Vorbemerkungen vor Artikel 104a
I. Regelungsbereiche
Der X. Abschn. des GG gliedert sich thematisch in zwei große Themenkomplexe, die mit dem Oberbegriff der Finanzverfassung iwS bezeichnet werden (einführend und sehr instruktiv Tappe/Wernsmann Rn. 1 ff.). In den Art. 104a–108, der Finanzverfassung ieS, ordnet das GG die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern ( → Rn. 2). In den Art. 110–115, der Haushaltsverfassung ( → Rn. 3), regelt das GG u. a. die Haushaltswirtschaft des Bundes und insbes. das Verhältnis von Regierung und Parlament. Art. 109, 109a liegen an der Schnittstelle beider Materien (v. Münch/Kunig/Heintzen vor Art. 104a Rn. 1; Sachs/Siekmann vor Art. 104a Rn. 6). Beide Themenkomplexe sind nicht abschließend, sondern werden verfassungsrechtlich durch eine Reihe zT verstreuter Spezial- und Übergangsvorschriften (Art. 91a, 91b, 91c, 91d, 91e, 120, 120a, 125c, 134, 135, 143c, 143d, 143f, 143g) und einfach- und untergesetzlich durch eine Vielzahl von Normen sowie Verwaltungsabkommen ergänzt. Da die dem Bund durch die Finanzverfassung erteilten Gesetzgebungsaufträge ( → Rn. 2) an die Zustimmung des BRats gebunden sind, ist die konkrete Finanzausstattung von Bund, Ländern und Gemeinden das Ergebnis einer oftmals wenig transparenten Kompromisssuche. Umso deutlicher betont das BVerfG, dass die grundgesetzliche Finanzverfassung der Art. 104a ff. eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung bildet, die auf Formenklarheit und Formenbindung angelegt ist. Für Analogieschlüsse, die zu einer Aufweichung oder Erweiterung des durch Art. 104a ff. gezogenen Rahmens führen, ist kein Platz (BVerfGE 145, 171 (191)). Ihre Prinzipien erschöpfen sich nicht in einer lediglich formalen Bedeutung, sondern sollen durch einen festen Rahmen den politischen Prozess entlasten und fördern (BVerfGE 145, 171 (191)). Um diesen Prozess zu rationalisieren, will das BVerfG den Gesetzgebungsaufträgen der Art. 106, 107 den doppelten Auftrag entnehmen, das Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem durch anwendbare, allg., den Gesetzgeber selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen (BVerfGE 101, 158 (214 ff.); → Art. 106 Rn. 3a). Bei den Vorschriften des bundesstaatlichen Finanzverfassungsrechts und dem Haushaltsverfassungsrecht einschließlich des Staatsschuldenrechts handelt es sich nicht um minder verbindliche Regelungen im Sinne von „soft law“ (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1895); BVerfGE 72, 330 (388)).
Das geltende Finanzverfassungsrecht ieS hat seine heutige Gestalt im Wesentlichen durch die große Finanzreform von 1969 gefunden (20. und 21. Gesetz zur Änderung des GG v. 12.5.1969, BGBl. I 357 (359)), die durch weitere Verfassungsänderungen, wie zuletzt durch die Föderalismusreformen I, II und III ( → Rn. 4), nur noch punktuell modifiziert worden ist. Zu den wichtigsten Regelungsgegenständen gehören die Verteilung der Ausgabenlast (Art. 104a, 104b, 106a, 91e II 2), die Gesetzgebungshoheit über die Steuern (Art. 105), die Verteilung der Ertragshoheit (Art. 106, 106b, 107), der Finanzausgleich (Art. 107) sowie die Steuerverwaltungshoheit (Art. 108). Zu anderen Finanzierungsformen nimmt das GG nur sehr vereinzelt Stellung (s. aber Art. 74 I Nr. 22, 80 II), was in einem seltsamen Kontrast zu deren finanzwirtschaftlicher Bedeutung steht (Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, 475; Droege DV 2013, 313). Wenn die Bundesrepublik vielfach als Steuerstaat bezeichnet wird, verdeutlicht dies daher allein den Regelungsschwerpunkt der Finanzverfassung (v. Münch/Kunig/Heintzen vor Art. 104a Rn. 6), ohne die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben ( → Rn. 6, 12 ff.) auszuschließen.
Zentrale Fragestellungen des Haushaltsverfassungsrechts, das das Gewaltenteilungsprinzip ( → Art. 20 Rn. 28 ff.) konkretisiert, sind u. a. der Haushaltsplan und die Haushaltsgesetzgebung (Art. 110), die Zustimmung der BReg zu finanzwirksamen Gesetzen (Art. 113), die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung (Art. 114) sowie die Kreditbeschaffung (Art. 109 II, III, 115, 143d). Damit bildet sich im Haushaltsverfassungsrecht der Haushaltskreislauf ab, der aus den vier Stadien der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs durch die BReg, der parlamentarischen Beratung und Feststellung des Haushaltsplans durch das Haushaltsgesetz, des Vollzugs des Haushaltsplans und der Abrechnung mit Rechnungsprüfung und Entlastung besteht (Sachs/Siekmann Art. 110 Rn. 4). Die BReg ist das bestimmende Organ des Haushaltswesens (BVerfGE 45, 1 (46 f.)), zugleich ist das Budgetrecht des Parlaments aber auch ein wesentliches Element der parlamentarischen Regierungskontrolle (BVerfGE 119, 96 (118 f.)). Dies bedingt eine wechselseitige Kooperationsverpflichtung, die Regierung und Parlament durch sorgfältige und transparente haushaltswirtschaftliche Planung, Entscheidung und Kontrolle zu erfüllen haben (BVerfGE 119, 96 (119)).
