Artikel 12a [Dienstverpflichtungen]
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) 1 Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. 2 Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. 3 Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
(3) 1 Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. 2 Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.
(4) 1 Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. 2 Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.
(5) 1 Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80a Abs. 1 begründet werden. 2 Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für die besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. 3 Satz 1 findet insoweit keine Anwendung.
(6) 1 Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlage nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs die Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. 2 Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1 entsprechend.
I. Allgemeines
Art. 12a ist kein Grundrecht, sondern entstehungsgeschichtlich Teil der Notstandsverfassung (Dreier/Heun Art. 12a Rn. 3) und verfassungssystematisch Teil der Wehrverfassung. Die Norm schließt als Spezialregelung zu Art. 12 die Anwendung der dortigen Schrankenregelungen aus (Dreier/Heun Art. 12a Rn. 43; differenzierend v. Münch/Kunig/Kämmerer Art. 12a Rn. 33). Allerdings sind die allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätze wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der Gleichheitssatz auch hier zu beachten (Dreier/Heun Art. 12a Rn. 43). Art. 12a regelt die Einschränkung der Berufsfreiheit, indem bestimmte Pflichten für alle Bereiche der Landesverteidigung zusammengefasst werden. Die Pflichten werden dabei nicht verfassungsunmittelbar begründet. Art. 12a ermächtigt lediglich zum Erlass entspr. Gesetze. Damit kann etwa auch die Wehrpflicht durch einfaches Bundesgesetz aufgehoben werden (MKS/Gornig Art. 12a Abs. 1 Rn. 19; Sachs/Kokott/Hummel Art. 12a Rn. 2): „Die von der Verfassung geforderte militärische Landesverteidigung kann auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht, aber – sofern ihre Funktionstüchtigkeit gewährleistet bleibt – verfassungsrechtlich unbedenklich beispielsweise auch durch eine Freiwilligenarmee sichergestellt werden. Die Wahl zwischen den sich bietenden Möglichkeiten ist eine grundlegende staatspolitische Entscheidung, die auf wesentliche Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens einwirkt und bei der der Gesetzgeber neben verteidigungspolitischen Gesichtspunkten auch allgemeinpolitische, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gründe von sehr verschiedenem Gewicht zu bewerten und gegeneinander abzuwägen hat“ (BVerfGE 48, 127 (160 f.) – ohne die Hervorhebung). Bei dieser Abwägung muss der Gesetzgeber auch berücksichtigen, dass die allgemeine Wehrpflicht nach Auffassung des BVerfG verfassungsrechtlich verankert ist (BVerfGE 105, 61 (71 mwN)). In Ausnutzung seines Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 v. 28.4.2011 (BGBl. I 678) die Wehrpflicht mit Wirkung zum 1.7.2011 ausgesetzt und im Gegenzug einen freiwilligen Wehrdienst für Männer und Frauen mit einer Dauer von 6 bis 23 Monaten geschaffen (§ 4 III, § 5 II 1, § 6b I 2 WPflG). Dies bedeutet keine Aufhebung der Wehrpflicht; sie soll vielmehr im Spannungs- oder Verteidigungsfall wieder aufleben (vgl. § 2 WPflG).
Art. 12a ermöglicht es dem Gesetzgeber, neben dem Dienst in den Streitkräften weitere Dienstpflichten vorzusehen: den Dienst im Bundesgrenzschutz (mittlerweile umbenannt in Bundespolizei) oder in einem Zivilschutzverband, die Verpflichtung zum zivilen Ersatzdienst für sog. Kriegsdienstverweigerer, die Verpflichtung von Männern und Frauen in Arbeitsverhältnissen, zudem Beschränkungen der Freiheit, die Berufsausübung oder den Arbeitsplatz aufzugeben.
