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Artikel 74 [Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung]

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

  • das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
  • das Personenstandswesen;
  • das Vereinsrecht;
  • das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
  • (aufgehoben)
  • (aufgehoben)
  • die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
  • die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
  • (aufgehoben)
  • die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
  • die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
  • das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
  • (aufgehoben)
  • das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
  • die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
  • das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
  • die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
  • die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
  • die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
  • den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
  • Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
  • die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
  • das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genußmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
  • die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
  • den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
  • die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
  • die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
  • die Staatshaftung;
  • die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
  • die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
  • das Jagdwesen;
  • den Naturschutz und die Landschaftspflege;
  • die Bodenverteilung;
  • die Raumordnung;
  • den Wasserhaushalt;
  • die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

I. Bedeutung

Art. 74 I listet die Gegenstände auf, die der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 72) zuzuordnen sind. Dabei ist zwischen der konkurrierenden Kernkompetenz (Art. 72 Rn. 4 ff.) und der konkurrierenden Bedarfskompetenz (Art. 72 Rn. 12 ff.) zu unterscheiden. Durch die Föderalismusreform (BGBl. 2006 I 2034) wurden folgende Gebiete aus dem Katalog des Art. 74 gestrichen, wodurch sie gem. Art. 70 I in den Zuständigkeitsbereich der Länder zurückgefallen sind: Versammlungsrecht (Teilbereich aus Art. 74 I Nr. 3 aF); Strafvollzug (einschließlich Vollzug der Untersuchungshaft; Teilbereich aus Art. 74 I Nr. 1 aF); Heimrecht (Teilbereich aus Art. 74 I Nr. 7 aF); Ladenschlussrecht; Gaststättenrecht; Spielhallen/Schaustellung von Personen; Messen, Ausstellungen und Märkte (Teilbereiche aus Art. 74 I Nr. 11 aF); Teile des Wohnungswesens; landwirtschaftlicher Grundstücksverkehr; landwirtschaftliches Pachtwesen; Flurbereinigung; Siedlungs- und Heimstättenwesen (Teilbereiche aus Art. 74 I Nr. 18 aF); Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm (Teilbereich aus Art. 74 I Nr. 24 aF). Neu hinzugekommen durch Verlagerung aus der abgeschafften Rahmengesetzgebung sind die Kompetenzen hinsichtlich der Statusrechte und -pflichten der Beamten (Art. 74 I Nr. 27), umweltrechtlicher Teilgebiete (Art. 74 I Nr. 28–33) sowie der Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse (Art. I Nr. 33). Neben den im Katalog des Art. 74 I aufgeführten Materien hat der Bund gem. Art. 105 II die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Steuern mit Ausnahme der Zölle und Finanzmonopole (Art. 105 Rn. 6 ff.).

II. Die einzelnen Gegenstände

1. Bürgerliches Recht, Strafrecht, Prozessrecht (Nr. 1)

a) Bürgerliches Recht

Das bürgerliche Recht umfasst alle Normen, die herkömmlich, dh nach der RV von 1871, dem Zivilrecht zugeordnet werden, insbes. also das BGB und die Nebengesetze des Privatrechts (BVerfGE 42, 20 (31); 61, 149 (175); 157, 223 (265)). Bürgerliches Recht ist hier nicht als Gegensatz zum öffentlichen Recht zu verstehen; auch Gegenstände, die nach heutigem Verständnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, können dem Anwendungsbereich von Art. 74 I Nr. 1 unterfallen (BVerfGE 11, 192 (199)). Entscheidend für die Einordnung ist vielmehr, ob durch eine Vorschrift Rechtsverhältnisse zwischen Privaten und die sich aus ihnen ergebenden Rechte und Pflichten geregelt werden (BVerfGE 42, 20 (31); 61, 149 (163); 142, 268 (282 f.); 157, 223 (265)). Daher fallen etwa Regelungen zur Miethöhe für Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann, in die Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht (BVerfGE 157, 223 (264)). Speziellere Kompetenzzuweisungen, die der sehr weit gefassten Kompetenzzuweisung des Art. 74 I Nr. 1 vorgehen, sind zB Art. 74 I Nr. 2, 11, 12, 16, 18 sowie Art. 73 I Nr. 9.

b) Strafrecht

Zum Strafrecht gehört die Regelung aller, auch nachträglicher, repressiver oder präventiver staatlicher Reaktionen auf Straftaten, die an die Straftat anknüpfen, ausschließlich für Straftäter gelten und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat beziehen (BVerfGE 109, 190 (212)). Damit ist der Strafrechtsbegriff weit zu fassen. Er umfasst neben Regelungen über Strafen, Maßregeln der Besserung und Sicherung (BVerfGE 109, 190 (213); 128, 326 (387 f.); 134, 33 (57 f.)) auch das Ordnungswidrigkeitenrecht (BVerfGE 27, 18 (32 f.); 29, 11 (16); 31, 138 (142)). Auf Art. 74 I Nr. 1 kann daher auch das Therapieunterbringungsgesetz gestützt werden (BVerfGE 134, 33 (56 f.)). Die Verhütung von Straftaten hingegen untersteht – mit Ausnahme der von Art. 73 I Nr. 9a erfassten Gebiete (Art. 73 Rn. 19) – als Gefahrenabwehrrecht der Länderkompetenz. Der Strafvollzug wurde im Wege der Föderalismusreform aus Art. 74 I Nr. 1 herausgenommen und damit auf die Länder übertragen (Rn. 1).

c) Gerichtsverfassung

Die Gerichtsverfassung betrifft die äußere Organisation der Rspr., also vor allem die Bildung, den Aufbau, die Besetzung und die Aufgabenverteilung der Gerichte. Umfasst sind aber auch die Organe der Rechtspflege, die in unlösbarem Zusammenhang mit der richterlichen Tätigkeit stehen (BVerfGE 28, 21 (32)). Dies gilt für alle Gerichte, also auch die der Länder mit Ausnahme der Verfassungsgerichtsbarkeit, die in den Bereich der Verfassungsautonomie der Länder fällt (BVerfGE 96, 345 (368); Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 22). Den Ländern verbleibt aber die Organisationszuständigkeit, insbes. bzgl. der Errichtung der einzelnen Gerichte und der konkreten Zuständigkeitsbestimmungen (BVerfGE 24, 155 (166); 30, 103 (106)). Nicht zur Gerichtsverfassung iSd Nr. 1 gehören auch die Standesgerichtsbarkeit (BVerfGE 4, 74 (85)) und die Disziplinargerichtsbarkeit (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 115).

d) Gerichtliches Verfahren

Das gerichtliche Verfahren betrifft den gesamten Ablauf des Verfahrens vor den Gerichten aller Gerichtszweige, wobei auch hier die Landesverfassungsgerichte ausgenommen sind. Erfasst ist auch das „Vorfeld“ des gerichtlichen Verfahrens (zB Aufklärung und Ermittlung von Straftaten, BVerfGE 30, 1 (29)) bis hin zum Vollstreckungsrecht. Möglich sind Überschneidungen mit dem Gegenstand der Gerichtsverfassung (Rn. 4).

e) Rechtsanwaltschaft, Notariat und Rechtsberatung

Erfasst wird das Berufsrecht der Rechtsanwälte und Notare einschließlich des Gebührenwesens (BRAO, BNotO, zT RVG und GNotKG) sowie das Recht zur Regelung der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch Angehörige anderer Berufsgruppen, insbes. Rechtsbeistände, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (BK/Niedobitek Art. 74 I Nr. 1 Rn. 71 f.).

2. Personenstandswesen (Nr. 2)

Der Kompetenztitel umfasst den öffentlich-rechtlichen Aspekt des Personenstandswesens, dh insbes. die Beurkundung des Personenstands, einschließlich der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft (BVerfGE 105, 313 (338)), das öffentliche Namensänderungsrecht, Meldepflichten den Personenstand betr. (Geburt, Änderung des Familienstandes, Tod) sowie die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit bei Transsexuellen (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 28). Ebenfalls hierunter fallen die Organisation und das Verfahren der Standesämter (DHS/Maunz Art. 74 Rn. 87). Auf dem Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 2 beruhen etwa das Familienstands-, das Lebenspartnerschafts-, das Personenstands- und das Transsexuellengesetz.

