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Artikel 12 [Berufsfreiheit]

(1) 1 Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. 2 Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

I. Zur Struktur des Art. 12

Nach Art. 12 I 1 haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann gem. Art. 12 I 2 durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Der Wortlaut dieser Vorschriften legt den Schluss nahe, dass damit insgesamt vier verschiedene Grundrechte gewährleistet sind: 1. die Berufswahlfreiheit, 2. die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, 3. die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte und 4. die Berufsausübungsfreiheit. Schon seit langem ist jedoch in der Rspr. des BVerfG geklärt, dass es sich insoweit nur um vier Teilgarantien eines „einheitlichen, allerdings in sich gegliederten Grundrechts“ der Berufsfreiheit (HStR VIII/Breuer § 170 Rn. 56 – ohne die Hervorhebungen) handelt. Bereits im grdl. sog. Apotheken-Urteil aus dem Jahre 1958 formuliert das BVerfG, Art. 12 I enthalte „ein einheitliches Grundrecht (der ‚Berufsfreiheit‘) jedenfalls in dem Sinn, daß der Regelungsvorbehalt des Satz 2 sich ‚dem Grunde nach‘ sowohl auf die Berufsausübung wie auf die Berufswahl“ erstrecke (BVerfGE 7, 377 (402); dazu näher Rn. 25, 29 ff.). Zur Begründung führt das BVerfG aus: Die „Begriffe ‚Wahl‘ und ‚Ausübung‘ des Berufes lassen sich nicht so trennen, daß jeder von ihnen nur eine bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichnete, die sich mit der andern nicht überschnitte; namentlich stellt die Aufnahme der Berufstätigkeit sowohl den Anfang der Berufsausübung dar wie die gerade hierin – und häufig nur hierin – sich äußernde Betätigung der Berufswahl; ebenso sind der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl. Die beiden Begriffe erfassen den einheitlichen Komplex ‚berufliche Betätigung‘ von verschiedenen Blickpunkten her“ (BVerfGE 7, 377 (401)). In seiner neueren Rspr. siedelt das BVerfG den Schutz freier Berufsausübung ausdrücklich bereits in Art. 12 I  1 an (s. BVerfGE 85, 248 (256); 94, 372 (389); 95, 173 (181); 101, 331 (346); vgl. dazu VerfGH Bln LVerfGE 12, 15 (22 f.)). Nach der Judikatur des BVerfG gehört „zur rechtlichen Ordnung der Berufstätigkeit auch die Vorstufe der Berufsausbildung als integrierender Bestandteil eines einheitlichen Lebensvorgangs“ (BVerfGE 41, 251 (261); vgl. ferner BVerfGE 33, 303 (329 f.); 59, 172 (205); VerfGH Bln LVerfGE 12, 15 (22)). Als „Verfassungsrichterrecht hat sich der Grundsatz der Einheitlichkeit der Berufsfreiheit durchgesetzt“ (Depenheuer FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, 241 (250)). Auch in jüngerer Zeit spricht das BVerfG noch immer von der Berufsfreiheit des Art. 12 I (s. etwa BVerfGE 106, 275 (298); 110, 141 (156); 110, 274 (287 f.); 134, 204 (222); 135, 90 (111); 141, 82 (98); 145, 20 (67, 71); 148, 40 (49 ff.); 149, 126 (140, 142); 153, 182 (301)).

In anderen neueren Entscheidungen des BVerfG ist von der „Berufsausübungsfreiheit“ (BVerfGE 104, 357 (364); 121, 317 (346); 123, 186 (238); 126, 112 (142); BVerfG [K] NZS 2015, 502), dem „Grundrecht auf freie Berufsausübung“ (BVerfGE 110, 226 (251)) oder der „Freiheit der Berufsausübung“ (BVerfGE 111, 10 (28); BVerfG [K] NJW 2015, 2949 (2950 und 2952); NZS 2016, 942 (943)) die Rede. Darin dürfte aber keine Abkehr von der über Jahrzehnte vertretenen These von der Einheitlichkeit des Art. 12 I zu sehen sein. Vielmehr wird dadurch eine bestimmte Teilgarantie dieser Grundrechtsnorm zum Ausdruck gebracht und der jeweils weiteren Fallprüfung zugrunde gelegt. Dies ist insofern unerlässlich, als die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen im Hinblick auf die verschiedenen Teilgarantien differieren (dazu näher Rn. 29 ff.). Letztlich zeichnet sich die Berufsfreiheit durch „Einheit in Vielfalt“ (Depenheuer FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, 241 (249)) aus.

Eigenständige Grundrechte regeln Art. 12 II und III, indem sie im Vergleich zur allgemeinen Berufsfreiheit die speziellen Garantien des Verbots des Arbeitszwanges und des Schutzes vor Zwangsarbeit enthalten (näher Rn. 36 ff.).

II. Gewährleistung der Berufsfreiheit

Im frühen Schrifttum finden sich zur Gewährleistung der Berufsfreiheit (s. zu deren verfassungshistorischen Grundlagen und zur Entstehungsgeschichte des Art. 12 I Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 3 ff.) sehr krit. Kommentare: So hieß es etwa, Art. 12 I sei „wohl die bisher schwerverdaulichste Frucht, die der Verfassungsgeber auf dieser Tafel ausgebreitet“ habe (Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, 107). Eine jahrzehntelange intensive Anwendung dieser Grundrechtsnorm vor allem in der Rspr. des BVerfG trug jedoch wesentlich zur „Verdaulichkeit“ der Freiheitsgarantie bei, deren herausragende Bedeutung gerade für das Wirtschaftsleben als „Gradmesser schlechthin für wirtschaftliche Freiheit“ (Tettinger DVBl 1999, 679 (684)) sich allgemein wie folgt umschreiben lässt: „Die Berufsfreiheit schützt das Innovationspotential des Volkes, dessen Ideenreichtum und Spontaneität in bezug auf neue Herausforderungen und damit die Entwicklung der Arbeitswelt unter den Bedingungen einer globalisierten und digitalisierten Wirtschaftswelt“ (Depenheuer FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, 241 (249)). Das BVerwG bezeichnet die durch Art. 12 I gewährleistete Berufsfreiheit „als für das Arbeits- und Wirtschaftsleben zentrales Freiheitsrecht“ (BVerwGE 153, 79 (83)). Ein Schutz von Berufsfreiheit erfolgt im Übrigen auch durch die EMRK, durch unionsrechtlich im AEUV garantierte Grundfreiheiten und Sekundärrecht sowie in der GRCh (s. dazu näher Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 150 ff., 154 ff., 183 ff.; DHS/Remmert Art. 12 Abs. 1 Rn. 35 ff.).

1. Sachlicher Schutzbereich

a) Dimensionen der Berufsfreiheit

Die Funktion der Berufsfreiheit als Abwehrrecht (vgl. Vor Art. 1 Rn. 11 ff.) kommt in folgenden Bemerkungen des BVerfG zum Ausdruck: „Die Berufsfreiheit verwirklicht sich gegenwärtig – abgesehen von dem der Sonderregelung des Art. 33 GG unterliegenden öffentlichen Dienst […] – vorwiegend im Bereich der privaten Berufs- und Arbeitsordnung und ist hier vornehmlich darauf gerichtet, die eigenpersönliche, selbstbestimmte Lebensgestaltung abzuschirmen, also Freiheit von Zwängen oder Verboten im Zusammenhang mit Wahl und Ausübung des Berufes zu gewährleisten“ (BVerfGE 33, 303 (331)). Art. 12 I „zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab“ (BVerfGE 54, 301 (313); 81, 70 (85); vgl. etwa auch BVerfGE 118, 1 (15); BVerwGE 141, 262 (269)). „Er konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung“ (BVerfGE 101, 331 (347); fast wortgleich BVerfGE 110, 226 (251); BVerfG [K] NJW 2015, 2949 (2950)).

Ein Teilhaberecht statuiert Art. 12 I, indem er iVm Art. 3 I und dem Sozialstaatsgebot „ein Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl“ enthält (Vor Art. 1 Rn. 19). Dagegen gewährleistet Art. 12 I kein Recht auf Arbeit oder einen Arbeitsplatz iS eines gegen den Staat gerichteten Leistungsanspruchs (HStR VIII/Breuer § 170 Rn. 102 mwN; v. Münch/Kunig/Kämmerer Art. 12 Rn. 9; vgl. Rn. 17). Diese Vorschrift garantiert das Recht der freien Berufswahl, „kann aber nicht verheißen“, dass jemand „im erwählten Beruf dauernd beschäftigt wird“ (BAG NJW 1964, 1921; BVerwGE 97, 154 (158)). Anderslautende Aussagen in einigen Landesverfassungen (vgl. etwa Art. 18 S. 1 BerlVerf.: „Alle haben das Recht auf Arbeit“; s. dazu VerfGH Bln LVerfGE 7, 3 (8); NVwZ 2001, 910; HGR VIII/Sodan § 247 Rn. 80; s. im Übrigen zum Schutz der Berufsfreiheit durch die Landesverfassungen Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 138 ff.) stellen „bloße Programmsätze“ bzw. Staatsziele dar, verdeutlichen aber, dass der Staat für einen hohen Beschäftigungsstand (vgl. Art. 109 II iVm § 1 StabG) Sorge zu tragen hat (Sachs/Mann Art. 12 Rn. 20).

In Art. 12 I kommt ferner „eine klare materielle Wertentscheidung des Grundgesetzes für einen konkreten wichtigen Lebensbereich“ zum Ausdruck (BVerfGE 7, 377 (404) – ohne die Hervorhebungen; vgl. zur objektiven Werteordnung Vor Art. 1 Rn. 20 ff.). Dem Grundrecht der Berufsfreiheit wird demnach „ein besonderer Rang“ zugesprochen, dem zugleich eine „grundsätzliche Freiheitsvermutung“ zu entnehmen ist (BVerfGE 63, 266 (286); vgl. auch BVerfGE 66, 337 (359 f.)). Aufgrund der Leitentscheidung der Verfassung zugunsten der Berufsfreiheit sind die Gesetzgeber zur Gestaltung einer Rechtsordnung verpflichtet, welche den Bürgern die größtmögliche Vielfalt der Persönlichkeitsentfaltung nach eigener Entscheidung ermöglicht, soweit anderen kein Schaden zugefügt wird (Sodan DÖV 2000, 361 (364)). Die in Art. 12 I 1 gewährleistete Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes verleiht zwar keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen; insoweit obliegt dem Staat aber eine Schutzpflicht, welcher die geltenden Kündigungsvorschriften hinreichend Rechnung tragen (BVerfGE 84, 133 (146 f.); 92, 140 (150); 97, 169 (175); krit. zur insoweit objektiv-rechtlichen Dimension der Berufsfreiheit Ladeur DÖV 2007, 1 (4 f.); vgl. allg. zu den grundrechtlichen Schutzpflichten Vor Art. 1 Rn. 25 ff., Art. 2 Rn. 23 ff.). Aus Art. 12 I ergeben sich ferner grundrechtliche Verfahrensgarantien (vgl. Vor Art. 1 Rn. 31). Dies gilt besonders im Hinblick auf Regelungen von Prüfungsverfahren (s. dazu im Einzelnen BVerfGE 80, 1 (24 ff.); 84, 34 (45 ff.); 84, 59 (72 ff.); Sachs/Mann Art. 12 Rn. 25 ff.).

b) Begriff des Berufs

In seiner jüngeren Rspr. definiert das BVerfG den Beruf als „auf Erwerb gerichtete Tätigkeit […], die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient“ (BVerfGE 102, 197 (212); 110, 304 (321); 111, 10 (28); 115, 276 (300); 145, 20 (67); fast wortgleich BVerfGE 97, 228 (252 f.); 110, 141 (156); 115, 205 (229); 155, 238 (276); 160, 164 (173); 161, 1 (34); 161, 63 (89); 163, 107 (133)).

