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Artikel 5 [Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk-, Film-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit]

(1) 1 Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. 2 Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. 3 Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) 1 Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. 2 Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

I. Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit

1. Bedeutung der Freiheitsrechte aus Art. 5 I

Art. 5 I statuiert mehrere Freiheitsgrundrechte, nämlich die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit, deren besondere Bedeutung das BVerfG zu Recht regelmäßig hervorhebt. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung bildet „eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“, seine Bedeutung für die freiheitliche demokratische Grundordnung ist „schlechthin konstituierend“; letzteres gilt ebenso für die Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit (BVerfGE 7, 198 (208); 20, 56 (97); vgl. auch BVerfGE 117, 244 (258)). Die Informationsfreiheit ergänzt die übrigen Grundrechte des Art. 5 I aus der „Empfängerperspektive“ (BVerfGE 90, 27 (32)). Ferner wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit durch Art. 10, der die Privatheit des Kommunikationsverkehrs sichert (vgl. etwa BVerfGE 67, 157 (171); 85, 386 (395 f.); 100, 313 (365)), sowie Art. 8 ergänzt, welcher die Meinungskundgabe im öffentlichen Raum sicherstellt (BVerfGE 69, 315 (344 ff.)).

2. Meinungsfreiheit

a) Sachlicher Schutzbereich

aa) Begriff der „Meinung“

Meinung iSd Art. 5 I 1 Hs. 1 umfasst Werturteile jeglicher Thematik. Es können sowohl öffentliche als auch private Zwecke verfolgt werden (vgl. BVerfG [K] NVwZ 2016, 761 (762)). Entscheidend ist das Element „der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung“ (BVerfGE 61, 1 (8); ähnl. BVerfGE 85, 1 (14); BVerfG [K] NJW 2009, 3016 (3017); 2013, 217 (218)). Um staatlichem Meinungsrichtertum vorzubeugen, muss der Begriff der Meinung sehr weit ausgelegt werden („in dubio pro libertate“). Daher ist unerheblich, ob die jeweilige „Äußerung ‚wertvoll‘ oder ‚wertlos‘, ‚richtig‘ oder ‚falsch‘, emotional oder rational begründet ist“ (BVerfGE 61, 1 (7); vgl. ferner BVerfGE 33, 1 (14 f.); 124, 300 (320); BVerfG [K] NJW 2012, 1273; NJW 2016, 2643). Auch polemische und überspitzte Aussagen sind durch Art. 5 I 1 Hs. 1 erfasst (vgl. BVerfGE 85, 1 (15); 90, 241 (247); BVerfG [K] NJW 2010, 2193 (2194); 2014, 3357 (3358); NVwZ 2016, 761 (762); NVwZ 2019, 719 (720)). In den Grundrechtsschutz einbezogen sind ferner „Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien“ (BVerfGE 124, 300 (320)). Selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts „als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung“ fällt nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (BVerfG [K] NJW 2012, 1498 (1499)).

Wirtschaftswerbung ist jedenfalls dann vom Schutzbereich erfasst, wenn sie einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat (BVerfGE 71, 162 (175); 95, 173 (182); 102, 347 (359); BVerfG [K] NJW 2015, 1438; anders noch BVerfGE 40, 371 (382)). Dies dürfte regelmäßig der Fall sein, da Werbung zumeist Werturteile über das angepriesene Produkt enthält. Boykottaufrufe sind geschützt, wenn sie durch die Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit motiviert sind (BVerfGE 25, 256 (264); 62, 230 (244)).

bb) Tatsachenbehauptungen

Ob auch Tatsachenbehauptungen von der Meinungsfreiheit umfasst sind, ist seit langem umstr. (zum Streitstand v. Münch/Kunig/Wendt Art. 5 Rn. 25 f.). Nach der Rspr. des BVerfG stellt die Mitteilung einer Tatsache im strengen Sinne keine Meinungsäußerung dar, weil es ihr grds. an den zuvor genannten Merkmalen fehlt; dennoch ist eine Tatsachenbehauptung durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, „soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen ist“ (BVerfGE 61, 1 (8); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2011, 47 (48); 2013, 217 (218)). Ausschlaggebendes Kriterium für den Schutz der Tatsachenbehauptung durch Art. 5 I 1 Hs. 1 ist die Wahrheit der Tatsachenbehauptung. Erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht erfasst, da die unrichtige Information nichts zum Meinungsbildungsprozess beitragen kann (BVerfGE 54, 208 (219); 85, 1 (15); BVerfG [K] DVBl 2009, 1166 (1167); NJW 2012, 1273; krit. etwa Köhler NJW 1985, 2389 (2390)). Dasselbe gilt für das unrichtige Zitat (BVerfGE 54, 208 (219)). Allerdings dürfen an die Wahrheitspflicht im Interesse des Meinungskampfes keine Anforderungen gestellt werden, welche die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts schmälern (BVerfGE 85, 1 (17, 22); 90, 241 (248); 99, 185 (197 f.)). Ein Beispiel für eine nicht von der Meinungsfreiheit gedeckte, unwahre Tatsachenbehauptung ist die Leugnung der Judenverfolgung im „Dritten Reich“ (vgl. BVerfGE 90, 241 (247 ff.)). Schlichte Auskünfte, soweit sie in keiner Weise Ausdruck der persönlichen Haltung sind wie etwa statistische Angaben, werden nicht erfasst. Insoweit ist der Auskunft erteilende Grundrechtsträger allein auf seine in Art. 2 I geschützte allgemeine Handlungsfreiheit verwiesen (BVerfGE 65, 1 (41)).

„Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig sein, vor allem deswegen, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden“ (BVerfGE 85, 1 (15 f.) – ohne die Hervorhebungen).

cc) Formalbeleidigungen und Schmähkritik

Selbst beleidigende Meinungen sind geschützt, da die Grundrechtsschranke des Art. 5 II („Recht der persönlichen Ehre“) anderenfalls gegenstandslos wäre (BVerfGE 33, 1 (15)). Dabei gelten jedoch Besonderheiten: Formalbeleidigungen und Schmähkritiken sind Meinungsäußerungen, bei denen nicht die sachliche Auseinandersetzung, sondern die persönliche Diffamierung des Adressaten im Vordergrund steht. In diesen Fällen tritt „die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück“; eine alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigende fallbezogene Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist entbehrlich (BVerfGE 93, 266 (294); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2016, 2870; NJW 2017, 1460; NVwZ 2019, 719 (720)). Weil Formalbeleidigung und Schmähkritik damit aber „faktisch aus dem Gewährleistungsbereich der Meinungsfreiheit ausgeschlossen werden“ (BVerfG [K] NVwZ 2019, 719 (720); vgl. auch BVerfG [K] NZA 2018, 924: „Schmähkritik genießt nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht den Schutz von Art. 5 I 1 GG“), wendet das BVerfG hinsichtlich ihres Vorliegens strenge Maßstäbe an (vgl. etwa BVerfG [K] NJW 2016, 2870 (2871); NJW 2017, 1460 f.; NVwZ 2019, 719 (720); vgl. auch bereits BVerfGE 93, 266 (294)). Die Qualifizierung einer Äußerung als Schmähkritik setzt danach voraus, dass das sachliche Anliegen durch die persönliche Kränkung „völlig in den Hintergrund“ gedrängt wird (BVerfGE 93, 266 (303); BVerfG [K] NZA 2018, 924). Dabei sind regelmäßig auch „Anlass und Kontext“ der Äußerung zu berücksichtigen (BVerfG [K] NVwZ 2019, 719 (720)). Nach der Rspr. des BVerfG muss die Annahme einer Schmähung wegen des typischerweise mit ihr verbundenen Unterbleibens einer Abwägung also ein eng zu verstehender Sonderfall bleiben (BVerfG [K] NJW 2016, 2870 (2871); 2017, 1460 (1461); vgl. auch NJW 2014, 3357 (3358)). Auch eine Formalbeleidigung wird nur in Ausnahmefällen angenommen, etwa bei der Bezeichnung eines Menschen als „Krüppel“ (vgl. BVerfGE 86, 1 (13 f.)). Klare Abgrenzungskriterien lässt die Rspr. des BVerfG nicht erkennen (s. dazu DHS/Grabenwarter Art. 5 I, II Rn. 62). Dabei ist die unrichtige Einordnung bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung folgenreich: „Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind“ (BVerfG [K] NJW 2012, 3712 (3713); 2013, 3021).

dd) Geschützte Verhaltensweisen

Die Meinungsfreiheit ist ein klassisches Abwehrrecht (Vor Art. 1 Rn. 11 ff.). Gem. Art. 5 I 1 Hs. 1 hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die Begriffe „Wort, Schrift und Bild“ sind weit auszulegen. Jede Form der Meinungskundgabe ist erfasst, soweit sie sich auf eine geistige Auseinandersetzung beschränkt und nicht darauf abzielt, dem Adressaten die Meinung aufzuzwingen, etwa durch wirtschaftlichen Druck (vgl. BVerfGE 25, 256 (265)). Da Friedlichkeit und Gewaltlosigkeit Tatbestandsvoraussetzungen jeglicher Grundrechtsbetätigung sind und die Meinungsfreiheit den geistigen Meinungskampf zu fördern bestimmt ist, kann insbes. die gewaltsame Meinungsäußerung keinen Schutz durch Art. 5 I 1 Hs. 1 beanspruchen (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 35). Erfasst ist auch das gesungene Wort (Nationalhymne) sowie die durch Tonträger verbreitete Rede („geronnener Schall“, vgl. etwa DHS/Grabenwarter Art. 5 I, II Rn. 91; Verweyen/Puhlmann/Zimmer GRUR-RR 2013, 372 (378)). Ebenso können Ort und Zeitpunkt der Äußerung frei gewählt werden (BVerfGE 93, 266 (289)).

Um einen umfassenden Schutz zu gewähren, muss auch die Freiheit, seine Meinung nicht zu äußern oder zu verbreiten, geschützt sein, ebenso die Freiheit, eine fremde Meinung nicht zu verbreiten. Man spricht insoweit von „negativer“ Meinungsfreiheit (BVerfGE 65, 1 (40)). Wird einem Grundrechtsberechtigten die Verbreitung einer fremden Meinung als eigene zugemutet, so ist die Freiheit der Meinungsäußerung berührt. Dagegen verbietet dieses Grundrecht nach Ansicht des BVerfG nicht die Verpflichtung, fremde Meinungen, insbes. solcher von Hoheitsträgern, als fremde Meinung erkennbar zu verbreiten (BVerfGE 95, 173 (182); s. jedoch zur Novellierung der Warnhinweispflicht für Tabakerzeugnisse Hardach/Ludwigs DÖV 2007, 288 ff.). Freilich können insoweit ggf. auch die in Art. 12 I gewährleistete Berufsfreiheit bzw. die durch Art. 5 I 2 Var. 1 geschützte Pressefreiheit zur Anwendung kommen.