3. Vereinsrecht (Nr. 3)

Vereinsrecht iSd Art. 74 I Nr. 3 meint nur die öffentlich-rechtlichen Regelungen des Vereinswesens, dh solche über Zulassung, Beaufsichtigung, Auflösung etc. Das private Vereinsrecht ist hingegen auf Art. 74 I Nr. 1 (bürgerliches Recht) zu stützen. Verein ist iSv Art. 9 (Art. 9 Rn. 2) zu verstehen. Umfasst sind auch Vereinigungen nach Art. 9 III (Arbeitgeberverbände oder Gewerkschaften). Nicht unter den Begriff des Vereins fallen aber politische Parteien – insoweit ist Art. 21 lex specialis – und Religionsgemeinschaften – hier ist Art. 140 GG iVm Art. 137 WRV lex specialis. Die Regelung von Zwangsmitgliedschaften, etwa in Ärzte-, Rechtsanwalts- oder Architektenkammern, richtet sich nach den speziellen berufsrechtlichen Kompetenzvorschriften (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 60).

4. Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer (Nr. 4)

Ausländer sind alle natürlichen Personen, die nicht Deutsche iSd Art. 116 sind, sowie ausländische juristische Personen und einer fremden Rechtsordnung unterstehende Personenvereinigungen (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 20). Für EU-Ausländer ist zu beachten, dass Art. 74 I Nr. 4 zu großen Teilen durch EU-Recht überlagert wird (Art. 70 Rn. 20). Der Aufenthalt betrifft das Verweilen im Bundesgebiet einschließlich der Wohnsitzbegründung, die Niederlassung dagegen setzt die Begründung einer Erwerbstätigkeit an einem Ort im Bundesgebiet voraus. Der Titel des Art. 74 I Nr. 4 bezieht sich nur auf die genannten Sachmaterien, nicht auf das Ausländerrecht insgesamt. Erfasst wird grds. auch das Asylverfahrensrecht. Für die Einwanderung und Auslieferung von Ausländern ist Art. 73 I Nr. 3 lex specialis (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 33; Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 32).

5. Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen (Nr. 6)

Wer zu den Flüchtlingen und Vertriebenen zählt, ist im BundesvertriebenenG geregelt. Diese Regelung ist jedoch nicht abschließend (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 34). Vielmehr sind von dem Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 6, der auf die Bewältigung typischer Kriegsfolgen im weitesten Sinne abzielt, alle Personen erfasst, die durch die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt sind. Die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen sind umfassend zu verstehen; sie betreffen insbes. die Eingliederung und Förderung in beruflicher, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehung (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 166) – bzgl. der Einreise ist jedoch Art. 73 I Nr. 3 lex specialis.

6. Öffentliche Fürsorge (Nr. 7)

Die traditionell als Unterstützung Hilfsbedürftiger in wirtschaftlichen Notlagen durch die öffentliche Hand verstandene öffentliche Fürsorge iSd Art. 74 I Nr. 7 (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 35) ist „nicht eng“ auszulegen (BVerfGE 97, 332 (341)). Vorausgesetzt ist eine besondere Situation zumindest potentieller Bedürftigkeit (BVerfGE 140, 65 (78 f.)). Auch über die wirtschaftliche Notlage hinausgehende Lebenssachverhalte sind erfasst, wenn sie nur in ihren wesentlichen Strukturelementen dem Bild entsprechen, das durch die ‚klassische Fürsorge‘ geprägt ist (BVerfGE 108, 186 (214)). Neben finanziellen Zuwendungen kann öffentliche Fürsorge auch durch Sachleistungen oder immaterielle Unterstützung, etwa durch Beratung (BVerfGE 88, 203 (328 ff.)), erfolgen. Im Kern ist damit die Sozialhilfe nach SGB XII betroffen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 35). Darüber hinaus umfasst der Fürsorgebegriff aber auch vorbeugende Maßnahmen (BVerfGE 22, 180 (212 f.)). Zum Fürsorgebereich gehören u. a. die Jugendfürsorge einschließlich der Jugendpflege (BVerfGE 97, 332 (341)), die Kindergartenbetreuung, wobei es jedoch zu Abgrenzungsfragen im Hinblick auf die Länderkompetenz für Bildungseinrichtungen kommen kann (BVerfGE 97, 332 (341 f.)), sowie die Altenpflege (BVerfGE 108, 186 (214)). Ausdrücklich ausgenommen ist von Art. 74 I Nr. 7 das Heimrecht, das im Zuge der Föderalismusreform in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder überführt wurde (Rn. 1).

7. Kriegsschäden und Wiedergutmachung, Kriegsgräberfürsorge (Nr. 9, 10)

a) Kriegsschäden und Wiedergutmachung

Die Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 9 und Nr. 10 betreffen die Kriegsfolgelasten. Art. 74 I Nr. 9 bezog sich ursprünglich auf die Folgen des Zweiten Weltkrieges, ist aber nicht hierauf zu beschränken. Kriegsschäden sind solche Sachschäden, für die ein Krieg unter deutscher Beteiligung kausal ist. Hierunter fallen auch Nachkriegs- und Folgeschäden, wie etwa Schäden durch Vertreibung (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 202). Personenschäden werden hingegen von Art. 73 I Nr. 13 und Art. 74 I Nr. 6 erfasst (BK/Spranger Art. 74 I Nr. 9 Rn. 5). Wiedergutmachung zielte zunächst auf den Ausgleich von Schäden ab, die aufgrund von NS-Verfolgungsmaßnahmen entstanden sind. Anders als die Kriegsschäden besteht hinsichtlich der Wiedergutmachung keine spezifische Verknüpfung mit kriegerischen Handlungen; erfasst ist daher die Wiedergutmachung für staatliches Unrecht allgemein (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 30). Der Kompetenztitel erstreckt sich daher auch auf den Ausgleich von Schäden, die durch das SED-Regime entstanden sind (BVerfGE 126, 331 (356 f.); Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 42; BeckOK GG/Seiler Art. 74 Rn. 30; Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 43). Die Wiedergutmachung ist auf eine finanzielle Abgeltung beschränkt (BVerfGE 3, 407 (419)).

b) Kriegsgräberfürsorge

Der Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 10 wurde mehrfach geändert; nach einer zwischenzeitlichen Überführung in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz wurde er zuletzt im Rahmen der Föderalismusreform innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz von Art. 74 I Nr. 10a in die jetzige Nr. 10 verschoben. Kriegsgräber betreffen auch die Gräber ziviler Opfer und Nichtdeutscher. Opfer von Gewaltherrschaft sind insbes. Opfer der NS-Herrschaft, aber ebenso Opfer der SED-Diktatur einschließlich der beim Versuch der Flucht aus der DDR Getöteten (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 214; BeckOK/Seiler Art. 74 Rn. 30).

8. Recht der Wirtschaft (Nr. 11)

Der Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft als einer der praktisch relevantesten hat im Wege der Föderalismusreform eine grdl. Einschränkung erfahren, indem bestimmte Bereiche ausdrücklich ausgenommen und damit auf die Länder übertragen wurden. Dies betrifft das Recht des Ladenschlusses, wovon arbeitszeitrechtliche Regelungen allerdings nicht erfasst sind (BVerfGE 138, 261 (275 ff.)), das Recht der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte. Die Aufzählung der einzelnen Wirtschaftszweige im Klammerzusatz von Art. 74 I Nr. 11 ist nicht abschließend (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 44; BK/Szczekalla Art. 74 I Nr. 11 Rn. 46; DHS/Uhle Art. 74 Rn. 226; Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 22). Vielmehr ist das „Recht der Wirtschaft“ weit auszulegen (BVerfGE 8, 143 (148 f.); 68, 319 (330)). Umfasst sind diejenigen Vorschriften, die sich in irgendeiner Form auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen, sowie alle anderen das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnden Normen, vor allem Gesetze mit wirtschaftsregulierendem oder -lenkendem Inhalt (BVerfGE 4, 7 (13); 29, 402 (409); 67, 256 (275); 68, 319 (330)). Mit ihnen können auch zugleich kulturelle Zwecke verfolgt werden, solange der Regelungsgegenstand im Schwerpunkt als wirtschaftsrechtlich zu qualifizieren ist (BVerfGE 135, 155 (196)). Zum Recht der Wirtschaft zählen zB das ChemikalienG, die Filmförderung (BVerfGE 135, 155; BVerwGE 45, 1 (3)), das Gesellschaftsrecht (BVerfGE 98, 145 (157)), die Handwerksordnung (BVerfGE 1, 264 (272); 26, 246 (255 f.)), das InvestitionshilfeG (BVerfGE 4, 7 (13)) sowie die Preisbindung und -überwachung (BVerfGE 8, 275 (294)).

