzkraft haben Sonderbedarfe einzelner Länder unberücksichtigt zu bleiben (BVerfGE 101, 158 (229)). Eine Einwohnergewichtung, etwa mit Rücksicht auf die Stadtstaaten (s. § 7 III MaßstG, § 9 II FAG), muss sich nach Maßgabe verlässlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen (BVerfGE 101, 158 (230)).

Nach Art. 107 II 1 Hs. 2 sind im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs auch die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände zu berücksichtigen (BVerfGE 86, 148 (213 ff.)). Ausgangspunkt für den Finanzbedarf der Kommunen ist wiederum der abstrakte Bedarfsmaßstab der Einwohnerzahl. Sonderbedarfe sind auch hier nicht zu berücksichtigen, sondern allein ein genereller Mehrbedarf, der sich bei der kommunalen Aufgabenerledigung ergeben kann (BVerfGE 86, 148 (223 f.)). Entspr. Korrekturen sieht § 9 III Finanzausgleichsgesetz vor (dazu krit. Sachs/Siekmann Art. 107 Rn. 69).

Die Zielvorgabe eines angemessenen Ausgleichs gebietet, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder zu korrigieren, soweit sie auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem Gedanken der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft unangemessen erscheint (BVerfGE 86, 148 (214); 101, 158 (222)). Allerdings ist eine finanzielle Ergebnisgleichheit der Länder nach Durchführung des Finanzkraftausgleichs ausgeschlossen (BVerfGE 101, 158 (222)). Damit teilt der Länderfinanzausgleich die auch dem Bundesstaatsprinzip innewohnende Spannungslage, die richtige Mitte zwischen der Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Bewahrung der Individualität der Länder und der solidarischen Mitverantwortung für die Bundesgenossen zu finden (BVerfGE 72, 330 (397 f.)). Mit Rücksicht auf die Eigenstaatlichkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder darf der Finanzausgleich weder zu einer entscheidenden Schwächung der Leistungsfähigkeit der Geberländer noch zu einer Nivellierung der Länderfinanzen führen (BVerfGE 72, 330 (398); 101, 158 (222)). Dies muss es insbes. verbieten, durch den horizontalen Finanzausgleich die Finanzkraftreihenfolge unter den Ländern zu verkehren (BVerfGE 86, 148 (250); 101, 158 (222)).

Nach Abs. 2 S. 2 erfolgt der Ausgleich durch Zu- und Abschläge bei der Verteilung der Länderanteile am Aufkommen der Umsatzsteuer. Diese modifizieren somit das Ergebnis der Aufkommensverteilung nach Maßgabe der Einwohnerzahl (Abs. 1 S. 4) und bewirken einen Finanzkraftausgleich anlässlich der Steuerertragsverteilung. Die Zu- und Abschläge müssen sich nach Maßgabe verlässlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen (BVerfGE 86, 148 (239); 101, 158 (230)). Die Regelung tritt an die Stelle der bisherigen Ausgleichsansprüche und -verpflichtungen nach Art. 107 II 2 aF, wobei die Maßstäbe inhaltlich weitgehend erhalten bleiben (BT-Drs. 18/11135, 64). Abs. 2 S. 3 konkretisiert den Regelungsauftrag des Abs. 2 S. 2. Danach sind in dem Gesetz Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschlägen bzw. die Erhebung von Abschlägen sowie Maßstäbe für deren Höhe zu regeln. Abs. 2 S. 4 ermächtigt den Bundesgesetzgeber zur partiellen Nichtberücksichtigung der bergrechtlichen Förderabgabe, die nach dem alten Recht vollständig zu berücksichtigen war (BVerfGE 72, 330 (411)). Einfachgesetzlich ist dies durch § 7 IV MaßstG, § 7 II FAG umgesetzt worden.

IV. Sekundärer vertikaler Finanzausgleich (Abs. 2 S. 5–6)

Zuweisungen des Bundes nach Art. 107 II 5–6 bilden den abschließenden Bestandteil des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Sie sind kein Instrument zur Korrektur etwaiger Verteilungsmängel auf vorangegangenen Stufen und sollen den horizontalen Finanzausgleich nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen (BVerfGE 116, 327 (377 f.)). Sie unterliegen einem besonderen Gesetzesvorbehalt und sind in dem gleichen Gesetz zu regeln, in dem auch über die Zu- und Abschläge bei der Verteilung des Umsatzsteueraufkommens befunden wird.