Zur Abgrenzung von Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit stellte das BVerfG fest: „Staatliche Beschränkungen des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung betreffen den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Ihre Rechtfertigung finden sie, auch wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolgt, in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG […]. Demgegenüber schützt Art. 8 Abs. 1 GG die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen […]. Der Schutzbereich dieser Grundrechtsnorm ist betroffen, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst oder die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird“ (BVerfGE 111, 147 (154 f.)).

b) Personeller Schutzbereich

Jede natürliche Person, unabhängig von Alter (HStR VII/Schmidt-Jorzig § 162 Rn. 16) und Staatsangehörigkeit, ist Trägerin der Meinungsfreiheit. Dagegen findet etwa das Rederecht des Abgeordneten nicht in Art. 5 I 1 Hs. 1 grundrechtlichen Schutz, sondern wird über Art. 38 I 2 garantiert. Die Meinungsfreiheit ist auf inländische juristische Personen des Privatrechts gem. Art. 19 III anwendbar (Stern III/1, 1116 ff.), nach der Rspr. des BVerfG auch auf juristische Personen des Privatrechts mit einem Sitz im EU-Ausland als Folge einer „Anwendungserweiterung“ des Art. 19 III (näher Art. 19 Rn. 18). Juristische Personen des öffentlichen Rechts können zwar Meinungen innerhalb der ihnen zugeordneten Kompetenzen verbreiten, sich jedoch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 14; vgl. speziell zur Öffentlichkeitsarbeit der Justiz Lehr NJW 2013, 728 ff.). Dasselbe gilt auch für grundrechtsdienende juristische Personen des öffentlichen Rechts, namentlich Universitäten, Rundfunkanstalten und Religionsgemeinschaften. „Diese genießen zwar auch grundrechtliche Meinungsfreiheit, aber nicht aus Art. 5 I 1, sondern vermöge des Spezialgrundrechts, das ihnen die Grundrechtsträgerschaft eröffnet (Religionsausübung, Rundfunkfreiheit, Wissenschaftsfreiheit)“ (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 43).

c) Eingriffe

Zu den Eingriffen gehören Verbote, Meinungen zu äußern oder zu verbreiten, sowie faktische oder bloß mittelbare Beeinträchtigungen (vgl. Vor Art. 1 Rn. 48 f.). Hierzu zählen etwa Auflagen zum Umgang mit der Presse (BVerfGE 85, 248 (263)) oder die Postkontrolle bei Strafgefangenen (BVerfGE 33, 1 (14 ff.)). Ein besonders intensiver Eingriff ist die strafrechtliche Sanktion einer Meinungsäußerung (vgl. BVerfGE 44, 197 (201 ff.); 93, 266 (292 ff.); 124, 300 (321)) wie zB durch § 185 StGB (s. hierzu BVerfG [K] NJW 2014, 3357 f.) oder § 130 IV StGB. Die („negative“) Meinungsfreiheit ist auch dann beeinträchtigt, wenn eine Verpflichtung zur Verbreitung einer fremden Meinung als fremde und nicht als eigene Auffassung auferlegt wird (zB Gesundheitswarnungen auf Zigarettenverpackungen im Namen der EU-Gesundheitsminister, vgl. Di Fabio NJW 1997, 2863 f.; aA BVerfGE 95, 173 (181)). Die Beschränkung der freien Meinungsäußerung bei der Nutzung einer öffentlichen Straße stellt jedenfalls dann einen Eingriff dar, wenn der Verkehr nicht behindert wird, die Meinung also bei Gelegenheit der Nutzung der Straße geäußert wird. Eine Beeinträchtigung über die Verweigerung entspr. Teilhabe muss insoweit nicht konstruiert werden (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 16).

3. Informationsfreiheit

a) Schutzbereich

Die Informationsfreiheit bildet das Komplementärgrundrecht zur Meinungsfreiheit. Unter „Quellen“ iSd Art. 5 I 1 Hs. 2 sind alle Quellen von Informationen zu verstehen unabhängig davon, ob die Informationen eher Meinungen bzw. Tatsachen enthalten oder ob sie öffentliche oder private Angelegenheiten betreffen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 22). Geschützt sind auch die Information selbst sowie Sachverständige (BGH NJW 1978, 751 (753)), ebenso das betroffene Ereignis, etwa ein Verkehrsunfall (BVerfGE 103, 44 (60)).