Die Finanzverfassung ist 2006 im Zuge der Föderalismusreform I und 2009 durch die Föderalismusreform II umgestaltet worden. Finanzverfassungsrechtliches Ziel der Föderalismusreform I (52. Gesetz zur Änderung des GG v. 28.8.2006, BGBl. I 2034) war eine klarere Zuordnung der Finanzverantwortung (Art. 104b Rn. 2), die Stärkung der Europatauglichkeit des GG durch Regelungen zu einem nationalen Stabilitätspakt sowie zur Verantwortlichkeit für die Einhaltung von supranationalem Recht sowie völkerrechtlichen Verpflichtungen (BT-Drs. 16/813, 8, 10; → Art. 104a Rn. 16, Art. 109 Rn. 1). Finanzverfassungsrechtlicher Kern der Föderalismusreform II (57. Gesetz zur Änderung des GG v. 29.7.2009, BGBl. I 2248) war eine grdl. Neuordnung des Staatsschuldenrechts, in deren Zentrum die sog. Schuldenbremse stand (Art. 109 Rn. 9, Art. 115 Rn. 1). Mit Blick auf das Auslaufen der Übergangsregelungen für die Schuldenbremse (Ende 2015 für den Bund, Ende 2019 für die Länder; → Art. 143d Rn. 2), den ebenfalls Ende 2019 auslaufenden Solidarpakt II sowie das parallele Außerkrafttreten des Maßstäbegesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) stand die Finanzverfassung unter einem erheblichen Reformdruck (zu den Reformoptionen s. Fromme/Ritgen DVBl 2014, 1017; Kempney/Reimer NJW-Beilage 2014, 39; Schenke NJW 2014, 2542; Tappe DVBl 2013, 1079).
Die hierauf in der Föderalismusreform III (Gesetz zur Änderung des GG v. 13.7.2017, BGBl. 2017 I 2347) gegebenen Antworten sind erneut kein großer Wurf. Der Finanzausgleich, wie er in der Neufassung des Art. 107 geregelt wurde, nimmt den Bund stärker in die Pflicht und schwächt die Umverteilung zwischen den Ländern. Dafür ist der Bund durch Kompetenzzuwächse u. a. im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben, der Finanzhilfen, der Steuerverwaltung und der Überwachung der Haushaltsdisziplin entschädigt worden. Auf der politischen Ebene sind die entscheidenden Weichenstellungen für die Föderalismusreform III bereits durch den Beschluss der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern vom 14.10.2016 (Presse- und Informationsamt der BReg, Pressemitteilung 369/2016) gestellt worden. Weitere Gewichtsverlagerungen zugunsten des Bundes sind mit der größeren Verfassungsnovelle von 2019 verbunden (Gesetz zur Änderung des GG (Artikel 104b, 104c, 104d, 125c, 143e) v. 28.3.2019, BGBl. I 404). Hier ist die Finanzhilfekompetenz des Bundes im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur erneut ausgedehnt worden (Art. 104c Rn. 1), womit der Bund noch tiefer in einen Kernbereich der Länderkompetenzen eingedrungen ist. Eine weitere Neuerung ist die weitreichende Bundeshilfekompetenz im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, was u. a. mit der Föderalismusreform I verbundene Kompetenzverschiebungen zugunsten der Länder konterkariert (Art. 104d Rn. 1 f.).
II. Typologie der hoheitlichen Abgaben
Das GG enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen. Im Rahmen der Finanzverfassung regelt es neben den Zöllen und Finanzmonopolen im Wesentlichen die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen nur für das Finanzierungsmittel der Steuer, was aber die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nicht ausschließt (BVerfGE 108, 1 (15); 149, 222 (249 f.); BVerfG NVwZ 2012, 1535 (1537)). Zweifel an der Tauglichkeit des Steuertatbestandes und des Steuermaßstabes lassen den Typus der Abgabe unberührt (BVerfGE 123, 1 (16 f.); 161, 63 (100); BVerwGE 135, 367 (372); BVerwG BeckRS 2013, 56315 Rn. 10). Für die Einordnung ist allein der tatbestandlich bestimmte materielle Gehalt, nicht hingegen die gesetzliche Bezeichnung maßgebend. Unerheblich ist auch, ob die Abgabe mit Art. 3 I vereinbar ist (BVerfGE 149, 222 (250 f.)). Die Gesetzgebungskompetenz für nichtsteuerliche Abgaben folgt nicht aus Art. 105, sondern ergibt sich aus Art. 70 ff. (BVerfGE 108, 1 (13 f.); 137, 1 (19); 149, 222 (248); BVerwG NVwZ 2012, 763 (765); VerfGH RhPf DVBl 2014, 842 (844)). Im Übrigen lassen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an nichtsteuerliche Abgaben schon angesichts ihrer großen Formenvielfalt nicht auf eine einfache Formel reduzieren (instruktiv Droege DV 2013, 313 ff.). Um die Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung zu wahren (Art. 104a ff.), bedürfen nichtsteuerliche Abgaben einer besonderen sachlichen