Von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen (s. etwa BVerfG [K] DVBl 2002, 1635; BVerfGE 115, 276 (300 f.)), findet in der aktuellen Judikatur des BVerfG damit seit einigen Jahren ein zuvor sehr umstr. zusätzliches Merkmal zur Bestimmung des Berufs keine Berücksichtigung mehr: die Begrenzung des Begriffs des Berufs auf „erlaubte“ Tätigkeitsformen. Bereits das sog. Apotheken-Urteil von 1958 enthält – seinerzeit allerdings noch in Klammern – das Kriterium der „Erlaubtheit“ mit folgenden Formulierungen: Der Begriff „Beruf“ umfasse „auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigungen“ (BVerfGE 7, 377 (397)). Spätere Entscheidungen des BVerfG verzichten auf die Klammern und sprechen allgemein von dem Schutz der erlaubten Tätigkeiten (s. etwa BVerfGE 14, 19 (22); 48, 376 (388); 68, 272 (281); 81, 70 (85)). Durch das Merkmal der „Erlaubtheit“ darf dem Gesetzgeber allerdings nicht die Möglichkeit eröffnet werden, im Wege des Erlasses von berufsspezifischen Normen unterhalb des Ranges der Verfassung über die thematische Reichweite der Berufsfreiheit zu disponieren; für deren Begrenzungen gibt das Grundgesetz durch den in Art. 12 I 2 enthaltenen Schrankenvorbehalt Raum (vgl. Rn. 25), der jedoch nicht systemwidrig schon in den Schutzbereich des Grundrechts vorverlagert werden darf (Sodan DÖV 1987, 858 (860)). „Eine Erwerbstätigkeit kann die Eigenschaft eines Berufes im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG nicht dadurch verlieren, daß sie durch einfaches Gesetz verboten und/oder für strafbar erklärt wird. Vielmehr ist allein dem Grundgesetz zu entnehmen, welche Betätigungen außerhalb des Grundrechtsschutzes eines ‚Berufs‘ stehen, so daß sie ohne Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz oder Verordnung jedermann bei Strafe verboten werden dürfen. Der Berufsbegriff des Art. 12 Abs. 1 GG ist also durch Auslegung dieser Grundrechtsvorschrift selbst zu ermitteln. Dabei ist die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit im Gesamtzusammenhang der Verfassung zu sehen“ (BVerwGE 22, 286 (288)). Nach dem Prinzip der Einheit der Verfassung (s. dazu Sodan/Ziekow § 2 Rn. 11) ist der Grundrechtsschutz des Art. 12 I bereits tatbestandlich den „schlechthin gemeinschaftsschädlichen Betätigungen“ (BVerwGE 22, 286 (289) – ohne die Hervorhebungen; vgl. ferner BVerwGE 96, 293 (297); 96, 302 (308 f.)) zu versagen; aufgrund des Widerspruchs zu zentralen verfassungsrechtlichen Wertungen stellen Tätigkeiten wie die eines Auftragsmörders oder Drogen-Dealers, obwohl sie auf Erwerb gerichtet und auf Dauer angelegt sein sowie der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dienen können, von vornherein keine „Berufe“ dar; insoweit wird der tatbestandliche Schutz der Berufsfreiheit bereits durch die in Art. 2 II 1 gewährleisteten Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit – insbes. mit Rücksicht auf deren objektiv-rechtlichen Gehalt (vgl. Vor Art. 1 Rn. 25 f., Art. 2 Rn. 19, 23 ff.) – verfassungsimmanent begrenzt (Sodan DÖV 1987, 858 (861); vgl. ferner etwa Sachs/Mann Art. 12 Rn. 54; Tettinger AöR 108 [1983], 92 (98)). IdS stellt das BVerfG in seinem Urt. v. 28.3.2006 zum staatlichen Monopol für Sportwetten klar: „Einer die Merkmale des Berufsbegriffs grundsätzlich erfüllenden Tätigkeit ist der Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht schon dann versagt, wenn das einfache Recht die gewerbliche Ausübung dieser Tätigkeit verbietet. Vielmehr kommt eine Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG in dem Sinne, dass dessen Gewährleistung von vornherein nur erlaubte Tätigkeiten umfasst […], allenfalls hinsichtlich solcher Tätigkeiten in Betracht, die schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können“ (BVerfGE 115, 276 (300 f.); ebenso BVerfGE 117, 126 (137); s. zum „Sportwetten-Urteil“ des BVerfG näher Bethge DVBl 2007, 917 ff.; Kment NVwZ 2006, 617 ff.; Sodan/Janssen, Zur Verfassungsmäßigkeit der Berliner Abstandsgebote für Wettvermittlungsstellen, 2021, 19 f., 54 f., 67 f., 79, 94 f.).

c) Beruf und Berufsbild

Dem Apotheken-Urteil des BVerfG von 1958 zufolge umfasst Art. 12 I „nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder sogar rechtlich fixierten ‚Berufsbildern‘ darstellen, sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben mögen“ (BVerfGE 7, 377 (397); 161, 63 (89); vgl. auch BVerfGE 163, 107 (133 f.)).

Die Befugnis des Gesetzgebers, im Rahmen des Art. 12 I Berufsbilder zu fixieren, stellt das BVerfG seitdem in stRspr heraus (vgl. etwa BVerfGE 9, 39 (48); 10, 185 (197); 21, 173 (180); 54, 237 (246); 75, 246 (265 f.); 77, 84 (105 f.)). Diese Befugnis sei „nicht darauf beschränkt, bestehende Berufsbilder lediglich klarstellend voneinander abzugrenzen“; indem „der Gesetzgeber bestimmte wirtschafts-, berufs- und gesellschaftspolitische Zielvorstellungen und Leitbilder“ durchsetze „und damit in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen“ erhebe, geschehe „die Fixierung des Berufsbildes auch gestaltend, also durch Änderung und Ausrichtung überkommener Berufsbilder“ (BVerfGE 75, 246 (265); vgl. auch BVerfGE 13, 97 (107); 78, 179 (193); 141, 121 (131); 145, 20 (67)). Auf diese Weise könne der Gesetzgeber verwandte Berufe vereinheitlichen (vgl. BVerfGE 25, 236 (247); 32, 1 (36); 34, 252 (256); 75, 246 (265); BVerfG [K] NJW 2007, 2537). Er sei im Rahmen des Art. 12 I „befugt, neue Berufsbilder zu fixieren und dabei den Umfang der zulässigen beruflichen Tätigkeit und die Ausbildungsinhalte in bestimmter Weise festzuschreiben“ (BVerwG NJW 2009, 3593; fast wortgleich BVerwG NJW 2010, 2901). Zur rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes könnten auch Verbote gehören, neben dem Beruf bestimmte andere Tätigkeiten auszuüben (sog. Inkompatibilitäten); sie dienten „gerade dazu, den Beruf eindeutig zu prägen, das Berufsbild klar zu umgrenzen, indem sie es vor der Durchdringung und Vermengung mit Merkmalen anderer Berufstätigkeiten“ bewahrten (BVerfGE 21, 173 (181)). Die rechtliche Festlegung eines Berufsbildes habe eine doppelte Wirkung: Zum einen werde der Beruf in dem Sinne „monopolisiert“, dass künftig die Aufgaben dieses Berufs nur noch von denjenigen wahrgenommen werden könnten, welche die Voraussetzungen des einschlägigen Berufsbildes erfüllten (BVerfGE 9, 73 (78); 21, 173 (180); 25, 236 (247); 75, 246 (265 f.)); zum anderen könne die Berufswahl lediglich in der vom Gesetzgeber vorgenommenen rechtlichen Ausgestaltung erfolgen, sodass die Zulassung zur Ausübung des Berufs die genaue Erfüllung der „konkretisierten und formalisierten rechtlichen Voraussetzungen“ erfordere (BVerfGE 21, 173 (180); vgl. auch BVerfGE 75, 246 (266)). Die rechtliche Festlegung eines Berufsbildes könne „dazu führen, daß der Einzelne auf die freie Wahl des so geprägten Berufes beschränkt“ werde, „während ihm die Möglichkeit zu untypischer Betätigung in diesem Bereich verschlossen“ sei (BVerfGE 17, 232 (241); ebenso BGHZ 124, 224 (227)).

Gegen die „Berufsbildlehre“ des BVerfG wird in der Literatur der Einwand erhoben, durch die dem Gesetzgeber zugestandene Befugnis zur Berufsbildfixierung drohe Art. 12 I leerzulaufen (s. etwa Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der „staatlich gebundenen“ Berufe, 1968, 189 ff.; Lecheler VVDStRL 43 [1985], 48 (53 f.); Rupp NJW 1965, 993 (994); Rupp AöR 92 [1976], 212 (221 f.)). Es ist sogar von der „Berufsfreiheit in der Zwangsjacke der Berufsbilder“ (Depenheuer FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, 241 (251)) und von der „Mottenkiste der tradierten Berufsbildjudikatur“ (Kleine-Cosack DVBl 2016, 483 (487)) die Rede. Gegenüber solcher Kritik ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Festlegung von Berufsbildern vielfach sachgerecht und unvermeidbar ist: Angesichts der großen Bedeutung des Berufssystems für das Gemeinwesen sind nicht nur Bestimmungen betr. gewisse Ausübungsmodalitäten, sondern auch differenzierte und angemessene Regelungen subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme als Teil der rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes geradezu erforderlich (s. näher Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, 150). Das BVerfG führt zu den „Grenzen rechtlicher Fixierung von Berufsbildern“ u. a. aus: Es „wird darauf ankommen, ob der Gesetzgeber nur ausspricht, was sich aus einem ohnehin klar zusammenhängenden, von anderen Tätigkeiten deutlich abgegrenzten ‚vorgegebenen‘ Sachverhalt von selbst ergibt, oder ob er es etwa unternimmt, solchen Vorgegebenheiten ohne hinreichenden Grund eine andersartige Regelung ‚willkürlich‘ aufzuzwingen“ (BVerfGE 13, 97 (106) – ohne die Hervorhebungen; s. ferner BVerfGE 54, 301 (322)). Eine generalisierende Regelung müsse „das gesamte Spektrum des einschlägigen beruflichen Umfeldes sachlich angemessen“ abdecken (BVerfGE 78, 179 (193)). Überdies habe der Gesetzgeber bei der Fixierung von Berufsbildern den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Vor Art. 1 Rn. 60 ff.) zu beachten (BVerfGE 75, 246 (266 f.); 78, 179 (193)). So stellt bspw. die Tätigkeit als Betreiber einer Spielhalle einen eigenständigen Beruf dar, weil sich diese wirtschaftliche Betätigung grds. unabhängig von anderen Aktivitäten ausüben lässt; in der Vergangenheit ist ein entsprechendes Berufsbild entstanden mit speziellen Anforderungen im Gewerberecht (BVerfGE 145, 20 (70)). Nach der Rspr. des BVerfG unterfällt die Tätigkeit als Tierheilpraktikerin dem Schutzbereich der Berufsfreiheit, „weil sie auf Dauer zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage angelegt“ sei; unerheblich für den Schutz durch Art. 12 I sei die fehlende staatliche Anerkennung als Beruf (BVerfGE 160, 164 (173 f.); vgl. auch BVerfGE 163, 107 (133 f.)).

d) Geschützte Verhaltensweisen

Die Berufswahl ist „ein Akt der Selbstbestimmung, des freien Willensentschlusses des Einzelnen“, der „von Eingriffen der öffentlichen Gewalt möglichst unberührt bleiben“ muss (BVerfGE 7, 377 (403); 58, 358 (363 f.); vgl. ferner BVerfGE 13, 181 (185); 43, 291 (363)). Davon erfasst werden die erstmalige Ergreifung eines Berufs, der „Wille zur Beibehaltung des Berufs“ (BVerfGE 7, 377 (401)), die Ausübung mehrerer Berufe nebeneinander (BVerfGE 21, 173 (179); 87, 287 (316); 110, 320 (321); vgl. ferner BVerfGE 110, 141 (156 f.)), der Berufswechsel (BVerfGE 43, 291 (363); 62, 117 (146)), die Ausbildung zu einem weiteren Beruf (BVerfGE 43, 291 (363); 45, 393 (397 f.); 62, 117 (146)) und die freiwillige Berufsbeendigung (BVerfGE 7, 377 (401); 93, 213 (235)). Der Schutz durch Art. 12 I erstreckt sich auch auf „die Wahrnehmung von Chancen, die den Bewerber der erstrebten Berufsaufnahme in erheblicher Weise näherbringen“ (BVerwGE 91, 24 (33); 96, 136 (141); vgl. ferner BVerfGE 59, 172 (210); 84, 34 (52 f.)). Die in Art. 11 I enthaltene Garantie der freien Wahl von Aufenthalt und Wohnsitz (Art. 11 Rn. 2) ist „in einer arbeitsteiligen und ausdifferenzierten Gesellschaft Grundbedingung einer freien Berufswahl und eigenverantworteten Sicherung des Lebensunterhalts“ (BVerfGE 134, 242 (323)). Als „ negative Inanspruchnahme der Freiheit der Berufswahl“ (vgl. Vor Art. 1 Rn. 6) ist ferner die Freiheit geschützt, „überhaupt keinen Beruf zu ergreifen und auszuüben“ (BVerfGE 58, 358 (364) – ohne die Hervorhebungen; vgl. auch BVerfGE 68, 256 (267)). Nach einer häufig verwendeten „Faustformel“ betrifft die Berufswahl das „Ob“ und die Berufsausübung das „Wie“ der beruflichen Betätigung.

