Zur Startseite navigieren

Artikel 8 [Versammlungsfreiheit]

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

I. Bedeutung der Versammlungsfreiheit

Die durch Art. 8 gewährleistete Versammlungsfreiheit gehört als Freiheit zu kollektiver Meinungsäußerung ebenso wie Art. 5 I zu den „ unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens […], welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist; denn sie erst ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung und den Kampf der Meinungen als Lebenselement dieser Staatsform“ und bietet damit die Möglichkeit des Bürgers zur Einflussnahme auf die politische Willensbildung (BVerfGE 69, 315 (344 f., 346) – ohne die Hervorhebungen; vgl. auch BVerfG [K] NVwZ 2013, 570 (571)). Dies kann zur Folge haben, dass insbes. bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, eine intensivere gerichtliche Prüfung erfolgen muss als die sonst im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes übliche „summarische“ Prüfung (BVerfG [K] NVwZ 2013, 570 (572 mwN)).

II. Schutzbereich

1. Sachlicher Schutzbereich

In sachlicher Hinsicht wird das Recht geschützt, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Begriff der „Versammlung“: Unstreitig ist hierfür zunächst die örtliche Zusammenkunft einer Personenmehrheit erforderlich. Da Schutzzweck die Willensbildung bzw. -kundgabe zusammen mit anderen ist, bilden eine solche „Mehrheit“ bereits zwei Personen (so auch die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum, etwa Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 13 mwN; Stern/Sodan/Möstl/Schaks § 115 Rn. 27; s. zu Nachw. für die verschiedenen Gegenansichten, die mehr als zwei Personen fordern, v. Münch/Kunig/Kunig Art. 8 Rn. 52).

a) Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung

Zur Abgrenzung von bloßen Ansammlungen muss darüber hinaus ein gemeinsamer (und nicht nur gleichzeitiger) Zweck verfolgt werden, dh eine innere Verbindung der Personen zu gemeinsamer Zweckverfolgung gegeben sein und die Zweckerreichung gerade durch die gemeinsame Verfolgung effektiviert werden. Daran fehlt es regelmäßig bei bloßen Menschenaufläufen infolge Schaulustigkeit oder bei Massenveranstaltungen wie Rockkonzerten oder ähnlichem. Str. ist dabei, ob bereits jeder gemeinsam verfolgte Zweck ausreichend ist (so etwa Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 14 ff. mwN). Angesichts des Schutzzwecks (vgl. Rn. 1) ist dem entgegenzutreten: „Zweck“ kann nur die gemeinsame (nicht notwendigerweise verbale) Meinungsbildung oder -äußerung sein (BVerfG [K] NJW 2001, 2459 (2460); v. Münch/Kunig/Ernst Art. 8 Rn. 45 ff. mwN; vgl. auch BVerfGE 84, 203 (209); BVerwGE 82, 34 (38 f.)). Ansonsten müsste streng genommen bereits jede Ausübung eines Mannschaftssports, etwa eines Fußballspiels, dem Schutz des Art. 8 unterliegen (bejahend für die Zuschauer eines Fußballspiels Burmeister/Huba Jura 1989, 36 (37)). Nach Ansicht des BVerfG setzt die Eröffnung des Schutzbereichs ferner voraus, dass die Zusammenkunft auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist: „Für die Eröffnung des Schutzbereichs reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer gemeinschaftlichen kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. […] Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ (BVerfGE 104, 92 (104); vgl. ferner BVerfG [K] NVwZ 2005, 80; 2011, 422 (423); für Einbeziehung „privater“ Versammlungen Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 19; v. Münch/Kunig/Ernst Art. 8 Rn. 40). „In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen“ (BVerfGE 128, 226 (250); fast wortgleich bereits BVerfGE 69, 315 (345)). Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt Mehrheiten ebenso wie Minderheiten und „verschafft auch denen Möglichkeiten zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit, denen der direkte Zugang zu den Medien versperrt ist“ (BVerfGE 104, 92 (104)).

