Artikel 90 [Bundesautobahnen und Bundesstraßen]
(1) 1 Der Bund bleibt Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. 2 Das Eigentum ist unveräußerlich.
(2) 1 Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. 2 Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. 3 Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes. 4 Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen. 5 Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen. 6 Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(3) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.
(4) Auf Antrag eines Landes kann der Bund die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung übernehmen.
I. Allgemeines
Art. 90 I legt fest, in wessen Eigentum die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs stehen. Art. 90 II, III und IV enthalten Regelungen über die Verwaltungszuständigkeit. Art. 90 ist durch Gesetz v. 13.7.2017 (BGBl. I 2347) neu gefasst worden. Die Neufassung sieht vor, dass die Bundesautobahnen nicht mehr wie bislang der Bundesauftragsverwaltung der Länder unterfallen, sondern gem. Art. 90 II in Bundesverwaltung geführt werden. Für die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs bleibt es gem. Art. 90 III wie bislang bei der Bundesauftragsverwaltung. Die Überführung der Bundesautobahnen in Bundesverwaltung soll bis 31.12.2020 abgeschlossen sein (Art. 143e Rn. 2). Nach Art. 90 IV ist es den Ländern zudem weiterhin möglich, die Bundesverwaltung für sonstige Bundesfernstraßen zu beantragen.
II. Bundeseigentum an Autobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs
Gem. Art. 90 I 1 ist der Bund privatrechtlicher Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Mit der Neufassung von Art. 90 I, der bislang den Übergang des Eigentums von früheren Reichsautobahnen und Reichsstraßen auf den Bund geregelt hatte, stellt der Gesetzgeber die bestehenden Eigentumsverhältnisse klar und nimmt eine Aktualisierung der Formulierung vor, die zuvor noch auf die Rechtsverhältnisse vor 1949 Bezug genommen hatte. Bundesstraßen des Fernverkehrs sind öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind (vgl. § 1 I 1 FStrG). Bundesautobahnen sind Bundesfernstraßen, die nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt und so angelegt sind, dass sie frei von höhengleichen Kreuzungen und für Zu- und Abfahrt mit besonderen Anschlussstellen ausgestattet sind (vgl. § 1 III 1 FStrG).
Art. 90 I 2 bestimmt, dass eine Eigentumsübertragung auf Dritte ausgeschlossen sein soll. Dies war nach früherer Rechtslage umstritten. Die Unveräußerlichkeit des Bundeseigentums bringt nun Art. 90 I 1 zum Ausdruck, wonach der Bund Eigentümer „bleibt“ (Sachs/Sachs Art. 90 Rn. 14; BeckOK GG/Remmert Art. 90 Rn. 6; v. Münch/Kunig/Bickenbach Art. 90 Rn. 26). Dem Bund soll es jedoch möglich sein, Dritten Nießbrauchsrechte oder Grunddienstbarkeiten einzuräumen (BT-Drs. 18/11131, 15; krit. Gröpl ZG 2017, 114 (115 f.)).
III. Bundesverwaltung der Bundesautobahnen
Vor der Grundgesetzesänderung waren die Bundesautobahnen Gegenstand der Bundesauftragsverwaltung. Mit der Neufassung der Bestimmung werden die Bundesautobahnen gem. Art. 90 II 1 in Bundesverwaltung überführt (zur Übergangsregelung → Art. 143e). Art. 90 II 1 ist eine anderweitige Regelung iSv Art. 30 Hs. 2 und Art. 83 Hs. 2. Er schreibt eine obligatorische Bundesverwaltung vor. Möglich ist eine unmittelbare Bundesverwaltung, aber auch eine mittelbare Bundesverwaltung (Sachs/Sachs Art. 90 Rn. 16). Der Bund erhält die alleinige Verantwortung für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und vermögensmäßige Verwaltung der Bundesautobahnen. Mit der Bundesverwaltung werden die Wahrnehmungs- und Sachkompetenz sowie die Finanzierungsverantwortung beim Bund zusammengeführt (BT-Drs. 18/11131, 15). Die aus der früheren Bundesauftragsverwaltung und der damit einhergegangenen geteilten Verantwortung zwischen Bund und Ländern herrührenden Probleme beim Neu- und Ausbau sowie bei der Instandhaltung der Autobahnen sollen damit beseitigt werden.
Die Bundesverwaltung der Bundesautobahnen kann entweder in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form erfolgen. Der Bund darf sich bei der Verwaltung der Bundesautobahnen nach Art. 90 II 2 einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Von dieser Möglichkeit hat der Bund mit der Errichtung der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen in Form einer GmbH Gebrauch gemacht (§ 2 I Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz – InfrGG, BGBl. 2017 I 3141; zul. geänd. BGBl. 2023 I Nr. 409). Dieser Gesellschaft werden die Planung, der Bau, der Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen übertragen (§ 1 I InfrGG). Sie steht gem. Art. 90 II 3 im unveräußerlichen Eigentum des Bundes. Da es sich bei Gesellschaftsanteilen um schuldrechtliche Vermögensrechte, nicht aber um Eigentum im sachenrechtlichen handelt, erweitert Art. 90 II 4 das Veräußerungsverbot und untersagt auch die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an einer derartigen Gesellschaft und an deren Tochtergesellschaften (BR-Drs. 769/1/16, 4). Die Rechts- und Fachaufsicht über die Infrastrukturgesellschaft soll ab dem 1.1.2021 das Fernstraßen-Bundesamt wahrnehmen. Diese Bundesoberbehörde soll im Übrigen für die Planung und Linienführung sowie für die Widmung von Bundesfernstraßen zuständig sein (§ 2 Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz – FStrBAG, BGBl. 2017 I 3143; zul. geänd. BGBl. 2021 I 1221).