Die Berufsausübungsfreiheit umfasst „die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort […], ihren Inhalten […], ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen und ihren Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten der beruflichen Tätigkeit“ und „umgreift somit eine Reihe von Teilfreiheiten “ (Sachs/Mann Art. 12 Rn. 79). Die Freiheit unternehmerischer Betätigung wurde früher ganz überwiegend aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gefolgert (vgl. etwa BVerfGE 4, 7 (16); 12, 341 (347 f.); 14, 263 (281 ff.); 25, 371 (407); 37, 1 (18); 45, 142 (160)), ohne die Spezialität anderer Grundrechtsnormen wie insbes. des Art. 12 I gegenüber der aus Art. 2 I hergeleiteten allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Rn. 1 ff.) erkannt zu haben. Bereits im sog. Mitbestimmungs-Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1979 heißt es jedoch, grds. sei auch „die ‚Unternehmerfreiheit‘ im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen“ durch Art. 12 I geschützt; „Wahrnehmung von Unternehmerfreiheit“ sei „sowohl die Gründung und Führung eines Klein- oder Mittelbetriebs als auch die Tätigkeit eines Großunternehmens“ (BVerfGE 50, 290 (363); vgl. auch BVerfGE 122, 316 (337); 161, 63 (89)). Von besonderer Bedeutung für die unternehmerische Betätigung ist die Wettbewerbsfreiheit, welche als das Recht auf den Versuch verstanden werden kann, sich durch freie Leistungskonkurrenz als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt gegenüber anderen durchzusetzen (Sodan DÖV 1987, 858 (860); Sodan DÖV 2000, 361 (364); DHS/Remmert Art. 12 Abs. 1 Rn. 107; vgl. auch BGHZ 23, 365 (370); Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, 1958, 79; Scholz, Entflechtung und Verfassung, 1981, 94). Sie wird durch Art. 12 I geschützt, soweit das Verhalten der Unternehmen bzw. Unternehmer im Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufausübung ist (BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); BVerwGE 71, 183 (189); vgl. auch BVerfGE 115, 205 (229)). Das BVerfG formuliert im Zusammenhang mit der Erörterung der Berufsfreiheit sogar, die „bestehende Wirtschaftsverfassung“ enthalte „den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien“ (BVerfGE 32, 311 (317); vgl. auch BVerfGE 106, 275 (298); BVerwGE 71, 183 (189)). Art. 12 I gewährleistet allerdings „keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb“ (BVerfGE 106, 275 (299); BVerfG [K] NVwZ 2009, 1486; vgl. ferner BVerfGE 110, 274 (288); 118, 1 (19)). Im Rahmen des Wettbewerbs können Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von besonderer Bedeutung sein, die in den Schutz des Art. 12 I einbezogen sind (s. dazu BVerfGE 115, 205 (230 f.); 128, 1 (56); 137, 185 (243 f.); 147, 50 (141 f.); s. zum Schutz auch durch Art. 14 Brammsen DÖV 2007, 10 ff.). In engem Zusammenhang mit der Wettbewerbsfreiheit steht die beruflich genutzte Vertragsfreiheit (s. BVerfGE 117, 163 (181); 123, 186 (252 f.); 126, 286 (300); 128, 157 (176); 134, 204 (222 f.); 149, 126 (141); 161, 299 (341); BVerfG [K] NJW 2011, 1339 (1340); BVerwG NVwZ 2014, 243 (245); vgl. im Übrigen Art. 2 Rn. 3); dazu gehören die Preis-, Vertriebs- und Absatzfreiheit. Die Freiheit, einen Beruf auszuüben, schließt das Recht ein, „das Entgelt für berufliche Leistungen verbindlich auszuhandeln“ (BVerfGE 134, 204 (222); vgl. ferner BVerfGE 101, 331 (347); 117, 163 (181); BVerfG [K] NVwZ 2012, 694 (697 f.); NZS 2015, 502; BVerwGE 149, 94 (116)), und ist „untrennbar verbunden mit der Freiheit, eine angemessene Vergütung zu fordern“ (BVerfGE 88, 145 (159); vgl. auch BVerfGE 47, 285 (321); 101, 331 (347); 110, 226 (251); BVerfG [K] NJW 2015, 2949 (2950); s. dazu näher Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, 290 ff.; Sodan NJW 2003, 1761 (1763 f.)). Durch die Berufsfreiheit umfasst sind ferner die Gewerbefreiheit (BVerfGE 50, 290 (362); vgl. zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Art. 14 I Art. 14 Rn. 12) und die „berufliche Außendarstellung des Grundrechtsträgers einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Dienste“ ( Werbefreiheit; BVerfGE 85, 248 (256); 111, 366 (373); vgl. ferner BVerfGE 40, 371 (382 f.); 53, 96 (97 ff.); 94, 372 (389); 112, 255 (262); BVerwG NJW 2008, 1686; 2010, 547 f.; s. speziell zu freiberufsspezifischen Werbeverboten Kleine-Cosak NJW 2010, 1921 ff.). Ausprägungen wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit sind auch die Freiheit zur Gründung eines Unternehmens und des Marktzutritts, die Organisationsfreiheit sowie ganz allg. die Freiheit der Unternehmensführung einschließlich der Dispositions-, Produktions-, Investitions- und Entwicklungsfreiheit (s. im Einzelnen Ossenbühl AöR 115 [1990], 12 ff. (16 f., 18 ff.); vgl. auch Tettinger DVBl 1999, 679 (685)). Vom Schutz des Art. 12 I erfasst sind ferner „das Recht, Art und Qualität der am Markt angebotenen Güter und Leistungen selbst festzulegen“ (BVerfGE 121, 317 (345); 130, 131 (141); vgl. ferner BVerfGE 106, 275 (299)), sowie „die Freiheit, den Beruf gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe auszuüben“ (BVerfGE 141, 82 (97); vgl. ferner BVerfGE 80, 269 (278); 108, 150 (165)). Zusammenfassend spricht das BAG von der „Unternehmensautonomie als Teil der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG“ (BAGE 64, 284 (295)).

In Abgrenzung zur Eigentumsgarantie (s. zum Verhältnis des Art. 12 I zu weiteren Verfassungsvorschriften Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 128 ff.; DHS/Remmert Art. 12 Abs. 1 Rn. 270 ff.) formuliert das BVerfG: „Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst […]. Greift somit ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögenswerte, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht“ (BVerfGE 30, 292 (335); fast wortgleich BVerfGE 84, 133 (157); 85, 360 (383); 102, 26 (40); vgl. auch BVerfGE 121, 317 (345); 161, 63 (133); BVerfG [K] NJW 2012, 669 (670)). Interpretiert man diese Formel iSd Abgrenzung einer in der Berufsfreiheit enthaltenen „dynamischen“ von einer die Eigentumsgarantie prägenden „eher statischen“ Komponente (so Schwerdtfeger, Zur Verfassungsmäßigkeit der paritätischen Mitbestimmung, 1978, 64), drängt sich folgender Einwand auf: Der durch die Eigentumsgarantie – auch – geschützte freie Gebrauch des Eigentums (Art. 14 Rn. 2, 12, 18) ist doch gerade tätigkeitsbezogen und somit „dynamisch“; von einer „statischen“ Komponente des Eigentumsschutzes lässt sich lediglich in Bezug auf die Garantie des Eigentumsbestandes als solchen sprechen (Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, 1987, 485 f.; vgl. zur Kritik ferner Schneider VVDStRL 43 [1985], 5 (39); DHS/Scholz Art. 12 Rn. 146 f., insbes. 149). Trotz der verunglückten Abgrenzungsformel ist auch nach der Rspr. des BVerfG eine Idealkonkurrenz (zu diesem Begriff Vor Art. 1 Rn. 71) zwischen Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie nicht ausgeschlossen: In einigen Entscheidungen hält das BVerfG beide Grundrechte nebeneinander für einschlägig (s. etwa BVerfGE 8, 71 (79 f., 81); 21, 150 (154 ff., 160); 50, 290 (339 ff., 361 ff.); 128, 1 (70 ff. und 82 ff.); BVerfG [K] NVwZ 2010, 435 (440); vgl. aus dem Schrifttum etwa Sodan DÖV 1987, 858 (862)). Im sog. Mitbestimmungs-Urteil von 1979 stellt das BVerfG fest: „Art. 12 Abs. 1 GG wird durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht verdrängt. Zwar sind beide Grundrechte funktionell aufeinander bezogen; sie haben jedoch selbständige Bedeutung“ (BVerfGE 50, 290 (361 f.)). Berücksichtigt man, dass die Entscheidung für ein funktionsfähiges Privateigentum den Weg zu einem Wirtschaftssystem weist, welches Privatinitiative und unternehmerische Eigenverantwortlichkeit als grdl. anerkennt (Art. 14 Rn. 5), so stellen Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie Elemente einer sozialen Marktwirtschaft dar (s. dazu näher Sodan DÖV 2000, 361 (363 ff.); H. J. Meyer, Vorrang der privaten Wirtschafts- und Sozialgestaltung als Rechtsprinzip, 2006, 136 ff., 189 ff.). Diese verfassungsrechtlichen Gewährleistungen sind damit „ Grundfesten einer Wirtschaftsordnung […], die einen staatsunabhängigen Marktmechanismus mit – freiem – Wettbewerb konstituieren und garantieren“ (MKS/Depenheuer/Froese Art. 14 Rn. 9). Ganz idS legte auf der Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts der frühere Art. 4 I EGV fest, dass die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft die Einführung einer Wirtschaftspolitik umfasst, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“. Seit dem 1.12.2009 ist hier Art. 120 S. 2 AEUV von Bedeutung, der formuliert, dass die Mitgliedstaaten und die EU „im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ handeln. Ferner ist im vorliegenden Zusammenhang etwa Art. 3 III 2 EUV wesentlich, der bestimmt, dass die EU u. a. auf „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ wirkt. Diesen Prinzipien kommt über Art. 23 I jedenfalls der Rang materiellen Verfassungsrechts zu (vgl. dazu Sodan DÖV 2000, 361 (367)). Schon aus diesem Grund, aber auch wegen der Inhalte insbes. der Grundrechte der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie ist die vom BVerfG vertretene These von der „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des Grundgesetzes (s. etwa BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 14, 263 (275); 21, 73 (78); 25, 1 (19 f.); 30, 292 (317 und 319); 50, 290 (336 ff.)) zumindest überholt (vgl. dazu auch Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 55 ff.).