Die Informationsquelle ist „allgemein zugänglich“, wenn sie „technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“ (BVerfGE 27, 71 (83); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2013, 2180 (2181); BVerwG NJW 2014, 1126 (1127)). Dazu gehören insbes. Zeitungen, der Radio- und Fernsehrundfunk und das Internet. Weiterhin ist auch die Installation einer Satellitenantenne zum Empfang ausländischer Sender vom Grundrecht der Informationsfreiheit gedeckt (BVerfGE 90, 27 (32 f.)). Nicht allgemein zugänglich sind dagegen private oder betriebliche Aufzeichnungen sowie Verwaltungs- und Gerichtsakten, soweit sie nicht in öffentlichen Archiven lagern. „Über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung entscheidet, wer nach der Rechtsordnung über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfügt. Die Ausübung dieses Rechts ist für Dritte keine Beschränkung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG“ (BVerfGE 103, 44 (60)).

Art. 5 I 1 Hs. 2 schützt als Abwehrrecht (Vor Art. 1 Rn. 11 ff.) nicht nur ein aktives Handeln zur Informationsverschaffung, sondern auch die schlichte Entgegennahme von Informationen (BVerfGE 27, 71 (82)). Die Informationsbeschaffung durch Einschleichen fällt schon deshalb aus den Schutzbereich, weil die Informationsquelle dann nicht allgemein zugänglich ist (BVerfGE 66, 116 (137)). Gleichfalls vom Schutzbereich erfasst ist die Freiheit, staatliche Informationen nicht zur Kenntnis zu nehmen („negative“ Informationsfreiheit). Es besteht aber kein positiver Anspruch auf Schutz vor aufgedrängten Informationen durch Private, bspw. durch einen nahen Demonstrationszug. Ebenso wenig begründet die Informationsfreiheit einen Anspruch auf Eröffnung einer Informationsquelle, etwa durch Sicherstellung der Übertragbarkeit von Gerichtsverhandlungen (BVerfGE 103, 44 (60)). Jedoch bestehen im Bund und in den Ländern Gesetze, die weitergehende Informationsansprüche gewähren (Informationsfreiheitsgesetze, Pressegesetze; s. zum Informationsfreiheitsrecht etwa BVerfGE 145, 365 ff.; Fehling DVBl 2017, 79 ff.; Schoch NVwZ 2017, 97 ff.). Die Informationsfreiheit kann auch eine mittelbare Drittwirkung zwischen Privaten (Vor Art. 1 Rn. 24) entfalten. So soll nach Auffassung des BVerfG der Vermieter die Montage einer Parabolantenne durch den Mieter nicht verbieten dürfen, wenn die Wohnung über keinen Kabelanschluss verfügt (BVerfG [K] NJW 1993, 1252 (1253)); besteht ein Kabelanschluss, soll weiterhin das Interesse eines Ausländers am Empfang ausländischer Sender entscheidend sein (BVerfGE 90, 27 (36 f.)). Im Mietrechtsstreit muss die Informationsfreiheit des Mieters, der eine Parabolantenne an der Mietsache anbringen will, mit der Eigentumsfreiheit des Vermieters, der eine Beschädigung der Mietsache befürchtet, in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG [K] NJW 2013, 2180 ff.). Der personelle Schutzbereich der Informationsfreiheit entspricht dem der Meinungsfreiheit (Rn. 10).

b) Eingriffe

Ein Eingriff liegt in jeder Maßnahme, die den Zugang zur Information verwehrt oder auch nur verzögert (vgl. BVerfGE 27, 88 (98)). Die Vorenthaltung lediglich einer Informationsquelle greift ebenfalls in das Grundrecht ein, da dem Grundrechtsträger ein Auswahlrecht bezüglich mehrerer Quellen zusteht (BVerfGE 15, 288 (295 f.)). Die Erhebung eines Entgelts zur Nutzung der Informationsquelle, insbes. eine Rundfunkgebühr, beeinträchtigt die Informationsfreiheit hingegen nicht (BVerfG [K] NJW 2000, 649). Das gilt jedoch nur für herkömmliche, für den Empfang von Rundfunk konzipierte (monofunktionale) Geräte. Die Erhebung von Rundfunkgebühren auch für multifunktionale Empfangsgeräte wie internetfähige PC führt dagegen zu einem (wenn auch gerechtfertigten) Eingriff, da auf diese Weise eine „Zugangsschranke zu Informationsquellen außerhalb des Rundfunks“ errichtet wird (BVerwG NJW 2011, 946 (950); vgl. ferner BVerfG [K] NJW 2012, 3423). Die Informationsfreiheit ist nach Ansicht des BVerwG auch dann nicht beeinträchtigt, wenn dem Bürger der Zugang zu Verwaltungsvorschriften verwehrt wird (BVerwGE 61, 15 (22)).