b) Meinungsbildung nicht als bloßer Nebenzweck

Nicht ausreichend ist es, wenn der Kundgabezweck als bloßer Nebenzweck deutlich hinter einen anderen Hauptzweck zurücktritt. Daher sind die „Fuckparade“ und die „Love Parade“ nicht als Versammlungen iSd Art. 8 einzuordnen. „In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen Versammlungen zwar auch dann, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfasst, wenn sie sich zB dafür einsetzen, dass bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden. Geschützt durch Art. 8 GG ist in solchen Fällen die kommunikative Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, um auf die zukünftige Durchführung solcher Veranstaltungen hinzuwirken, nicht aber das Abhalten der Musik- und Tanzveranstaltung selbst. […] Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird jedoch nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung i. S. des Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen“ (BVerfG [K] NJW 2001, 2459 (2460 f.) – ohne die Hervorhebungen). Maßgebend ist, ob die (derart gemischte) Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist oder der Spaß-, Tanz- oder Unterhaltungszweck im Vordergrund steht. Bleiben Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (BVerfG [K] NJW 2001, 2459 (2461); vgl. ferner BVerfGE 143, 161 (211 f.)).

c) Friedlichkeit der Versammlung

Der Schutzbereich des Art. 8 I erfasst nur „friedliche“ Versammlungen, dh solche, die nicht einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nehmen bzw. erwarten lassen. Dabei kommt es nicht auf den Gewaltbegriff des § 240 StGB, sondern darauf an, ob Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa Gewalttätigkeiten oder aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen stattfinden (BVerfGE 73, 206 (248 f.); 87, 399 (406) zur „Friedlichkeit“ von Sitzblockaden; vgl. auch NdsOVG DVBl 2008, 987 (989)). Bei bewussten (Straßen-) Blockaden, die nicht lediglich kurzfristig sind, spricht viel für das Nichtvorliegen des Merkmals der „Friedlichkeit“ (Stern/Sodan/Möstl/Schaks § 115 Rn. 42). Allerdings sind unfriedliche Handlungen Einzelner nicht geeignet, eine im Übrigen friedliche Versammlung „umzufunktionieren“ und den friedlichen Teilnehmern den Schutz des Art. 8 zu nehmen; entscheidend ist vielmehr die kollektive Unfriedlichkeit oder deren Anstrebung oder Billigung durch die Veranstalter (BVerfGE 69, 315 (360 f.); BVerfG [K] NVwZ 2011, 422 (423)). Dafür reicht es nicht schon, wenn Behinderungen Dritter erfolgen, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen: „Die Ankettung der Teilnehmer der Blockadeaktion führte nicht zu der so umschriebenen Gefährlichkeit für Personen oder Sachen und damit zur Unfriedlichkeit im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Demonstranten ließen sich ohne Widerstand festnehmen, nachdem Polizeibeamte die Kette mit Bolzenschneidern zerlegt hatten. Ungeachtet der strafrechtlichen Bewertung als Gewalt kann das Verhalten der Teilnehmer der Blockadeaktion daher nicht als unfriedlich angesehen werden“ (BVerfGE 104, 92 (106)).

Der Versuch von Versammlungsteilnehmern, den Abtransport eines Gesinnungsgenossen durch die Polizei zu verhindern, rechtfertigt die Annahme einer unfriedlichen Versammlung ebenfalls nicht: „Es kann dahinstehen, ob die Versuche einiger der Teilnehmer der Versammlung, den Abtransport des Bf. zu verhindern, für sich genommen die Grenze zur Unfriedlichkeit überschritten. Jedenfalls war im Zeitpunkt des Beginns der gegen den Bf. gerichteten Maßnahmen, auf deren Rechtmäßigkeit es vorliegend ankommt, nicht damit zu rechnen, dass die Demonstration einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nehmen würde oder dass der Veranstalter oder sein Anhang einen solchen Verlauf angestrebt oder gebilligt hätten. Im Übrigen bleibt der Schutz der Versammlungsfreiheit grundsätzlich erhalten, wenn nur einzelne Demonstranten oder eine Minderheit im Verlauf der Versammlung Ausschreitungen begehen […]. Der Bf. selbst überschritt die Schwelle zur Unfriedlichkeit nicht dadurch, dass er das Megaphon umklammert hielt und sich gegen seinen Abtransport zum Polizeifahrzeug sträubte. Dadurch wollte er seinen Willen zur weiteren Teilnahme an der Versammlung durchsetzen, nicht aber den Charakter der bis dahin friedlichen Versammlung oder seiner auf die Erfüllung des Versammlungszwecks gerichteten Handlungen ändern. […] Mit seinem Fußtritt beging der Bf. allerdings im Zuge seines schon zuvor begründeten Widerstands eine Gewalttätigkeit gegen den Einsatzleiter, der ihn aus der Versammlung entfernen wollte und im Zeitpunkt des Tritts schon entfernt hatte. Die Tätlichkeit war eine Reaktion auf die nach Auffassung des Bf. rechtswidrige Maßnahme des Polizeibeamten und stand mit dem Zweck der Versammlung als solcher oder der Art ihrer beabsichtigten Durchführung in keinem inhaltlichen Zusammenhang“ (BVerfG [K] NVwZ 2007, 1180 (1181) – ohne die Hervorhebungen).

