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Artikel 82 [Verkündung und Inkrafttreten der Gesetze]

(1) 1 Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. 2 Das Bundesgesetzblatt kann in elektronischer Form geführt werden. 3 Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erlässt, ausgefertigt. 4 Das Nähere zur Verkündung und zur Form von Gegenzeichnung und Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen regelt ein Bundesgesetz.

(2) 1 Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. 2 Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.

I. Allgemeines

Art. 82 regelt formell mit der Ausfertigung und Verkündung von Bundesgesetzen den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, den das GG in die Hände der Exekutive legt (Art. 82 I 1). Das „exekutive Erlassstadium“ (Sachs/Mann Art. 82 Rn. 1) ist integrierender Bestandteil des Rechtsetzungsverfahrens (BVerfGE 7, 330 (337); 42, 263 (283)) und konkretisiert das Rechtsstaatsprinzip. Es verschafft Rechtsnormen die gebotene Publizität und damit dem Einzelnen die Möglichkeit, sich über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Art. 82 dient letztlich der Rechtssicherheit und -klarheit. Ohne die abschließenden Verfahrensakte des Normsetzungsverfahrens, dh ohne Ausfertigung und Verkündung, erlangt keine Norm rechtliche Existenz und rechtliche Verbindlichkeit.

Über die abschließenden Verfahrensakte hinaus regelt Art. 82 materiell das Inkrafttreten von Bundesgesetzen (Art. 82 II). Dieses ist kein Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens (BVerfGE 42, 263 (283); 87, 48 (60)), sondern betrifft den zeitlichen Geltungsbereich eines Gesetzes.

Daneben enthält Art. 82 Bestimmungen über die Ausfertigung, die Verkündung (Art. 82 I 3 und 4) sowie das Inkrafttreten von RVOen des Bundes (Art. 82 II).

II. Förmliche Bundesgesetze

1. Ausfertigung

a) Funktion und Begriff der Ausfertigung

Zuständig für die Ausfertigung von Bundesgesetzen ist nach Art. 82 I 1 der BPräsident. Die Ausfertigung erfolgt dadurch, dass der BPräsident die Originalurkunde eines Gesetzes mit seinem vollen Namen unterzeichnet. Art. 82 I 4 bestimmt, dass das Nähere zur Form der Ausfertigung durch Bundesgesetz geregelt werden kann. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, eine Ausfertigung durch den Bundespräsidenten anders als durch Unterschrift auf Papier, zB durch eine elektronische Signatur vorzusehen. Gem. dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist er verpflichtet, die Ausfertigung innerhalb einer angemessenen Frist vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, die eine eingehende Prüfung des BPräsidenten erfordern (Rn. 6 ff.). Die Ausfertigung erfüllt eine vierfache Funktion: Erstens dient sie der Herstellung der Urschrift eines Gesetzes, zweitens bewirkt sie die Beurkundung, dass das Gesetz mit den Beschlüssen der gesetzgebenden Körperschaften wörtlich übereinstimmt, drittens dient sie der Feststellung, dass das Gesetz verfassungsgemäß zustande gekommen ist, und viertens erteilt der BPräsident mit seiner Unterschrift den Verkündungsbefehl (vgl. BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 225; Sachs/Mann Art. 82 Rn. 26).

b) Anwendungsbereich

Art. 82 I 1, der die Ausfertigung von Gesetzen durch den BPräsidenten regelt, erfasst ausschließlich förmliche Bundesgesetze. Darunter fallen Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen gem. Art. 59 II (BVerfGE 42, 263 (284)), verfassungsändernde Gesetze nach Art. 79 I, II und Haushaltsgesetze nach Art. 110 II 1 ebenso wie Gesetze, die im Gesetzgebungsnotstand nach Art. 81 zustande gekommen sind. Die Vorschrift findet keine Anwendung auf landesrechtliche Normen (BVerwGE 88, 204 (208)), auf bundesrechtliche RVOen oder Satzungen, auf Verwaltungsvorschriften des Bundes (BVerwGE 38, 139 (146)) und auf Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen (BVerfGE 44, 322 (350)).

c) Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten

Der BPräsident hat nach Art. 82 I 1 die nach den Vorschriften des GG zustande gekommenen Gesetz auszufertigen. Dadurch wird ihm grds. Eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften des GG eingeräumt. Umstr. Ist der Umfang der Prüfungskompetenz. Der vielfach verwendete Begriff des Prüfungsrechts des BPräsidenten ist zumindest missverständlich, da Art. 82 I 1 dem BPräsidenten kein subjektives Recht zuspricht, sondern eine Kompetenz überträgt (BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 80). Ob der BPräsident ein Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft, steht daher nicht in seinem freien Ermessen (HStR III/Nettesheim § 62 Rn. 38).

aa) Formelle Prüfungskompetenz

Allg. anerkannt besitzt der BPräsident eine formelle Prüfungskompetenz, die sich auf die Beachtung der Gesetzgebungszuständigkeiten (MKS/Brenner Art. 82 Rn. 25; BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 120; aA Umbach/Clemens/Rubel Art. 82 Rn. 19) und auf die Einhaltung der Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren gem. Art. 76 ff. erstreckt (Sachs/Mann Art. 82 Rn. 7).

bb) Materielle Prüfungskompetenz

Streitbefangen ist die Frage, ob dem BPräsidenten darüber hinaus auch eine materielle Prüfungskompetenz zukommt, dh, ob er auch den Gesetzesinhalt auf seine Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des GG zu überprüfen hat. Während die Gegner einer materiellen Prüfungskompetenz (vgl. Friesenhahn FS Leibholz, 1966, 679 ff.; Friauf FS Carstens, 1984, 545 ff.) u. a. auf den Wortlaut von Art. 82 I 1 („zustande gekommenen Gesetze“), auf das Gesetzesverwerfungsmonopols des BVerfG, auf die primäre Verantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers, den neutralen, dem Meinungsstreit entzogenen Charakter des Amtes des BPräsidenten und die gewollt schwächere Stellung des Amtes im Machtgefüge des GG verweisen, richten die Befürworter einer materiellen Prüfungskompetenz (vgl. BeckOK GG/Pieper Art. 82 Rn. 4 ff.; BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 121 ff.; Herzog FS Carstens, 1984, 601 ff.; Nierhaus FS Friauf, 1996, 233 ff.) den Blick gleichfalls auf den Wortlaut der Bestimmung („nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes“), auf die Grundrechtsbindung nach Art. 1 III und auf die Verfassungsbindung des BPräsidenten nach Art. 20 III. Den Befürwortern eines materiellen Prüfungsrechts ist in der Tat zuzugestehen, dass kaum davon auszugehen sein dürfte, dass das GG das Staatsoberhaupt zwingen will, an der Entstehung eines von ihm als verfassungswidrig erkannten Gesetzes mitzuwirken (Rau DVBl 2004, 1 (2)). Dem BPräsidenten steht daher gem. Art. 82 I 1 eine Prüfungskompetenz auch in Bezug auf die inhaltliche Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG zu. Diese Prüfungskompetenz ist nicht auf evidente Verfassungsverstöße begrenzt (Hauk JA 2017, 93 (95 f.); aA MKS/Brenner Art. 82 Rn. 29; Stern/Sodan/Möstl/Kau § 43 Rn. 146). Vielmehr ist der BPräsident zu einer umfassenden Überprüfung befugt. Prüfungsmaßstab ist dabei nicht allein das GG, sondern darüber hinaus auch das mit Anwendungsvorrang ausgestattete EU-Recht (BeckOK GG/Pieper Art. 82 Rn. 13; aA Sachs/Mann Art. 82 Rn. 16).

cc) Politische Prüfungskompetenz

Die materielle Prüfungskompetenz eröffnet dem BPräsidenten zwar die Prüfung des Inhalts eines von ihm auszufertigenden Gesetzes, dies jedoch nur im Hinblick auf mögliche Verfassungsverstöße. Unstreitig steht dem BPräsidenten keine politische Prüfungskompetenz zu (Hesse Rn. 666, 668; Dreier/Bauer Art. 82 Rn. 12). Er darf die Gesetzesausfertigung weder aufgrund politischer Zweckmäßigkeitserwägungen noch aus sonstigen inhaltlichen Gründen verweigern.