4. Pressefreiheit

a) Sachlicher Schutzbereich

aa) Pressebegriff

„Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang“ (BVerfGE 20, 162 (174)). Vom Pressebegriff ieS sind alle zur Verbreitung bestimmten und geeigneten Druckerzeugnisse erfasst. Geschützt sind daher nicht nur klassische Presseerzeugnisse, wie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, sondern auch Flugblätter, Aufkleber und Plakate (BVerfGE 66, 116 (134)) sowie meinungsbildende Printwerbung (BVerfGE 107, 275 (280) – Benetton; Überblick zur diesbezüglichen Rspr. des BVerfG bei Faßbender GRUR-Int 2007, 965 (966 ff.)). Dies gilt ferner für gruppeninterne Druckerzeugnisse, bspw. Werkszeitungen (s. BVerfGE 95, 28 (35)). Die Verbreitung muss sich jedoch an einen unbestimmten Personenkreis richten; daher fällt der Einzeldruck nicht unter den Pressebegriff. Daneben werden aber auch Speichermedien wie CDs, CD-ROMs, Disketten und Schallplatten unter den Pressebegriff subsumiert (hL, s. etwa Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 34 mwN). Ferner können lesetextbetonte Online-Medien unter den Pressebegriff fallen (BVerfG [K] NJW 2012, 754 (755); 2012, 1205 (1206); 2017, 1537 (1538); vgl. Rn. 21). Die Pressefreiheit ist nicht auf die „seriöse“ Presse beschränkt, sondern steht auch der „Sensationspresse“ zu (BVerfGE 34, 269 (283)). Presseerzeugnisse sind ferner solche, die der Verbreitung eigener Meinungen, nicht nur der Berichterstattung dienen (BVerfGE 62, 230 (244)), sowie Unterhaltungszeitschriften (BVerfGE 101, 361 (389 f.)).

bb) Geschützte Verhaltensweisen

Der Schutz umfasst „die Pressetätigkeit in sämtlichen Aspekten. In seinem Zentrum steht die Freiheit der Gründung und Gestaltung von Presseerzeugnissen“ (BVerfGE 97, 125 (144); fast wortgleich BVerfG [K] NJW 2008, 1654 (1655)). Der Schutzbereich „reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen “ (BVerfGE 20, 162 (176) – ohne die Hervorhebungen; fast wortgleich BVerfGE 117, 244 (259)). Geschützt ist auch die Entscheidung, Presseberichte in (Online-)Archiven der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen (BVerfGE 152, 152 (200 f.)). Nicht von der Pressefreiheit gedeckt ist die Beschaffung von Informationen gegen den Willen des Informationsinhabers (BVerfGE 103, 44 (59 f.)). Dagegen fällt die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich. Anderenfalls „könnte die Kontrollaufgabe der Presse leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Mißstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen“; „ein gänzlicher Ausschluß der Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG“ würde „dazu führen, daß der Grundrechtsschutz von vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf“ (BVerfGE 66, 116 (137)). Zu den legitimen Aufgaben der Medien gehört es u. a., „Verfehlungen auch konkreter Personen aufzuzeigen“ (BVerfG [K] NJW 2012, 1500 (1501)). Geschützt sind ferner pressetechnische Hilfstätigkeiten, soweit sie „notwendige Bedingung des Funktionierens einer freien Presse“ sind (BVerfGE 77, 346 (354)). Auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit, insbes. das Vertrauensverhältnis zwischen Informanten und Journalisten, steht unter dem Schutz von Art. 5 I 2 Var. 1 (BVerfGE 20, 162 (176); 66, 116 (133); 117, 244 (259); BVerfG [K] NJW 2015, 3430). Die Pressefreiheit garantiert ferner den Zugang zu den Presseberufen (BVerfGE 20, 162 (175 f.)). Neben der primär abwehrrechtlichen Komponente enthält die Pressefreiheit eine objektiv-rechtliche Dimension (vgl. Vor Art. 1 Rn. 20 ff.), aus der das BVerfG eine staatliche Schutzpflicht gegenüber einem freien Pressewesen und die grds. Zulässigkeit staatlicher Maßnahmen zur Presseförderung ableitet (BVerfGE 20, 162 (175 f.)). „In dieser Eigenschaft erlegt das Grundrecht dem Staat eine Schutzpflicht für die Presse auf und bindet ihn bei allen Maßnahmen, die er zur Förderung der Presse ergreift. Daraus folgt allerdings für den einzelnen Träger der Pressefreiheit noch kein grundrechtlicher Anspruch auf staatliche Förderung“ (BVerfGE 80, 124 (133)). Die Grundrechtsträger der Pressefreiheit haben einen grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zu Gerichtsverfahren für eine freie Berichterstattung und ein subjektives Recht auf gleiche Teilhabe an den Berichterstattungsmöglichkeiten (BVerfG [K] NJW 2013, 1293 (1294) in Bezug auf das NSU-Verfahren vor dem OLG München). Zu der Beschaffung von Informationen gehört es bspw. auch, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, einschließlich der Namen der am Gerichtsverfahren beteiligten Personen, zu informieren (s. BVerwG NJW 2015, 807 (808 und 809 ff.) zu den Grenzen des Anspruchs aufgrund schutzwürdiger Interessen Dritter). Die sitzungspolizeiliche Anordnung eines Verbots der Bildaufnahme von Verfahrensbeteiligten für den Fall, dass diese die Aufnahme erkennbar abwehren, legt die Entscheidung über eine Bildberichterstattung ohne rechtfertigende Gründe allein in die Hände der Beteiligten und verletzt damit das Grundrecht aus Art. 5 I 2 Var. 1 (BVerfG [K] NJW 2017, 798). Jedoch können Fotojournalisten nicht beanspruchen, bei einer Opernpremiere mit allgemeinem Fotografierverbot eigene Fotografien fertigen zu dürfen (OVG NRW DVBl 2013, 927 f.). In einem vielbeachteten Urt. v. 20.2.2013 hat das BVerwG entschieden, dass die Länder durch ihre Pressegesetze nicht den Bundesnachrichtendienst zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichten können; die entsprechende Gesetzgebungskompetenz stehe dem Bund als Annex zur Sachmaterie „Bundesnachrichtendienst“ gem. Art. 73 I Nr. 1 zu (BVerwGE 146, 56 ff.; s. zu diesem Themenkreis Cornils DÖV 2013, 657 ff.; Germelmann DÖV 2013, 667 ff.; Partsch NJW 2013, 2858 ff.). Da der Bund von dieser Kompetenz bislang keinen Gebrauch gemacht habe und keine gesetzliche Grundlage für Auskunftsbegehren der Presse bestehe, ergebe sich ein Auskunftsanspruch unmittelbar aus Art. 5 I 2 (BVerwGE 146, 56 (62 ff.); beides offenlassend BVerfG [K] NVwZ 2016, 50 (51); s. zu den Grenzen des Auskunftsanspruchs BVerwGE 151, 348 (355 ff.); 154, 222 ff.). Für eine Verletzung der Pressefreiheit ist nach Ansicht des BVerfG jedenfalls dann nichts ersichtlich, solange ein den Presseangehörigen eingeräumter Auskunftsanspruch hinter dem Gehalt der Auskunftsansprüche der Landespressegesetze iE nicht zurückbleibt (BVerfG [K] NVwZ 2016, 50 (51)).