Insbes. umfasst das Recht der Wirtschaft die im Klammerzusatz genannten Gebiete. Bergbau ist das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen (BK/Szczekalla Art. 74 I Nr. 11 Rn. 128 ff.). Industrie meint die fabrikmäßige, arbeitsteilige Herstellung von Gütern (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 51). Energiewirtschaft umfasst die Energiegewinnung sowie die Verteilung aller Energien und Energieträger, einschließlich des Energiesparens und der Energiesicherung (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 46). Handwerk ist die sich im Gegensatz zur Industrie durch geringere Arbeitsteiligkeit, stärkere Individualisierung der Tätigkeit und höhere Qualifikation der Beschäftigten auszeichnende Herstellung von Gütern (BVerfGE 13, 97 (123); BVerwGE 17, 230 (233)). Gewerbe ist die selbständige, nicht verbotene, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit mit Ausnahme der Urproduktion und der freien Berufe. Der Begriff des Gewerbes in Art. 74 I Nr. 11 wird dabei aber weiter ausgelegt als der Gewerbebegriff der GewO (BVerfGE 41, 344 (352 f.)). Handel ist der erwerbsmäßige, nicht veredelnde Güteraustausch (v. Münch/Kunig/Kunig Art. 74 Rn. 45). Unter das Bankwesen fallen alle Unternehmen für den Geld- und Kreditverkehr. Bei den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten ist allein der materielle Bereich der Tätigkeit erfasst, nicht aber der formelle Bereich der Organisation (BVerwGE 69, 11 (20); 75, 292 (299)). Für die Postbank ist Art. 73 I Nr. 7 lex specialis, für die Bundesbank Art. 73 I Nr. 4 (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 53). Das Börsenwesen betrifft die organisierte Veranstaltung regelmäßiger Zusammenkünfte zur Abwicklung von Rechtsgeschäften über Wertpapiere oder Waren (BK/Szczekalla Art. 74 I Nr. 11 Rn. 151 f.). Das privatrechtliche Versicherungswesen umfasst Regelungen, die sich auf Versicherungsunternehmen beziehen, die in Wettbewerb mit anderen durch privatrechtliche Verträge Risiken versichern, die Prämien grds. am individuellen Risiko und nicht am Erwerbseinkommen des Versicherungsnehmers orientieren und die vertraglich zugesagte Leistungen im Versicherungsfall aufgrund eines kapitalgedeckten Finanzierungssystems erbringen (BVerfGE 76, 256 (300 ff.); 103, 197 (216 f.); 123, 186 (235)). Nicht erfasst sind die öffentlich-rechtlichen Versicherungsträger, soweit ihre Versicherungsbeziehungen öffentlich-rechtlich geregelt sind (BVerfGE 41, 205 (220)).

9. Arbeitsrecht und Sozialversicherung (Nr. 12)

a) Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht betrifft die Regelung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und erstreckt sich sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen über abhängige Arbeitsverhältnisse (BVerfGE 7, 342 (351); 106, 62 (132 f.)). Es handelt sich also um das Recht der unselbständigen Arbeitnehmer als selbständiges Rechtsgebiet neben dem bürgerlichen Recht (BVerfGE 7, 342 (348)). Für den öffentlichen Dienst sind hinsichtlich spezifischer Belange des öffentlichen Sonderarbeitsrechts Art. 73 I Nr. 8 und Art. 74 I Nr. 27 leges speciales, für das arbeitsgerichtliche Verfahren ist – überwiegend – Art. 74 I Nr. 1 lex specialis (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 53).

Ausdrücklich eingeschlossen sind die Betriebsverfassung, dh die institutionalisierte Zusammenarbeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Betrieb (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 151), der Arbeitsschutz, dh die öffentlich-rechtliche Regelung der Gefahrenvorsorge gegenüber Gefahren der Arbeit, die Regelung der Arbeitszeit und der Beschäftigungsverbote an Feiertagen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 54), sowie die Arbeitsvermittlung. Hierunter versteht man eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, dass zwischen einem eine Arbeit suchenden Arbeitnehmer und einem einen Arbeitsplatz anbietenden Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zustande kommt, sowie die Arbeitnehmerüberlassung (BVerfGE 21, 261 (268)). Unter das Arbeitsrecht iSv Art. 74 I Nr. 12 fallen zB das Arbeitskampfrecht, das Arbeitsvertragsrecht einschließlich der Kündigungsschutzbestimmungen (BVerfGE 51, 43 (55 f.)), die betriebliche Altersversorgung (BVerfGE 72, 212 (222)), die Einrichtung von Arbeitnehmerkammern (BVerfGE 38, 281 (299)) sowie das Urlaubsrecht (BVerfGE 7, 342 (347)).

b) Sozialversicherung

Die Sozialversicherung ist ein „weitgefasster verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff“, der alles umfasst, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt (BVerfGE 75, 108 (146 f.); 88, 203 (313 f.)), also die Versicherung bestimmter sozialer Risiken. Ausgehend von der „klassischen“ Sozialversicherung (Krankheit, Alter, Invalidität, Unfall und – ausdrücklich eingeschlossen – Arbeitslosigkeit) können neue Lebenssachverhalte einbezogen werden, wenn die entspr. Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbes. in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken, dem Bild entsprechen, das durch die „klassische“ Sozialversicherung geprägt ist. Hierzu gehört das soziale Bedürfnis nach dem Ausgleich besonderer Lasten sowie die Abwicklung durch selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts als Träger der Sozialversicherung, die ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen (BVerfGE 88, 203 (313)). Erfasst sind aber auch Bereiche, die eng an einen Träger der klassischen Sozialversicherung angelehnt sind, ohne dass es insoweit auf eine Beitragszahlung ankäme (BVerfGE 126, 369 (389)). Die Sozialversicherung ist nicht notwendig mit abhängiger Arbeit verbunden, auch freie Berufe können einbezogen werden (BVerfGE 63, 1 (35)). Dem Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 12 sind keine definitiven Aussagen über die materiellen Grenzen einer legislativen Erstreckung des Solidarprinzips zu entnehmen (BVerfGE 113, 167 (197)). Der Sozialversicherung zuzuordnen sind etwa die Künstlersozialabgabe (BVerfGE 75, 108 (148 f.)) sowie der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (BVerfGE 113, 167 (195 ff.)).

10. Ausbildungsbeihilfen, Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Nr. 13)

a) Ausbildungsbeihilfen

Dies sind Maßnahmen individueller Förderung von in Ausbildung Stehenden (BK/Fehling Art. 74 I Nr. 13 Rn. 7), nicht hingegen Beihilfen zur Bereitstellung oder Förderung von Bildungseinrichtungen, da dem Bund keine allg. Bildungskompetenz verliehen wird (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 54; MKS/Oeter Art. 74 Rn. 108; BK/Fehling Art. 74 I Nr. 13 Rn. 10).

b) Förderung der wissenschaftlichen Forschung

In Bezug auf die wissenschaftliche Forschung (iSd Art. 5 III) kann die Förderung hingegen sowohl personenbezogen als auch projekt- oder einrichtungsbezogen erfolgen (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 109; v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 55). Damit sind sowohl die Graduiertenförderung als auch die Förderung der Universitäten erfasst. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass strukturelle Fragen in Bezug auf die Hochschulen nicht erfasst sind (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 38). Andernfalls würde die nur begrenzte Zuständigkeit des Bundes nach Art. 74 I Nr. 33 umgangen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 62).