Art. 12 I schützt auch die Ausübung sog. Freier Berufe und damit die selbständigen Berufstätigkeiten u. a. der Ärzte, Zahnärzte, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ingenieure und Architekten (s. zu einer Begriffsbestimmung und den davon erfassten Berufsgruppen § 1 II PartGG; BVerwG NJW 2008, 1974 f.; 2013, 2214 f.; Breuer DVBl 2010, 1010 f.; Rennert DVBl 2012, 593 ff.; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, 36 ff., 91 ff.; Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 45). Er gewährleistet speziell dem einzelnen Rechtsanwalt „eine von staatlicher Kontrolle und Bevormundung freie Berufsausübung und schützt dazu insbesondere das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant“ (BVerfG [K] NJW 2010, 1740; vgl. auch BVerfGE 113, 29 (49); BVerfG [K] NJW 2009, 3710; 2010, 2937). Nach der Rspr. des BVerfG ist den Angehörigen eines Freien Berufs aber nicht „grundsätzlich und von vornherein ein irgendwie bestimmbarer erhöhter Anspruch auf Freiheit vor gesetzgeberischen Eingriffen rechtlich verbürgt“ (BVerfGE 10, 354 (364); vgl. auch BVerfGE 9, 338 (347)). Art. 12 I schützt nicht nur selbständig, sondern auch unselbständig ausgeübte Berufe; das BVerfG spricht beiden „Formen der Ausübung eigenes soziales Gewicht“ zu (BVerfGE 7, 377 (398 f.)). Diese Grundrechtsnorm soll nach der Judikatur des BVerfG grds. auch Berufe erfassen, die im öffentlichen Dienst ausgeübt werden (vgl. etwa BVerfGE 84, 133 (147); BVerfG [K] NVwZ 2008, 547 (548)) oder durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen „staatlich gebunden“ sind (dazu näher Rn. 28).

Die durch Art. 12 I auch garantierte freie Wahl des Arbeitsplatzes erläutert das BVerfG wie folgt: „Während es bei der Berufswahl um die Entscheidung des Einzelnen geht, auf welchem Feld er sich beruflich betätigen will, betrifft die Arbeitsplatzwahl die Entscheidung, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Die Arbeitsplatzwahl ist folglich der Berufswahl nachgeordnet und konkretisiert diese. Sie ist umgekehrt der Berufsausübung vorgeordnet, die erst an dem gewählten Arbeitsplatz stattfindet. Dabei darf dieser Begriff nicht allein oder auch nur in erster Linie räumlich verstanden werden. Bei der Wahl des Arbeitsplatzes geht es vielmehr um die Entscheidung für eine konkrete Betätigungsmöglichkeit oder ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Gegenstand des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ist dementsprechend zunächst der Entschluß des Einzelnen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen. Dazu zählt namentlich bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners samt den dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere der Zutritt zum Arbeitsmarkt. Ebenso wie die freie Berufswahl sich nicht in der Entscheidung zur Aufnahme eines Berufs erschöpft, sondern auch die Fortsetzung und Beendigung eines Berufs umfaßt, bezieht sich die freie Arbeitsplatzwahl neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch auf den Willen des Einzelnen, diese beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz demnach gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Staat den Einzelnen am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindert, ihn zur Annahme eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingt oder die Aufgabe eines Arbeitsplatzes verlangt. Dagegen ist mit der Wahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebensowenig verleiht das Grundrecht unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Insoweit obliegt dem Staat lediglich eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften hinreichend Rechnung tragen“ (BVerfGE 84, 133 (146 f.); vgl. auch BVerfGE 92, 140 (150); 96, 189 (197); 96, 205 (210 f.); 98, 365 (395); vgl. zu Letzterem Rn. 7, Vorb. Art. 1 Rn. 27 ff.). Unbeschadet der staatlichen Organisationsgewalt schützt die Garantie der freien Wahl des Arbeitsplatzes gegen die Auswechselung der Person des Arbeitgebers im Wege der normativen Umgestaltung bestehender Arbeitsverhältnisse durch den Gesetzgeber (BVerfGE 128, 157 (176)).

Die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte betrifft nur berufsbezogene Einrichtungen und damit solche, die über die allg. Schulbildung hinaus der Ausbildung für Berufe dienen (vgl. BVerfGE 33, 303 (329 f.); 41, 251 (261); 59, 172 (205 f.)). Dazu gehören die Universitäten, die sonstigen Hochschulen iSd § 1 HRG einschließlich der Fachhochschulen, die staatlichen Vorbereitungsdienste, welche die praktische Ausbildung und die Ablegung einer zweiten Staatsprüfung zum Ziel haben, die Berufsschulen und sonstige berufsbildende Schulen sowie Einrichtungen betrieblicher und überbetrieblicher Lehrlingsausbildung (HStR VIII/Breuer § 170 Rn. 104; Sachs/Mann Art. 12 Rn. 89 – jew. mwN). Art. 12 I schützt „die freie Wahl des Ausbildungsziels und der konkreten Ausbildungsstätte sowie – über den Wortlaut hinaus – alle während der Ausbildung erforderlichen Tätigkeiten, insbes. die Teilnahme am Unterricht oder an Prüfungen“ (Sachs/Mann Art. 12 Rn. 91). Das Teilhaberecht eines die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Bewerbers auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl (Vor Art. 1 Rn. 19) folgt auch aus dem Recht auf die freie Wahl der Ausbildungsstätte (BVerfGE 33, 303 (331 f.); 43, 291 (313 ff.); 85, 36 (53 f.); 134, 1 (13); 147, 253 (307); vgl. ferner VerfGH Bln LVerfGE 19, 32 (36 f.)).

2. Personeller Schutzbereich

Ausweislich des Wortlauts in Art. 12 I 1 sind Grundrechtsträger der Berufsfreiheit alle Deutschen iSd Art. 116 I. Ausländer können sich zum Schutz ihrer freien beruflichen Betätigung auf das Auffanggrundrecht des Art. 2 I berufen (vgl. Vor Art. 1 Rn. 36 ff.). Nach Art. 19 III ist das Grundrecht der Berufsfreiheit auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar, soweit diese „eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht“ (BVerfGE 106, 275 (298); 115, 205 (229); 135, 90 (109); 147, 50 (141); 148, 40 (50); 158, 1 (28); vgl. ferner etwa BVerfGE 21, 261 (266); 74, 129 (148); 95, 173 (181); 114, 196 (244); 126, 112 (136); BVerwGE 95, 15 (20); vgl. auch Art. 19 Rn. 20). Durch das Grundrecht der Berufsfreiheit geschützt sind etwa Aktiengesellschaften (BVerfGE 23, 208 (223)), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (BVerfGE 105, 252 (253, 265); 135, 90 (109)), Kommanditgesellschaften (BVerfGE 53, 1 (13)) und offene Handelsgesellschaften (BVerfGE 23, 208 (223)). Die Tätigkeit eines Vereins wird durch Art. 12 I nur geschützt, sofern die Führung eines Geschäftsbetriebs zu den satzungsmäßigen Zwecken des Vereins zählt (BVerfGE 65, 196 (209 f.); 97, 228 (253); 153, 182 (302)). Für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind „planmäßige, auf Dauer angelegte und nach außen gerichtete, das heißt über den vereinsinternen Bereich hinausgehende, eigenunternehmerische Tätigkeiten“ erforderlich, „die auf die Verschaffung vermögenswerter Vorteile zugunsten des Vereins oder seiner Mitglieder abzielen“; der Verein muss „wie ein Kaufmann am Marktgeschehen“ teilnehmen (BVerfGE 153, 182 (302)). In einem Kammerbeschl. des BVerfG v. 4.11.2015 heißt es zur Grundrechtsberechtigung juristischer Personen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten der EU: „Im Anwendungsbereich des Unionsrechts verstieße eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen juristischen Personen gegen die Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Art. 26 II AEUV) und das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 I AEUV. […] Vor diesem Hintergrund erscheint es denkbar, das bei inländischen juristischen Personen über Art. 12 I GG gewährleistete Schutzniveau bei ausländischen juristischen Personen über das subsidiär anwendbare allgemeine Freiheitsgrundrecht des Art. 2 I GG sicherzustellen“ (BVerfG [K] NJW 2016, 1436 (1437); näher zur Frage der „Anwendungserweiterung“ des Art. 19 III auf juristische Personen aus dem EU-Ausland Art. 19 Rn. 18). Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich grds. nicht auf Art. 12 I berufen (BVerfGE 45, 63 (78); 98, 365 (400); vgl. Art. 19 Rn. 22 ff.).

3. Eingriffe

Art. 12 I schützt nicht nur vor „klassischen Grundrechtseingriffen“ (Vor Art. 1 Rn. 47), sondern auch gegen bloß mittelbare oder faktische Beeinträchtigungen (Vor Art. 1 Rn. 48 f.). Nach stRspr des BVerfG kann der Schutzbereich speziell des Art. 12 I auch durch Regelungen berührt werden, welche sich zwar nicht unmittelbar auf die berufliche Betätigung beziehen, die aber infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (s. etwa BVerfGE 13, 181 (186); 38, 61 (79); 75, 108 (153 f.); 98, 83 (97); 110, 274 (288); 113, 128 (145); 123, 132 (139); 124, 235 (242); 128, 1 (58 und 82); 161, 63 (90); 162, 325 (346); 163, 107 (134); 164, 347 (415); s. zur Judikatur näher Sodan SGb. 1992, 200 (201 f.)). Diesen grundrechtlichen Ansatz zog das BVerfG zunächst im Rahmen der Entscheidung von Fällen heran, in denen es um die Überprüfung abgabenrechtlicher Vorschriften ging. Die Feststellung von Grundrechtseingriffen bereitete in diesen Fällen Schwierigkeiten, da abgabenrechtlichen Bestimmungen ein „unmittelbarer Bezug zu der beruflichen Tätigkeit“ fehlt. Dieser Bezug besteht nach der Rspr. des BVerfG „namentlich bei solchen Vorschriften, die in Form von Zulassungsvoraussetzungen die Ausübung eines Berufes bei ihrem Beginn oder bei ihrer Beendigung regeln oder die als sogenannte reine Ausübungsregelungen die Art und Weise bestimmen, wie die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben“ (BVerfGE 13, 181 (185)). Im Falle der Besteuerung des Werkfernverkehrs waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt; das BVerfG bejahte gleichwohl Eingriffe in die Berufsfreiheit unter Hinweis auf die „objektiv berufsregelnde Tendenz“ der entsprechenden Steuernormen (BVerfGE 16, 147 (162 f.); 38, 61 (79)). Das Gericht führte dazu aus, der „einer steuerrechtlichen Norm zunächst eigene Zweck, das Steueraufkommen zu beeinflussen“, trete hier „deutlich hinter dem verkehrspolitischen Ziel“ zurück, „im Rahmen einer allgemeinen Ordnung des Verkehrs speziell den Werkfernverkehr einzudämmen“ (zugunsten der damaligen Bundesbahn); es handele sich also „um eine in das Gewand eines Steuergesetzes gekleidete wirtschaftliche Lenkungsmaßnahme“ (BVerfGE 16, 147 (161)). Ebenfalls einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit wegen einer „berufsregelnden Tendenz“ bejahte das BVerfG im Falle der Erhebung einer Schankerlaubnissteuer: Schon der Charakter als „Sondersteuer für einen bestimmten Beruf“ deute auf eine berufs- und sozialpolitische Tendenz hin; aber auch „ihre Ausgestaltung im einzelnen“ mache das Ziel sichtbar, „die Errichtung neuer Gaststätten und damit die Steigerung des Alkoholkonsums zu hemmen“ (BVerfGE 13, 181 (187); vgl. auch BVerfGE 29, 327 (332 ff.)). Später zog das BVerfG das Kriterium der „berufsregelnden Tendenz“ auch in anderen Entscheidungen heran, in denen es nicht um die Überprüfung abgabenrechtlicher Vorschriften ging. So bejahte es etwa einen Eingriff in die Berufsfreiheit durch Nichtaufnahme einer Klinik in den Krankenhausplan; das Krankenhausfinanzierungsgesetz habe insofern „berufsregelnde Tendenz“, als es den Kreis der geförderten Krankenhäuser im Rahmen einer Krankenhausbedarfsplanung mit erheblichen Nachteilen für diejenigen Krankenhäuser beschränke, die nicht in den Krankenhausplan aufgenommen seien (BVerfGE 82, 209 (223 ff.)). In einem Beschl. v. 1.12.2020 fasst das BVerfG seine Rechtsprechung wie folgt zusammen: „Eine objektiv berufsregelnde Tendenz ist gegeben, wenn eine Regelung im Schwerpunkt Tätigkeiten betrifft, die typischerweise beruflich ausgeübt werden […], oder wenn sie die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändert und aufgrund ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs steht […]. Dabei kommt es nicht nur auf die Zielsetzung, sondern auch auf die tatsächlichen Auswirkungen an […]. Die berufliche Tätigkeit muss zudem durch die Regelung ‚nennenswert behindert‘ werden“ (BVerfGE 156, 63 (128) – ohne die Hervorhebungen).