cc) Abgrenzung zur Meinungsfreiheit

Während die in einem Presseerzeugnis enthaltene Meinungsäußerung bereits durch Art. 5 I 1 Hs. 1 geschützt ist, geht es bei der Pressefreiheit „um die einzelne Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung“ (BVerfGE 85, 1 (12); fast wortgleich BVerfGE 97, 391 (400)). Daher bezieht sich der Schutz von Art. 5 I 2 Var. 1 auf die Voraussetzungen für den Kommunikationsprozess der Presse. „Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist daher berührt, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt geht“ (BVerfGE 85, 1 (12 f.)). Die Pressemeinung selbst wird also durch die Meinungsfreiheit geschützt, ihre pressespezifische Kommunikation dagegen von der Pressefreiheit (vgl. BVerfG [K] NJW 2012, 756; 2012, 1205 (1206)). Die Pressefreiheit ist kein Spezialgrundrecht gegenüber dem Recht auf freie Meinungsäußerung (vgl. BVerfGE 85, 1 (12)).

b) Personeller Schutzbereich

Grundrechtsträgerinnen sind alle natürlichen Personen, welche die geschützten Tätigkeiten ausüben. Die Pressefreiheit ist auf inländische juristische Personen des Privatrechts gem. Art. 19 III anwendbar (vgl. BVerfGE 21, 271 (277 f.); 66, 116 (130); BVerfG [K] NJW 2012, 754 f.), nach der Rspr. des BVerfG auch auf juristische Personen mit einem Sitz im EU-Ausland als Folge einer „Anwendungserweiterung“ des Art. 19 III (näher Art. 19 Rn. 18); auf eine berufsmäßige oder vorwiegende Betätigung im Pressewesen kommt es dabei nicht an (BVerfGE 95, 28 (35)). Geschützt sind jedenfalls Redakteure, Herausgeber, Verlage und Verlagsmitarbeiter mit wesentlichen Tätigkeiten, aber auch Buchhändler und Grossisten sowie Presseagenturen (s. dazu BVerfGE 25, 296 (304); 64, 108 (114 f.); 77, 346 (355)). Auch Minderjährige sind Träger der Pressefreiheit; die Herausgabe von Schülerzeitschriften ist dementsprechend von Art. 5 I 2 Var. 1 erfasst (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 38). Die Leserschaft ist dagegen nicht Trägerin der Pressefreiheit. Sie wird durch die Informationsfreiheit (Rn. 12 ff.) geschützt.

c) Eingriffe

Neben „klassischen Grundrechtseingriffen“, zu denen etwa Berufsausübungsverbote für Redakteure, die Durchsuchung von Redaktionsräumen und Beschlagnahme von Pressematerial gehören (BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (187); 117, 244 (259)), kommen auch faktische oder bloß mittelbare Beeinträchtigungen (vgl. Vor Art. 1 Rn. 48 f.) der Pressefreiheit in Betracht. So schränkt etwa der Hinweis im Verfassungsschutzbericht eines Landes auf den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen eines Presseverlags die Pressefreiheit ein (BVerfGE 113, 63 (75 ff.)). Auch die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung, insbes. wenn dies prominent auf dem Titelblatt zu erfolgen hat, stellt eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar (BVerfG [K] NJW 2014, 766 mwN; NJW 2018, 1596; NJW 2019, 419 (420)). Die Subventionierung eines Presseunternehmens ist ein Eingriff, wenn dadurch bestimmte Meinungen gefördert werden. „Staatliche Förderungen dürfen bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründet im Förderungsbereich für den Staat vielmehr eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Dieser Neutralitätspflicht des Staates entspricht auf seiten des Trägers der Pressefreiheit ein subjektives Abwehrrecht gegen die mit staatlichen Förderungsmaßnahmen etwa verbundenen inhaltslenkenden Wirkungen sowie ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb“ (BVerfGE 80, 124 (134) – ohne die Hervorhebung). Einen – nur ausnahmsweise gerechtfertigten – Eingriff in die Pressefreiheit stellt auch die zivilgerichtliche Verpflichtung eines Presseverlags dar, im Nachgang zu einem ursprünglich rechtmäßigen Bericht einen „Nachtrag“ über neu bekannt gewordene Umstände abzudrucken (BVerfG [K] NJW 2018, 2784 f.).