d) Im Übrigen umfassende Selbstbestimmung

Unter den genannten Voraussetzungen sind von Art. 8 alle Verhaltensweisen geschützt, die mit der Versammlung in unmittelbarem sachlichem Zusammenhang stehen. Hierzu gehören insbes. die freie Entscheidung über die Teilnahme an oder das Fernbleiben von einer Versammlung sowie das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung; daraus resultiert zugleich ein Recht zur Mitbenutzung öffentlicher Straßen und Wege (vgl. BVerfGE 73, 206 (249); 128, 226 (250 f.)). Außerhalb des öffentlichen Straßenraums verbürgt Art. 8 die Durchführung von Versammlungen dort, wo „in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen“ (BVerfGE 128, 226 (252) – Fraport). Ein solcher „Ort allgemeinen kommunikativen Verkehrs“ ist etwa ein Flughafen, soweit er „der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich“ ist und dem Leitbild des öffentlichen Forums entspricht, welches dadurch charakterisiert ist, „dass auf ihm eine Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden kann und hierdurch ein vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht entsteht“ (BVerfGE 128, 226 (252 f.); vgl. ferner BVerfG [K] NJW 2015, 2485: „Raum des Flanierens, des Verweilens und der Begegnung“). Steht der beabsichtigte Ort der Versammlung im Eigentum Privater, ist die Versammlungsfreiheit im Wege der mittelbaren Drittwirkung (Vor Art. 1 Rn. 24) zu beachten. Unbeschadet ihrer eigenen Grundrechte können Private damit „auch ähnlich oder auch genauso weit wie der Staat […] in Pflicht genommen werden, insbesondere, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Plichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat“ (BVerfG [K] NJW 2015, 2485 (2486); vgl. auch bereits BVerfGE 128, 226 (248)). In den Schutzbereich des Art. 8 I fällt „der gesamte Vorgang des Sich-Versammelns“ (BVerfGE 84, 203 (209); 140, 225 (228); BVerfG [K] NVwZ-RR 2010, 625 (626)). Geschützt ist „das Interesse des Veranstalters, auf einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen, also gerade auch durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort“ (BVerfG [K] NJW 2007, 2167 (2169); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2015, 2485 (2486) sowie bereits BVerfGE 69, 315 (323 und 365)). In den Schutz des Grundrechts einbezogen sind ferner der Zugang zur Versammlung sowie die Organisationsmaßnahmen, die zur Veranstaltung einer Versammlung nötig sind, wie etwa das Versenden von Einladungen oder Versammlungsaufrufe über das Internet (vgl. BVerfG [K] NJW 2015, 2485 (2486)). Umfasst ist auch die Verwendung von Lautsprechern oder Megaphonen als Hilfsmitteln (BVerfG [K] NVwZ 2014, 1453).

