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Artikel 129 [Fortgeltung von Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen]

(1) 1 Soweit in Rechtsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten, eine Ermächtigung zum Erlasse von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie zur Vornahme von Verwaltungsakten enthalten ist, geht sie auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen über. 2 In Zweifelsfällen entscheidet die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundesrate; die Entscheidung ist zu veröffentlichen.

(2) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Landesrecht fortgelten, eine solche Ermächtigung enthalten ist, wird sie von den nach Landesrecht zuständigen Stellen ausgeübt.

(3) Soweit Rechtsvorschriften im Sinne der Absätze 1 und 2 zu ihrer Änderung oder Ergänzung oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzen ermächtigen, sind diese Ermächtigungen erloschen.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit in Rechtsvorschriften auf nicht mehr geltende Vorschriften oder nicht mehr bestehende Einrichtungen verwiesen ist.

I. Allgemeines

In Ergänzung zu Art. 123–125 befasst sich Art. 129 mit der Fortgeltung von vorkonstitutionellen Normen, die zum Erlass von RVOen, VAen oder Verwaltungsvorschriften ermächtigen. Art. 129 lassen sich Vorgaben entnehmen, ob Ermächtigungsnormen fortgelten und wer im Falle ihres Fortgeltens durch sie ermächtigt wird.

II. Erloschene Ermächtigungsnormen

Art. 129 III erfasst Rechtsvorschriften, die zu ihrer Änderung oder Ergänzung oder zum Erlass von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzen ermächtigen. Darunter fallen Ermächtigungsnormen, die es zulassen, dass sie selbst durch auf ihrer Grundlage erlassene Rechtsvorschriften geändert werden, und Ermächtigungsnormen, die den Erlass von gesetzesvertretenden RVOen (BVerfGE 2, 307 (328 ff.)) vorsehen. Keine Anwendung findet Art. 129 III auf Normen, die zum Erlass von VAen oder Verwaltungsvorschriften ermächtigen. Über die Gültigkeit solcher Normen entscheidet allein Art. 123.

Da Art. 129 III tatbestandlich an Art. 123 anknüpft, ordnet er an, dass die von ihm erfassten Ermächtigungsnormen am Tag des ersten Zusammentritts des BTags, also am 7.9.1949 (Art. 123 Rn. 4), erlöschen. Das Erlöschen lässt Rechtsvorschriften grds. Unberührt, die bereits vor dem 7.9.1949 auf Grundlage der erloschenen Ermächtigungsgrundlage ergangen sind; ihre Fortgeltung bestimmt sich allein nach Art. 123 ff. Aus dem Übergangscharakter des Art. 129 III wird allerdings hergeleitet, dass Normen, die auf erloschenen Ermächtigungsgrundlagen beruhen, Jahrzehnte nach Erlass des GG schwere Grundrechtseingriffe nicht mehr zu rechtfertigen vermögen (BVerwGE 118, 319 (323 f.); ähnlich BVerfGE 78, 179 (199)).

III. Fortgeltende Ermächtigungsnormen

Normen, die nicht nach Art. 129 III erloschen sind, gelten nach Maßgabe des Art. 123 fort. Den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 I 2 müssen diese Vorschriften allerdings nicht entsprechen (BVerfGE 2, 306 (326 ff.)). Macht ein Delegatar von einer fortgeltenden Ermächtigung Gebrauch, sind allerdings die Vorgaben aus Art. 80 I 3, 4 und Art. 80 II zu beachten.

Art. 129 I, II und IV regeln die Zuständigkeit für die Ausübung fortgeltender Ermächtigungen. Gilt die Ermächtigungsgrundlage nach Maßgabe von Art. 124 oder Art. 125 als Bundesrecht fort, geht die Ermächtigung auf die nunmehr sachlich zuständige Stelle über (Art. 129 I 1). Das ist die Stelle, die für eine inhaltsgleiche Regelung unter Geltung des GG vorgesehen worden wäre (BVerfGE 4, 193 (203)). Zweifelsfälle entscheidet die BReg im Einvernehmen mit dem BRat (Art. 129 I 2). Eine Anrufung des BVerfG wird durch Art. 129 I 2 nicht ausgeschlossen (BVerfGE 11, 6 (13)). Hat das BVerfG über die Frage der Zuständigkeit bereits entschieden, kommt eine Entscheidung der BReg nach Art. 129 I 2 nicht mehr in Betracht, da kein Zweifelsfall mehr vorliegt. Gilt die Ermächtigung als Landesrecht fort, so wird sie von den nach Landesrecht zuständigen Stellen ausgeübt (Art. 129 II).

Wird in Rechtsvorschriften auf nicht mehr geltende Vorschriften oder nicht mehr bestehende Einrichtungen verwiesen, so treten gem. Art. 129 IV an deren Stelle die nunmehr sachlich einschlägigen Normen bzw. die nunmehr sachlich zuständigen Einrichtungen (Friauf/Höfling/Hebeler Art. 129 Rn. 27).

IV. Entsprechende Geltung für DDR-Recht

Gem. Abs. 5 der Vorbemerkungen zu Anlage II des EinigungsV zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (BGBl. 1990 II 889) findet Art. 129 entspr. Anwendung, soweit in Rechtsvorschriften der DDR, die als Bundesrecht fortgelten, eine Ermächtigung zum Erlass von RVOen, Anordnungen oder allg. Verwaltungsvorschriften enthalten ist. Das gilt über den Wortlaut hinaus auch für Ermächtigungen zum Erlass von VAen und für Ermächtigungen, die als Landesrecht fortgelten. Eine Art. 129 IV entspr. Regelung (Rn. 6) trifft Abs. 4 der Vorb. zu Anl. II des EinigungsV.