Artikel 104c [Finanzhilfen für kommunale Bildungsinfrastruktur]
1 Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie besondere, mit diesen unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. 2 Art. 104b Absatz 2 Satz 1 bis 3, 5, 6 und Absatz 3 gilt entsprechend. 3 Zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung kann die Bundesregierung Berichte und anlassbezogen die Vorlage von Akten verlangen.
I. Tatbestand (S. 1)
Der Begriff der Finanzhilfen entspricht dem des Art. 104b I (Art. 104b Rn. 3). Die Finanzmittel des Bundes werden nicht unmittelbar den kommunalen Zuwendungsempfängern, sondern den Ländern gewährt, die diese zur Mitfinanzierung der förderungsfähigen Investitionen weiterreichen (BT-Drs. 18/11131, 17).
Auch der Begriff der Investitionen ist im Einklang mit dem Vorbild des Art. 104b I auszulegen. Investitionen können damit nur Sachinvestitionen sein (BeckOK GG/Kube Art. 104c Rn. 3). Förderungsgegenstand ist die kommunale Bildungsinfrastruktur. Hierunter sind insbes. die allgemein- und berufsbildenden Schulen zu verstehen (Sachs/Siekmann Art. 104c Rn. 12). Eingeschlossen sind auch Kinderbetreuungseinrichtungen, die einen öffentlichen Bildungsauftrag erfüllen (BT-Drs. 19/3440, 10). Erfasst werden dabei sowohl Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen als auch Neubauten (Henneke Der Landkreis 2017, 91 (95)). Seit 2019 (Rn. 1) können auch besondere, mit den Investitionen unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben gefördert werden. Dabei handelt es sich um Kosten nicht investiver Art, die zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich sind und der Sicherstellung der Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungssystems dienen. Die Gesetzesbegründung nennt beispielshaft u. a. den Aufbau einer Systemadministration und Schulungen des pädagogischen Personals bei Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur. Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften (Art. 104a I, V; BT-Drs. 19/6144, 16). Die Förderungsfähigkeit knüpft Art. 104c S. 1 an die gesamtstaatliche Bedeutsamkeit der Investitionen. Diesbezüglich verweist bereits die Gesetzesbegründung darauf, wie wesentlich die Sanierung und Modernisierung der Bildungsinfrastruktur für die Zukunftsfähigkeit des Staates sei (BT-Drs. 18/11131, 17). Dem Tatbestandsmerkmal dürfte damit keine nennenswerte Begrenzungsfunktion zukommen, zumal dem einfachen Gesetzgeber insoweit auch eine Einschätzungsprärogative zukommt (tendenziell strenger aber BeckOK GG/Kube Art. 104c Rn. 3).
Die Ausgangsfassung von 2017 schränkte die Finanzhilfekompetenz gegenständlich auf finanzschwache Kommunen ein. Mit dem Begriff der Finanzschwäche knüpfte die Norm an das Recht des bundesstaatlichen sowie des kommunalen allg. Finanzausgleichs an (BeckOK GG/Kube Art. 104c Rn. 6). Die einschränkende Voraussetzung der Finanzschwäche ist seit 2019 entfallen (Rn. 1), was in der Gesetzesbegründung mit dem erheblichen Investitionsbedarf begründet wird, der auch von finanz- und strukturstarken Kommunen nicht mehr bewältigt werden könne (BT-Drs. 19/3440, 1). Die Neufassung knüpft die Zulässigkeit deshalb allgemein an die Steigerungsfähigkeit der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur an.
II. Ausgestaltung, Kontrolle, Evaluation (S. 2, 3)
Für die nähere Gestaltung der Förderbedingungen, deren Kontrolle und Evaluation verweist Art. 104c S. 2 auf die entspr. geltenden Art. 104b II S. 1–3, 5, 6 sowie III (Art. 104b Rn. 13 ff.; zu den Kontrollrechten des BRH → Art. 114 Rn. 5). Insbes. werden die Kriterien zur Auswahl der zu fördernden finanzschwachen Kommunen durch Bundesgesetz oder durch eine abzuschließende Verwaltungsvereinbarung festgelegt (BT-Drs. 18/11131, 17). Nicht mehr entsprechend anwendbar ist dagegen seit 2019 (Rn. 1) Art. 104b II 4, an dessen Stelle der weniger eingriffsintensive Art. 104 S. 3 getreten ist. Ausgenommen ist auch Art. 104b II 7, sodass das frühere Erfordernis einer degressiven Staffelung entfallen ist. Nach Art. 104c S. 3 beschränken sich die Kontrollrechte darauf, zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung Berichte und anlassbezogen die Vorlage von Akten zu verlangen.