2. Personeller Schutzbereich

Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit steht allen Deutschen iSd Art. 116 zu. Nach § 1 VersG hat dagegen „jedermann“ das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Damit ist der personelle Schutzbereich von Art. 8 enger als der einfachgesetzliche des VersG, welches gem. Art. 125a I 1 fortgilt, sofern ein Land nicht von der Ersetzungsmöglichkeit infolge der Änderung des Art. 74 I Nr. 3 aF (s. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 28.8.2006, BGBl. I 2034) Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 128, 226 (257); VerfGH Bln NVwZ-RR 2014, 577 (578 f.); Schaks Iurratio 2013, 138 (140)). Ausländer und Staatenlose müssen auf Art. 2 I zurückgreifen. Eine Ausweitung des Schutzbereichs kommt mit Blick auf den Wortlaut von Art. 8 auch dann nicht in Betracht, wenn es um EU-Ausländer geht (vgl. Vor Art. 1 Rn. 36 ff.). Die kollektive Grundrechtsausübung ist kennzeichnend für die auf Kommunikation angelegte Entfaltung iSv Art. 8 I. Häufig treten Personenvereinigungen als Veranstalter von Versammlungen auf; Personenvereinigungen, die keine juristische Personen sind, unterfallen dem Schutz durch Art. 8 I, „sofern sie eine festgefügte Struktur haben und auf gewisse Dauer angelegt sind“ (BVerfGE 122, 342 (355); vgl. auch bereits BVerfGE 69, 315 (342 f.)).

III. Eingriffe

Eingriffe in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit sind alle Maßnahmen, welche die geschützten Verhaltensweisen regeln, etwa Verbote, Auflagen, Auflösungen, Erlaubnis- oder Anmeldepflichten. Das Gleiche gilt für die Anknüpfung staatlicher Sanktionen wie die Verhängung von Geldbußen an die Grundrechtsausübung (vgl. dazu etwa BVerfGE 87, 399 (406 ff.); 122, 342 (363 ff.); BVerfG [K] NVwZ 2007, 1183 (1184 f.)). Zudem stellen auch mittelbare Beeinträchtigungen, die in ihrer Wirkung imperativen Eingriffen gleich- oder zumindest nahekommen (vgl. Vor Art. 1 Rn. 47 ff.), Eingriffe dar. Dies kann etwa bei der Behinderung der Anfahrt zur Versammlung oder schleppenden vorbeugenden Kontrollen ebenso der Fall sein wie bei „abschreckender“ Observation und Registrierung (vgl. BVerfGE 69, 315 (349), unter Bezugnahme auf BVerfGE 65, 1 (43); 122, 342 (368 ff.) hinsichtlich Übersichtsaufzeichnungen; BVerfG [K] NVwZ-RR 2010, 625 (626) bzgl. der Durchsuchung aller Teilnehmer vor Beginn einer Versammlung; dagegen darauf abstellend, ob sich solche Maßnahmen gegen die Versammlungsteilnehmer in gerade dieser Eigenschaft richten, Bäumler JZ 1986, 469 (471 f.), sowie BVerfGE 150, 224 (295 f.) betr. die automatisierte Erkennung von Kfz-Kennzeichen) oder im Fall einer Pressemitteilung eines Bundesministeriums, die als Boykottaufruf einer Demonstration verstanden werden könnte (BVerfGE 140, 225 (228)). Ein Kostenbescheid für den Erlass versammlungsrechtlicher Auflagen stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar, weil aus Anlass einer Versammlung erhobene Gebühren die Versammlungsdurchführung erschweren und ggf. Grundrechtsberechtigte von der Ausübung dieses Grundrechts abhalten können (BVerfG [K] NVwZ 2008, 414). „Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Eingriffen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, daß der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt. Auch bei solchen Eingriffen haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist“ (BVerfGE 69, 315 (349) – ohne die Hervorhebungen).

IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

1. Versammlungen unter freiem Himmel

a) Gesetzesvorbehalt

Art. 8 II enthält einen Gesetzesvorbehalt für Versammlungen unter freiem Himmel, da diese aufgrund des räumlichen Außenweltkontaktes grds. ein höheres Gefahrenpotential aufweisen als Versammlungen in von der Öffentlichkeit abgeschiedenen Räumen. Der Begriff der „Versammlung unter freiem Himmel“ ist „nicht in einem engen Sinne als Verweis auf einen nicht überdachten Veranstaltungsort“ zu verstehen (BVerfGE 128, 226 (255 f.)). Nach dem Urt. des BVerfG v. 22.2.2011 zur Versammlungsfreiheit im Flughafen Frankfurt a. M. sind „Versammlungen an Orten allgemeinen kommunikativen Verkehrs“ Versammlungen unter freiem Himmel iSv Art. 8 II und unterliegen daher dem Gesetzesvorbehalt. „Dies gilt unabhängig davon, ob die der Allgemeinheit geöffneten Orte als solche in der freien Natur oder in geschlossenen Gebäuden liegen. Maßgeblich ist, dass Versammlungen an solchen Orten ihrerseits in einem öffentlichen Raum, das heißt inmitten eines allgemeinen Publikumsverkehrs stattfinden und von diesem nicht räumlich getrennt sind“ (BVerfGE 128, 226 (255)).