Ferner formuliert das BVerfG in seiner neueren Judikatur: „Der Grundrechtsschutz ist nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt […]. Vielmehr kann der Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen“ (BVerfGE 116, 202 (222); vgl. auch BVerfGE 110, 177 (191); 113, 63 (78); 118, 1 (20); BVerwGE 131, 171 (176); BVerwG NVwZ-RR 2015, 425 (426); OVG NRW DVBl 2013, 1460). „Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung nicht umgangen werden; vielmehr müssen die für Grundrechtseingriffe maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein“ (BVerfGE 105, 252 (273) – ohne die Hervorhebungen; vgl. ferner BVerfG [K] NVwZ 2007, 1168 (1169); BVerwG NVwZ-RR 2015, 425 (426); OVG NRW DVBl 2013, 1462 (1463)). Auf dieser Grundlage sah das BVerfG in einer Regelung, nach der die Vergabe öffentlicher Aufträge u. a. im Baubereich von sog. Tariftreueerklärungen der Auftragnehmer abhängig gemacht wird, „eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit“: „Regelungsinhalt und Zielrichtung der Norm gehen über einen bloßen Reflex auf Seiten der Unternehmen hinaus, auch wenn sich das Gesetz regelungstechnisch nicht an sie, sondern an die Auftraggeber richtet und die Unternehmer, die keine Verträge mit öffentlichen Stellen abschließen wollen, nicht vom Regelungsbereich des Gesetzes erfasst werden“ (BVerfGE 116, 202 (222)). Eine „Auferlegung administrativer Lasten“ qualifizierte das BVerfG als „eingriffsgleiche Belastung“ (BVerfGE 161, 1 (36)). Das BVerfG stellte allerdings klar: „Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG richtet sich nicht gegen jedwede auch nur mittelbar wirkende Beeinträchtigung des Berufs. Es genügt nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfalten. Weil nahezu jede Norm oder deren Anwendung unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit haben kann, drohte das Grundrecht sonst, konturenlos zu werden“ (BVerfGE 155, 238 (277); 161, 1 (35); vgl. ferner BVerfGE 161, 63 (90); 162, 325 (346); 164, 347 (414 f.)).

Eine besonders intensive Diskussion wird seit langem über den Grundrechtsschutz gegen staatliche Informationstätigkeit, die in Form von Warnungen oder Empfehlungen erfolgen kann, geführt (s. bereits ausf. Sodan DÖV 1987, 858 ff. mit zahlreichen Nachw.). Als grdl. kann immer noch das sog. Transparenzlisten-Urteil aus dem Jahr 1985 gelten, in dem das BVerwG in der Veröffentlichung von Arzneimittel-Transparenzlisten mit der Angabe von Qualitätssicherungskennzeichen durch die vom damaligen Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit berufene Transparenzkommission Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit zu Lasten eines betroffenen Arzneimittelherstellers sah: Zwar könnten „staatliche Maßnahmen, mit denen für einen Unternehmer nachteilige Veränderungen wirtschaftlicher Verhältnisse“ einhergingen, „nicht schon allein deshalb als Grundrechtsbeeinträchtigung verstanden werden“; das BVerwG fügte jedoch hinzu: „Das ist aber anders bei Maßnahmen, mit denen der Staat zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen verändert, um zu Lasten bestimmter Unternehmen einen im öffentlichen Interesse erwünschten Erfolg herbeizuführen. […] Im Gegensatz zu einer Veränderung sozialer Bedingungen als bloßer Reflex staatlicher Maßnahmen handelt es sich hier um ‚grundrechtsspezifische‘ Maßnahmen. Im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG sind das Maßnahmen, die eindeutig auf einen auf seiten des Unternehmens eintretenden nachteiligen Effekt abzielen und diesen Effekt nicht lediglich als Begleiterscheinung mit sich bringen“ (BVerwGE 71, 183 (193 f.); zust. etwa OVG NRW NJW 1986, 2783; GewArch 1988, 11 (13); vgl. auch BVerwG NJW 1996, 3161; NVwZ 2014, 1237 (1239)). In einer anderen Entscheidung des BVerwG heißt es, in jedem Falle werde „in das Grundrecht der Berufsfreiheit dann eingegriffen, wenn eine an Dritte gerichtete staatliche Maßnahme gezielt die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers einschränken“ solle (BVerwGE 75, 109 (115) – ohne die Hervorhebung; vgl. ferner BVerwGE 90, 112 (121)). Später stellte dieses Gericht klar, der Schutz durch Art. 12 I wäre „unvollständig, wenn an ihm nicht auch mit staatlicher Autorität vorgenommene Handlungen gemessen würden, die als nicht bezweckte, aber voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirken“ (BVerwGE 87, 37 (43 f.) unter Bezugnahme auf BVerwGE 82, 76 (79)).

Die einschlägige Rspr. des BVerwG lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Staatliche Warnungen, Empfehlungen oder öffentlich geäußerte kritische Bewertungen sind dann als Eingriffe in grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche zu qualifizieren, wenn sie

  • unter Inanspruchnahme staatlicher Amtsautorität erfolgen und
  • entweder auf die Verhaltenslenkung in dem geschützten Freiheitsbereich abzielen (Finalität)
  • oder die Lenkung des Verhaltens Dritter bezwecken, als dessen Kehrseite Nachteile im grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich des Grundrechtssubjekts notwendig auftreten (Finalitätsäquivalent),
  • oder wenn sie im geschützten Freiheitsbereich erhebliche (schwerwiegende) Nachteile hervorrufen, die vom Staat vorhergesehen werden konnten und in Kauf genommen wurden“ (Murswiek NVwZ 2003, 1 (2) – ohne die Hervorhebungen).

Von dieser Linie weicht ein Beschl. des Ersten Senats des BVerfG v. 26.6.2002 zur Warnung vor diethylenglykolhaltigen Weinen ab, in dem es heißt: „Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der betroffenen Wettbewerber nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Verfassungsrechtlich von Bedeutung sind das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe und die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung […] sowie die Beachtung der Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit von Informationen“ (BVerfGE 105, 252 (268); vgl. auch BVerfGE 105, 279 (301 ff.); BVerwGE 151, 228 (240 f.)). Auf diese Weise vermengt der Senat jedoch „Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung, indem er durch eine kompetenzgerechte und sachliche Warnung den Schutzbereich der Berufsfreiheit überhaupt nicht als beeinträchtigt ansieht“; damit „wird das Vorliegen eines Eingriffs mit Argumenten aus dem Arsenal der Rechtfertigung eines solchen verneint und umgekehrt der Eingriff tendenziell mit einer Verletzung des Grundrechts kurzgeschlossen“ (Dreier/Dreier Vorb. Art. 1 Rn. 128). Diese Rspr. verdient „in der Begründung unter nahezu allen denkbaren Gesichtspunkten Kritik“ (Huber JZ 2003, 290 (297); vgl. ferner Hellmann NVwZ 2005, 163 ff.). In die Diskussion über das Problem des Grundrechtsschutzes gegen staatliche Informationstätigkeit, das zuvor nach langjähriger Auseinandersetzung in wesentlicher Hinsicht geklärt zu sein schien, hat der Erste Senat des BVerfG in dieser Entscheidung neue Verwirrung gebracht. Im Übrigen ist es generell verfehlt, enge „Gewährleistungsgehalte“ (Begriff von Hoffmann-Riem Der Staat 43 [2004], 203 (226 f.)) bestimmter Grundrechte wie der Berufsfreiheit festzulegen und auf diese Weise die an sich gebotene Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für Grundrechtseingriffe zu umgehen (s. zur Kritik Kahl AöR 131 [2006], 579 (608 ff.); Sodan NVwZ 2009, 545 (548)). Auf dieser, von der soeben genannten Rspr. des BVerfG abweichenden Linie liegen auch jüngere Entscheidungen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die daher Zustimmung verdienen. So stellte etwa das BVerwG in einem Urt. v. 20.11.2014 zutr. klar, dass die öffentliche Warnung eines Gesundheitsministeriums vor dem Handel sowie Verkauf von elektronischen Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids unter Hinweis darauf, die Produkte unterfielen den arzneimittel- und medizinprodukterechtlichen Vorschriften, wegen ihrer verbotsähnlichen Wirkung in die unternehmerische Betätigungsfreiheit der Produkthersteller eingreift und infolgedessen nach Art. 12 I 2 einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf; in diesem Fall genügen jedoch die Aufgabe der Staatsleitung und die aus ihr abgeleitete Befugnis zu staatlichem Informationshandeln nicht als Ermächtigung (NVwZ-RR 2015, 425 f.). Das OVG Bln-Bbg führte in einem Beschl. v. 3.6.2014 in Bezug auf eine amtliche Internetveröffentlichung des Ergebnisses einer lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung in einer Liste kontrollierter Gaststätten und Schankwirtschaften zu Recht aus, diese Veröffentlichung könne nicht auf die verfassungsunmittelbare Aufgabe der Staatsleitung gestützt werden, sondern sei ein Akt staatlicher Wirtschaftslenkung, der in die durch Art. 12 I geschützte freie unternehmerische Betätigung eingreife (NVwZ-RR 2014, 846 f.; s. näher zum Verbraucherschutz durch amtliche Lebensmittelkontrollen Abbé, Verbraucherschutz durch Transparenz?, 2017, 60 ff.). Der Erste Senat des BVerfG formulierte in einem Beschl. v. 21.3.2018 – in deutlicher Abkehr von Grundsätzen aus seinem oben genannten Beschl. v. 26.6.2002 zur Warnung vor diethylenglykolhaltigen Weinen – bzgl. der Grundrechtsrelevanz von staatlichem Informationshandeln: „Die amtliche Information der Öffentlichkeit kann in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent jedenfalls dann gleichkommen, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielt, indem sie die Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflusst und so die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändert“ (BVerfGE 148, 40 (51)). In einer gesetzlichen Verpflichtung der Behörden, die Öffentlichkeit über lebensmittel- und futtermittelrechtliche Verstöße von Unternehmen umfassend und in unternehmensspezifisch individualisierter Form zu informieren, sah das BVerfG insofern einen Verstoß gegen Art. 12 I, als die dort angeordnete Veröffentlichung nicht zeitlich begrenzt war (BVerfGE 148, 40 (51 ff.)).