Rechtfertigung, die einerseits eine deutliche Unterscheidung gegenüber der Steuer ermöglicht und andererseits im Hinblick auf die zusätzliche Belastung neben der Steuer geeignet ist, der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Rn. 18) Rechnung zu tragen (BVerfGE 124, 348 (364); 132, 334 (349); BVerwG NVwZ 2013, 587 f.; BVerwGE 156, 358 (365)). Weitere Einschränkungen können sich aus dem Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes ergeben (zusammenfassend BVerfGE 93, 319 (342 f.)). Zu den anerkannten nichtsteuerlichen Abgaben zählen Gebühren, Beiträge, mittlerweile aber auch Sonderabgaben sowie als Auffangtatbestand die Kategorie der sonstigen Abgaben (Rn. 12 ff.). Auch bei nichtsteuerlichen Abgaben hat der Gesetzgeber den Gleichheitssatz zu beachten. Die Frage, ob eine gesetzgeberische Grundentscheidung folgerichtig oder systemgerecht umgesetzt wurde, hat aber allenfalls Indizwirkung für einen Verstoß gegen den allg. Gleichheitssatz (BVerfG [K] NVwZ 2012, 1535 (1541)). Unbenommen ist dem Gesetzgeber, generalisierende, typisierende und pauschalisierende Regelungen zu verwenden (BVerfG [K] NVwZ 2012, 1535 (1540); → Art. 3 Rn. 16). Bei Ungleichbehandlungen von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (BVerwG NVwZ 2013, 587 (591); → Art. 3 Rn. 15). Das Grundrecht auf Abgabengleichheit ist auch dann verletzt, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt wird (BVerfGE 110, 94 (112); 149, 222 (257 f.); 161, 1 (59).
1. Steuern
a) Einfach-gesetzlicher Steuerbegriff
Der Begriff der Steuer ist im GG nicht legaldefiniert, sondern wird vorausgesetzt. Mit Recht orientiert sich die ganz hM an dem einfach-gesetzlichen Steuerbegriff des § 3 AO (BVerfGE 149, 222 (248 f.); 161, 1 (37)), der seinerseits an den Steuerbegriff des § 1 RAO anknüpft und diesen explizit über die bereits zuvor für zulässig gehaltenen Lenkungsabgaben erweitert hat (BVerfGE 93, 319 (346)). Steuern iSd AO und des GG sind danach Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.
b) Geldleistungen
Steuern sind als Geldleistungen von Sach- und Dienstleistungen abzugrenzen. Steuergläubiger können nur öffentliche Gemeinwesen, dh Bund, Länder und Kommunen sein. Die Steuererhebungs- und -ertragsberechtigung der Kirchen ergibt sich aus Art. 140 GG iVm Art. 137 VI WRV. Vertragliche oder freiwillige Leistungen scheiden aus dem Steuerbegriff aus. Konstitutiv ist der Einnahmezweck. Dieser muss aber nicht der Hauptzweck, sondern kann auch ein Nebenzweck sein (Rn. 7; BVerfGE 110, 274 (292)). Dies öffnet den Steuerbegriff für Lenkungssteuern, die der Wirtschafts-, Konjunktursteuerung oder der Sozialgestaltung dienen. Von Lenkungssteuern (zur Gesetzgebungskompetenz → Art. 105 Rn. 2) darf aber keine erdrosselnde Wirkung ausgehen (BVerfGE 16, 147 (161)); außerdem dürfen sie keiner verbindlichen Verhaltensregel gleichkommen (BVerfGE 98, 106 (118)). Der Einnahmezweck entfällt hingegen, wenn eine Belastung, wie bei einem rückzahlbaren Konjunkturzuschlag, nicht endgültig ist (BVerfGE 29, 409).
c) Keine Gegenleistung
Steuern werden voraussetzungslos geschuldet und sind in Abgrenzung zu Vorzugslasten (Rn. 12) keine Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung (BVerfGE 161, 63 Rn. 73; 149, 222 Rn. 53). Steuern sind aber auch die sog. Zwecksteuern, deren Aufkommen für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll (BVerfGE 161, 63 (100); 149, 222 (249)). Die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, deren Finanzierung diese dient, darf nicht den Charakter einer Gegenleistung zugunsten des Abgabepflichtigen haben (BVerfGE 149, 222 (249); BVerfGE 161, 63 (100)). Mit Blick auf das Non-Affektionsprinzip, dh den budgetrechtlichen Grundsatz der Gesamtdeckung, bedürfen diese einer besonderen Rechtfertigung (Waldhoff StuW 2002, 285 (307)). Von einer verfassungswidrigen Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers kann erst bei einem unvertretbaren Ausmaß von Zweckbindungen ausgegangen werden (BVerfGE 110, 274 (294 f.)). Die Zweckbindung beruht auf einer gleichzeitigen Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers über die Verwendung des Steueraufkommens. Der Kreis der Abgabenpflichtigen knüpft darum bei den Zwecksteuern nicht an solche Personen an, die einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem öffentlichen Vorhaben ziehen (BVerfGE 149, 222 (249)).
d) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab
Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für Steuern ist in erster Linie der allg. Gleichheitssatz (Art. 3 I; → Art. 3 Rn. 18; zum Diskriminierungsverbot von Ehe und Familie → Art. 6 Rn. 11; zur Rückwirkungsproblematik → Art. 20 Rn. 58 ff.; zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften BVerfGE 132, 179; 133, 377; → Art. 3 Rn. 18, Art. 6 Rn. 13). In der Traditionslinie von Art. 134 WRV liegt es, den Gleichheitssatz im Steuerrecht bereichsspezifisch durch den Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu konkretisieren (Birk/Desens/Tappe Rn. 174; → Art. 3 Rn. 18). Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt, jeden Bürger nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern zu belasten (BVerfGE 135, 126 (144 f.); BVerfG [K] NVwZ 2010, 1022 (1023)). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfGE 138, 136 (180)). In horizontaler Richtung sind Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern, in vertikaler Richtung muss die Besteuerung bei unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit angemessen sein (BVerfGE 135, 126 (144)). Ein degressiver Steuertarif ist eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, weil weniger Leistungsfähige einen höheren Anteil ihres Einkommens oder Vermögens als Steuer abgeben müssen als wirtschaftlich Leistungsfähigere (BVerfGE 135, 126 (146)). Sachliche Gründe, vom Leistungsfähigkeitsprinzip abzuweichen (s. auch BVerfG NJW 2023, 3007 (3008 f.)), können Gründe der Verfahrensvereinfachung (Art. 3 Rn. 16 zu Typisierungen und Pauschalisierungen), vor allem aber Lenkungsziele sein (BVerfGE 122, 210 (231 f.); NVwZ 2015, 288 (290 f.); BVerfGE 138, 136 (181)). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen können von auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen (zB bei Einwirkungen auf Freiheitsrechte, Anknüpfung an unverfügbare Merkmale, Annäherung der Differenzierungsmerkmale an Art. 3 III) reichen (BVerfGE 138, 136 (180 f.); → Art. 3 Rn. 15). Bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes ist dem Gesetzgeber ein weitreichender Entscheidungsspielraum zuzubilligen (BVerfG DStR 2016, 862 Rn. 25). Die steuerlichen Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichbehandlung stehen (BVerfG [K] NVwZ 2010, 1022 (1023)). Eine typisierende Vereinfachungsregel ist dann unzulässig, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entlastungsentscheidung in ihrem Regel-Ausnahme-Verhältnis in ihr Gegenteil verkehrt wird (BVerfGE 138, 136 (225)). Die Lenkungsziele müssen tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein (BVerfGE 117, 1 (32); 162, 277 (309)). Eine Verstärkung erfährt das Leistungsfähigkeitsprinzip durch den Grundsatz der Folgerichtigkeit (BVerfGE 117, 1 (31); 122, 210 (231); 162, 277 (308)). Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (BVerfGE 162, 277 (308)). Dies birgt zumindest die latente Gefahr in sich, den Gesetzgeber an vermeintlichen Systementscheidungen festhalten zu wollen, die so nicht intendiert waren und damit nur unzureichend demokratisch legitimiert sind (krit. auch BeckOK GG/Kischel Art. 3 Rn. 153 ff.). Aus den Kompetenznormen der Art. 105f können im Einzelfall auch Rückschlüsse auf die materiell verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Steuer gezogen werden (BVerfGE 120, 1 (26 f.)). Grds. ist der allg. Gleichheitssatz kein Instrument, das es einem Steuerpflichtigen erlaubt, die einem anderen eingeräumte, seine eigene Steuerpflicht nicht betreffende Steuervergünstigung zu bekämpfen. Etwas anderes gilt aber, wenn die Vergünstigung die gerechte Erhebung der Steuer insgesamt aushebelt (BVerfGE 138, 136 (172)).
e) Einordnung einer Steuer
Für die verfassungsrechtliche Einordnung einer Steuer in die Kompetenzkataloge der Art. 105 ff. kommt es nicht auf die gesetzgeberische Bezeichnung an. Maßgeblich sind vielmehr der Steuertatbestand, der Steuermaßstab sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen der Steuer. Dabei ist auf die Sicht des traditionellen deutschen Steuerrechts abzustellen (BVerfGE 123, 1 (16); 145, 171 (193)). Ob der Steuermaßstab tauglich ist, spielt für die Qualifikation hingegen ebenso wenig eine Rolle wie die tatsächliche Abwälzbarkeit einer indirekten Steuer (BVerfGE 123, 1 (18)). Für die in Art. 105 und 106 aufgeführten Steuerarten verwendet das GG Typusbegriffe, deren Auslegung durch das traditionelle Steuerrecht mitbestimmt wird (BVerfGE 161, 1 (37); 145, 171 (193, 212)). Für Typusbegriffe ist nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus prägende Merkmale vorliegen. Maßgebend ist vielmehr das Gesamtbild. Die den Typus kennzeichnenden Merkmale können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und haben für sich allein betrachtet nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Allein innerhalb dieser weit zu interpretierenden Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu erfinden (BVerfGE 145, 171 (194)). Berührt eine Regelung den Kompetenzbereich von Bund und Ländern, bedarf es einer Zuordnung des Regelwerks nach seinem Schwerpunkt. Eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zurechenbar wäre, für die der Kompetenzträger nicht zuständig ist, kann daher gleichwohl in seine Kompetenz fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung derart eng verzahnt ist, dass sie als Teil dieser Gesamtregelung erscheint (BVerfGE 162, 277 (300 f.)).