5. Rundfunkfreiheit

a) Sachlicher Schutzbereich

aa) Rundfunkbegriff

Rundfunk iSv Art. 5 I 2 Var. 2 umfasst Hör- wie Fernsehfunk und ist jede an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtete (drahtlose oder drahtgebundene) Übertragung von Gedankeninhalten durch elektromagnetische Wellen (v. Münch/Kunig/Wendt Art. 5 Rn. 98 f.). Daher sind auch Kabelhörfunk und -TV geschützt. Dem Rundfunk kommt unter den Medien „wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu. Meinungsbildung wird daher nur in dem Maß gelingen, wie der Rundfunk seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiert. Vom grundrechtlichen Schutz seiner Vermittlungsfunktion hängt folglich unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation die Erreichung des Normziels von Art. 5 Abs. 1 GG wesentlich ab“ (BVerfGE 90, 60 (87)). Der Rundfunk ist insbes. durch die elektromagnetische Verbreitungsform geprägt. Mittels dieser Ausstrahlungsmethode muss eine räumliche bzw. zeitliche Distanz zwischen Sender und Empfänger überwunden werden. Schließlich ist erforderlich, dass sich die kommunizierten Inhalte an einen individuell unbestimmten Personenkreis iSe (auch Teil-)Öffentlichkeit (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 90a) und nicht nur an bestimmte, im Vorhinein festgelegte Personen richten (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 47; aA HGR IV/Degenhart § 105 Rn. 29). Der Rundfunkbegriff ist entwicklungsoffen; unter ihn fallen daher ferner PayTV, Teleshopping und der Teletext sowie grds. auch mediale Internetdienste wie etwa „Online-Auftritte von Zeitungen, sofern sie nicht bloß die Druckversion zusätzlich als Pressesurrogat elektronisch verbreiten“ (Dreier/Schulze-Fielitz Art. 5 I, II Rn. 100; vgl. Rn. 16; vgl. auch BVerfGE 152, 152 (193 f.): „Die Einstellung eigener Berichte in ein Onlinearchiv oder sonst deren Zugänglichmachung über das Internet macht sie nicht schon deswegen zu ‚Rundfunk‘ im Sinne der Verfassung“; s. zur Abgrenzung auch Gersdorf BayVBl. 2015, 625 ff.; Eifert Jura 2015, 356 ff.). Wie bei der Pressefreiheit hängt der grundrechtliche Schutz des Rundfunks nicht von der Qualität der übertragenen Inhalte ab (vgl. BVerfGE 59, 231 (258)). Demgemäß umfasst der Schutz der in Art. 5 I 2 Var. 2 verfassungsrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit grds. jede Sendung (BVerfGE 35, 202 (223)).

bb) Geschützte Verhaltensweisen

Bei der Rundfunkfreiheit handelt es sich letztlich um ein Parallelgrundrecht zur Pressefreiheit. Wie bei der Pressefreiheit erstreckt sich daher auch der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten bzw. Meinungen (BVerfGE 77, 65 (74); 91, 125 (134 f.); 119, 309 (318); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2009, 350 f.). „Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk verlangt zunächst die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme“ (BVerfGE 57, 295 (320)). Art. 5 I 2 Var. 2 schließt es aus, „dass der Staat eine Anstalt oder Gesellschaft beherrscht, die Rundfunksendungen veranstaltet“ (BVerfG [K] NVwZ 2007, 1304 (1305); vgl. bereits BVerfGE 12, 205 (261)). Diesen Anforderungen genügten die Regelungen des ZDF-Staatsvertrags hinsichtlich der Zusammensetzung und Beschlussfassung der Aufsichtsgremien des ZDF nicht (BVerfGE 136, 9 ff.). Damit ein bestimmender Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den entsprechenden Gremien ausgeschlossen ist, dürfen jene nicht mehr als ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums ausmachen (BVerfGE 136, 9 (38 f.)). Als Programmgestaltungsfreiheit umfasst die Rundfunkfreiheit den Schutz von Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Programme vor fremden Einflüssen (BVerfGE 59, 231 (260)). Auch hier ist das Redaktionsgeheimnis geschützt (BVerfGE 97, 298 (313); 117, 244 (259 f.); BVerfG [K] DVBl 2011, 161); erfasst sind ferner die Organisation und Finanzierung der Rundfunksender, soweit sich diesbezügliche Eingriffe auf die Programmtätigkeit auswirken (vgl. BVerfGE 59, 231 (260)). Daher ist auch die Rundfunkwerbung in den Schutz der Rundfunkfreiheit einbezogen (BVerfGE 74, 297 (342)). Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben zudem einen grundrechtlichen Anspruch auf bedarfsgerechte Finanzierung, damit die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet ist (BVerfGE 158, 389 (416 ff.)). Das Grundrecht erstreckt sich ferner auf medientechnische Vorbereitungsmaßnahmen, nicht jedoch rein fernmeldetechnische Tätigkeiten (BVerfGE 12, 205 (265)). Zur Abgrenzung der Rundfunkfreiheit von der Meinungsfreiheit gelten die oben (Rn. 18) in Bezug auf die Pressefreiheit angestellten Überlegungen entspr.