4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Grundrechtsschranken

Obwohl sich der Regelungsvorbehalt in Art. 12 I 2 ausdrücklich nur auf die Berufsausübung bezieht, erstreckt ihn das BVerfG seit dem sog. Apotheken-Urteil von 1958 als Konsequenz der Herleitung eines einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit auch auf die Freiheit der Berufswahl (Rn. 1). Das BVerfG ist sich jedoch des aus dem Wortlaut folgenden Willens des Verfassungsgebers bewusst, dass „die Berufswahl ‚frei‘ sein soll, die Berufsausübung geregelt werden darf“ (BVerfGE 7, 377 (402)). Dieser Befund wirkt sich auf die Grenzen der Einschränkbarkeit des Grundrechts der Berufsfreiheit aus (Rn. 29 ff.). Vom Regelungsvorbehalt in Art. 12 I 2 umfasst sind ferner die Rechte auf freie Wahl des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte (s. etwa BVerfGE 33, 303 (336); 41, 251 (261 ff.); Sachs/Mann Art. 12 Rn. 107).

Die Regelungen der Berufsfreiheit können gem. Art. 12 I 2 entweder durch ein kompetenzgemäß erlassenes Bundes- oder Landesgesetz im formellen Sinne (vgl. etwa BVerfGE 98, 265 (298); 102, 197 (213); 121, 317 (347)) oder aufgrund einer „einfachgesetzlichen“ Ermächtigung durch Exekutivakt erfolgen. Auch Satzungsvorschriften weisen grds. den durch Art. 12 I 2 geforderten Rechtssatzcharakter auf (BVerfGE 33, 125 (155); BVerwG NVwZ 2014, 86 (88)). Einschränkungen ergeben sich allerdings aus dem Parlamentsvorbehalt (Vor Art. 1 Rn. 55 ff., Art. 20 Rn. 31a, 45, 48 ff.). So darf etwa das Facharztwesen nicht ausschließlich den Festlegungen durch Satzungen der Ärztekammern überlassen werden; mindestens die „statusbildenden“ Regelungen wie bspw. in Bezug auf die Voraussetzungen der Facharztanerkennung muss der Gesetzgeber selbst treffen (s. dazu näher BVerfGE 33, 125 (161 ff.)). Dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 „kann auch dann genügt sein, wenn die einschlägigen Normen erst durch richterliche Auslegung hinreichende Konturen für eine Beschränkung der Berufsfreiheit erhalten […] Entscheidend für die Wahrung des Gesetzesvorbehalts ist aber, dass die Berufsausübungsbeschränkungen aus den zu Grunde liegenden gesetzlichen Vorschriften selbst und ihrem Regelungszusammenhang ableitbar sind“ (BVerfG [K] NJW 2015, 394 (395); vgl. ferner BVerfGE 80, 269 (279)). „Je stärker in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird, desto deutlicher muss das gesetzgeberische Wollen zum Ausdruck kommen“ (BVerfGE 98, 49 (60); BVerfG [K] 2019, 584 (585); vgl. auch bereits BVerfGE 87, 287 (317)).

Außer durch Regelungen, die auf Art. 12 I 2 gestützt werden, können sich Schranken für das Grundrecht der Berufsfreiheit auch aus kollidierendem Verfassungsrecht (vgl. Vor Art. 1 Rn. 53) ergeben. So folgt aus dem in Art. 140 GG iVm Art. 139 WRV verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage, dass die aus dem grds. Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit resultierende Beschränkung der Berufsfreiheit „eine Rechtfertigung in der Verfassung selbst“ findet (BVerfGE 111, 10 (50) – „Ladenschluss“). Zwar gilt Art. 12 I grds. auch für Berufe, die im öffentlichen Dienst ausgeübt werden (Rn. 16). Das Grundrecht der Berufsfreiheit wird aber durch Sonderregelungen des Art. 33 überlagert und modifiziert (Sachs/Mann Art. 12 Rn. 56, 124). Beim öffentlichen Dienst reduziert sich nach Maßgabe des Art. 33 II „die Berufsfreiheit der Bewerber auf das Recht des gleichen Zugangs zu den öffentlichen Ämtern“ (BVerfGE 11, 30 (39); vgl. auch BVerfGE 7, 377 (398); 39, 334 (369 f.); 84, 133 (147); OVG Bln-Bbg NVwZ-RR 2014, 144 (145)).

Eine Zurückdrängung der Wirkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit durch „Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33“ vertritt das BVerfG auch in Bezug auf die „staatlich gebundenen Berufe“, zu denen es etwa die Tätigkeiten der Notare (BVerfGE 17, 371 (377 ff.); 73, 280 (292 ff.); 112, 255 (262); 131, 130 (139 ff.); BVerfG [K] NJW 2015, 2642 (2643)) und Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure (BVerfGE 73, 301 (315 f.); s. zu dieser Berufsgruppe Sodan, Freier Beruf und Berufsfreiheit, 1988, 16 ff.) rechnet, die jew. dem öffentlichen Dienst sehr nahe gerückt seien. Diese Rspr. stößt jedoch auf den Einwand des Zirkelschlusses: Aus der Tatsache der „Heranführung“ oder „Annäherung“ eines Berufs an den öffentlichen Dienst durch „öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen“ lässt sich noch keine Berechtigung des Gesetzgebers oder der vollziehenden Gewalt schließen, „in Anlehnung an Art. 33“ das Grundrecht der Berufsfreiheit zurückzudrängen; vielmehr bedürfen umgekehrt diesbezügliche Regelungen der Rechtfertigung vor Art. 12 I. Der Staat darf sich also nicht dadurch, dass er dem Grundrechtsträger Bindungen auferlegt, seinen grundrechtlich verankerten Verpflichtungen entziehen (s. dazu näher Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, 138 ff.; Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 87).

b) Grenzen der Einschränkbarkeit

Dem in Art. 12 I zum Ausdruck kommenden Willen des Verfassungsgebers, dass die Berufswahl „frei“ sein soll, die Berufsausübung hingegen geregelt werden darf (Rn. 25), entspricht nach dem Apotheken-Urteil des BVerfG von 1958 „nur eine Auslegung, die annimmt, daß die Regelungsbefugnis die beiden ‚Phasen‘ nicht in gleicher sachlicher Intensität erfaßt, daß der Gesetzgeber vielmehr um so stärker beschränkt ist, je mehr er in die Freiheit der Berufswahl eingreift“ (BVerfGE 7, 377 (402)). Daher entwickelt diese Entscheidung – in einer frühen Akzentuierung des erst in der späteren bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur zu den Grundrechten dominierenden allg. Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Vor Art. 1 Rn. 60 ff.) – die sog. Drei-Stufen-Theorie, die zwischen Berufsausübungsregelungen (1. Stufe) sowie subjektiven (2. Stufe) und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen (3. Stufe) differenziert (s. BVerfGE 7, 377 (405 ff.)). Diese Unterscheidungen hat das BVerfG – trotz gewisser Modifizierungen (s. dazu näher Depenheuer FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, 241 (262 ff.); Sachs/Mann Art. 12 Rn. 137 ff.; Sodan NJW 2003, 257 (258 ff.)) – in der Zwischenzeit nicht aufgegeben. Die Anforderungen der Stufen beeinflussen die – ansonsten hier auch geltenden – üblichen Schritte der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Vor Art. 1 Rn. 62 ff.). In der jüngeren Rspr. des BVerfG findet sich folgende Formel: „In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit […] darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden“ (BVerfGE 135, 90 (111); 141, 82 (98); 141, 121 (133); 145, 20 (67); fast wortgleich BVerfGE 149, 126 (142); 160, 164 (174)). In seinem Spielhallen betreffenden Beschl. v. 7.3.2017 fügt das BVerfG hinzu: „An objektive Berufszugangsregelungen sind dabei grundsätzlich gesteigerte Anforderungen zu stellen“ (BVerfGE 145, 20 (67)). In einem Beschl. des BVerfG v. 14.1.2020 zur Verfassungsmäßigkeit des Kopftuchsverbots für Rechtsreferendarinnen führt das Gericht aus: „Selbst unter der Annahme, dass im Einzelfall die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen wäre, wenn ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot in Frage steht, wären die vom Landesgesetzgeber verfolgten Ziele der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und des Schutzes der negativen Religionsfreiheit Dritter besonders gewichtige Gemeinschaftsbelange, die die Regelung rechtfertigen“ (BVerfGE 153, 1 (50); vgl. ferner BVerfGE 138, 296 (353)). Aus Hinweisen wie diesen wird deutlich, dass Grundgedanken der Stufen-Theorie auch heute noch in der Verfassungsrechtsprechung eine Rolle spielen (s. dazu auch Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 91 f., 140, 141, 142, 145, 147, 149; Sachs/Mann Art. 12 Rn. 151 sieht in der neueren Rspr. des BVerfG eine „Kombination der ursprünglichen Stufen-Theorie mit flexibleren Legitimationskriterien des Übermaßverbots“). Die im Schrifttum aufgestellte Behauptung, das BVerfG verwende die Stufen-Theorie „seit Jahrzehnten nicht mehr“ (so aber Lepsius JZ 2021, 39 (40)), ist daher nachweislich falsch.

aa) Berufsausübungsregelungen

„Am freiesten ist der Gesetzgeber, wenn er eine reine Ausübungsregelung trifft, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirkt, vielmehr nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben“ (BVerfGE 7, 377 (405 f.)). Nach der Rspr. des BVerfG sind Regelungen der Berufsausübung verhältnismäßig, „wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist“ (BVerfGE 68, 272 (282); fast wortgleich BVerfGE 61, 291 (312); 106, 181 (192); vgl. ferner etwa BVerfGE 7, 377 (405 f.); 73, 301 (317); 85, 360 (375 ff.); 102, 197 (220); 109, 64 (85); 117, 163 (182); 121, 317 (346); 122, 190 (206)). Ein Schwerpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung liegt oft auf der Klärung der Erforderlichkeit eines Mittels. So hat das BVerfG etwa ein in der Kakaoverordnung enthaltenes absolutes Verkehrsverbot für Lebensmittel, die infolge ihrer sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften mit bestimmten Erzeugnissen verwechselbar sind, als nicht erforderlich angesehen; um den Zweck des Schutzes der Verbraucher vor Täuschung zu erreichen, genügt nämlich regelmäßig ein Kennzeichnungsgebot (BVerfGE 53, 135 (145 f.)). Das gesetzliche Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare war insoweit eine unangemessene Einschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit, als es keine Ausnahmen zuließ und selbst dann beachtet werden musste, „wenn der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen“ (BVerfGE 117, 163 (193); s. zur Neuregelung das Gesetz v. 12.6.2008 [BGBl. I 1000]; Kilian NJW 2008, 1905 ff.). Das Sozietätsverbot aus § 59a I 1 BRAO aF war mit Art. 12 I unvereinbar, soweit es Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärzten oder Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt (BVerfGE 141, 82, Ls.). Zum Nichtraucherschutz in Gaststätten führte das BVerfG aus: „Da die Gesundheit und erst recht das menschliche Leben zu den besonders hohen Gütern zählen, darf ihr Schutz auch mit Mitteln angestrebt werden, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingreifen […]. Der Gesetzgeber ist daher von Verfassungs wegen nicht gehalten, mit Rücksicht auf die Berufsfreiheit der Betreiber von Gaststätten Ausnahmen von einem Rauchverbot für Gaststättenbetriebe in Gebäuden und vollständig umschlossenen Räumen zuzulassen“ (BVerfGE 121, 317 (357); vgl. auch BVerfGE 130, 131 (141 ff.); BVerfG [K] NJW 2008, 2701; NVwZ 2010, 38 (39); 2010, 1289; 2011, 294 (295); BayVerfGH NVwZ-RR 2010, 946 (949 f.); s. zu Rauchverboten in Gaststätten ausf. M. Zimmermann NVwZ 2008, 705 ff.). Zwingendes Gesetzesrecht in Gestalt von Vergütungsregelungen, welche die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen einzelvertraglich zu vereinbaren, begrenzen, greift zwar in die Freiheit der Berufsausübung ein; Vorschriften, durch die etwa Urheber eine gerichtliche Überprüfung der von ihnen geschlossenen Verträge auf die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung beanspruchen können und mit denen der Gesetzgeber sozialen oder wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenwirken will, sind jedoch mit Art. 12 I vereinbar (BVerfGE 134, 204 (222 ff.)). Nach einem Beschl. des BVerfG v. 29.9.2022 griff § 50 II des Tierarzneimittelgesetzes v. 27.9.2021 unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit von Tierheilpraktikerinnen und Tierhomöopathinnen ein, „soweit die Vorschrift die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger und zugleich registrierter homöopathischer Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, unter einen Tierarztvorbehalt “ stellte (BVerfGE 163, 107 (108, 133 – ohne die Hervorhebung)).