2. Vorzugslasten
Von den Steuern unterscheiden sich die Vorzugslasten der Gebühren und Beiträge anhand des Merkmals der Gegenleistung. Vorzugslasten gehören zu den „klassischen“ Abgabenarten (BVerfGE 161, 63 (100)). Sachlich gerechtfertigt sind sie dem Grunde nach bereits durch ihre Ausgleichsfunktion (BVerwGE 134, 1 (5)). Jedoch kann ihre konkrete gesetzliche Ausgestaltung, insbes. ihre Bemessung, mit der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung kollidieren (BVerfGE 108, 1 (17); s. auch BVerfGE 145, 171 (191 f.)). Bei der Ausgleichsfunktion von Vorzugslasten geht es entweder um den Ausgleich besonderer staatlich gewährter Vorteile, die es rechtfertigen, diese zumindest teilweise abzuschöpfen oder den Empfänger zur Tragung von deren Kosten heranzuziehen (BVerfGE 145, 171 (206 f.); VerfGH RhPf DVBl 2014, 842 (845)).
a) Gebühren
Gebühren sind Entgelte für eine besondere Leistung der Verwaltung, die – im Unterschied zum Beitrag – tatsächlich in Anspruch genommen worden ist (BVerfGE 124, 235 (243)) bzw. individuell zurechenbar ist (BVerfGE 149, 222 (250)). Ein Rechtfertigungsgrund für die Gebührenerhebung (zusammenfassend BVerfGE 108, 1 (18 f.)) ist die Kostendeckung (BVerfGE 50, 217 (226); 110, 370 (388); 132, 334 (349)). Gebühren können nach sozialen Gesichtspunkten in der Höhe gestaffelt werden (BVerfGE 97, 332 (345); 132, 334 (349)). Prinzipiell zulässig sind ferner Gebühren zur Verhaltenslenkung (BVerfGE 79, 1 (28); 144, 369 (397)) und zum Vorteilsausgleich (BVerfGE 93, 319 (344); 132, 334 (349); BFH BStBl. II 2011, 536 (537)). Gebühr und keine Steuer ist auch eine Abgabe für die Auskunft nach § 89 III-IV AO (BFH BStBl. II 2011, 536 (537); aA Hans DStZ 2007, 421 (423 f.)). Eine Gebührenbemessung ist sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken steht (BVerfGE 108, 1 (18); BFH BStBl. II 2011, 536 (539)). Die Gebührenhöhe limitierende Maßstäbe sind damit idR das Kostendeckungsprinzip, dh die speziellen Kosten der öffentlichen Leistung (s. BVerfGE 108, 1 (18 f.)), das Äquivalenzprinzip (BVerwGE 125, 32 (44); 80, 36 (39); Schmehl, Das Äquivalenzprinzip in der Staatsfinanzierung, 2003, 117 ff.; BVerfGE 83, 363 (392): kein Missverhältnis zwischen der Gebührenhöhe und der gebotenen Leistung), ggf. aber auch die Vorteilsabschöpfung (BFH BStBl. II 2011, 536 (540)). Aus Gründen der Normenklarheit muss der Gebührenpflichtige erkennen können, für welche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenerhebung verfolgt (BVerfGE 108, 1 (20); 132, 334 (350); BVerfGE 144, 369 (398)). Andere potentiell denkbare Gebührenzwecke sind für die verfassungsrechtliche Bewertung irrelevant (BVerfGE 144, 369 (398)). Eine auf den sachlich nicht gerechtfertigten Anteil des Gebührensatzes beschränkte Teilnichtigkeit scheidet mit Rücksicht auf die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Gebührentatbestandes aus (BVerfGE 144, 369 (411)).
b) Beitrag
Der Beitrag ist ein Entgelt für eine dem Einzelnen gewährte Möglichkeit, aus konkreten Aufwendungen der Verwaltung einen individuellen Nutzen zu ziehen (BVerfGE 92, 91 (115); Birk/Desens/Tappe Rn. 105) oder für die potenzielle Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung (BVerfGE 149, 222 (250); BVerfG [K] NVwZ 2012, 1535 (1537)). Ein typisches Beispiel hierfür sind Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen (BVerfGE 133, 143 (159)), wie etwa ein Erschließungsbeitrag. Um einen Beitrag und nicht um eine Steuer handelt es sich beim Rundfunkbeitrag nach § 2 I und § 5 I, II 1 Nr. 2 RBStV, obwohl typisierend allein an das Innehaben einer Raumeinheit angeknüpft wird (BVerfGE 149, 222 (251 ff.); BayVerfGH DVBl 2014, 848; VerfGH RhPf DVBl 2014, 842). Da an die individualisierbare Möglichkeit des Rundfunkempfangs angeknüpft wird, ist unerheblich, dass der Rundfunk von fast allen Personen empfangen werden kann. Der Verteilungsmaßstab ist angesichts der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers mit Art. 3 I vereinbar. Für die Inhaber zweier oder mehrerer Wohnungen muss aber eine differenzierende Regelung getroffen werden (BVerfGE 149, 222 (253 ff.); aA BVerwG DÖV 2017, 642 Rn. 45 ff.). Auch für Beiträge sind das Kostendeckungs- sowie das Äquivalenzprinzip zu beachten (Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 2013, § 67 Rn. 146 f.). Neben den Zwecken des Vorteilsausgleichs und der Kostendeckung können auch Zwecke der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke die Bemessung einer Vorzugslast rechtfertigen (BVerfGE 149, 222 (257)). Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss (BVerfGE 133, 143 (160)). Bei Entlastungs- und Befreiungstatbeständen hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum (BVerfGE 149, 222 (257)).