11. Enteignung, Gemeinwirtschaft (Nr. 14, 15)

a) Enteignung

Der Begriff der Enteignung richtet sich nach Art. 14 III. Er umfasst gleichermaßen die Legal- wie die Administrativenteignung. Dagegen erstreckt sich der Kompetenztitel weder auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen iSd Art. 14 I 2 noch auf den enteignungsgleichen Eingriff. Vom Umfang der Regelungskompetenz sind Enteignungsverfahren und Entschädigung nach Art. 14 III 2 erfasst (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 63). Der Bund besitzt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Enteignungen nur auf den Sachgebieten der Art. 73 und Art. 74. Es handelt sich um eine ausdrücklich geregelte Annexkompetenz. In allen anderen Bereichen ist der Bund nicht zur Regelung des Enteignungsrechts befugt (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 330 f.).

b) Gemeinwirtschaft

Die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft ist wie in Art. 15 (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 337 f.; Art. 15 Rn. 2 ff.) zu verstehen.

12. Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung (Nr. 16)

Eine wirtschaftliche Machtstellung kann überall dort eingenommen werden, wo wirtschaftliche Tätigkeit – nicht notwendig in einem der von Art. 74 I Nr. 11 erfassten Bereiche – ausgeübt wird (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 115). Missbrauch liegt bei einem Abweichen von dem normalen, von der Rechtsordnung gebilligten Gebrauch vor (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 58). Die Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung kann im Interesse der Effektivität bereits bei der präventiven Begrenzung wirtschaftlicher Macht ansetzen (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 73; Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 40). Erfasst ist auch die Beseitigung wirtschaftlicher Machtstellung (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 360; MKS/Oeter Art. 74 Rn. 116; aA SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 193). Umfasst sind das Kartellrecht einschließlich materieller und prozessualer Sanktionsbestimmungen (BGHZ 110, 371 (375)) sowie Regelungen des Pressewesens, soweit sie kein pressespezifisches Ziel verfolgen (BGHZ 76, 55 (64 ff.); vgl. Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 73).

13. Ernährungswesen, Küstenschutz (Nr. 17)

a) Ernährungswesen

Der Kompetenztitel ist vor dem historischen Hintergrund einer Nahrungsmittelknappheit und der daraus folgenden besonderen Bedeutung der Ernährungssicherung entstanden (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 67). Art. 74 I Nr. 14 verschafft dem Bund keine umfassende Gesetzgebungskompetenz für den Agrarsektor (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 367).

aa) Land- und forstwirtschaftliche Erzeugung

Die land- und forstwirtschaftliche Erzeugung betrifft die Urproduktion von Rohstoffen durch die Bewirtschaftung von Feldern und Wäldern (BVerfGE 163, 1 (16); v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 59 f.), wobei der Begriff im Hinblick auf die Bedeutung für die Ernährung weit zu fassen ist. Eine Förderung kann neben Leistungen an die Land- und Forstwirtschaft auch durch Marktordnungen, Maßnahmen der Qualitätssicherung oder andere ordnende Eingriffe geschehen (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 204). Im Wege der Föderalismusreform ausgenommen und damit in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder überführt wurde das Recht der Flurbereinigung. Es ist bislang im Wesentlichen im FlurbereinigungsG des Bundes niedergelegt und regelt Fragen des ländlichen Grundbesitzes mit dem Ziel der verkehrsmäßigen, wirtschaftlichen und kulturellen Erschließung des ländlichen Raums und der daraus folgenden Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung sowie der allg. Landeskultur.

bb) Sicherung der Ernährung

Die Sicherung der Ernährung umfasst Maßnahmen zur zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln einschließlich dirigistischer Eingriffe wie Ablieferungspflichten (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 69; DHS/Uhle Art. 74 Rn. 374). Der Begriff der Ernährung bezieht sich auf alle Nahrungsmittel einschließlich des Wassers. Regelungen über öffentlich-rechtliche Wasserverbände können daher auf Art. 74 I Nr. 17 gestützt werden (BVerfGE 58, 45 (61)).

cc) Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse

Regelungen über die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse können neben der Sicherung der Ernährung auch der Förderung der Erzeugung dienen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 69). Aufgrund weitreichender Kompetenzen der Europäischen Union in diesem Bereich verbleibt dem Bund weitgehend nur noch die Möglichkeit der Umsetzungsgesetzgebung (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 76; DHS/Uhle Art. 74 Rn. 380).

dd) Hochsee- und Küstenfischerei

Die Kompetenz zur Regelung der Hochsee- und Küstenfischerei umfasst mit der Kompetenz zur Regelung der Landwirtschaft vergleichbare Maßnahmen der Förderung und Sicherung (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 69; MKS/Oeter Art. 74 Rn. 123). Nicht hiervon erfasst ist die Binnenfischerei. Auch im Bereich der Hochsee- und Küstenfischerei wird die Gesetzgebungskompetenz des Bundes weitgehend von Vorgaben des Europäischen Unionsrechts überlagert.

b) Küstenschutz

Der Küstenschutz ist hingegen nicht nur iSd Ernährungssicherung, sondern auch in sicherheitsrechtlicher Hinsicht als Schutz gegen Naturgewalten wie zB Sturmfluten zu verstehen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 70). Er umfasst die Erhaltung des Festlands gegenüber dem Meer durch technische, organisatorische und personelle Schutzmaßnahmen (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 385).

14. Grundstücksverkehr, Bodenrecht, Wohnungswesen (Nr. 18)

a) Städtebaulicher Grundstücksverkehr

Der Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 18 wurde im Rahmen der Föderalismusreform dahin gehend neu gefasst, dass die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für den Grundstücksverkehr auf den städtebaulichen Grundstücksverkehr beschränkt wurde. Grundstücksverkehr bedeutet dabei Erwerb, Veräußerung, Belastung und Verpachtung von Grundstücken (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 44). Umfasst ist das Bodenverkehrsrecht, dh also die Regelung der Genehmigungspflicht von Eigentums- und sonstigen Rechtsänderungen an Grundstücken im Zusammenhang mit der baulichen Ordnung (BVerfGE 3, 407 (429)). Der städtebauliche ist in Abgrenzung zum landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr zu bestimmen (BT-Drs. 16/813, 32).

b) Bodenrecht

Dem Bodenrecht sind diejenigen öffentlich-rechtlichen Normen zuzuordnen, die die Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln (BVerfGE 3, 407 (424); 34, 139 (144)). Gegenstand ist die flächenbezogene Ordnung der Nutzung von Grund und Boden, indem sie den Flächen Nutzungsfunktionen zuweisen und diese voneinander abgrenzen (BVerfGE 34, 139 (144); 65, 283 (288); 145, 20 (65); 163, 1 (18)). Darunter sind auch Normen zu verstehen, die verteilungs- und wohnungsbaupolitische Aspekte zum Gegenstand haben. Hingegen kann Art. 74 I Nr. 18 keine selbständige Umweltschutzkompetenz entnommen werden, so dass das BBodSchG nicht allein hierauf gestützt werden konnte (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 77). Vielmehr wurde es auf die Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 74 I Nr. 11, Nr. 18 und Nr. 24, auf Annexkompetenzen zu Art. 74 I Nr. 11 und Nr. 18 sowie auf Art. 75 I 1 Nr. 4 aF gestützt (BT-Drs. 13/6701, 16 f.). Unter das Bodenrecht iSv Art. 74 I Nr. 18 fällt das Bauplanungsrecht, soweit es die Nutzbarkeit von Grundstücken betrifft, nicht aber das Baurecht als Ganzes (BVerfGE 3, 407 (416); BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1115)). Erfasst ist auch das Recht der Baulandumlegung sowie der Baulanderschließung; ausdrücklich ausgenommen aus dem Kompetenztitel des Bodenrechts ist jedoch das Recht der Erschließungsbeiträge wegen des Zusammenhangs mit dem kommunalen Abgabenrecht (BT-Drs. 12/8165, 40). Dem Bodenrecht ebenfalls zuzuordnen ist die Regelung der städtebaulichen Aspekte des städtischen Denkmalschutzes, nicht aber das Denkmalschutzrecht insgesamt (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 76), sowie die Festsetzung von Lärmschutzbereichen (BVerfGE 56, 298 (311)). Nicht dazu zählt der Landschafts- und Naturschutz (DHS/Uhle Art. 74 Rn. 405). Das Bodenrecht, das anders als das Raumordnungsrecht gem. Art. 74 I Nr. 31 nicht der Abweichungskompetenz der Länder unterfällt, ist von diesem abzugrenzen. Raumordnung meint die übergeordnete, zusammenfassende Gesamtplanung, während das Bodenrecht lediglich die städtebauliche Planung umfasst (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 78).