Der Gesetzesvorbehalt hinsichtlich Versammlungen unter freiem Himmel wird für öffentliche, dh jedermann zugängliche Versammlungen vor allem durch das VersG ausgefüllt. Soweit dieses einschlägige Regelungen enthält, verbietet es für öffentliche Versammlungen grds. den Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht („Polizeifestigkeit“) sowie das Straßenverkehrsrecht. Allerdings kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 III VersG aus Verhältnismäßigkeitsgründen (vgl. Vor Art. 1 Rn. 60 ff.) ein Rückgriff auf polizeiliche Standardmaßnahmen als „Minus-Maßnahmen“ zulässig oder gar geboten sein (vgl. BVerwGE 64, 55 (57 f.); Schaks Iurratio 2013, 138 (142)). Maßnahmen, welche die Teilnahme an einer Versammlung beenden – wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme – sind jedoch rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gem. § 15 III VersG aufgelöst oder der betr. Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (BVerfG [K] NVwZ 2007, 1180 (1182)).

b) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Von besonderer Wichtigkeit für die Rechtfertigung von Eingriffen in Art. 8 ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu Vor Art. 1 Rn. 60 ff.; ferner Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 87 Rn. 1 ff.). Aus diesem ergibt sich etwa, dass Verbote und Auflösungen nach § 15 VersG aufgrund der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit im Grundsatz nicht schon bei jeder Gefährdung der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (vgl. § 15 I und III VersG) erfolgen können, sondern nur zum Schutz von Rechtsgütern, die der Bedeutung des Art. 8 I gleichwertig sind und deren Gefährdung „unmittelbar“ ist, dh auf erkennbaren Umständen beruht (BVerfGE 69, 315 (352 ff.); BVerfG [K] NJW 2001, 1409 (1410)). „Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus“ (BVerfG [K] NJW 2010, 141 (142)). Genauso wenig genügen im Allgemeinen bloße Gefährdungen der öffentlichen Ordnung (BVerfGE 69, 315 (353); 111, 147 (158 f.)); letztere können aber Auflagen legitimieren (s. BVerfG [K] NJW 2001, 1409 (1410) – „Holocaust-Gedenktag“; vgl. auch BVerwG NVwZ 2014, 883 ff.), wobei die Abgrenzung zuweilen schwierig sein kann (vgl. BVerwG NVwZ 2014, 883 (884)). Überdies ist zu beachten, dass Verbote und Auflösungen nur als ultima ratio in Betracht kommen und zuvor mildere Mittel, insbes. Auflagenerteilungen, ausgeschöpft worden sein müssen. „Der Staat ist durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gehalten, die Grundrechtsausübung möglichst vor Störungen und Ausschreitungen Dritter zu schützen und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten, um die Durchführung der Versammlung zu ermöglichen […]. Gegen die Versammlung selbst darf in solchen Fällen nur ausnahmsweise, und zwar nur unter den besonderen Voraussetzungen des so genannten polizeilichen Notstandes eingeschritten werden […]. Vorausgesetzt ist, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte Mittel und Kräfte verfügt, um die gefährdeten Rechtsgüter wirksam zu schützen“ (BVerfG [K] NVwZ 2006, 1049 f. mwN; vgl. auch BVerfG [K] NVwZ-RR 2010, 625 (626)). Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit haben zudem Kooperationsbemühungen der Behörden bzw. der Veranstalter im Vorfeld der Versammlungsdurchführung (s. dazu BVerfGE 69, 315 (355 ff., insbes. 356 f.); BVerfG [K] NJW 2001, 2078 f.). Die Vorratsdatenspeicherung in Gestalt von Übersichtsaufzeichnungen ist nur zulässig, wenn sie einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Es müssen „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von der Versammlung erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen“ (BVerfGE 122, 342 (372)). Die „besondere Störanfälligkeit eines Flughafens in seiner primären Funktion als Stätte zur Abwicklung des Luftverkehrs“ rechtfertigt „Einschränkungen, die nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit im öffentlichen Straßenraum nicht hingenommen werden müssten“ (BVerfGE 128, 226 (262)).