c) Verleihungsabgaben
Eng verwandt mit den klassischen Vorzugslasten sind Verleihungsabgaben, die für die hoheitliche Gewährung eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts erhoben werden. Im Unterschied zu Gebühren und Beiträgen legitimieren sich diese weniger durch den Gedanken der Kostendeckung als durch den der Vorteilsabschöpfung (Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, Rn. 49), um so einen individuellen Sondervorteil des Abgabepflichtigen auszugleichen (BVerfGE 161, 63 (100)). Dieser kann in einem privilegierten Zugriff auf Güter der Allgemeinheit (BVerfGE 93, 319 (345 ff.); BVerfGE 161, 63 (100); BVerfG NVwZ 2018, 972) oder in dem zweckwidrigen Erhalt einer Subvention (BVerfGE 78, 249 (267 f.)) begründet sein. Neben die Finanzierungsfunktion der Verleihungsabgaben tritt deren Allokationsfunktion, soweit die Abgabenerhebung als Mittel zur optimalen Allokation von Ressourcen dienen soll (Droege DV 2013, 313 (314)). Ein Beispiel für Verleihungsabgaben ist der Emissionshandel (BVerwG NVwZ 2013, 587).
3. Sonderabgaben
Die Sonderabgabe wird, genauso wie die Steuer, als Geldleistungspflicht von dem Betroffenen voraussetzungslos und ohne Erhalt einer Gegenleistung geschuldet (BVerfGE 67, 256 (274); 81, 156 (186 f.)). Begriff und Zulässigkeitsvoraussetzungen sind richterrechtlich konturiert worden (Droege DV 2013, 313 (318 f.)). Die Gesetzgebungskompetenz folgt als Annex der jeweiligen Sachzuständigkeit und bestimmt sich nach Art. 70 ff. (BVerfGE 136, 194 (241); 161, 63 (94); BVerwGE 139, 42 (46)). Von den Steuern unterscheiden sich die Sonderabgaben hingegen durch den auf eine bestimmte Gruppe begrenzten Kreis der Pflichtigen sowie durch ihre Zweckbindung, weil Sonderabgaben regelmäßig nicht in den allg. Staatshaushalt, sondern in Sonderfonds fließen (Birk/Desens/Tappe Rn. 107). Unabdingbar ist hingegen die Aufkommenswirksamkeit zugunsten der öffentlichen Hand, woran es der EEG-Umlage fehlt (BGHZ 201, 355 (359)). Aufgrund der Nähe zur Steuer gerät die Sonderabgabe finanzverfassungsrechtlich in Konflikt mit der Kompetenz- und Ertragsverteilung (Art. 105, 106, 106b, 107), dem Budgetrecht des Parlaments (Art. 110) sowie der Belastungsgleichheit der Bürger (BVerfGE 91, 186 (202 f.); 108, 186 (215 ff.); 122, 316 (334); 145, 171 (207); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, 467) und soll daher „seltene Ausnahme“ bleiben (stRspr; BVerfGE 122, 316 (334); 136, 194 (243); BVerwG NVwZ 2012, 763 (765)). Sehr fraglich ist, ob unter bestimmten Voraussetzungen auf das Kriterium der Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand verzichtet werden kann (am Beispiel der EEG-Umlage dagegen Gawel DVBl 2013, 409 (410 f.); dafür Bickenbach DÖV 2013, 953 (955 f.)). Bei den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist zwischen Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (Sonderabgaben ieS) und sonstigen Sonderabgaben zu unterscheiden (BVerfGE 67, 256 (275 ff.)). Um die durch die Sonderabgaben gefährdeten Verfassungsprinzipien zu schützen, wird bei den Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (1) ein Sachzweck, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht, (2) eine homogene, von der Allgemeinheit und anderen Gruppen klar abgrenzbare Gruppe von Pflichtigen (Sachnähe; BVerfGE 136, 194 (242): vollständige Interessenharmonie ist nicht verlangt, es genügt ein Maß an spezifischer Gemeinsamkeit, das die Belastung unter Gleichheitsgesichtspunkten rechtfertigt), (3) eine besondere Finanzierungsverantwortung kraft Sachnähe (zB durch die gruppenspezifische Verantwortlichkeit, wobei erhöhte Anforderungen hingegen bei bloßen Fördermaßnahmen bestehen, BVerfGE 122, 316 (336 ff.); unschädlich ist, dass die zu finanzierende Aufgabe zugleich im Interesse der Allgemeinheit liegt, BVerfGE 108, 186 (227 f.)) sowie (4) grundsätzlich die Gruppennützigkeit der Verwendung der Abgabe als Zulässigkeitsvoraussetzung verlangt (stRspr; BVerfGE 108, 186 (217 f.); 136, 194 (242)). Flankiert werden diese materiellen durch verfahrensrechtliche Anforderungen, wonach (5) der Gesetzgeber in angemessenen Zeitabständen ihre sachliche Rechtfertigung zu prüfen hat (BVerfGE 124, 348 (366); 108, 186 (218 f.)) und (6) die Sonderabgabe im Haushaltsplan vollständig zu dokumentieren ist (BVerfGE 124, 348 (366); 108, 186 (218 f.); 136, 194 (243); BVerwGE 139, 42 (57): Ausreichend ist eine Übersicht über Bestand und Entwicklung der Sonderabgabe). Ein wichtiger Anwendungsfall sind Ausgleichs-Finanzierungsabgaben, die darauf abzielen, Belastungen und Vorteile innerhalb eines bestimmten Erwerbs- oder Wirtschaftszweigs auszugleichen (BVerfGE 67, 256 (277)). Umlagefähig sind auch Amtshaftungslasten (BVerwG NVwZ 2012, 763 (766)). Zu beachten hat der Gesetzgeber ferner den in Art. 3 I verankerten Grundsatz der Abgabengleichheit. Für Sonderabgaben verlangt dieser ungeachtet einer zulässigen Typisierung die Leistungsfähigkeit sowie den Nutzen zu berücksichtigen, den der Einzelne aus der staatlichen Tätigkeit zieht (BVerwGE 139, 42 (70)). Bei Sonderabgaben ohne Finanzierungsfunktion, die zu einem bestimmten Verhalten anreizen (BVerfGE 161, 63 (100)) oder ein Fehlverhalten sanktionieren sollen, wird auf die Erfordernisse der Gruppenverantwortung und der gruppennützigen Verwendung verzichtet, weil der Anlass der Abgabe nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe sei (BVerfGE 57, 139 (167 ff.); aA Hummel DVBl 2009, 874 (875 f.), wonach sich lediglich die Strenge ihrer Anwendung reduziert). Fehlt es an einer der Voraussetzungen, soll die Sonderabgabe mangels Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 oder 70 ff. formell verfassungswidrig sein (BVerfGE 108, 1 (13 ff.); krit. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, 469 ff.).