II. Die einzelnen Pflichten
1. Wehrpflicht
a) Allgemeines
„Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens […]; ihre Erfüllung ist demokratische Normalität “ (BVerfGE 69, 1 (22) – ohne die Hervorhebungen). Der Wehrpflicht unterfallen nach Art. 12a I nur Männer. Darin ist jedoch kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 II, III zu sehen, da Art. 12a I insoweit eine Spezialregelung enthält (vgl. BVerfGE 48, 127 (165); BVerfG [K] NJW 2002, 1709 (1710); BVerwGE 110, 40 (52 f.)). Art. 12a I steht dem freiwilligen Dienst von Frauen in der Bundeswehr nicht entgegen. Dies gilt durch die Klarstellung in Art. 12a IV 2 sowohl für den Dienst mit als auch den ohne Waffe. Hintergrund dieser durch Verfassungsänderung eingefügten Regelung war das sog. Kreil-Urteil des EuGH (Slg. 2000, I-69). Ob die Verfassungsänderung notwendig war, wird in der Literatur bezweifelt (Sachs/Kokott/Hummel Art. 12a Rn. 6). Art. 12a I erlaubt auch eine Heranziehung von Staatenlosen, Doppel- oder Mehrstaatlern sowie Ausländern (v. Münch/Kunig/Kämmerer Art. 12a Rn. 14; MKS/Gornig Art. 12a Rn. 29 ff., 138; Sachs/Kokott/Hummel Art. 12a Rn. 9; aA Dreier/Heun Art. 12a Rn. 18 mwN).
Art. 12a ermächtigt den Gesetzgeber, eine Verpflichtung zum Dienst in den Streitkräften zu normieren. Daraus folgt nicht, dass Wehrpflichtige gegen ihren Willen zu Einsätzen herangezogen werden können, die auch nicht indirekt mit der Landesverteidigung zusammenhängen. Ein solcher Einsatz, der besondere Anforderungen an die Opferbereitschaft und den Idealismus der Wehrpflichtigen und ihrer Familien stellt, ist mit dem Grundgedanken der allgemeinen Wehrpflicht nicht mehr zu vereinbaren (Sachs/Kokott/Hummel Art. 12a Rn. 13 und Art. 87a Rn. 35; vgl. zur Frage, ob die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ebenfalls Teil der Landesverteidigung ist, Sachs/Kokott/Hummel Art. 12a Rn. 14 und Art. 87a Rn. 36 f.).
b) Problem der Wehrgerechtigkeit
Problematisch ist die Wehrpflicht im Hinblick auf die Gewährleistung der Wehrgerechtigkeit (Art. 12a I iVm Art. 3 I). Dieses Prinzip beherrscht das System der Dienstpflichten und ist bei der Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht zu beachten: „Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens […]. Ihre Durchführung steht unter der Herrschaft des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Notwendigkeit, Wehrgerechtigkeit im Innern ebenso aufrechtzuerhalten wie die Verteidigungsbereitschaft des grundrechtsgarantierenden Staates nach außen, fordert eine hinreichend bestimmte normative Festlegung der Wehrdienstausnahmen“ (BVerfGE 48, 127 (162); vgl. ferner BVerfGE 69, 1 (21 f.)). Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Hälfte der Wehrpflichtigen nicht mehr zum Wehr- oder Ersatzdienst herangezogen wird. Dann lässt sich nicht von einer „allgemeinen“ Wehrpflicht ausgehen. Diese absolute Grenze gilt unabhängig vom konkreten Personalbedarf der Bundeswehr (Sachs/Kokott, 8. Aufl. 2018, Art. 12a Rn. 11). Das BVerwG sah in einem Urt. v. 19.1.2005 zwar iE keinen Verfassungsverstoß durch die damalige Einberufungspraxis, warnte aber eindringlich mit folgenden Worten: „Da der Grundsatz der Wehrgerechtigkeit […] gerade auch auf Gleichheit im Belastungserfolg abzielt, ist er nicht nur vom Gesetzgeber bei der Regelung der Wehrdienstausnahmen und der Eignungsanforderungen an die Wehrpflichtigen zu beachten, sondern gebietet darüber hinaus auch der Exekutive, möglichst alle verfügbaren Wehrpflichtigen auch zum Wehrdienst heranzuziehen. […] Hiernach droht immer dann eine Verletzung der Wehrgerechtigkeit, wenn die Zahl der Angehörigen eines Altersjahrgangs, die tatsächlich Wehrdienst leisten, deutlich hinter der Zahl der verfügbaren Wehrpflichtigen dieses Jahrgangs zurückbleibt. Dazu kann es – wie die Entwicklung in den vergangenen Jahren verdeutlicht – namentlich dann kommen, wenn der Bedarf der Bundeswehr an Wehrpflichtigen erheblich und andauernd abnimmt […]. Hat sich aus diesem Grunde zwischen der Zahl der für die Bundeswehr verfügbaren und der Zahl der tatsächlich einberufenen Wehrpflichtigen eine Lücke aufgetan, die sich mit dem Grundsatz der Wehrgerechtigkeit offensichtlich nicht mehr vereinbaren lässt, ist der Gesetzgeber zum Handeln verpflichtet. […] Bleibt der Gesetzgeber […] auf Dauer untätig, führt dies zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bestimmungen über die Wehrpflicht insgesamt […]. Klafft zwischen der Zahl der verfügbaren Wehrpflichtigen und dem Personalbedarf der Bundeswehr eine wesentliche Lücke, so wird die Einberufung schlimmstenfalls von behördlicher Willkür abhängig, jedenfalls aber nicht mehr von den die Wehrgerechtigkeit berücksichtigenden gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem im Wehrpflichtgesetz festgelegten Konzept der Wehrdienstausnahmen, gesteuert. Das Gebot der Wehrgerechtigkeit wird damit grundlegend, d. h. bereits im Bereich der rechtlichen Grundlagen der Wehrpflicht und nicht erst beim Vollzug des Wehrpflichtgesetzes, verfehlt“ (BVerwGE 122, 331 (339 ff.) – ohne die Hervorhebungen – ausdrücklich gegen BVerwGE 92, 153 (155 ff.)). 2010 wurde nur noch etwa die Hälfte der in jenem Jahr neu heranziehbaren Männer tatsächlich zum Wehrdienst einberufen. Dieser Umstand und die Aussicht, dass sich die Problematik der Wehrgerechtigkeit durch eine noch geringere Truppenstärke der Bundeswehr im Zuge der Bundeswehrreform weiter verschärfen würde, haben wohl maßgeblich zur Entscheidung des Gesetzgebers beigetragen, die Wehrpflicht zum 1.7.2011 auszusetzen (Rn. 1).
c) Dienst im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband
Neben der Wehrpflicht erlaubt Art. 12a auch eine Verpflichtung zum Dienst im Bundesgrenzschutz (Bundespolizei). Die pflichtweise Heranziehung ist jedoch nur möglich, wenn sich die notwendige Anzahl von Beamten nicht auf freiwilliger Basis gewinnen lässt und der BT einen entsprechenden Beschluss gefasst hat (Dreier/Heun Art. 12a Rn. 22). Praktisch unbedeutend ist die Pflicht zum Dienst in einem Zivilschutzverband. Der Dienst in der Zivil- und Katastrophenhilfe gem. dem ZSG erfolgt auf freiwilliger Basis. Wehrpflichtige, die sich vor Vollendung des 23. Lebensjahres mit behördlicher Zustimmung auf mindestens vier Jahre zum ehrenamtlichen Dienst als Helfer im Zivil- oder Katastrophenschutz verpflichtet haben, werden nicht zum Wehrdienst herangezogen, solange sie als Helfer im Zivil- oder Katastrophenschutz mitwirken (vgl. § 13a I 1 WPflG; s. hierzu BVerwGE 32, 57 ff.; BayVGH NJW 1975, 796 f.).
2. Ersatzdienstpflicht
Die Ersatzdienstpflicht ist im Zusammenhang mit der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu sehen, vgl. Art. 4 III (DHS/Mehde Art. 12a Rn. 112; Dreier/Heun Art. 12a Rn. 25). Der Ersatzdienst tritt bei anerkannten Wehrdienstverweigerern hilfsweise an die Stelle des rechtmäßig verweigerten Wehrdienstes (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 12a Rn. 7). Regeldienst bleibt der Wehrdienst (BVerfGE 80, 354 (359)). Gleichwohl nahm der Ersatzdienst bis zur Aussetzung der Wehrpflicht (Rn. 1) eine bedeutende, politisch zumindest geduldete Rolle in den deutschen Gesundheits- und Sozialsystemen ein.
Der Ersatzdienst unterscheidet sich vom Wehrdienst fundamental. Der wehrpflichtige Soldat muss uU töten und sein Leben einsetzen, der Ersatzdienstleistende hingegen nicht. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, einen Ersatzdienst vorzusehen, der in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht (vgl. Art. 12a II 3). Aus diesem Grund lassen sich Wehr- und Ersatzdienst auch schwer vergleichen (BVerwG 1.10.1974 – VIII B 61.32 [nicht veröffentlicht]: „gleichwertig, aber nicht gleichartig“).