dd) Verwerfungskompetenz

Mit der formellen und materiellen Prüfungskompetenz korrespondiert eine Verwerfungskompetenz des BPräsidenten in den Fällen, in denen er ein Gesetz als formell oder materiell verfassungswidrig einstuft. Jedoch muss nicht jeder vom BPräsidenten erkannte Verfassungsverstoß zwingend zur Verweigerung der Ausfertigung führen (HStR III/Nettesheim § 62 Rn. 38; BeckOK GG/Pieper Art. 82 Rn. 14 f.). Die Entscheidung über die Verwerfung eines Gesetzes ist einer Abwägung zugänglich, in die die Offenkundigkeit und Schwere des angenommenen Verfassungsverstoßes, aber auch die Folgen einer Ausfertigungsverweigerung einzustellen sind (ähnlich Herzog FS Carstens, 1984, 601 (609); Sachs/Mann Art. 82 Rn. 13; MKS/Brenner Art. 82 Rn. 30). Formelle Verfassungsverstöße, insbes. Verfahrensfehler, werden idR als offenkundig und schwer zu qualifizieren sein. Fragen nach der erforderlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes können im Einzelfall jedoch schwierig zu beantworten sein, so dass es zumindest an der Offenkundigkeit des Verstoßes fehlen kann (krit. dazu Lutze NVwZ 2003, 323 (324 ff.)). Prüft der BPräsident, ob die Verwerfung eines Gesetzes in Betracht kommt, ist auch in Rechnung zu stellen, dass ihm – anders als dem BVerfG – die Möglichkeit einer teilweisen Verwerfung nicht zur Verfügung steht. Er kann ein Gesetz nur insgesamt ausfertigen oder nicht ausfertigen. Vor dem Hintergrund solcher Überlegung hat der BPräsident Anfang 2005 das LuftSiG ausgefertigt, obwohl er erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verfassungskonformität zum Ausdruck gebracht hat (vgl. die Pressemitteilung des Bundespräsidialamtes v. 12.1.2005; dazu S. Schiedermair DÖV 2007, 726 (729)). Diese Entscheidung des BPräsidenten unterliegt gleichwohl ihrerseits Bedenken, da der BPräsident das LuftSiG u. a. wegen eines Verstoßes gegen Art. 1 I für verfassungswidrig gehalten hatte. Ein Eingriff in das Grundrecht der Menschenwürde ist aber keiner rechtfertigenden Abwägung zugänglich (Art. 1 Rn. 27).

d) Vorherige Gegenzeichnung

Die Ausfertigung eines Gesetzes darf gem. Art. 82 I 2 erst nach Gegenzeichnung erfolgen. Damit wird auf Art. 58 S. 1 verwiesen, wonach Anordnungen und Verfügungen des BPräsidenten zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den BKanzler oder den zuständigen BMinister bedürfen. Durch die Gegenzeichnung übernimmt der Kanzler oder der betr. BMinister die parlamentarische Verantwortung für den Akt der Ausfertigung (Art. 58 Rn. 1). Die Gegenzeichnung muss innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen (Dreier/Bauer Art. 82 Rn. 21). Art. 82 I 4 eröffnet die Möglichkeit, eine Gegenzeichnung etwa auch in Form einer elektronischen Signatur bundesgesetzlich vorzusehen.

