Artikel 17a [Grundrechtseinschränkungen in besonderen Fällen]
(1) Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen, daß für die Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdienstes während der Zeit des Wehr- oder Ersatzdienstes das Grundrecht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz), das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Artikel 8) und das Petitionsrecht (Artikel 17), soweit es das Recht gewährt, Bitten oder Beschwerden in Gemeinschaft mit anderen vorzubringen, eingeschränkt werden.
(2) Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, können bestimmen, daß die Grundrechte der Freizügigkeit (Artikel 11) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13) eingeschränkt werden.
I. Allgemeines
Die im Zuge der Einführung der Bundeswehr 1956 in das Grundgesetz eingefügte Norm enthält kein eigenständiges Grundrecht (BVerfGE 44, 197 (205)), sondern spezifische Gesetzesvorbehalte für verschiedene Grundrechte (Sachs/Kokott/Hummel Art. 17a Rn. 1), die neben die in den betroffenen Grundrechtsvorschriften genannten Vorbehalte treten. Diese werden durch Art. 17a nicht verdrängt (vgl. BVerwGE 83, 60 (62); 132, 179 (183); BVerwG NJW 1985, 160; NVwZ 1996, 68; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 17a Rn. 1; aA Dreier/Heun Art. 17a Rn. 17). Der Bedeutungsgehalt von Art. 17a hat sich mit Erlass der grdl. Gesetze im Bereich des Wehr- und Ersatzdienstrechts weitgehend erschöpft. Daher führt die Norm heute – insbes. nach der jeweils zum 1.7.2011 erfolgten Aussetzung der Wehrpflicht und der Ersatzdienstpflicht (Art. 12a Rn. 1, 9) – ein verfassungsrechtliches Schattendasein (vgl. MKS/Brenner Art. 17a Rn. 9).
II. Anwendungsbereich
Art. 17a I ermöglicht Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie des Petitionsrechtes, soweit es gemeinschaftlich wahrgenommen wird. Die Einschränkung anderer Grundrechte ermöglicht die Norm nicht (MKS/Brenner Art. 17a Rn. 13). Betroffen sind alle Angehörigen der Streitkräfte, solange sie sich im aktiven Dienst befinden, sowie Reservisten während ihrer Teilnahme an Wehrübungen; für Zivilbedienstete der Bundeswehr, Angehörige der Bundeswehrverwaltung, Dienstleistende in der Bundespolizei oder in einem Zivilschutzverband gilt Art. 17a nicht (Dreier/Heun Art. 17a Rn. 6). Anwendbar ist die Norm hingegen auf Ersatzdienstleistende. „Angehörige des Ersatzdienstes“ sind die anerkannten Kriegsdienstverweigerer, die tatsächlich zum Zivildienst herangezogen werden, einschließlich der „Berufskräfte“ des Zivildienstes (Dreier/Heun Art. 17a Rn. 6).
Art. 17a II ermöglicht Einschränkungen der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit der Wohnung. Diese können jedermann treffen (Sachs/Kokott/Hummel Art. 17a Rn. 26), soweit das einschränkende Gesetz der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dient.
III. Folgen
Die Einschränkungen nach Art. 17a erfolgen auf der Grundlage eines formellen Gesetzes. Sie müssen im Lichte des einzuschränkenden Grundrechts gesehen werden, verhältnismäßig sein (vgl. BeckOK GG/Schmidt-Radefeldt Art. 17a Rn. 4; vgl. allg. Vor Art. 1 Rn. 60 ff.) und die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II beachten. Umstr. ist, ob das in Art. 19 I verankerte Zitiergebot zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu Sachs/Kokott/Hummel Art. 17a Rn. 12 f.). Es gilt jedenfalls dann, wenn es bei den betroffenen Grundrechten Anwendung findet (vgl. Art. 19 Rn. 5 ff.).