Artikel 137 [Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes]
(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich beschränkt werden.
(2) Für die Wahl des ersten Bundestages, der ersten Bundesversammlung und des ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik gilt das vom Parlamentarischen Rat zu beschließende Wahlgesetz.
(3) Die dem Bundesverfassungsgerichte gemäß Artikel 41 Abs. 2 zustehende Befugnis wird bis zu seiner Errichtung von dem Deutschen Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet wahrgenommen, das nach Maßgabe seiner Verfahrensordnung entscheidet.
Art. 137 I beinhaltet als zeitlich unbeschränkt geltendes Recht – anders als in den durch Zeitablauf gegenstandslosen Abs. 2 und 3 – abschließend (BVerfGE 58, 177 (191)) eine Ermächtigung, nicht Verpflichtung (BVerfGE 57, 43 (57); 98, 145 (160)), zur gesetzlichen Beschränkung der Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Diese ist hier in einem weiten Sinn zu verstehen; sie betrifft nicht nur das passive Wahlrecht, sondern auch Bewerbung, Übernahme einer Kandidatur, Annahme der Wahl sowie Innehabung und Ausübung des Mandats (BVerfGE 38, 326 (327)) und führt damit zur Einschränkung der Rechte nach Art. 38 I 2 und Art. 48 II. Diese Wählbarkeit wird nicht nur beeinträchtigt, wenn jemand nicht wählbar ist, sondern auch dann, wenn ihm Nachteile drohen, die ihn zu Nichtbewerbung oder Nichtannahme/-ausübung des Mandats bestimmen (könnten) (BVerfGE 48, 64 (88 ff.); 98, 145 (156)). Inkompatibilität wirkt insoweit als Ineligibilität, als das Mandat nur bei vorheriger Aufgabe der Amtsausübung übernommen werden kann (BVerfGE 12, 73 (77 f.); 58, 177 (192) – stRspr). Bundes- oder landesgesetzliche Regelungen so verstandener Wählbarkeit betreffen das jew. Wahl- und das Dienstrecht.
Ratio einer solchen Regelung muss die Vermeidung von Interessenkonflikten sein: Gesetzesgebundene Organwalter sollen sich nicht selbst als Abgeordnete binden und kontrollieren (BVerfGE 38, 326 (339); 58, 177 (183) – stRspr). Daher gilt Art. 137 I nur für Wahlen zu Volksvertretungen in Bund, Ländern, Gemeinden, aber auch zu Kreistagen (BVerfGE 58, 177 (191)). Die Gewaltenteilung (Art. 20 II) ist das Schutzgut (BVerfGE 40, 296 (321)); dieser Regelungszweck bestimmt durchgehend und ausschließlich den Regelungsbereich, andere (gesetzgeberische) Zielsetzungen wären nicht zulässig.
Art. 137 I gestattet nur Beschränkungen, nicht einen Ausschluss der Wählbarkeit (BVerfGE 12, 73 (74); 58, 177 (193) – stRspr), wenn Interessenkonflikte so vermieden werden können. Daher wird Inkompatibilität zwischen öffentlicher (Amts-)Tätigkeit und Mandatsausübung als Beschränkung der Wählbarkeit verstanden: Der Betroffene muss erst nach der Wahl entscheiden, welche Tätigkeit er ausüben will. Die Mandatsübernahme kann – muss aber nicht – durch „Folgeregelungen“ erleichtert werden, etwa Abgeordnetenentschädigung (BVerfG [K] NVwZ 1996, 2499; vgl. § 11 AbgG) oder Anspruch auf dienstliche Wiederverwendung (BVerfGE 98, 145 (156); § 6 AbgG); innerhalb der Folgeregelungen darf allerdings nur nach sachlichen Gesichtspunkten differenziert werden (BVerfGE 58, 177 (193)).
Der personelle Anwendungsbereich des Art. 137 I kann einheitlich bestimmt werden – für alle Angehörigen des „öffentlichen Dienstes“ (BVerfGE 40, 296 (320 f.) – stRspr; § 5 I 1 AbgG); da dies aber kein eindeutiger Verfassungsbegriff ist, gelten die Konkretisierungen des öffentlichen Dienstrechts: Beamte sind alle Organwalter iSd Beamtenrechts des Bundes (nach Art. 33 IV, V, § 2 I BBG, § 2 I BRRG) und der Beamtengesetze der Länder (BVerfGE 57, 43 (59 f.) – stRspr), dh auch alle Beamten auf Probe, Widerruf, Zeit, auch Wahlbeamte auf Zeit (BVerfGE 18, 172 (186 f.)), nicht aber Ruhestands- (BVerfGE 57, 43 (62)), Ehren- (BVerfGE 18, 172 (184)) und Kirchenbeamte (BVerfGE 42, 312 (338 f.), was durch die Kirchen abw. geregelt werden kann). Richter sind hier nicht nur staatliche Berufsrichter (vgl. §§ 1, 2 DRiG), sondern auch ehrenamtliche Urteiler (str.; vgl. aber Rn. 2). Auf privatrechtlich Beschäftigte der öffentlichen Hand ist die Vorschrift nur anwendbar (vgl. BVerfGE 38, 326 (338 f.); 48, 64 (83 f.)), wenn ihre berufliche Tätigkeit Interessenkonflikte mit Gesetzgebungstätigkeit besorgen lässt, etwa bei leitender Tätigkeit, also nicht bei untergeordnet Beschäftigten (Arbeitern, BVerfGE 48, 64 (85)). Beherrschung eines Unternehmens durch die öffentliche Hand (mehr als 50 % Staatsbeteiligung) führt idR zur Anwendung der Inkompatibilitätsregelungen. Wahl in private Vertretungsgremien erfüllt den Tatbestand aber nicht.