2. Verkündung im Bundesgesetzblatt

Nach Art. 82 I 1 sind die vom BPräsidenten ausgefertigten Gesetze im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Verkündung bedeutet die amtliche Bekanntgabe des Gesetzeswortlauts in dem dafür vorgeschriebenen amtlichen Blatt (BVerwG DVBl 1964, 826 (828)). Mit ihr wird ein Gesetz der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von seinem Inhalt verschaffen können (BVerfGE 16, 6 (16 f., 18); 40, 237 (252 f., 255); 65, 283 (291)). Erst die Verkündung lässt ein Gesetz rechtlich existent werden (BVerfGE 63, 343 (353); 72, 200 (241)). Zu unterscheiden ist die Verkündung eines Gesetzes von einer Neubekanntmachung, dh einer Veröffentlichung des aktuellen Wortlauts eines zuvor geänderten Gesetzes. Dabei handelt es sich lediglich um eine deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes (BVerfGE 14, 245 (250); 64, 217 (221)).

Die Verkündung hat innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen (Sachs/Mann Art. 82 Rn. 27; aA BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 236; SHH/Sannwald Art. 82 Rn. 29: unverzüglich), wobei zuvor Druckfehler und offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden dürfen (BVerfGE 105, 313 (334)).

Die Verkündung erfolgt mit der Ausgabe des Bundesgesetzblattes (BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 212 ff.). Das BVerfG setzt die Ausgabe mit dem Inverkehrbringen des ersten Stücks der jew. Nummer des Gesetzblattes gleich (BVerfGE 87, 48 (60)), worunter früher die Einlieferung des Gesetzblattes beim zuständigen Postamt zu verstehen war. Nach anderer Auffassung war die Ausgabe erfolgt, wenn das Bundesgesetzblatt an die meisten seiner regelmäßigen Bezieher ausgeliefert ist (MKS/Brenner Art. 82 Rn. 33; BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 232). Für letztere Ansicht sprach, dass erst mit der erfolgten Auslieferung des Bundesgesetzblattes für die Öffentlichkeit die Möglichkeit bestand, in zumutbarer Weise Kenntnis von einem Gesetz zu nehmen. Dieser Streit ist hinfällig geworden, da Art. 82 I 2, der 2022 in das GG eingefügt worden ist (BGBl. 2022 I 2478), nunmehr die Verkündung auf einer digitalen Verkündungsplattform des Bundes ermöglicht. Seit dem 1.1.2023 erscheint das Bundesgesetzblatt nicht mehr in gedruckter Form. Die Einzelheiten regelt das auf der Grundlage von Art. 82 I 4 erlassene Gesetz über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und über Bekanntmachungen (VkBkmG) v. 20.12.2022 (BGBl. 2022 I 2752). Das BGBl. wird vom Bundesamt für Justiz nur noch digital auf der Internetseite „www.recht.bund.de“ ausgegeben (§ 2 I 1 VkBkmG). Das Inverkehrbringen besteht somit in der Freischaltung auf der Internetseite.

Die Verkündung erfolgt im Bundesgesetzblatt, dessen Schriftleitung beim BMJ liegt. Das Bundesgesetzblatt erscheint in zwei gesonderten Teilen in unregelmäßiger Folge je nach Anfall des zu verkündenden Stoffes. Das Bundesgesetzblatt Teil I enthält Gesetze und RVOen des Bundes. Das Bundesgesetzblatt Teil II umfasst die völkerrechtlichen Übereinkünfte, die zu ihrer Inkraftsetzung oder Durchsetzung erlassenen Rechtsvorschriften sowie die damit zusammenhängenden Bekanntmachungen.

Gesetze sind grds. In ihrem gesamten Wortlaut und Umfang zu veröffentlichen (Vollständigkeitsprinzip). Problematisch erscheinen hierbei Verweisungen, bei denen der Bundesgesetzgeber Tatbestände oder Rechtsfolgen in einer Norm nicht selbst umschreibt, sondern auf andere Vorschriften Bezug nimmt, die die Verweisungsnorm in ihrem Inhalt ergänzen. Es handelt sich um eine gesetzestechnische Vereinfachung und bedeutet den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in der Verweisungsnorm zu wiederholen (BVerfGE 47, 285 (311 f.)). Legt man Sinn und Zweck der Publikationspflicht zugrunde, jedem Betroffenen die Möglichkeit zu eröffnen, sich in zumutbarer Weise verlässlich vom Inhalt des geltenden Rechts Kenntnis zu verschaffen, ist es ausreichend, wenn die Normen, auf die Bezug genommen wird, anderweitig veröffentlicht sind. Die anderweitige Veröffentlichung muss ihrer Art nach allerdings für amtliche Anordnungen geeignet sein (BVerwG NJW 1962, 506; Ossenbühl DVBl 1967, 401 (405 ff., 408); Brugger Verw Arch. 78 [1987], 1 (13); Klindt DVBl 1998, 373 (375)).