4. Sonstige Abgaben
Das GG kennt keinen numerus clausus der zulässigen Abgaben (BVerfGE 149, 222 (249); 137, 1 (17 f.); 122, 316 (333); 93, 319 (342)). Deshalb sind über die traditionell anerkannten Abgabenarten, wie insbes. die Sozialversicherungsabgaben (Art. 74 Rn. 18) und die Verbandslasten (Art. 9 Rn. 7), auch weitere Abgaben denkbar, sofern diese nicht mit grundrechtlichen Wertentscheidungen und den Art. 105 ff. in Widerspruch geraten (Rn. 6). Ausgleichsabgaben eigener Art (BeckOK GG/Kube Art. 105 Rn. 23) können denjenigen auferlegt werden, die eine öffentlich-rechtliche Pflicht nicht erfüllt haben (BVerfGE 92, 91 (117); 161, 63 (102)).
III. Europa- und unionsrechtliche Einwirkungen
In zunehmender Weise ist das deutsche Finanzverfassungsrecht durch europäische Vorgaben geprägt (zur Entwicklung der europäischen Finanzordnung Kahl/Ludwigs/Hey, VerwaltungsR-HdB, Bd. 3, § 87 Rn. 75 ff.). Die Einwirkungen und die Bedeutung des Unionsrechts für die Finanzverfassung des GG differieren je nach Sachbereich erheblich. Am weitesten vorangeschritten ist die europäische Integration im Bereich des Zollrechts. Art. 28 I, 30 AEUV (ex Art. 23 I, 25 EGV) verbieten innerhalb der EU die Erhebung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung. Für den Warenverkehr über die Außengrenzen gilt der Modernisierte Zollkodex der Gemeinschaften (VO [EG] Nr. 450/08 v. 23.4.2008), der als europäische VO unmittelbar anwendbar ist (Art. 288 II AEUV, ex Art. 249 II EGV). Für die indirekten Steuern sind auf Ebene des Primärrechts die Art. 110 ff. AEUV (ex Art. 90 ff. EGV) zu beachten, auf Ebene des Sekundärrechts vor allem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006) sowie die Systemrichtlinie, durch die die kleinen Verbrauchsteuern harmonisiert wurden (Richtlinie 2008/118/EG v. 16.12.2008). Im Zuge des BEPS-Prozesses hat auch die Harmonisierung der direkten Steuern erheblich an Fahrt aufgenommen (PNH/Schenke AEUV Art. 110 Rn. 33). Beginnend mit EuGH Slg. 1986, 285 (avoir fiscal) sind der Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers zudem durch die Rspr. des EuGH zu den Europäischen Grundfreiheiten deutliche Grenzen gesetzt worden. Praktisch wirkt sich das u. a. bei dem Versuch der Mitgliedstaaten aus, das nationale Besteuerungssubstrat vor einer Gewinnverlagerung ins europäische Niedrigsteuerausland zu schützen (exemplarisch EuGH Slg. 2002, I-11779 – Lankhorst-Hohorst).
Unionsrechtlich überformt ist auch das nationale Staatsschuldenrecht (Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 495 ff.). Die mit dem Vertrag von Maastricht von 1992 errichtete Wirtschafts- und Währungsunion (heute Art. 119 ff. AEUV) verpflichtet die Mitgliedstaaten, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden (heute Art. 126 I AEUV). Konkretisiert wird dies durch primär- wie durch sekundärrechtliche Vorgaben (insbesondere durch Verordnungen), aber auch durch den sog. Fiskalpakt, der mit Rücksicht auf den Widerstand Großbritanniens und Tschechiens auf völkerrechtlicher Ebene implementiert worden ist. Nach den Maastricht-Kriterien darf das öffentliche Defizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht den Referenzwert von 3 %, der öffentliche Schuldenstand (bezogen auf den gesamten öffentlichen Sektor) nicht den Referenzwert von 60 % überschreiten (Art. 126 II AEUV iVm Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäβigen Defizit, ABl. C 115 vom 9.5.2008, 279).