Abs. 2 S. 5 ermächtigt den Bund zur Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen und entspricht inhaltlich dem Art. 107 II 3 aF. Tatbestandlich setzt die Gewährung von Ergänzungszuweisungen die Leistungsschwäche eines Landes voraus, die im Unterschied zu Art. 107 II 1 nicht aufkommensorientiert ist, sondern die Relation zwischen dem Finanzaufkommen und der Ausgabenlast der Länder bezeichnet. Dies erlaubt es, die Sonderlasten einzelner Länder zu berücksichtigten (Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen), aber auch, die Finanzkraft der leistungsschwachen Länder allg. anzuheben (allg. Bundesergänzungszuweisungen) oder beide Regelungsansätze miteinander zu kombinieren (BVerfGE 116, 327 (380 f.); s. § 9 II 1 MaßstG, § 11 FAG). Im zweiten Fall hat der Bundesgesetzgeber das Nivellierungsverbot zu beachten und darf die Finanzkraftreihenfolge unter den Geberländern nicht verändern (Rn. 12). Im ersten Fall sind die Bindungen an die Maßstäbe des horizontalen Finanzausgleichs deutlich gelockert. Entspr. Zuweisungen unterliegen aber einer besonderen Begründungspflicht; zudem ist das föderative Gleichbehandlungsgebot zu beachten und die Zuwendungen müssen in angemessener Zeit auf ihren Fortbestand überprüft werden.

Aufgrund ihrer Eigenständigkeit und politischen Autonomie haben die Länder für politische (Fehl-)Entscheidungen selbst einzustehen (BVerfGE 116, 327 (385)). Auch mit Blick auf die allein aufgabenbezogene Bestimmung der Leistungsschwäche können Bundesergänzungszuweisungen daher grds. kein Mittel zur Sanierung Not leidender Länderhaushalte sein. Abweichendes gilt nur in Fällen einer „extremen Haushaltsnotlage“ (BVerfGE 116, 327 (386 ff.) auch zu den hierfür maßgeblichen Kriterien). Für dann mögliche und gebotene Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage gilt ein strenges Ultima-Ratio-Prinzip. Dabei unterliegt das Land einer Darlegungs- und Begründungslast dafür, dass die eigenen Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind (BVerfGE 116, 327 (390)). Die gebotenen eigenen Anstrengungen des betroffenen Landes können eine Verbesserung der Einnahmesituation durch die Erhöhung des Gewerbesteuersatzes, aber auch die Erzielung von Privatisierungsgewinnen erfordern (BVerfGE 116, 327 (410)). Eine gleichzeitige Gewährung von Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage und Konsolidierungshilfen nach Art. 143d II und Sanierungshilfen nach Art. 143d IV ist ausgeschlossen (Art. 143d II 6, IV 4; § 1 IV KonsHilfG).

Durch die Föderalismusreform III wurde das Instrumentarium des sekundären vertikalen Finanzausgleichs deutlich erweitert und eine weitere Kategorie von Bundeszuweisungen geschaffen. Art. 107 II 6 Alt. 1 ermöglicht Gemeindesteuerkraftzuweisungen, um eine besonders ausgeprägte kommunale Steuerkraftschwäche in leistungsschwachen (Rn. 15) Ländern auszugleichen (BeckOK GG/Kube Art. 107 Rn. 44a; s. § 11 I MaßstG). Zusätzlich sieht Art. 107 II 6 Alt. 2 die Möglichkeit von Zuweisungen zum Ausgleich unterdurchschnittlicher Förderung nach Art. 91b an leistungsschwache (Rn. 15; s. § 11 I MaßstG) Länder vor. In beiden Fällen erfolgt die Zuweisung unabhängig von den Maßstäben nach Abs. 2 S. 1–3. Damit wird insbes. klargestellt, dass insoweit das Nivellierungs- und Übernivellierungsverbot nicht gilt (BT-Drs. 18/11131, 18; s. § 11 III MaßstG). Bei der Gewährung ist das föderale Gleichbehandlungsgebot zu beachten (Jarass/Pieroth/Kment Art. 107 Rn. 13).