3. Inkrafttreten

Art. 82 II regelt das Inkrafttreten von Bundesgesetzen. Den Bundesgesetzgeber trifft nach Art. 82 II 1 die Obliegenheit, den Tag des Inkrafttretens zu bestimmen. Zwar trifft ihn keine verfassungsrechtliche Pflicht, den Termin für das Inkrafttreten festzulegen, Art. 82 II 1 enthält allerdings ein Delegationsverbot. Der Bundesgesetzgeber darf die Festlegung des Tags des Inkrafttretens nicht einem Dritten, etwa der BReg oder dem BPräsidenten, überlassen (BVerfGE 42, 263 (282 f.); 45, 297 (326); 155, 378 (396)). Bei der Bestimmung des Tags ist der Gesetzgeber frei (BVerfGE 42, 264 (282 f.)). Er kann einen künftigen oder, sofern eine Rückwirkung zulässig ist (Art. 20 Rn. 60 ff.), bereits vergangenen Tag bestimmen. Das gesetzgeberische Ermessen hinsichtlich des Inkrafttretens kann allerdings durch Verfassungsaufträge oder durch die Pflicht zur Bereinigung einer verfassungswidrigen Rechtslage eingeschränkt sein (vgl. BVerfGE 47, 85 (93 f.); 55, 100 (110 f.)). Eine Sonderregelung für Bundesgesetze, die der Abweichungsgesetzgebung der Länder unterliegen, trifft Art. 72 III 2. Diese Gesetze treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft (Art. 72 Rn. 29).

Bestimmt der Gesetzgeber einen konkreten Tag, zu dem ein Gesetz in Kraft treten soll, so tritt es um 0.00 Uhr des betr. Tages in Kraft. Dies gilt auch, wenn der Tag des Inkrafttretens der Tag der Gesetzesverkündung sein soll. Knüpft der Gesetzgeber das Inkrafttreten an eine Frist, die an den Tag der Verkündung anknüpft, ist der Tag der Verkündung nicht mitzuzählen (BK/v. Lewinski Art. 82 Rn. 290; Jarass/Pieroth/Kment Art. 82 Rn. 10; MKS/Brenner Art. 82 Rn. 45). Das Inkrafttreten darf der Gesetzgeber nicht von einer aufschiebenden Bedingung, also vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses, abhängig machen (Sachs/Mann Art. 82 Rn. 41). Dies ist entgegen der Auffassung des BVerfG (BVerfGE 42, 263 (285)) auch dann unzulässig, wenn es sich um ein mit großer Wahrscheinlichkeit erwartetes bestimmtes Ereignis handelt (Dreier/Bauer Art. 82 Rn. 27). Ausnahmen, in denen das Inkrafttreten eines Gesetzes von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht werden darf, sind nur unter besonders gelagerten Umständen zulässig (BVerfGE 155, 378 (396)). Die Bedingung muss dabei aber so klar formuliert sein, dass über deren Bedeutung keine Unsicherheit besteht und der Bedingungseintritt für alle erkennbar ist. Die klare Bestimmung des Inkrafttretens dient den rechtsstaatlichen Geboten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit über die zeitliche Geltung des Rechts (BVerfGE 155, 378 (396)). Eine solche Ausnahme besteht etwa im Hinblick auf Vertragsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen gem. Art. 59 II aufgrund deren Abhängigkeit von Ratifikationsdaten und -quoren (Dreier/Bauer Art. 82 Rn. 27; MKS/Brenner Art. 82 Rn. 47). Eine weitere Ausnahme besteht nach der Rspr. des BVerfG, wenn das Inkrafttreten eines Gesetzes an die Bedingung einer beihilfenrechtlichen Genehmigung seitens der Europäischen Kommission geknüpft wird (BVerfGE 155, 378 (396 f.)).