c) Wohnungswesen

Die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis umfasst keineswegs Regelungen, die sich aus sozialen Gründen auf privaten Wohnzwecken dienende Gebäude beziehen, sondern erstreckt sich lediglich auf das Wohngeldrecht, wobei Art. 74 I Nr. 18 spezieller gegenüber Art. 74 I Nr. 7 ist, das Altschuldenhilferecht, das die Regelung von Verbindlichkeiten betrifft, die auf dem Wohnungsbestand im Beitrittsgebiet aus der Zeit vor dem Beitritt lasten (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 82), das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht. Ausgenommen sind insbes. das Recht der sozialen Wohnungsraumförderung und das Wohnungsbindungsrecht, die in die Kompetenz der Länder fallen.

15. Gesundheitswesen, Krankenhäuser (Nr. 19, 19a)

a) Gesundheitswesen

Der Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 19 mit seinen vier Einzeltiteln kann unter dem Begriff des Gesundheitswesens zusammengefasst werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Kompetenztitel auf das Gebiet des Gesundheitswesens insgesamt erstreckt (BK/Axer Art. 74 I Nr. 19 Rn. 9). Vielmehr ist er auf die aufgeführten Teilgebiete beschränkt (BVerfGE 4, 74 (83); 106, 62 (132)). Insbes. fällt das Arztrecht als solches nicht hierunter (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 83).

aa) Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren

Krankheit (von Menschen und Tieren) ist als regelwidriger Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf. Gemeingefährlich sind solche Krankheiten, die zu schweren Gesundheitsschäden oder zum Tod führen können (BK/Axer Art. 74 I Nr. 19 Rn. 15). Übertragbar sind Krankheiten dann, wenn sie durch Krankheitserreger verursacht werden, die direkt oder mittelbar übertragen werden können. Da eine Krankheit nicht zugleich gemeingefährlich und übertragbar sein muss – im Zuge der Föderalismusreform wurde das „und“ durch ein „oder“ ersetzt –, ist eine gewisse Verbreitung bei gemeingefährlichen und eine gewisse Schwere bei übertragbaren Krankheiten zu fordern (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 84). Umfasst sind sowohl Maßnahmen der Bekämpfung als auch der Vorbeugung, wie zB Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen sowie die Prävention gegen Gefahren des Rauchens (Siekmann NJW 2006, 3382 (3383)).

bb) Zulassung zu Heilberufen und zum Heilgewerbe

Zu den ärztlichen Heilberufen iSv Art. 74 I Nr. 19 zählen allein der Beruf des Arztes, des Zahnarztes und des Tierarztes (BVerfGE 33, 125 (154)). Der Begriff des Heilberufes hingegen ist weit zu verstehen und umfasst die helfende Betreuung von Menschen mit gesundheitlichen Problemen (BVerfGE 106, 62 (107 f.)). Hierunter fallen der Beruf des Heilpraktikers (BVerwGE 66, 337 (367)) und die sog. Heilhilfsberufe, wie zB Altenpfleger (BVerfGE 106, 62 (110 ff.)), Hebamme (BVerwGE 66, 126 (127)), Krankenpfleger (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 86; MKS/Oeter Art. 74 Rn. 136) und Physiotherapeut (BVerfGE 106, 62 (109)). Zulassung iSv Art. 74 I Nr. 19 betrifft die Berufszulassung in Abgrenzung von der Berufsausübung, dh also die Erteilung, Zurücknahme und den Verlust der Approbation (BVerfGE 33, 125 (154)).

cc) Apothekenwesen

Das Recht des Apothekenwesens wurde im Wege der Föderalismusreform neu eingefügt. Damit soll klargestellt werden, dass dem Bund insoweit eine umfassende, nicht nur auf die Zulassung oder heilende Aspekte beschränkte Regelung möglich sein soll (BT-Drs. 16/813, 13; BeckOK GG/Seiler Art. 74 Rn. 72).

dd) Arzneimittelrecht

Das Teilgebiet des Rechts der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte ist im Rahmen der Föderalismusreform erweitert worden. Während die bisherige Regelung nur die Kompetenz für den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften umfasst hatte, wird die Kompetenz nach der Neuregelung auf das Recht der genannten Materien insgesamt erstreckt (BT-Drs. 16/813, 13), also etwa auch auf den bislang nicht erfassten Fall der Herstellung von Arzneien durch Ärzte oder Heilpraktiker zur unmittelbaren Anwendung bei eigenen Patienten. Bzgl. der Begriffe der Arzneien, Medizinprodukte und Betäubungsmittel ist auf die Definition in entspr. Bundesgesetzen zurückzugreifen. Arzneien dienen nach dem Verständnis des AMG der Heilung, Linderung oder Abwehr von Krankheiten und Leiden sowie ihrer Erkennung und ganz allg. der Beeinflussung physischer oder psychischer Vorgänge (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 87). Medizinprodukte sind nach dem MedizinprodukteG Apparate, Vorrichtungen, Instrumente und Stoffe, die u. a. der Erkennung, Behandlung, Überwachung von Krankheiten oder Verletzungen oder der Empfängnisverhütung dienen und nicht pharmakologisch wirken (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 87). Der Begriff der Heilmittel umfasst alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern. Betäubungsmittel bezeichnen bewusstseinsverändernde Mittel einschließlich Drogen und Rauschmitteln. Unter den Begriff der Gifte fallen alle Stoffe, die nach ihrer Beschaffenheit schwer gesundheitsschädlich oder tödlich wirken können (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 90).

b) Krankenhauswesen

Der Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 19a bezieht sich auf den finanziellen Aspekt des Krankenhauswesens. Krankenhäuser – öffentlich oder privat – zeichnen sich dabei durch eine (teil-)stationäre Behandlung aus (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 94). Die wirtschaftliche Sicherung umfasst Finanzhilfen und Entgelte (BVerfGE 114, 196 (222)). Krankenhauspflegesätze sind Entgelte für die Leistungen der Krankenhäuser. Nicht erfasst sind damit strukturelle Fragen wie die Krankenhausorganisation und die Krankenhausplanung (BVerfGE 83, 363 (380)). Für Bundeswehrkrankenhäuser ist Art. 73 I Nr. 1 lex specialis.

