Artikel 115k [Geltung von Gesetzen und Rechtsverordnungen des Verteidigungsfalls]
(1) 1 Für die Dauer ihrer Anwendbarkeit setzen Gesetze nach den Artikeln 115c, 115e und 115g und Rechtsverordnungen, die auf Grund solcher Gesetze ergehen, entgegenstehendes Recht außer Anwendung. 2 Dies gilt nicht gegenüber früherem Recht, das auf Grund der Artikel 115c, 115e und 115g erlassen worden ist.
(2) Gesetze, die der Gemeinsame Ausschuß beschlossen hat, und Rechtsverordnungen, die auf Grund solcher Gesetze ergangen sind, treten spätestens sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles außer Kraft.
(3) 1 Gesetze, die von den Artikeln 91a, 91b, 104a, 106 und 107 abweichende Regelungen enthalten, gelten längstens bis zum Ende des zweiten Rechnungsjahres, das auf die Beendigung des Verteidigungsfalles folgt. 2 Sie können nach Beendigung des Verteidigungsfalles durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geändert werden, um zu der Regelung gemäß den Abschnitten VIIIa und X überzuleiten.
I. Bedeutung der Norm
Art. 115k regelt das Verhältnis zwischen Ausnahmerecht und Recht der Normallage. Er beschränkt die Geltungsdauer der im Verteidigungsfall erlassenen Normen; die in Friedenszeiten geltenden Rechtsnormen werden nur suspendiert, nicht aber aufgehoben (BT-Drs. V/1879, 30).
II. Suspendierung des Rechts der Normallage
Nach Art. 115k I 1 setzen die im und für den Verteidigungsfall aufgrund der Art. 115c, 115e und 115g ergangenen Gesetze und die aufgrund dieser Gesetze erlassenen RVOen das entgegenstehende frühere Recht der Normallage nicht außer Kraft, sondern nur außer Anwendung. Das frühere Recht wird also nicht derogiert oder abgeändert, sondern lediglich vorübergehend suspendiert (Sachs/Robbers Art. 115k Rn. 3). Der lex posterior-Grundsatz greift insoweit nicht (v. Münch/Kunig/Versteyl/Fremuth Art. 115k Rn. 5). Gem. Art. 115k I 2 kann jedoch späteres Notrecht früheres Notrecht, das auf derselben Notstands-Rechtsgrundlage beruht, ohne Weiteres ändern oder aufheben; in diesem Fall findet der lex posterior-Grundsatz Anwendung (BK/Rauschning Art. 115k Rn. 1 f.; MKS/Grote Art. 115k Rn. 8).
Die in Friedenszeiten geltenden Rechtsvorschriften finden wieder Anwendung, sobald die während des Verteidigungsfalls erlassenen Rechtsnormen ihre Geltung verlieren. Sie müssen nicht erneut erlassen werden, sondern erlangen automatisch ihre volle Rechtsverbindlichkeit zurück (Umbach/Clemens/Deiseroth Art. 115k Rn. 6). Eine neue Verabschiedung des zwischenzeitlich außer Anwendung gesetzten Rechts ist damit nicht notwendig (SHH/Wittenberg Art. 115k Rn. 3). Zugleich wird vermieden, entweder das Notrecht fortgelten zu lassen oder einen gesetzlosen Zustand hinnehmen zu müssen (Dreier/Heun Art. 115k Rn. 4).
III. Beschränkte Geltungsdauer von Notrecht
Art. 115k II regelt die zeitliche Geltungsdauer des vom GA als Notlegislative gesetzten Rechts. Von einer unmittelbaren Außerkraftsetzung aller Notgesetze bei Beendigung des Verteidigungsfalls wurde abgesehen, da hierdurch der Übergang zum Normalzustand erschwert werden könnte (BT-Drs. V/2873, 19). Gesetze sowie darauf beruhende RVOen des GA treten gem. Art. 115k II spätestens sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalls automatisch außer Kraft. Sie können von BT und BR auch früher außer Kraft gesetzt werden oder früher außer Kraft treten, wenn sie selbst eine kürzere Frist vorsehen (Dreier/Heun Art. 115k Rn. 8). Auf Gesetze nach Art. 115c, die BT und BR erlassen haben, findet Art. 115k II indes keine Anwendung. Die Geltungsdauer dieser Gesetze ergibt sich aus ihrer besonderen Zweckbestimmung für den Verteidigungsfall (MKS/Grote Art. 115k Rn. 4). Sie verlieren ihre Anwendbarkeit bereits mit Beendigung des Verteidigungszustandes, bleiben aber bis zu ihrer förmlichen Aufhebung weiter in Kraft (HStR VII/Vitzthum, 1. Aufl. 1992, § 170 Rn. 39). Sofern sie nicht zwischenzeitlich aufgehoben werden, können sie in einem späteren Verteidigungsfall wieder genutzt werden (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 115k Rn. 5).
Eine besondere Regelung zur Geltungsdauer trifft Art. 115k III 1 für Gesetze, die von den Art. 91a und b, 104a, 106 und 107 abweichende Regelungen enthalten. Diese haushaltsrelevanten Gesetze gelten längstens bis zum Ende des zweiten Rechnungsjahres, das auf die Beendigung des Verteidigungsfalls folgt. Diese Sonderregelung ist der Erwägung geschuldet, dass die Normalisierung der finanziellen und budgetären Verhältnisse nach Beendigung der Notstandslage erst allmählich erfolgt (DHS/Herzog Art. 115k Rn. 47; MKS/Grote Art. 115k Rn. 10). Nach Art. 115k III 2 können die in S. 1 genannten Gesetze jedoch durch Bundesgesetz mit Zustimmung des BR geändert werden, um zu den Regelungen gem. Abschn. VIIIa und X überzuleiten und damit einen verfassungsnäheren Zustand iSd Normallage zu schaffen (Sachs/Robbers Art. 115k Rn. 10). Die Sonderregelung des Abs. 3 gilt sowohl für Gesetze nach Art. 115c als auch für die vom GA beschlossenen Gesetze (MKS/Grote Art. 115k Rn. 10; aA v. Münch/Kunig/Versteyl/Fremuth Art. 115k Rn. 11).