Bereits im sog. Kassenarzt-Urteil aus dem Jahre 1960 stellte das BVerfG zutr. fest, dass im Falle von „Ausübungsregelungen eine breite Skala von Möglichkeiten besteht, der eine größere oder geringere Gestaltungsfreiheit auf der Seite des Gesetzgebers entspricht“; „je einschneidender die Freiheit der Berufsausübung beengt wird, desto höher müssen die Anforderungen an die Dringlichkeit der öffentlichen Interessen sein, die zur Rechtfertigung solcher Beengung ins Feld geführt werden“ (BVerfGE 11, 30 (42); zust. BayVGH DVBl 2015, 589 (590)). Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber ist um so eigenständiger, je mehr eine Vorschrift eine reine Ausübungsregelung darstellt, unterliegt hingegen um so stärkeren Bindungen, je mehr sich eine Regelung der Berufsausübung auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfGE 7, 377 (403); 11, 30 (42); 12, 144 (148); 138, 261 (285); BVerfG [K] NJW 2008, 1293). „Wirkt eine auf die Berufsausübung zielende Regelung auf die Berufswahl zurück, weil sie in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommt, so ist ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung an den Anforderungen an Regelungen betreffend die Berufswahl zu messen“ (BVerwGE 157, 126 (140); vgl. auch BVerfG (K) WM 2015, 1827 (1828)). Im Kassenarzt-Urteil von 1960 erklärte das BVerfG eine Regelung der damaligen Reichsversicherungsordnung wegen Verletzung der Grundrechte der beschwerdeführenden Ärzte aus Art. 12 I für nichtig; die kassenarztrechtliche Bestimmung sah vor, dass aufgrund einer Verhältniszahl Kassenarztsitze eingerichtet und jeweils nur mit einem Bewerber besetzt wurden (BVerfGE 11, 30 (44 ff.)). Entspr. entschied das BVerfG 1961 auch im Hinblick auf bedarfsorientierte Zulassungsbeschränkungen für Kassenzahnärzte (BVerfGE 12, 144 (147 ff.)). Die 1992 für die heutigen Vertragsärzte in ähnlicher Form wiedereingeführten Zulassungsbeschränkungen wegen vermeintlicher Überversorgung (s. dazu ausf. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, 221 ff.) erklärte ein Kammerbeschluss des BVerfG aus dem Jahre 2001 für vereinbar mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und bezog sich zur Rechtfertigung insbes. auf die „Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung“ (BVerfG [K] DVBl 2002, 400 (401)). Diese stereotyp wiederholte, nie näher begründete Formel diente dem BVerfG häufig zur Rechtfertigung erheblicher Grundrechtseingriffe zulasten von Leistungserbringern im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (s. zur Kritik näher Sodan NJW 2003, 257 (259); Sodan ZRP 2004, 217 (220); ausf. Schaks, Der Grundsatz der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, 2007, insbes. 127 ff.). Der soeben genannte Kammerbeschluss nahm trotz der offenkundigen Parallelen in der jew. zugrundeliegenden sozialrechtlichen Problematik an keiner Stelle Bezug auf das Kassenarzt-Urteil des BVerfG von 1960, das zu den klassischen und oft zitierten Entscheidungen des Gerichts gehört. Anders verhält es sich hingegen in einem Kammerbeschluss des BVerfG aus dem Jahr 2016, in dem es unter Bezugnahme u. a. auf eben dieses Kassenarzt-Urteil heißt: „In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist […] anerkannt, dass ein Ausschluss von der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht nur die Berufsausübung des Arztes beeinträchtigt, sondern im Hinblick auf die Anzahl der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten und die daher mit einem Ausschluss von der vertragsärztlichen Tätigkeit verbundenen Auswirkungen auf die Möglichkeit, ärztlich tätig zu sein, einer Beschränkung der Berufswahlfreiheit gleichkommt“ (NZS 2016, 942 (943)). Allg. gilt: „Von der kontinuierlichen Liberalisierung, die die Grundrechtsrechtsprechung in andere Teile der Wirtschafts- und Sozialordnung hineingetragen hat, ist das Gesundheitsrecht ausgespart geblieben. […] Nach wie vor ist das Gesundheitsrecht in seinem Kern ein um sich selbst kreisendes Sonderrecht“ (Schmidt-Aßmann NJW 2004, 1689 (1690) – ohne die Hervorhebung; vgl. auch Hufen NJW 2004, 14 (18); s. speziell zur Rspr. insbes. des BSG, in welcher ein Rechtsanspruch von Vertragsärzten auf eine angemessene Vergütung ihrer Tätigkeit abgelehnt wird, Sodan/Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 86 ff.).

In seinem Urt. v. 10.6.2009 bezeichnet das BVerfG den Kontrahierungszwang im Basistarif der privaten Krankenversicherung (s. dazu näher Sodan/Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 45 Rn. 6 ff., 20 ff.; vgl. auch Art. 9 Rn. 17) als „Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit“ privater Krankenversicherer „von einigem Gewicht, die jedoch in ihrer Schwere einer Beschränkung der Berufswahlfreiheit nicht nahe kommt“ (BVerfGE 123, 186 (238)). Diese und die übrigen gesetzlichen Vorgaben für den Basistarif seien zulässige Berufsausübungsregelungen; zur Begründung der Verhältnismäßigkeit verweist das BVerfG besonders darauf, dass „der Basistarif in seinen zentralen Leistungen nicht den üblichen Leistungsumfang der Normaltarife der privaten Krankenversicherung“ biete, für ihn aber eine hohe Prämie von damals rund 570 Euro monatlich hätte gezahlt werden müssen und er deshalb unattraktiv sei (BVerfGE 123, 186 (238 ff.)). Das Gericht gibt jedoch einige Hinweise, welche für die weitere Existenz der privaten Krankenversicherung von großer Bedeutung sind: Sollte sich in der Zukunft erweisen, dass der Gesetzgeber bei der Verneinung schwerwiegender Beeinträchtigungen des Geschäftsmodells der privaten Krankenversicherung durch den Basistarif in seiner jetzigen Form ganz oder teilweise einem Irrtum erlegen ist, sieht das BVerfG den Gesetzgeber „gegebenenfalls zur Korrektur verpflichtet“ (BVerfGE 123, 186 (242)). Dem Gesetzgeber wird sogar ausdrücklich eine „Beobachtungspflicht“ auferlegt (BVerfGE 123, 186 (266)). Eine „Blankovollmacht“ für künftige Grundrechtseingriffe zu Lasten der privaten Krankenversicherung hat das BVerfG dem Gesetzgeber damit also nicht ausgestellt (s. näher Sodan/Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 78 f.). Die gegen die Regelungen zum Basistarif gerichteten Verfassungsbeschwerden blieben letztlich deshalb erfolglos, weil das BVerfG seinerzeit keine sich daraus ergebenden schwerwiegenden Belastungen für die privaten Krankenversicherungsunternehmen zu erkennen vermochte. Damit wird der Grundrechtsschutz jedoch „unter Bagatellvorbehalt gestellt. Er wird abgeschwächt, wenn nicht sogar zurückgenommen für Kollateralschäden, die ein Reformvorhaben auslöst. Die Diskussion der Verhältnismäßigkeit wendet sich von objektiven zu subjektiven Kriterien: von der Frage, ob der Eingriff angesichts der Einbuße an grundrechtlicher Freiheit nicht unangemessen ist, zu der Frage, ob der Grundrechtsträger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen die Folgen des Eingriffs verkraften kann“ (Isensee in Recht genau – Liber amicorum Prölss, 2009, 81 (97) – ohne die Hervorhebung; ähnlich HStR VII/Isensee § 150 Rn. 135).

Nach der Rspr. des BVerfG ist es grds. „möglich, dass verschiedene einzelne, für sich betrachtet geringfügige Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche in ihrer Gesamtwirkung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, die das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreitet“ (BVerfGE 123, 186 (265 f.); s. zum „additiven“ Grundrechtseingriff näher Vor Art. 1 Rn. 66, Art. 13 Rn. 14).

bb) Subjektive Berufszugangsvoraussetzungen

Bzgl. der Berufswahl unterscheidet das BVerfG zwischen subjektiven und objektiven Berufszugangsvoraussetzungen. „Die Regelung subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme ist ein Teil der rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes; sie gibt den Zugang zum Beruf nur den in bestimmter – und zwar meist formaler – Weise qualifizierten Bewerbern frei. Eine solche Beschränkung legitimiert sich aus der Sache heraus; sie beruht darauf, daß viele Berufe bestimmte, nur durch theoretische und praktische Schulung erwerbbare technische Kenntnisse und Fertigkeiten (im weiteren Sinn) erfordern und daß die Ausübung dieser Berufe ohne solche Kenntnisse entweder unmöglich oder unsachgemäß wäre oder aber Schäden, ja Gefahren für die Allgemeinheit mit sich bringen würde. […] Hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen“ (BVerfGE 7, 377 (406 f.) – ohne die Hervorhebungen). In seiner neueren Rspr. formuliert das BVerfG, dass der Eingriff in die Berufswahlfreiheit durch subjektive Zulassungsvoraussetzungen „nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft“ ist (BVerfGE 93, 213 (235); 117, 126 (138); vgl. ferner BVerfGE 123, 186 (239)). Die frühere Regelung in § 7 Nr. 3 BRAO aF, welche die Wiederzulassung eines durch rechtskräftiges Urteil aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossenen ehemaligen Rechtsanwalts ausnahmslos verbot, verstieß als lebenslang wirkendes und damit unverhältnismäßiges Berufsverbot gegen Art. 12 I (BVerfGE 66, 337 (359 ff.)). Das BVerfG qualifiziert – ungeachtet einer teilweise im Schrifttum vertretenen Kritik (s. etwa Hufen NJW 2004, 14 (15 f.); Tettinger DVBl 2005, 1397 (1402 f.); Sachs/Mann Art. 12 Rn. 130) – in stRspr auch gesetzliche Höchstaltersgrenzen, welche die berufliche Betätigung betreffen, als subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen (BVerfGE 9, 338 (344 f.); 64, 72 (82); BVerfG [K] NJW 1993, 1575; NVwZ 1997, 1207 (1208); NZS 2008, 311 (311 Rn. 2); NJW 2008, 1212 (1213); NVwZ 2013, 1540 (1541)). So bezeichnet das BVerfG Altersgrenzen von 70 Jahren für Hebammen (BVerfGE 9, 338 (343 ff.)) und Prüfingenieure für Baustatik (BVerfGE 64,72 (82 f.)) als vereinbar mit Art. 12 I; in beiden Entscheidungen stellt das Gericht wesentlich auf erhebliche Gefahren bei nachlassender Leistungsfähigkeit der Hebammen bzw. Prüfingenieure ab (krit. dazu Hufen NJW 1994, 2913 (2922)). Auch die Regelung in § 48a BNotO, wonach Notare mit dem Ende des Monats, in dem sie das 70. Lebensjahr vollenden, die Altersgrenze erreichen, hält das BVerfG für eine verhältnismäßige Beschränkung der Berufswahlfreiheit; das Ziel, im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege eine geordnete Altersstruktur innerhalb des Notarberufs sicherzustellen, diene einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut (BVerfG [K] NJW 1993, 1575; s. ferner BGHZ 185, 30 (32 ff.)). Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften reichen als Grundlage von Beschränkungen der Berufswahlfreiheit jedoch nicht aus (BVerfG [K] NVwZ 2007, 804 betr. eine Altersgrenze für Fluglotsen ).