16. Verbrauchsgüter-, Pflanzen- und Tierschutz (Nr. 20)

a) Verbrauchsgüterschutz

Der Kompetenztitel des Rechts der Lebens- und Genussmittel erstreckt sich nicht nur auf den Schutz beim „Verkehr“ mit Lebens- oder Genussmitteln, sondern erfasst auch das Recht der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, dh die Regelung der amtlichen Untersuchung von Tieren auch in zeitlichem Abstand vor der Schlachtung, also vor der eigentlichen Lebensmittelgewinnung (BT-Drs. 16/813, 13). Lebensmittel sind nach § 1 LMBG definiert als Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden. Genussmittel sind Lebensmittel, bei denen der Genuss im Vordergrund steht und dabei den Ernährungszweck in den Hintergrund drängt oder gänzlich verdrängt (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 145). Bedarfsgegenstände sind solche, deren Beschaffenheit oder Gebrauch sie gesundheitsrelevant macht (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 75). Futtermittel werden in § 2 FuttermittelG definiert als Stoffe, die einzeln oder in Mischungen, mit oder ohne Zusatzstoffe, dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand an Tiere verfüttert zu werden. Bzgl. des land- und forstwirtschaftlichen Saat- und Pflanzgutes ist der Kompetenztitel weiterhin auf den Verkehr, dh auf die Herstellung, ggf. die Zulassung, den Vertrieb und den Verkauf (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 277) beschränkt. Saatgut ist der für die Erzeugung von Pflanzen bestimmte Samen. Pflanzgut betrifft die Forstpflanzen, Baumsetzlinge und Gemüsepflanzen einschließlich der Kartoffeln (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 145).

b) Pflanzen- und Tierschutz

Der Pflanzenschutz betrifft alle vorbeugenden oder nach Befall einsetzenden Maßnahmen gegen Krankheiten oder Schädlinge lebender Pflanzen (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 56). Der Begriff des Tierschutzes ist weit auszulegen; er bezieht sich auf die Haltung, Pflege, Unterbringung und Beförderung von Tieren, auf Versuche an lebenden Tieren und auf das Schlachten von Tieren (BVerfGE 110, 141 (171)) und soll Regelungen ermöglichen, deren Zweck es ist, Tieren hierbei Schmerzen, Leiden oder Schäden so weit wie möglich zu ersparen. Umfasst sind daher Regelungen zur Überwachung und zur Förderung des Tierschutzes (BVerfGE 110, 141 (171)).

17. Seeschifffahrt, Wetterdienst (Nr. 21)

a) Seeschifffahrt

Die verschiedenen Titel des Art. 74 I Nr. 21 begründen eine umfassende Bundeskompetenz für das Schifffahrtswesen. Wasserstraßen sind hier als Verkehrswege – in Abgrenzung zum Wasserhaushalt (Art. 74 I Nr. 32; Rn. 69) und zur Wasserwirtschaft (Art. 89 III) – zu verstehen. Von keinem der genannten Gegenstände umfasst sind jedoch die Häfen (v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 78). Hochsee- und Küstenschifffahrt ist der Verkehr mit Schiffen auf hoher See oder in Küstengewässern. Binnenschifffahrt betrifft den Verkehr mit Schiffen auf Binnengewässern, soweit nicht die Zu- und Abfahrt von Seehäfen betroffen ist (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 93). Die Kompetenz ist nicht auf Verkehrsregelungen beschränkt, sondern umfasst auch Maßnahmen gegen schifffahrtsbedingte Gewässerverunreinigungen, Regelungen über die technische Beschaffenheit der Schiffe und die Ausbildung und Arbeitsbedingungen der Besatzungsmitglieder (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 93). Seewasserstraßen betreffen die der deutschen Hoheitsgewalt unterstehenden Küstengewässer als solche, also nicht lediglich die Fahrrinne (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 59). Die dem allg. Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen sind nicht mit den Bundeswasserstraßen identisch (BVerfGE 15, 1 (8 f.)); dem allg. Verkehr dienen sie, wenn der Verkehr überörtlich oder überdurchschnittlich stark ist (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 59). Der Kompetenztitel erstreckt sich auch auf den Ausbau der Wasserstraßen einschließlich der erforderlichen Planfeststellungsverfahren. Seezeichen sind optisch wahrnehmbare Zeichen, die nicht an Schiffen selbst angebracht sind (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 150; BeckOK GG/Seiler Art. 74 Rn. 80).

b) Wetterdienst

Der Kompetenztitel den Wetterdienst betr. ist nicht auf die Schifffahrt beschränkt, sondern dient auch dem Straßen- und Luftverkehr, der Land-, Forst- und gewerblichen Wirtschaft (BVerfGE 15, 1 (12 f.)). Der Kompetenztitel bezieht sich auch auf die Organisation des Wetterdienstes und die Tätigkeit der Beschäftigten (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 151).

18. Straßenverkehr (Nr. 22)

a) Straßenverkehr

Die Kompetenz zur Regelung des Straßenverkehrs ist in Abgrenzung zum Straßen- und Wegerecht zu verstehen, das in der ausschließlichen Kompetenz der Länder steht. Das Straßenverkehrsrecht regelt den im Rahmen der Widmung zugelassenen Verkehr sowie die Außenwerbung (BVerfGE 32, 319 (326 f.)), Fußgängerzonen (BVerwGE 62, 376 (378)) und Verkehrshindernisse (BVerwGE 82, 34 (37)). Ziel ist die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Das Straßenverkehrsrecht ist damit als sachlich begrenztes Ordnungsrecht zu verstehen (BVerfGE 67, 299 (314)), wobei das Ordnungsrecht im Übrigen in die ausschließliche Kompetenz der Länder fällt.

b) Kraftfahrtwesen

Zum Kraftfahrtwesen zählen insbes. Bau- und Betriebsvorschriften im Zusammenhang mit der Benutzung von Kraftfahrzeugen (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 110). Erfasst sind u. a. die Güter- und die Personenbeförderung sowie die technischen Überprüfungen von Fahrzeugen (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 64).

c) Bau und Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr

Hierunter ist das Straßenrecht bzgl. der Bundesstraßen und Bundesautobahnen zu verstehen. „Bau und Unterhaltung“ umfassen u. a. Planfeststellungen (BVerfGE 26, 338 (377)) und Sondernutzungen (BVerwGE 35, 326 (328)) einschließlich der Verkehrssicherungspflichten (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 65; MKS/Oeter Art. 74 Rn. 156; SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 299).

d) Straßenbenutzungsgebühren

Die Befugnis zur Erhebung und Verteilung von Gebühren und Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen umfasst nicht nur die Bundesstraßen des Fernverkehrs. Im Wege der Föderalismusreform wurde durch Einführung des Begriffs der Entgelte klargestellt, dass neben öffentlich-rechtlichen Gebühren auch private Entgelte erhoben werden können (BT-Drs. 16/813, 13). Voraussetzung ist die Benutzung öffentlicher Straßen, auch von Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs mit Fahrzeugen. Der Kompetenztitel umfasst u. a. Parkgebühren (BVerwGE 58, 326 (330)) und Mautgebühren.

19. Schienenbahnen (Nr. 23)

Der Kompetenztitel regelt Schienenbahnen als Oberbegriff zu Eisenbahnen und umfasst daneben Straßenbahnen (BVerfGE 26, 338 (382); 56, 249 (282)), U-Bahnen (BVerfGE 45, 297 (323)) und S-Bahnen (BVerwGE 110, 180 (187)), Hochbahnen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 98), Schwebebahnen sowie Magnetkissenbahnen (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 67). In Ergänzung und im Gleichklang zu Art. 73 I Nr. 6a, der die ausdrücklich nicht unter Art. 74 I Nr. 23 fallenden Eisenbahnen des Bundes regelt, umfasst der Titel nach Art. 74 I Nr. 23 den Verkehr einschließlich der Planfeststellung mit Schienenbahnen (BVerfGE 15, 1 (13 f.)). Ausdrücklich ausgenommen sind die im herkömmlichen Sinn zu verstehenden Bergbahnen, nicht dagegen die Privatbahnen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 98; Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 67).

20. Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung (Nr. 24)

a) Allgemeines

Der Kompetenztitel umfasst wesentliche Bereiche des Umweltrechts, er verleiht dem Bund aber keine allg. Gesetzgebungsbefugnis auf diesem Gebiet. Eine erweiternde Auslegung der Einzeltitel kommt nicht in Betracht (Art. 70 Rn. 14). Weitere Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiet des Umweltrechts folgen insbes. aus Art. 74 I Nr. 17, Nr. 18 und Nr. 20.

b) Abfallwirtschaft

Der Begriff der Abfallwirtschaft ersetzt den bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform maßgeblichen Begriff der Abfallbeseitigung. Damit soll klargestellt werden, dass sich der Kompetenztitel auf alle Phasen der Abfallentsorgung bezieht sowie auch auf alle damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten und Maßnahmen, insbes. die Einsammlung, Lagerung, Behandlung und Beförderung von Abfällen (BT-Drs. 16/813, 13). Verfassungsrechtlich vorgegeben werden damit weder ein bestimmter verfassungsrechtlicher Abfallbegriff noch bestimmte Instrumente zur Abfallbeseitigung. Umfasst ist auch die Zuständigkeit für die Regelung der Abfallvermeidung (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 165), der Abfallverwertung (BVerfGE 110, 370 (384 f.)) und der Abfallbehälterbenutzungspflicht (BVerwGE 123, 1 (6); zu den Spielräumen der Landesgesetzgebung im Kreislaufwirtschaftsrecht vgl. Burgi DVBl 2017, 921).

c) Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung

Die Luftreinhaltung bezieht sich auf den Schutz vor und die Beseitigung von Luftverunreinigungen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 102). Die Lärmbekämpfung betrifft den Schutz vor und die Bekämpfung von Lärm. Dies betrifft sowohl den Lärm an der Quelle als auch den passiven Lärmschutz (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 166). Ausdrücklich ausgenommen ist der Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm, der dem ausschließlichen Kompetenzbereich der Länder zuzuordnen ist. Gemeint ist damit „sozialer Lärm“, der etwa von Sport- und Freizeitanlagen, von Festplätzen, Hotels und Gaststätten oder Biergärten ausgeht (BeckOK GG/Seiler Art. 74 Rn. 90).

21. Staatshaftung (Nr. 25)

Der Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 25 will die Kompetenzgrundlage für die Schaffung einer bundeseinheitlichen originären Staatshaftung schaffen (vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission BT-Drs. 12/6000, 34). Die bisherige, auf die Kompetenz nach Art. 74 I Nr. 1 (bürgerliches Recht) gestützte Haftungsregelung nach § 839 BGB knüpft hingegen an die persönliche Haftung des Amtswalters an und leitet diese auf den Staat über. Staat iSd Vorschrift und damit Haftende können sowohl der Bund als auch die Länder oder alle anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sein. Die Staatshaftung erstreckt sich auf alle Anspruchsgrundlagen, die herkömmlich dem Gebiet der Staatshaftung zugeordnet werden, dh also auf die öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung, den enteignungsgleichen und den enteignenden Eingriff, den Aufopferungsanspruch, den Folgenbeseitigungsanspruch sowie auf die Haftung für legislatives Unrecht (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 106, 107).

Ein Bundesgesetz auf der Grundlage von Art. 74 I Nr. 25 bedarf gem. Art. 74 II der Zustimmung des BRats. Aus der Regelung des Art. 74 II darf im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass Gesetze, die auf anderen Kompetenztiteln von Art. 74 I beruhen, keiner Zustimmung des BRats bedürfen. Eine Zustimmungsbedürftigkeit kann sich aus anderen Bestimmungen des GG ergeben.

22. Fortpflanzungsmedizin, Gentechnik, Transplantationen (Nr. 26)

a) Fortpflanzungsmedizin

Die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens umfasst – anders als der vor Inkrafttreten der Föderalismusreform maßgebliche Wortlaut der Kompetenznorm, der auf die künstliche Befruchtung beim Menschen beschränkt war – alle Bereiche der modernen Fortpflanzungsmedizin (BT-Drs. 16/813, 14). Damit liegt eine materielle Erweiterung des Kompetenztitels vor. Erfasst sind Befruchtungen ohne Geschlechtsverkehr sowie der Embryonentransfer (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 109), aber auch medizinisch unterstützte natürliche Befruchtungen zB nach Hormonbehandlungen (BT-Drs. 16/813, 14).

b) Gentechnik

Die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen, dh die Gentechnik bei Menschen, Tieren und Pflanzen (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 127), bezieht sich auf jede Untersuchung von Erbinformationen, ohne dass verändernde Eingriffe notwendigerweise folgen; weiterhin sind alle verändernden Eingriffe an natürlichem oder synthetisch geschaffenem Material erfasst (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 110). Der Kompetenztitel erfasst nicht nur Vorschriften über Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren, sondern darüber hinaus auch Regelungen über die Verwendung und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (BVerfGE 128, 1 (34)).

c) Transplantationen

Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen betreffen die Entnahme von Körperteilen bei lebenden und toten Spendern (Menschen, Tieren oder Pflanzen) zur Übertragung auf andere. Die bloße Organentnahme für wissenschaftliche Zwecke oder die Verarbeitung in der Arzneimittelindustrie fällt nicht hierunter.

23. Statusrechte und -pflichten der Beamten (Nr. 27)

Der Kompetenztitel betr. die Statusrechte und -pflichten der Landesbeamten war bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform Gegenstand der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 Rn. 1). Allerdings war dort keine Beschränkung auf die Statusrechte und -pflichten gegeben, sondern es waren die gesamten Rechtsverhältnisse der Landesbeamten erfasst. Ausgenommen waren die Besoldung und Versorgung, die in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74a aF fielen (Art. 74a Rn. 1).

Personell erfasst der Kompetenztitel nach Art. 74 I Nr. 27 Beamte der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern. Beamte sind in einem öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis stehende Angehörige des öffentlichen Dienstes iSv Art. 33 IV. Nicht hierzu zählen Abgeordnete (BVerfGE 40, 296 (324 ff.)), Beliehene (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 77) und Kirchenbeamte (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 113).

Der Begriff der Statusrechte und -pflichten bezieht sich u. a. auf Wesen, Voraussetzungen, Rechtsform der Begründung, Arten, Dauer sowie Nichtigkeits- und Rücknahmegründe des Dienstverhältnisses, Abordnungen und Versetzungen der Beamten zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern oder entspr. Veränderungen des Richterdienstverhältnisses, Voraussetzungen und Formen der Beendigung des Dienstverhältnisses (vor allem Tod, Entlassung, Verlust der Beamten- und Richterrechte, Entfernung aus dem Dienst nach dem Disziplinarrecht), statusprägende Pflichten und Folgen der Nichterfüllung, wesentliche Rechte, Bestimmung der Dienstherrenfähigkeit, Spannungs- und Verteidigungsfall und Verwendungen im Ausland (BT-Drs. 16/813, 14).

Ausdrücklich ausgenommen sind Regelungen über Laufbahnen, Besoldung und Versorgung, die damit – ebenso wie das übrige, nicht statusrechtliche Beamtenrecht – in den Bereich der Länderkompetenzen fallen. Unter die „Besoldung und Versorgung“ fallen insbes. Aufbau und Bemessung der Besoldung sowie die Einteilung in Besoldungsgruppen und -stufen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 118).

Auf Art. 74 I Nr. 27 gestützte Bundesgesetze bedürfen gem. Art. 74 II der Zustimmung des BRats. Aus der Bestimmung des Art. 74 II darf nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass Gesetze, die auf andere Kompetenztitel des Art. 74 I gestützt werden, keiner BRats-Zustimmung bedürfen. Sie kann sich aus anderen Bestimmungen des GG ergeben.

24. Jagdwesen (Nr. 28)

Das Jagdwesen stand bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform in der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 Rn. 1). Es ist in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt worden und unterliegt nunmehr gem. Art. 72 III 1 Nr. 1 der Abweichungsgesetzgebung der Länder (Art. 72 Rn. 24 ff.). Ausgenommen von der Abweichungsbefugnis der Länder ist das abweichungsfeste Recht der Jagdscheine, das in Anlehnung an §§ 15 ff. BJagdG zu bestimmen ist.