Von den in Art. 104c eröffneten Möglichkeiten hat der Bundesgesetzgeber bereits 2017 durch §§ 10 ff. Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (KInvFG) Gebrauch gemacht. 2019 wurde eine Verwaltungsvereinbarung zur Umsetzung des sog. Digitalpaktes geschlossen (s. dazu im Einzelnen BeckOK GG/Kube Art. 104c Rn. 14 ff.).
Art. 104c ist erst im Zuge der Föderalismusreform III (Vor Art. 104a Rn. 4) in das GG eingefügt worden und zum 20.7.2017 in Kraft getreten. Bereits 2019 ist sie schon wieder novelliert worden, um die Finanzhilfekompetenz des Bundes noch weiter auszudehnen (Vor Art. 104a Rn. 4; Rn. 7). Die Vorschrift ermächtigt den Bund, den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie damit unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben der Länder und Gemeinden zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur zu gewähren. Damit handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand zu Art. 104a I und Art. 104b I und zugleich um eine Parallelvorschrift zu der 2019 ganz neu eingefügten Bundeshilfekompetenz für den sozialen Wohnungsbau (Art. 104d Rn. 1). Aufbau und Erhalt der kommunalen Bildungsinfrastruktur gehören an sich zum Hausgut der Bildungshoheit der Länder, für die sie nach dem Konnexitätsprinzip des Art. 104a I die Finanzierungsverantwortung zu tragen haben. Auch käme – vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des Art. 104b I 2 – eine Gewährung von Finanzhilfen nach Art. 104b I in der Regel mangels Bundeskompetenz nicht in Betracht (s. aber BeckOK GG/Kube Art. 104c Rn. 1 zur Bundeskompetenz für die energetische Sanierung nach Art. 74 I Nr. 24). Zur Rechtfertigung der Bundesfinanzierung, die 2017 noch auf finanzschwache Kommunen begrenzt war, verweist die Gesetzesbegründung auf den bundesweit zu verzeichnenden erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur. Die Sanierung und Modernisierung der Bildungsinfrastruktur sei ein wesentlicher Faktor, um die Zukunftsfähigkeit des Staates zu gewährleisten und damit auch gesamtstaatlich von besonderer Bedeutung (BT-Drs. 18/11131, 17). So sehr man dieser Diagnose zustimmt, so kritikwürdig ist doch der in Art. 104c eingeschlagene Weg. Die Kommunen mit den Mitteln auszustatten, die für die Erfüllung ihrer Kernkompetenzen gefordert sind, ist Aufgabe des allg. Finanzausgleichs (BeckOK GG/Kube Art. 104c Rn. 1). Von der neuen Finanzierungsmöglichkeit können Fehlanreize ausgehen, eigene Anstrengungen der Länder zu unterlassen. Verwischt wird auch die für eine demokratische Kontrolle so wichtige klare Zuschreibung politischer Verantwortung. Zuletzt besteht die Gefahr, dass der Bund mittels einer „Scheckbuchpolitik“ versuchen könnte, von ihm als unzweckmäßig empfundene Priorisierungsentscheidungen der Länder zu revidieren (Sachs/Siekmann Art. 104c Rn. 16).
Für die nähere Gestaltung der Förderbedingungen, deren Kontrolle und Evaluation verweist Art. 104c S. 2 auf die entspr. geltenden Art. 104b II S. 1–3, S. 5, 6 und III. Auch über diesen ausdrücklichen Verweis hinaus hat sich die Auslegung des Art. 104c schon ausweislich der systematischen Stellung der Norm eng an Art. 104b anzulehnen. Einen Sonderweg schlägt Art. 104c S. 3 hingegen hinsichtlich der gegenüber Art. 104b II S. 4 abgeschwächten Kontrollrechte der Bundesregierung ein (Rn. 6).