Die Dauer des Ersatzdienstes darf nach Art. 12a II 2 die des Wehrdienstes nicht übersteigen. Zeitweise dauerte der Ersatzdienst dennoch länger als der Grundwehrdienst (zB bis zum 30.9.1990 um ein Drittel länger, danach drei Monate, später einen Monat, vgl. § 24 II ZDG aF). Hintergrund dieser Regelung war der Umstand, dass der Wehrdienst nach § 4 I WPflG neben dem Grundwehrdienst auch Wehrübungen und im Verteidigungsfall den unbefristeten Wehrdienst umfasst. Bei der Berechnung des Wehrdienstes wurde dem Grundwehrdienst der auf potentielle Wehrübungen entfallende Zeitraum hinzugerechnet (vgl. BVerfGE 48, 127 (170 f.); krit. v. Münch/Kunig/Kämmerer Art. 12a Rn. 19). Zwischenzeitlich erfolgte jedoch durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 v. 31.7.2010 (BGBl. I 1052) eine Reduzierung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate (§ 5 II 1 WPflG). Daran hat man auch die Dauer des Ersatzdienstes angepasst (vgl. § 24 II 1 ZDG). Parallel zur Aussetzung der Wehrpflicht durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 (Rn. 1) wurde die Ersatzdienstpflicht aufgrund der Regelung in Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes v. 28.4.2011 (BGBl. I 687) zum 1.7.2011 ebenfalls ausgesetzt (vgl. § 1a ZDG); sie besteht ab diesem Zeitpunkt nur im Spannungs- oder Verteidigungsfall. Neu geschaffen wurde der Bundesfreiwilligendienst mit einer Dauer von sechs Monaten bis zu zwei Jahren (§ 3 II BFDG).
Art. 4 III ist eine abschließende Sonderregelung im Bereich von Wehr- und Ersatzdienstpflicht (BVerfGE 19, 135 (138); 23, 127 (132); vgl. Art. 4 Rn. 26). Damit scheidet eine Berufung auf Art. 4 I aus, wenn auf diese Weise die Leistung des Ersatzdienstes verweigert wird (vgl. hierzu ausf. MKS/Gornig Art. 12a Rn. 93 ff.).
3. Verpflichtung von Wehrpflichtigen in Arbeitsverhältnisse
Die in Art. 12a III und V geregelten zivilen Dienstleistungspflichten setzen den Verteidigungsfall (Art. 115a) oder den Spannungsfall (Art. 80a) voraus. Wehrpflichtige – und damit auch Wehrdienstverweigerer – können dann unter Einschränkung ihrer Grundrechte aus Art. 12 zu Dienstleistungen verpflichtet werden, die der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte oder dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Die Verpflichtung erfolgt grds. in Form eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses, wird jedoch öffentlich-rechtlich begründet. Vollständig öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist hingegen die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben (vgl. Dreier/Heun Art. 12a Rn. 34).
4. Verpflichtung von Frauen
Frauen können nach Art. 12 IV nur im Verteidigungsfall (Art. 115a) dienstverpflichtet werden. Die Pflicht betrifft ausschließlich zivile Dienstleistungen (vgl. Art. 12a IV 2): „Der Normzweck des Art. 12a Abs. 4 Satz 2 GG erschöpft sich nämlich nicht darin zu verhindern, daß Frauen an kriegerischen Kampfhandlungen teilnehmen und dabei Waffen benutzen, sondern erfaßt darüber hinaus auch ihre Gefährdung durch feindliche Waffen bei militärischen Auseinandersetzungen“ (BVerwGE 103, 301 (303 f.)). Eine Dienstverpflichtung ist jedoch erst zulässig, wenn der Bedarf nicht mehr freiwillig gedeckt werden kann (MKS/Gornig Art. 12a Rn. 136).
5. Bindung an Beruf und Arbeitsplatz
Obwohl Art. 12a IV ausdrücklich zu Einschränkungen nur der „Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben“, ermächtigt, können auch Ausländer und Staatenlose zur Aufrechterhaltung ihrer Arbeits- und Dienstverhältnisse verpflichtet werden; denn die Regelung in Art. 12a VI ist lediglich für diejenigen notwendig, die sich auf das Deutschen-Grundrecht des Art. 12 I berufen können (Dreier/Heun Art. 12a Rn. 42).