Das Jagdwesen umfasst nach der maßgeblichen jagdrechtlichen Tradition alle Fragen, die traditionell im Zusammenhang mit der Jagd stehen. Es ist nicht auf das individuelle Jagdrecht beschränkt (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 339). Unter den Begriff des Jagdwesens fallen u. a. die Regelung über den Inhalt des Jagdrechts, die jagdbaren Tiere, die Jagdbezirke, die Jagdscheine, über Jagdbeschränkungen sowie über den jagdrechtlichen Artenschutz (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 339); Letzterer fällt mithin nicht unter den Artenschutz nach Art. 74 I Nr. 29 (BT-Drs. 16/813, 11). In Bezug auf den Jagdschutz iSd Schutzes vor Wildseuchen (vgl. § 23 f. BJagdG) ist Art. 74 I Nr. 19, in Bezug auf den Schutz des Wildes vor vermeidbaren Schmerzen und Leiden ist Art. 74 I Nr. 20 (Tierschutz) lex specialis (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 121).

25. Naturschutz und Landschaftspflege (Nr. 29)

Bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform fielen der Naturschutz und die Landschaftspflege in die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 Rn. 1). Nunmehr handelt es sich um eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wobei die Länder gem. Art. 72 III 1 Nr. 2 die Möglichkeit der Abweichungsgesetzgebung besitzen (Art. 72 Rn. 24 ff.). Die allg. Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes und das Recht des Meeresnaturschutzes sind hiervon jedoch ausgenommen und damit abweichungsfest (Art. 72 Rn. 28).

Die Kompetenz umfasst nicht nur Regelungen zur Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft, sondern darüber hinaus auch solche zur positiven Beeinflussung und Gestaltung der Landschaft, dh eine gestaltende Tätigkeit des Staates, die darauf abzielt, den Zustand von Natur und Landschaft zu verbessern (BVerfGE 163, 1 (23); Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 122). Daher werden auch Nutzungs- und Zugangsbeschränkungen (BVerwGE 71, 324 (325); 85, 332 (342 f.)) vom Kompetenztitel des Art. 74 I Nr. 29 umfasst. Nicht hierunter fällt hingegen der Denkmalschutz, soweit er nicht auf Naturdenkmäler bezogen ist (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 79; v. Münch/Kunig/Broemel Art. 74 Rn. 100). Abgrenzungsfragen wirft insbes. der Begriff der zum Kernbereich zählenden allg. Grundsätze des Naturschutzes auf. Hierdurch soll dem Bund die Möglichkeit gegeben werden, in allg. Form bundesweite verbindliche Grundsätze für den Schutz der Natur, insbes. zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, festzulegen. Der Artenschutz, der generell von der Abweichungsgesetzgebung der Länderkompetenz ausgenommen ist, ist iSd BNatSchG bzw. der Vorgaben des europäischen Rechts zu verstehen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 123). Die Ausnahme hinsichtlich des Rechts des Meeresnaturschutzes schließlich soll es dem Bund ermöglichen, verbindliche Regelungen zum maritimen Biodiversitätsschutz einschließlich des maritimen Arten- und Gebietsschutzes sowie der naturschutzfachlichen Bewertung bei der Realisierung von Vorhaben im maritimen Bereich zu erlassen (BT-Drs. 16/813, 11).

26. Bodenverteilung, Raumordnung (Nr. 30, 31)

a) Allgemeines

Die Bodenverteilung und die Raumordnung, die der Abweichungsgesetzgebung der Länder gem. Art. 72 III 1 Nr. 4 unterliegen (Art. 72 Rn. 24 ff.), waren bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform der Rahmengesetzgebung des Bundes zuzurechnen (Art. 75 Rn. 1).

b) Bodenverteilung

Unter den eng zu fassenden Begriff der Bodenverteilung fallen die Veränderung der Eigentums- und Besitzverhältnisse an Grund und Boden im Wege einer Bodenreform (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 80; Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 80). Für die Überführung des Bodens in Gemeineigentum ist Art. 74 I Nr. 15, für die Nutzung des Bodens ist Art. 74 I Nr. 18 lex specialis.

c) Raumordnung

Die Raumordnung betrifft die überörtliche, zusammenfassende Gesamtplanung und Ordnung des Raumes im Bereich eines Landes (BVerfGE 3, 407 (425); 163, 1 (20); Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 78). Die Raumplanung für den Gesamtstaat hingegen ist auf die Kompetenz kraft Natur der Sache (Art. 70 Rn. 19) zu stützen (BVerfGE 3, 407 (425); 15, 1 (16)). Für die städtebauliche Planung ist Art. 74 I Nr. 18 lex specialis. Das Recht der Fachplanung hingegen richtet sich nach dem jew. betroffenen Fachgebiet (SHH/Sannwald Art. 74 Rn. 371). Nicht von der Raumordnung umfasst sind auch unmittelbare Festsetzungen zur Bodennutzung, dh Regelungen, die einem Grundstückseigentümer direkt und ohne wesentliche Zwischenschritte die Art und Weise der Grundstücksnutzung vorschreiben oder gar eine bestimmte Nutzung untersagen (BVerfGE 163, 1 (20)).

27. Wasserhaushalt (Nr. 32)

Der Wasserhaushalt, der in den Bereich der Abweichungsgesetzgebung der Länder fällt (Art. 72 Rn. 24 ff.), gehörte bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform zur Rahmengesetzgebung des Bundes (Art. 75 Rn. 1). Ein Abweichungsrecht der Länder besteht nach Art. 72 III 1 Nr. 5 mit Ausnahme von stoff- oder anlagenbezogenen Regelungen, die zum Kernbereich des Gewässerschutzes zählen und durch bundesweit einheitliche rechtliche Instrumentarien zu regeln sind.

Der Wasserhaushalt betrifft allein das Wasserwirtschaftsrecht als Teil des Wasserrechts. Umfasst sind u. a. die Wassermengen- und Wassergütewirtschaft (BVerfGE 15, 1 (15); 58, 300 (339 ff.)), die Festsetzung von Abwasserabgaben (Jarass/Pieroth/Kment Art. 74 Rn. 82) sowie die Planfeststellung (BVerwGE 55, 220 (225)), nicht aber die Nutzung des Wassers als Wasserstraße oder Verkehrsweg.

28. Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse (Nr. 33)

Während die allg. Grundsätze des Hochschulwesens vor Inkrafttreten der Föderalismusreform Teil der abgeschafften Rahmenkompetenz des Bundes waren (Art. 75 Rn. 1), steht nunmehr das Recht der Hochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse in der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das gesamte übrige Hochschulrecht dagegen fällt in die Kompetenz der Länder. Nach Art. 72 III 1 Nr. 6 besteht ein Abweichungsrecht der Länder ohne abweichungsfesten Kern.

Hochschulen iSd Vorschrift sind solche, die der wissenschaftlichen Forschung dienen und ein Mindestmaß an Angebotsbreite in den wissenschaftlichen Fächern bieten, einschließlich Fachhochschulen, Spezialhochschulen für bestimmte Wissenschaftszweige, Bergakademien, theologische Hochschulen sowie Kunsthochschulen. Voraussetzung ist, dass eine wissenschaftliche bzw. künstlerische Ausbildung im Anschluss an das sekundäre Schulwesen vermittelt wird (MKS/Oeter Art. 74 Rn. 195). Dies gilt unabhängig davon, ob sie in privater oder staatlicher Trägerschaft stehen (Sachs/Degenhart Art. 74 Rn. 127). Für die Universitäten der Bundeswehr ist Art. 73 I die speziellere Regelung (Dreier/Wittreck Art. 74 Rn. 153). Die Kompetenz für die Hochschulzulassung soll dem Bund die Möglichkeit geben, insbes. bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen Vorgaben für die Ermittlung und vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen sowie für die Vergabe der Studienplätze und Auswahlverfahren einheitlich zu regeln. Nicht hierunter fällt die Regelung von Studiengebühren und von Zugangsvoraussetzungen, die in einem engen Bezug zum Schulwesen stehen, das in die Zuständigkeit der Länder fällt (BT-Drs. 16/813, 14). Die Kompetenz zur Regelung der Hochschulabschlüsse soll dem Bund ermöglichen, eine gewisse Vergleichbarkeit zu erzeugen. Damit hat Art. 74 I Nr. 33 die Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums und die int. Akzeptanz deutscher Hochschulabschlüsse im Blick (BT-Drs. 16/813, 14).