Nimmt der Gesetzgeber keine Festlegung des Tags des Inkrafttretens eines Gesetzes vor, trifft Art. 82 II 2 eine Ersatzregelung. Danach tritt ein Gesetz mit dem vierzehnten Tag nach Ablauf des Verkündungstags in Kraft.

III. Rechtsverordnungen des Bundes

1. Ausfertigung

a) Begriff und Funktion der Ausfertigung

Mit der Ausfertigung, die Art. 82 I 3 für RVOen vorschreibt, wird durch Unterzeichnung der Inhalt der RVO in einer Urkunde festgehalten. Gem. Art. 82 I 4 kann das Nähere zur Form der Ausfertigung durch Bundesgesetz geregelt werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, eine Ausfertigung anders als durch Unterschrift auf Papier, also etwa durch eine elektronische Signatur vorzusehen. Mit dieser Beurkundung wird die Authentizität des Verordnungstextes festgestellt. Zudem dient die Ausfertigung der Feststellung der Verfassungs- und Gesetzeskonformität der erlassenen RVO. Letztlich wird mit der Unterzeichnung der Verkündungsbefehl erteilt. Die Ausfertigung einer RVO darf erst nach Inkrafttreten des ermächtigenden Gesetzes erfolgen (BayVerfGHE 26, 48 (62)).

b) Anwendungsbereich

Art. 82 I 3 trifft eine Regelung für die Ausfertigung von RVOen des Bundes (BVerwGE 88, 204 (208)). Wird eine Landesregierung oder im Wege der Subdelegation eine andere Landesbehörde (Art. 80 Rn. 23) als VO-Geberin tätig, bestimmen sich Ausfertigung und Verkündung nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften. Verabschiedet ein Landesparlament nach Art. 80 IV ein verordnungsvertretendes Gesetz (Art. 80 Rn. 34), kommen die die Ausfertigung und Verkündung von Landesgesetzen regelnden Vorschriften zur Anwendung.

c) Ausfertigungskompetenz

Die Ausfertigungskompetenz liegt in den Händen des jew. für den RVO-Erlass zuständigen Erstdelegatars oder Subdelegatars. Ist die BReg die erlassende Stelle, reicht es aus, wenn der BKanzler und der zuständige BMinister die RVO unterzeichnen. Bei einer RVO eines BMinisters unterzeichnet der jew. BMinister. Sind mehrere BMinister ermächtigt (Art. 80 Rn. 18), unterzeichnet der federführende BMinister.

2. Verkündung

Art. 82 I selbst trifft keine ausdrückliche Regelung über die Verkündung von RVOen, die allerdings rechtsstaatlich geboten ist. Nach Art. 82 I 4 besitzt der Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, die Verkündung von Rechtsverordnungen zu regeln. Von dieser Kompetenz hat er mit dem Gesetz über die Verkündigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und über Bekanntmachungen (VkBkmG) v. 20.12.2022 (BGBl. 2022 I 2752) Gebrauch gemacht. Danach erfolgt die Verkündung von RVOen gem. § 1 I, § 3 I VkBkmG grundsätzlich im Bundesgesetzblatt. Die Ausführungen betr. die Verkündung von Gesetzen (Rn. 12 ff.) gelten für RVOen entspr. Anders als bei Bundesgesetzen darf der Gesetzgeber bei RVOen jedoch eine abweichende Regelung treffen.

3. Inkrafttreten

Nach Art. 82 II 1 soll jede RVO den Tag ihres Inkrafttretens bestimmen. Insoweit gelten die für das Inkrafttreten von Bundesgesetzen gemachten Ausführungen entspr. (Rn. 17 ff.). Fehlt eine ausdrückliche Bestimmung, greift die Ersatzregelung des Art. 82 II 2, wonach eine RVO mit dem vierzehnten Tag nach Ablauf des Verkündungstags in Kraft tritt.