Erheblichen Belastungen war die Europäische Währungsunion durch die 2007 einsetzende Finanzkrise ausgesetzt, die sich spätestens ab 2010 zu einer Währungs- und Staatsschuldenkrise im Euroraum ausgeweitet hatte. In deren Zuge fiel es Griechenland, aber auch anderen Eurostaaten zunehmend schwerer, Kredite zu angemessenen Konditionen aufzunehmen. Um den Teufelskreis aus wachsenden Staatsschulden und immer höheren Zinslasten wegen befürchteter Ausfallrisiken zu durchbrechen, sind seitens der EU, des IWF und der Mitgliedstaaten eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen worden (SZK/Gaitanides/Hettinger § 31 Rn. 14 ff.; sehr instruktiv Tappe/Wernsmann Rn. 485 ff.). Besondere Erwähnung verdienen die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF; in Deutschland umgesetzt durch das Stabilisierungsmechanismusgesetz v. 22.5.2010, BGBl. I 627) sowie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM, BGBl. II 981 v. 13.2.2012) als deren Nachfolgeorganisation. Aufgabe des EFSF – einer luxemburgischen AG, deren Gesellschafter die Euro-Mitgliedstaaten sind – war es, durch Weiterreichung von Krediten die Liquidität von Mitgliedstaaten zu sichern, die sich am Kapitalmarkt nicht mehr zu akzeptablen Zinssätzen finanzieren konnten (BVerfGE 129, 124 (135)). Die Verleihungskapazität belief sich auf 440 Mrd. EUR, der Garantien der Euro-Staaten in Höhe von 780 Mrd. EUR gegenüberstanden (EFSF, Financial Statements, Management report and Auditor‘s report, 31.12.2013, 18). Der ESM ist eine internationale Finanzinstitution, die auf einem 2012 geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag und primärrechtlich auf Art. 136 III AEUV nF beruht. Ziel des ESM ist es, den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets bei Bedarf Finanzhilfe bereitzustellen (Erwägungsgründe Nr. 1). Die Garantiesumme beläuft sich auf 700 Mrd. EUR, die Verleihungskapazität auf 500 Mrd. EUR (Art. 8 I, 39 ESMV). Begleitet wurde der ESM durch den Fiskalvertrag, der die Vertragsstaaten zu einer stärkeren Haushaltsdisziplin, insbes. zur Einführung nationaler Schuldenbremsen verpflichtet (Vertrag über die Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion – SKSV v. 2.3.2012, BGBl. II 1006; s. auch BVerfGE 135, 317 (333); → Art. 109 Rn. 8).
Die Verfassungsmäßigkeit der Beteiligung Deutschlands an den Maßnahmen zur Euro-Rettung war Gegenstand von Verfassungsbeschwerde- und Organstreitverfahren vor dem BVerfG, die auf eine Verletzung des Wahlrechts durch eine Beeinträchtigung der Haushaltsautonomie des BTags bzw. die Missachtung von Abgeordnetenrechten sowie der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des BTags gestützt wurden (Art. 38 I 1; BVerfGE 129, 124; 130, 318; 132, 195; 135, 317; → Art. 38 Rn. 40 ff.). Dabei hat sich die Erwartung der Antragsteller, eine deutsche Beteiligung an den Rettungsmaßnahmen verhindern zu können, jedenfalls im Ergebnis nicht erfüllt. Wohl aber hat das BVerfG eine Reihe von verfassungsrechtlichen Vorbehalten angemeldet, die auf eine stärkere parlamentarische Beteiligung des BTags wie auf eine Begrenzung der Haftungssumme gerichtet sind (Art. 115 Rn. 3a). Im OMT-Beschluss hat das BVerfG ferner dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Entscheidung der EZB, am Sekundärmarkt Anleihen von Krisenstaaten aufzukaufen, als ultra-vires-Akt anzusehen ist (BVerfGE 134, 366 ff.; zust. Ludwigs NVwZ 2015, 537 ff.; → Art. 23 Rn. 20). Nach Abschluss des Vorabentscheidungsverfahrens (EuGH NJW 2015, 2013 ff.) hat das BVerfG die künftige Beteiligung der Deutschen Bundesbank unter Auflagen gebilligt (BVerfGE 142, 123 ff.). Zum offenen Konflikt zwischen EuGH und BVerfG ist es im Zuge der gegen die deutsche Beteiligung am Staatsanleihenprogramm (Public Sector Purchase Programme – PSPP) gerichteten Verfassungsbeschwerden gekommen (Kahl/Ludwigs/Ludwigs VerwaltungsR-HdB, Bd. 3, § 87 Rn. 54). In seinem den Verfassungsbeschwerden stattgebenden Urteil hat das BVerfG dem EuGH vorgehalten, sein auf Vorlage des BVerfG ergangenes und ein Verstoß gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung (Art. 123 I AEUV) verneinendes Urteil (EuGH NJW 2019, 907) sei schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und damit wie das PSPP selbst ultra vires ergangen (BVerfGE 154, 17 (94 f.) m. Anm. Ludwigs EuZW 2020, 530). Ein daraufhin von der Kommission gegen Deutschland gerichtetes Vertragsverletzungsverfahren wurde im Dezember 2021 eingestellt (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/inf_21_6201).