Artikel 64 [Ernennung der Bundesminister]
(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.
(2) Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vor dem Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.
I. Bedeutung
Art. 64 regelt die Regierungsbildung, personell durch Auswahl und Ernennung (Entlassung) der Minister, organisatorisch durch Schaffung und Zuordnung ihrer jew. Geschäftsbereiche, die sie selbstständig leiten (Art. 65 S. 2). Mit Ausnahme des Ernennungs- und Entlassungsrechts obliegen diese Entscheidungen allein dem BKanzler. Der BT hat darauf keinerlei rechtlichen Einfluss, die BMinister bedürfen seines Vertrauens nicht; nur durch Sturz des BKanzlers (Art. 67, 68) kann er ihren Rücktritt erzwingen – ein entscheidender Unterschied der „Kanzlerdemokratie“ zur WRV (s. dort Art. 54). Faktisch besteht weiterhin ein, meist entscheidender, Einfluss der politischen Parteien auf die Regierungsbildung.
II. Ernennung, Amtsübernahme, Eid, Entlassung
Ernannt werden alle BMinister (Art. 64 I) und nur sie, bei jeder Übernahme eines (neuen) Geschäftsbereichs, vom BPräsidenten durch Aushändigung einer Urkunde auf Vorschlag des BKanzlers, der diese gegenzeichnet (§ 2 II BMinG). Außer diesem klaren, unbedingten, unbefristeten Vorschlag und einer Einverständniserklärung sind Ernennungsvoraussetzungen die Deutscheneigenschaft und Wählbarkeit nach BWG. Abgeordnetenstellung ist nicht erforderlich. Der BPräsident hat (nur) dies zu prüfen. Bedenken und Anregungen seinerseits sind rechtlich irrelevant.
Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis der BMinister (§ 1 BMinG) beginnt mit der Aushändigung der Ernennungsurkunde, nicht schon durch Leistung des Amtseides (entgegen § 2 II BMinG). Dieser promissorische Eid, der baldestmöglich geleistet werden muss (s. Art. 56), hat keinerlei Rechtswirkung. Amtshandlungen sind erst nach Amtsübernahme zulässig.
Entlassen werden die BMinister jederzeit vom BKanzler ohne ihren Antrag oder ihre Zustimmung und ohne Begründung; ihrer Entlassungsbitte muss der BPräsident entsprechen (vgl. § 9 II BMinG). Ihr Amt endet durch Aushändigung der Urkunde über die Entlassung oder deren amtliche Veröffentlichung (§ 10 S. 2 BMinG), im Übrigen nach § Art. 69 II oder § 9 I BMinG.
III. Organisationsgewalt des Bundeskanzlers – Geschäftsbereiche der Bundesminister
Der BKanzler ernennt die BMinister für bestimmte Geschäftsbereiche (Art. 65 S. 2, Ressorts). Daher steht ihm allein – ohne Mitwirkung des BPräsidenten oder des BTags – das Recht zu, Zahl, Art und Zuständigkeitsbereiche der BMinisterien im Einzelnen zu bestimmen (Organisationsgewalt); er kann es jederzeit durch allg. Organisationserlass oder Einzelentscheidung ausüben. Einen Vorbehalt des Gesetzes gibt es hier nicht, auch nicht für wesentliche (Kern-)Fragen (aA VerfGH NRW NJW 1999, 1243 (1245)). Zuständigkeitszuweisungen durch Gesetz zu bestimmten Geschäftsbereichen sind zwar zulässig; der BKanzler kann diese jedoch zusammenlegen (Rn. 7; zur Organisation der BReg vgl. Fuchs DVBl 2015, 1337).
BMinister muss es neben dem BKanzler geben – mindestens zwei (Art. 63 I, 64 I), einen als Stellvertreter des BKanzlers (Art. 69 I). Jeder Minister muss „seinen“ Geschäftsbereich haben (Art. 64 S. 2). Das GG sieht Geschäftsbereiche der BMinister der Verteidigung (Art. 65a), der Justiz (Art. 96 II 4) und der Finanzen (Art. 108 III 2, 112 I, 114 I) vor. Der BKanzler muss also einen Amtsinhaber für das entspr. Ministeramt vorschlagen (Art. 64 I); er kann aber eine Person als Amtsinhaber für zwei oder mehrere Geschäftsbereiche nominieren, auch für im GG vorgesehene Ressorts (Justiz- und Finanzminister): dieser hat sie dann nur insoweit organisatorisch getrennt zu führen, als die grundgesetzliche Aufgabenstellung dies verlangt.
Der BKanzler kann BMinister(ien) in freier Entscheidung bezeichnen und ihnen Geschäfte zuweisen. Mit Ausnahme der im GG genannten Ressorts ist er an herkömmliche Organisationsunterscheidungen nicht gebunden, ebenso wenig ergeben sich Inkompatibilitäten bei Zusammenlegung von Ministerien. Der BKanzler kann Ministerien zusammenlegen und sie auch selbst übernehmen. Er kann beliebig viele BMinister ernennen, eine Grenze der Funktionsfähigkeit der BReg ist rechtlich nicht fassbar. „BMinister ohne Geschäftsbereich(e)“ sind wegen Art. 65 S. 2 bedenklich, „etwas wie ein Geschäftsbereich“ muss ihnen jedenfalls zugeordnet werden.