Artikel 69 [Stellvertreter des Bundeskanzlers; Amtszeiten]
(1) Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem Stellvertreter.
(2) Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers.
(3) Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.
I. Stellvertretung des Bundeskanzlers (Art. 69 I)
Ein Stellvertreter wird vom BKanzler aufgrund seiner Organisationsgewalt unverzüglich nach seinem Amtsantritt formlos ernannt und dies dem BPräsidenten, dem BT und den BMinistern bekannt gegeben. Stellvertreter kann nur ein – jeder – BMinister sein; er übt als solcher kein Amt aus, seine Funktionen enden mit der Amtszeit des – auch geschäftsführenden – BKanzlers. Eine Vertretung des Vertreters ist nur für die Sitzungen der BReg geregelt (§ 22 I 2 GeschOBReg).
Der Stellvertreter handelt für den BKanzler und nach dessen Weisungen, wenn und soweit dieser „verhindert“ ist, dh seine verfassungsmäßigen Aufgaben nicht erfüllen kann. Näheres bestimmt der BKanzler (§ 8 S. 2 GeschOBReg). Soweit solche Bestimmungen fehlen oder nicht möglich sind, umfasst die „allgemeine Vertretung“ alle Kompetenzen des BKanzlers, auch Richtliniengebung, Regierungsumbildungen, Misstrauensantrag (Art. 68 I). Die Staatspraxis lässt eine „Vertretung des BKanzlers“ durch andere Personen nach Bestimmung durch den BKanzler in allen Fällen zu, soweit sie nicht durch das GG (etwa Art. 43 I, 53), durch Gesetz oder nach § 22 GeschOBReg geregelt ist.
II. Amtsende von Bundeskanzler und Bundesminister (Art. 69 II)
Beim BKanzler tritt Amtsende ein durch Zusammentritt eines neuen BTags (Art. 39 II) sowie in (anderen) Fällen („jedenfalls“), etwa des Todes, der physischen Amtsunfähigkeit, des Verlustes der Deutscheneigenschaft (Art. 116), der Wählbarkeit und des Wahlrechts (§ 15 BWG), oder mit Rechtskraft einer Gerichtsentscheidung, welche die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennt (§§ 45, 45a, 358 StGB, § 39 II BVerfGG). Gleiches gilt bei Entlassung durch den BPräsidenten (Art. 67 I 2), die dieser auch jederzeit auf Antrag des BKanzlers vornehmen muss; denn eine Rechtsgrundlage für Dienstverpflichtung durch Amtsausübung (Art. 12 II) gibt es nicht. Weiterführung der Geschäfte kann aber vom BPräsidenten verlangt werden (Art. 69 III).
Für die BMinister gilt Entsprechendes – Entlassung nach Art. 64 –, überdies fällt ihr Amtsende stets mit dem des BKanzlers zusammen, der sie nur um Weiterführung der Geschäfte ersuchen kann (Art. 69 III).
III. Geschäftsführung bei Amtsende
Geschäftsführung im Bereich des BKanzlers muss gesichert sein. Bei dessen Amtsende (Rn. 3) muss der BPräsident unverzüglich den bisherigen Amtsinhaber um Weiterführung der Geschäfte ersuchen; dieser muss dem entsprechen. Kann er dies nicht (Rn. 3), so muss der BPräsident eine andere Person mit der Geschäftsführung betrauen (nicht: ernennen), nach hL (MKS/Epping Art. 69 Rn. 39 ff.) den Vizekanzler, nach ihm einen BMinister (nach § 22 I 2 GeschOBReg). Der geschäftsführende BKanzler hat die volle Rechte- und Pflichtenstellung des BKanzlers, einschließlich Richtlinienkompetenz und Organisationsgewalt (Regierungsumbildung). Die Vertrauensfrage kann er nicht stellen (Art. 68 I), ein Misstrauenvotum gegen ihn (Art. 67 I) ist nicht möglich.
Einen BMinister, dessen Amt endet, kann der bisherige oder der geschäftsführende BKanzler mit der Weiterführung der jew. Geschäfte betrauen (Rn. 4), da ihm die Organisationsgewalt zusteht. Der BPräsident sollte erst eingreifen (vgl. die Reihenfolge), wenn der (geschäftsführende) BKanzler diese Betrauung nicht vornimmt.