cc) Objektive Berufswahlbeschränkungen

Bezgl. der Aufstellung objektiver Bedingungen für die Berufszulassung führt das BVerfG im Apotheken-Urteil aus: „Ihre Erfüllung ist dem Einfluß des Einzelnen schlechthin entzogen. Dem Sinn des Grundrechts wirken sie strikt entgegen, denn sogar derjenige, der durch Erfüllung aller von ihm geforderten Voraussetzungen die Wahl des Berufes bereits real vollzogen hat und hat vollziehen dürfen, kann trotzdem von der Zulassung zum Beruf ausgeschlossen bleiben. Diese Freiheitsbeschränkung ist um so gewichtiger und wird demgemäß auch um so schwerer empfunden, je länger und je fachlich spezialisierter die Vor- und Ausbildung war, je eindeutiger also mit der Wahl dieser Ausbildung zugleich dieser konkrete Beruf gewählt wurde. Da zudem zunächst nicht einsichtig ist, welche unmittelbaren Nachteile für die Allgemeinheit die Ausübung eines Berufs durch einen fachlich und moralisch qualifizierten Bewerber mit sich bringen soll, wird häufig der Wirkungszusammenhang zwischen dieser Beschränkung der freien Berufswahl und dem erstrebten Erfolg nicht einleuchtend dargetan werden können. Die Gefahr des Eindringens sachfremder Motive ist daher besonders groß; vor allem liegt die Vermutung nahe, die Beschränkung des Zugangs zum Beruf solle dem Konkurrenzschutz der bereits im Beruf Tätigen dienen – ein Motiv, das nach allgemeiner Meinung niemals einen Eingriff in das Recht der freien Berufswahl rechtfertigen könnte. Durch die Wahl dieses gröbsten und radikalsten Mittels der Absperrung fachlich und moralisch (präsumtiv) voll geeigneter Bewerber vom Berufe kann so […] der Freiheitsanspruch des Einzelnen in besonders empfindlicher Weise verletzt werden. Daraus ist abzuleiten, daß an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren können“ (BVerfGE 7, 377 (407 f.) – ohne die Hervorhebung; vgl. zum Konkurrenzschutz auch BVerfG [K] NVwZ 2009, 977 ff.). In Anwendung dieses Maßstabs gelangte das BVerfG im Apotheken-Urteil von 1958 zu dem Ergebnis, dass auf dem Gebiet des Apothekenrechts „der Verfassungslage gegenwärtig allein die Niederlassungsfreiheit“ entspreche, „verstanden als das Fehlen objektiver Beschränkungen der Zulassung“ (BVerfGE 7, 377 (379, Ls. 8)). Mit Rücksicht auf das Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertigt das in § 13 IV 1 PBefG genannte Merkmal einer Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrsinteresses durch Bedrohung der Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes „nicht die Versagung weiterer Taxengenehmigungen mit dem Ziel, den am Ort bereits tätigen Taxenunternehmen eine angemessene wirtschaftliche Existenz zu gewährleisten“ (BVerwGE 79, 208, Ls.; vgl. ferner BVerwGE 82, 295 (302)).

In dem sog. Spielbanken-Beschl. v. 19.7.2000 erklärte das BVerfG, der vorgenannte strenge Prüfungsmaßstab gelte jedoch nur für Berufe, „die ihrer Art nach wie hinsichtlich der Möglichkeiten, den jeweiligen Beruf tatsächlich auch zu ergreifen, nicht durch atypische Besonderheiten gekennzeichnet sind. Um einen derartigen Beruf handelt es sich bei dem Beruf des Spielbankunternehmers nicht. Er weist vielmehr Besonderheiten auf, die auch die Grundrechtsprüfung beeinflussen. Der Betrieb einer Spielbank ist eine an sich unerwünschte Tätigkeit, die der Staat gleichwohl erlaubt, um das illegale Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen […]. Ausreichend, im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes allerdings auch notwendig ist deshalb, Beschränkungen des Zugangs zu jenem Beruf nur davon abhängig zu machen, dass mit der im Einzelfall beabsichtigten Beschränkung wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden. Auch derartige Beschränkungen erfordern aber die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“ (BVerfGE 102, 197 (215) – ohne die Hervorhebungen). Gegen die zur Relativierung der strengen Anforderungen an objektive Berufszulassungsvoraussetzungen verwendete Formel von der „an sich unerwünschten Tätigkeit“ lässt sich jedoch einwenden, dass die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit von ethisch-moralischen Wünschbarkeiten kategorial zu unterscheiden ist. Insoweit kann es keine verfassungsgerichtliche Kompetenz zur inhaltlichen Bewertung einer beruflichen Tätigkeit geben. Einem so tiefgreifenden Wandel in der Verfassungsrechtsprechung sind insoweit normative Grenzen gesetzt (Sodan NJW 2003, 257 (260)). Wohl deshalb hat das BVerfG die Formel von der an sich unerwünschten Tätigkeit in ähnlichen Kontexten des Glücksspielrechts (Sportwetten und Spielhallen) nicht wiederholt (vgl. Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 125 Rn. 126 mwN). Die spezifische Beurteilung des Betriebs einer Spielbank führte in der Entscheidung des BVerfG zu einer weiteren beachtlichen Konsequenz: In diesem Falle sollen „die Eigentümlichkeiten des Gegenstandes der beruflichen Tätigkeit […] einen breiteren Regelungs- und Gestaltungsspielraum des staatlichen Gesetzgebers“ erfordern (BVerfGE 102, 197 (215)); „bei Grundrechtsbeschränkungen der vorliegenden Art“ sei dem Gesetzgeber „ein Beurteilungs- und Prognosespielraum eingeräumt“ (BVerfGE 102, 197 (218) – ohne die Hervorhebungen; vgl. auch BVerfGE 126, 112 (141 f., 145)). Auch diese Modifizierung der Drei-Stufen-Theorie ist nicht hinreichend begründet und wenig überzeugend – beruht sie doch lediglich auf der verfehlten Prüfung der „Wünschbarkeit“ einer beruflichen Tätigkeit. Nach einem Beschl. des BVerfG v. 7.3.2017 sind die für Spielhallenbetreiber in Berlin und im Saarland geltenden Regelungen zum Verbot des Verbundes mehrerer Spielhallen an einem Standort und zu den Abstandsgeboten zu anderen Spielhallen sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen u. a. deshalb gerechtfertigt, weil die sich daraus ergebenden objektiven Berufszugangsvoraussetzungen der „Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut“ dienen und verhältnismäßig sind (BVerfGE 145, 20 (71 ff.); vgl. auch BVerwGE 157, 126 (140 ff.)). Die im Land Berlin geltenden weitreichenden Abstandsgebote für Wettvermittlungsstellen dürften jedoch in vielen Fällen Berufsverboten gleichkommen und wegen Unverhältnismäßigkeit gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit von Wettvermittlungsstellenbetreibern sowie privaten Wettanbietern verstoßen (s. dazu näher Sodan/Janssen, Zur Verfassungsmäßigkeit der Berliner Abstandsgebote für Wettvermittlungsstellen, 2021, 50 ff.).

Unter Umständen kann die Belastung durch eine Einschränkung der Freiheit der Berufswahl „kaum gewichtiger“ sein als im Fall einer Begrenzung der freien Berufsausübung; dies stellte das BVerfG in einem Beschl. v. 12.1.2016 für den in § 56 I 1 InsO geregelten Ausschluss juristischer Personen von der Bestellung zum Insolvenzverwalter fest und hielt den sich daraus ergebenden Eingriff in die Berufsfreiheit für gerechtfertigt, weil „die Beschwerdeführerin zwar an eigenverantwortlicher Verwaltertätigkeit, nicht aber an jeder gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren gehindert ist“ (BVerfGE 141, 121 (132 f.)).

Dem Apotheken-Urteil des BVerfG von 1958 zufolge muss der Gesetzgeber Regelungen gem. Art. 12 I 2 „jeweils auf der ‚Stufe‘ vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt, und darf die nächste ‚Stufe‘ erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden ‚Stufe‘ nicht wirksam bekämpft werden können“ (BVerfGE 7, 377 (408)).

III. Freiheit von Arbeitszwang und Zwangsarbeit

Gem. Art. 12 II darf niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Nach Art. 12 III ist Zwangsarbeit nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig. Positiv formuliert handelt es sich also um die Freiheit von Arbeitszwang sowie die Freiheit von Zwangsarbeit und insoweit um zwei gegenüber der Berufsfreiheit spezielle Grundrechte (vgl. Rn. 3). Ihr personeller Schutzbereich ist allerdings jeweils weiter, da sie im Gegensatz zur Berufsfreiheit keine Deutschen-Grundrechte, sondern Menschenrechte gewährleisten (vgl. zur Unterscheidung Vor Art. 1 Rn. 5, 35 ff.). Den historischen Hintergrund für die Regelungen bildet die moderne „Arbeitsversklavung“ während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und in anderen totalitären Staaten (vgl. BVerfGE 22, 380 (383); 74, 102 (116); 83, 119 (126)).

Die Abgrenzung der beiden Gewährleistungen kann am Wortlaut ansetzen: Arbeitszwang ist bei einer „bestimmten“ Einzelarbeit gegeben, während Zwangsarbeit im Fall der Bereitstellung der gesamten Arbeitskraft für nicht näher begrenzte Tätigkeiten vorliegt (Sachs/Mann Art. 12 Rn. 190 mwN auch zu anderen Positionen). Die staatlichen Zwangsmittel zur Beugung des individuellen Willens können physischer oder psychischer Art sein. „Arbeit“ iSv Art. 12 II stellt jede körperliche oder geistige, einen nicht nur unbedeutenden Aufwand verursachende Tätigkeit dar, die nicht bloß Nebenwirkung einer anderweitig begründeten Verpflichtung ist (HStR VIII/Breuer § 170 Rn. 119). So fallen nicht unter Art. 12 II bspw. die den Straßenanliegern auferlegte Pflicht zur Gehwegreinigung (BVerwGE 22, 26 (28 f.); vgl. zur Verantwortlichkeit von Straßenanliegern für den Winterdienst auf Gehwegen VerfGH Bln NVwZ 2013, 424 ff.) und die staatsbürgerlichen, gesetzlich geregelten Ehrenamtspflichten wie diejenigen zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Schöffen oder Wahlhelfers (HStR VIII/Breuer § 170 Rn. 119). Für die Zulässigkeit von Wehr- und Ersatzdienst ist ausschließlich die Sonderregelung in Art. 12a maßgebend. Zwänge zu beruflichen Tätigkeiten innerhalb eines frei gewählten Berufs sind an Art. 12 I zu messen (BVerwGE 35, 146 (149 f.); vgl. auch BVerfGE 22, 380 (383 f.)). Ausnahmen vom prinzipiellen Verbot des Arbeitszwangs können durch formelles Bundes- oder Landesgesetz geregelt werden. Ein Bsp. für eine herkömmliche öffentliche, dh zum Nutzen eines Gemeinwesens festgelegte Dienstleistungspflicht ist die Deichschutzpflicht (s. dazu Sachs/Mann Art. 12 Rn. 185).

Zwangsarbeit ist nach Art. 12 III insbes. im Rahmen von Freiheitsstrafen (§§ 38 f. StGB, StVollzG), freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) sowie Jugendarrest und Jugendstrafe (§§ 90 ff. JGG) zulässig. Art. 12 III „beschränkt die zulässige Zwangsarbeit auf Einrichtungen oder Verrichtungen, bei denen die Vollzugsbehörden die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die ihnen anvertrauten Gefangenen behalten“ (BVerfGE 98, 169, Ls. 3).