Kooperationen zwischen der im Eigentum des Bundes stehenden Infrastrukturgesellschaft oder ihrer Tochtergesellschaften im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) werden durch Art. 90 II 5 nicht ausgeschlossen. Sie dürfen sich jedoch nicht auf das gesamte Bundesautobahnnetz, das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land, sofern dieses gemäß Art. 90 IV in Bundesverwaltung überführt worden ist (Rn. 9), oder wesentliche Teile davon erstrecken. Insbes. ist es möglich, dass der Bund Privaten die Befugnis zu Mautgebührenerhebung einräumt, sofern sich diese im Gegenzug zum Bau, zur Erhaltung, zum Betrieb und zur Finanzierung von Bundesautobahnen verpflichten. Entsprechende Regelungen sind im Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz vorgesehen (BGBl. 2006 I 49; zul. geänd. BGBl. 2019 I 1626).
Art. 90 II 6 überträgt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zur Regelung aus der Übertragung der Verwaltungskompetenz für Bundesautobahnen auf den Bund herrührenden Fragen. Diese Kompetenz erstreckt sich, ungeachtet ihrer systematischen Verortung in Art. 90 II, auch auf die Fragen, die aus der möglichen Bundesverwaltung für sonstige Bundesfernstraßen gem. Art. 90 IV ergebenden Fragen. Von seiner Kompetenz hat der Bund etwa durch das Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz (BGBl. 2017 I 3141), das Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz (BGBl. 2017 I 3143) sowie das entsprechende Überleitungsgesetz (Fernstraßen-Überleitungsgesetz – FernstrÜG, BGBl. 2017 I 3144) Gebrauch gemacht. Gesetze, die die Umwandlung der Bundesauftragsverwaltung in Bundesverwaltung regeln, bedürfen gem. Art. 143e I 2 der Zustimmung des BRats (Art. 143e Rn. 4). Soweit Gesetze Fragen der bereits in Bundesverwaltung überführten Bundesautobahnen oder sonstigen Bundesfernstraßen betreffen, bedürfen sie der Zustimmung nicht.
IV. Auftragsverwaltung der Länder
Nach Art. 90 III werden die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs weiterhin von den Ländern oder den nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften im Auftrag des Bundes verwaltet. Hierunter fallen alle nach Art. 90 I in Bundeseigentum stehenden Fernverkehrswege, die nicht Bundesautobahnen sind. Der Bereich der in Art. 90 III geregelten Verwaltungskompetenz reicht nicht weiter als die mit dieser Verwaltungskompetenz korrespondierende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 74 I Nr. 22 (BVerfGE 102, 167 (174)).
Die Auftragsverwaltung der Länder iSv Art. 85 umfasst sowohl die Hoheits- als auch die Vermögensverwaltung (BVerfGE 102, 167 (173)). Dazu zählen zB die Planung des Neu- und Umbaus von Bundesfernstraßen, die Erfüllung der Straßenbaulast, die Maßnahmen in Bezug auf den Rechtsstatus, die Benutzung und den Schutz der Straßen, die Behördenorganisation sowie die Straßenaufsicht (Sachs/Sachs Art. 90 Rn. 20). Träger der Verwaltung im Auftrag des Bundes können die Länder sein, aber auch die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften. Eine unmittelbare Aufgabenübertragung vom Bund auf Gemeinden oder Gemeindeverbände ist aber jedenfalls nach Art. 85 I 2 ausgeschlossen.
V. Übernahme von sonstigen Bundesfernstraßen in bundeseigene Verwaltung
Art. 90 IV eröffnet die Möglichkeit, auch die sonstigen Bundesfernstraßen auf dem Gebiet eines Landes auf dessen Antrag in bundeseigene Verwaltung zu überführen. Dabei steht es im Ermessen der BReg, ob sie dem Antrag eines Landes entsprechen will, die im Gebiet dieses Landes liegenden sonstigen Bundesfernstraßen in Bundesverwaltung zu übernehmen. Werden entsprechende Anträge jedoch bis zum 31.12.2018 gestellt, ist diesen Anträgen gem. Art. 143e II zwingend stattzugeben, dh, die Entscheidung steht nicht im Ermessen der BReg (Art. 143e Rn. 3).
Über die auf der Grundlage von Art. 90 IV begründeten Kompetenzen für eine bundeseigene Verwaltung hinaus besteht auch eine Verwaltungskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache für die Planung und Linienführung der sonstigen Bundesfernstraßen (BVerwGE 62, 342 (344 f.)).