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Artikel 37 [Bundeszwang]

(1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.

(2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihr Beauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.

Der gegenüber der „Reichsexekution“ (vgl. zuletzt Art. 48 I WRV) rechtsstaatlich präzisierte Bundeszwang (Art. 37 I) verleiht der BReg eine zwar noch nicht eingesetzte, grds. aber wichtige „Reservegewalt“ gegenüber den Ländern zum Schutze der föderalen Ordnung, jedoch ohne individualschützende Wirkung (BVerwG NJW 1977, 118). Die Regelungen der Bundesaufsicht (Art. 84 III–V) sowie des inneren Notstandes (Art. 91) haben Vorrang. Der Bundeszwang ist Mittel der Erfüllung der Bundesaufgaben nach Art. 28 III.

Voraussetzung des Bundeszwanges ist die Verletzung von Bundespflichten, auch deren Teil- und Schlechterfüllung, durch das Land gegenüber dem Bund oder anderen Ländern, ohne Rücksicht auf Verschulden und konkrete Folgen; drohende Pflichtverletzungen reichen aus. Bundespflichten obliegen den Ländern nicht gegenüber Bürgern oder fremden Staaten. Sie ergeben sich aus formellem und materiellem (Verordnungen, Satzungen) Gesetzesrecht des Bundes, verbindlichen Gerichtsentscheidungen (§ 31 I, II BVerfGG), sowie aus Staats- und Verwaltungsverträgen, nicht aber aus Gewohnheitsrecht. Diese Pflichten sind in Bundestreue (Art. 20 Rn. 17) zu erfüllen. Die Länder verletzen auch Bundespflichten, soweit sie ein Verhalten von Gemeinde(verbände)n und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, welches gegen diese gesetzlichen Verpflichtungen verstößt, nicht durch ihnen zustehende Aufsicht verhindern. Gegenüber der unabhängigen Gerichtsbarkeit (Art. 97) obliegen den Ländern solche Pflichten nicht. Pflichtverletzung ist stets nur ein Handeln des Landes, nicht im Land.

Alle „notwendigen Maßnahmen“ sind zulässig, um das Land zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten, etwa Ersatzvornahmen für dieses, Polizeieinsatz, auch über Art. 92 II hinaus, Ernennung von Bundesbeauftragten, Stimmführung für das Land im BR, zeitweise Suspension aller, auch der gesetzgebenden Verfassungsorgane des Landes oder deren Absetzung/Auflösung. Zulässig sind aber nur die jew. nach der konkreten Lage geeigneten, erforderlichen und verhältnismäßigen Maßnahmen; dazu gehört nicht die Auflösung des betr. Landes (vgl. Art. 29), schon weil dieses dann nicht mehr „angehalten“ werden könnte. Erforderlich sind keine Maßnahmen im Bereich der Gesetzgebung des Landes, soweit der Vorrang des Bundesrechts ausreicht (Art. 31), wohl aber bei dessen Nichtumsetzung. Strafmaßnahmen sollen generell unzulässig, Straf- oder Haftungsandrohungen können aber geeignet sein und ausreichen.

Die BReg trifft die Maßnahmen, vorgängige Entscheidung des BVerfG ist nicht nötig (vgl. BVerfGE 7, 367 (372)). Sie hat über das Vorliegen der Voraussetzungen in strenger Verfassungsbindung (Rn. 3), über Ob und Wie der Maßnahmen nach prognostischem Beurteilungsermessen zu entscheiden. Der BR muss vor Wirksamwerden zustimmen, unter Prüfungsverantwortung für Voraussetzungen und Notwendigkeit der Maßnahmen; das betr. Land darf dabei mitstimmen. Dem BVerfG steht volles Überprüfungsrecht zu, im Rahmen von Art. 93 I Nr. 3; es hat nicht nur bei Evidenz eines Verfassungsverstoßes einzugreifen (so noch StGH RGZ 138, Anh. 1, 38). Die Kosten hat bei zulässigem Bundeszwang das Land zu tragen.

Weisungen nach Art. 37 II bedürfen, da nur beschlossene Maßnahmen betr., nicht der Zustimmung des BRats. Das Weisungsrecht besteht auch gegenüber anderen Ländern und deren Behörden (Durchgriffsrecht).