c) Anzeigepflicht

Gem. § 14 I VersG muss jeder, der die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anmelden. „Die Anmeldepflicht gilt nur für Versammlungen unter freiem Himmel, weil diese wegen ihrer Außenwirkungen vielfach besondere Vorkehrungen erfordern. Die mit der Anmeldung verbundenen Angaben sollen den Behörden die notwendigen Informationen vermitteln, damit sie sich ein Bild darüber machen können, was einerseits zum möglichst störungsfreien Verlauf der Veranstaltung an Verkehrsregelungen und sonstigen Maßnahmen veranlaßt werden muß und was andererseits im Interesse Dritter sowie im Gemeinschaftsinteresse erforderlich ist und wie beides aufeinander abgestimmt werden kann“ (BVerfGE 69, 315 (350)). Die Anzeigepflicht des § 14 VersG (vgl. auch § 15 III Var. 1 VersG) begegnet jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken, da bei ihrer strikten Befolgung sog. Spontan- oder Eilversammlungen praktisch unmöglich würden. Das BVerfG legt § 14 VersG verfassungskonform dahin gehend aus, dass für Eilversammlungen eine verkürzte, für Spontanversammlungen gar keine Anmeldefrist besteht (BVerfGE 69, 315 (351); 85, 69 (75); BVerfG [K] NVwZ 2012, 818 (820); aA im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 8 I [„ohne Anmeldung“] Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 63 f.). Auf Spontanversammlungen, die aus aktuellem Anlass ungeplant und ohne Veranstalter gebildet werden, sind versammlungsrechtliche Bestimmungen nicht anwendbar, soweit der mit der Spontanveranstaltung verfolgte Zweck bei Einhaltung dieser Vorschriften nicht erreicht werden könnte. Für ihre Anerkennung trotz Nichtbeachtung solcher Normen spricht, dass Art. 8 I grds. die Freiheit garantiert, sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis“ zu versammeln. Dieses Recht kann zwar gem. Art. 8 II für Versammlungen unter freiem Himmel auf der Grundlage eines Gesetzes beschränkt werden; solche Beschränkungen dürfen jedoch die Gewährleistung des Art. 8 I „nicht gänzlich für bestimmte Typen von Veranstaltungen außer Geltung setzen“ (BVerfGE 69, 315 (350 f.)). Im Gegensatz zu Spontanversammlungen sind Eilversammlungen dadurch gekennzeichnet, dass zwar nicht ihre Anmeldung überhaupt, aber die Fristwahrung unmöglich ist. Sie sind aufgrund verfassungskonformer Interpretation des § 14 VersG „anzumelden, sobald die Möglichkeit dazu besteht. Regelmäßig wird das etwa zeitgleich mit dem Entschluß, eine Versammlung zu veranstalten, spätestens mit dessen Bekanntgabe der Fall sein“ (BVerfGE 85, 69 (75)).

d) Verbot von Versammlungen mit rechtsextremistischem Hintergrund

Problematisch ist die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Verboten von Versammlungen mit rechtsextremistischem Hintergrund. Vor allem das OVG NRW ist der Ansicht, dass die Wertungen der Art. 9 II, 18, 21 II, 20 IV und 79 III als Auslegungsmaßstab für § 15 VersG bzw. als verfassungsimmanente Schranken Verbote von Versammlungen, die durch ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus motiviert sind, auch unterhalb der Schwelle strafbarer Handlungen oder von Art. 18 S. 2 und Art. 21 II rechtfertigen können (s. ausf. OVG NRW NJW 2001, 2111 f.; 2113 f.; 2114 f.; 2986 f.). Dagegen ist nach Auffassung des BVerfG für eine einengende Auslegung des § 15 VersG hinsichtlich der befürchteten Verbreitung neonazistischen Gedankenguts wesentlich, dass zur Abwehr von kommunikativen Angriffen auf Verfassungsgüter besondere Strafrechtsnormen (zB §§ 84 ff., 130 StGB) geschaffen wurden (s. etwa BVerfG [K] NJW 2001, 2069 (2071); 2072 (2074); unterhalb dieser Strafbarkeitsschwelle kommen nur Beeinträchtigungen der „öffentlichen Ordnung“ – etwa durch einschüchterndes oder provozierendes Auftreten oder die Wahl besonders symbolträchtiger Veranstaltungstage – in Betracht, deren Gefährdung allerdings im Allgemeinen nicht ein Verbot der Versammlung, sondern nur Auflagen als milderes Mittel zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfGE 111, 147 (154 ff. und 157 ff.); BVerfG [K] NJW 2001, 1409 (1410 f.); 2069 (2071 f.); 2072 (2074); 2076 (2077 f.); NVwZ 2002, 983 f.). Das BVerfG stellte klar, dass der „Inhalt einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, […] auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden“ kann, „die das Grundrecht des Art. 8 beschränken“ (BVerfGE 111, 147 (155); vgl. auch BVerfGE 90, 241 (246); Schaks ZJS 2014, 682 f.). Der Gesetzgeber hat „in seiner Rechtsordnung, insbesondere in den Strafgesetzen, Meinungsäußerungen nur dann beschränkt, wenn sie zugleich sonstige Rechtsgüter – etwa die Menschenwürde oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht – verletzen. Unter diesen Voraussetzungen dient die Strafrechtsordnung auch der Bekämpfung solcher Rechtsgutverletzungen, die durch antisemitische oder rassistische Äußerungen erfolgen. Werden die entsprechenden Strafgesetze durch Meinungsäußerungen missachtet, so liegt darin zugleich eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit; eine so begründete Gefahr kann durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt die Durchführung von Versammlungen, ermöglicht jedoch nicht Rechtsgutverletzungen, die außerhalb von Versammlungen unterbunden werden dürfen. Die in § 15 Abs. 1 VersG enthaltene, auf den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG bezogene Ermächtigung darf andererseits aber nicht zu einer Ausweitung der in der Rechtsordnung enthaltenen Schranken des Inhalts von Meinungsäußerungen führen“ (BVerfGE 111, 147 (156) – ohne die Hervorhebungen).

2. Versammlungen in geschlossenen Räumen

Versammlungen in geschlossenen Räumen sind – mit der in Art. 17a I geregelten Ausnahme für Wehr- und Ersatzdienstleistende – vorbehaltlos gewährleistet und können daher nur zugunsten kollidierenden Verfassungsrechts (vgl. Vor Art. 1 Rn. 53) eingeschränkt werden: „Der Heranziehung der in Rede stehenden Ermächtigungsgrundlage steht auch nicht der Umstand entgegen, daß Art. 8 GG in seinem Absatz 2 einen Gesetzesvorbehalt lediglich für Versammlungen unter freiem Himmel vorsieht, während die Versammlungsfreiheit für eine friedliche und waffenlose Versammlung in geschlossenen Räumen nach Art. 8 I GG vorbehaltlos gewährleistet ist. Dieser Schutz reicht nämlich nicht so weit, daß er überhaupt keine Einschränkungen zuließe. Vielmehr darf der Staat unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung selbst vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte einschließlich des Grundrechts aus Art. 8 I einschränken, wenn dies zum Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte notwendig ist […]. Insbesondere findet die Versammlungsfreiheit dort ihre Grenzen, wo die Ausübung dieses Grundrechts durch den Grundrechtsträger auf das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Menschen trifft“ (BVerwG NVwZ 1999, 991 (992) – ohne die Hervorhebungen). Die gleichwohl erforderliche gesetzliche Grundlage liefern insbes. die §§ 5 ff. VersG, soweit sie kollidierendes Verfassungsrecht konkretisieren (insoweit krit. zur Verfassungsmäßigkeit der Pflicht zur Bestellung eines Versammlungsleiters aus § 7 I VersG Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 81).