cc) Objektiv-rechtliche Dimension

„Die Rundfunkfreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung“ (BVerfGE 136, 9 (28); vgl. ferner BVerfGE 57, 295 (319 f.); 73, 118 (152); 114, 371 (386 f.); 119, 181 (214)). Diesem dienenden Charakter der Rundfunkfreiheit würde ein Verständnis von Art. 5 I 2 Var. 2 nicht gerecht, das sich in der Abwehr staatlicher Einflussnahme erschöpfte und den Rundfunk im Übrigen den gesellschaftlichen Kräften überließe (BVerfGE 83, 238 (296)). „Denn bloße Staatsfreiheit bedeutet noch nicht, daß freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk möglich wird; dieser Aufgabe läßt sich durch eine lediglich negatorische Gestaltung nicht gerecht werden. Es bedarf dazu vielmehr einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird. Um dies zu erreichen, sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will“ (BVerfGE 57, 295 (320); krit. zum Konzept der „dienenden Freiheit“ und zur Überlagerung der subjektiven Dimension der Rundfunkfreiheit iSe Abwehrrechts durch ein vorrangig objektives Grundrechtsverständnis Thum DÖV 2008, 653 ff.; Hartmann JZ 2016, 18 ff.; s. dazu auch Eifert Jura 2015, 356 (361 ff.)). In der dualen Rundfunkordnung schützt die Rundfunkfreiheit nach Ansicht des BVerfG „die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichrechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung“ (BVerfGE 119, 181 (214); vgl. ferner BVerfGE 74, 297 (342); 78, 101 (103 f.); 83, 238 (298); 87, 181 (198); 89, 144 (153); 90, 60 (91); 158, 389 (416 ff.); s. zum Rundfunkbeitrag etwa BVerwGE 154, 275 ff.; 156, 358 ff.; 160, 80 ff.; krit. etwa Pagenkopf NJW 2016, 2535 ff.). Dagegen garantiert die Rundfunkfreiheit keinen Anspruch auf Eröffnung von Informationsquellen. So ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, Bild- und Tonaufzeichnungen bei Gerichtsverhandlungen zuzulassen (BVerfGE 103, 44 (59 f.)). Diesbezügliche Regelungen enthalten § 17a BVerfGG und § 169 S. 2 GVG.

b) Personeller Schutzbereich

Grundrechtsträgerinnen sind jedenfalls alle natürlichen und inländischen juristischen Personen, nach der Rspr. des BVerfG als Folge einer „Anwendungserweiterung“ des Art. 19 III auch solche mit einem Sitz im EU-Ausland (näher Art. 19 Rn. 18), die eigenverantwortlich Rundfunk betreiben (vgl. BVerfGE 97, 298 (310)). Dies sind die privaten Rundfunkveranstalter, aber auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können zwar grds. nicht Grundrechtsträgerinnen sein; jedoch gilt dies nicht, wenn und soweit juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind (Art. 19 Rn. 25). Dies gilt gerade für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: „Sie sind Einrichtungen des Staates, die Grundrechte in einem Bereich verteidigen, in dem sie vom Staate unabhängig sind. Gerade um die Verwirklichung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu ermöglichen, sind die Rundfunkanstalten als vom Staat unabhängige, sich selbstverwaltende Anstalten des öffentlichen Rechts durch Gesetze geschaffen worden; ihre Organisation ist derart, daß ein beherrschender Einfluß des Staates auf die Anstalten unmöglich ist“ (BVerfGE 31, 314 (322); vgl. auch BVerfGE 158, 389 (413 mwN); vgl. zur Staatsfreiheit der Berichterstattung: BVerfGE 83, 238 (322 f.)). Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind daher gleichzeitig Grundrechtsberechtigte und als Exekutivorgane gem. Art. 1 III Grundrechtsverpflichtete.

c) Eingriffe

Vor allem die Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung des Programms stellt einen Grundrechtseingriff dar. Die zulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit greift als Ausdruck der objektiv-rechtlichen Verpflichtung des Staates hierzu nicht in die Rundfunkfreiheit ein. Dies gilt freilich nur, solange die gesetzliche Ausgestaltung nicht geeignet ist, die Programmfreiheit zu beeinträchtigen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 54a). Eingriffe in die Rundfunkfreiheit sind etwa die Verpflichtung zur Ausstrahlung von Wahlwerbespots (BVerfGE 59, 231 (258 ff.)) sowie die Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Aufzeichnung von Sendungen und ihrer Vorlage bei den Landesmedienanstalten (BVerfGE 95, 220 (235 f.)). Ein Eingriff liegt ferner in der Behinderung der Aufnahme allgemein zugänglicher Quellen. Daher beeinträchtigt das Verbot von Fernsehaufnahmen von Streitparteien vor und nach der Gerichtsverhandlung die Rundfunkfreiheit, während das Aufnahmeverbot in der Gerichtsverhandlung selbst lediglich die Zugänglichkeit regelt (vgl. BVerfGE 91, 125 (135); 103, 44 (61 f.); 119, 309 (318 ff.); BVerfG [K] NJW 2009, 2117 (2118)). Art. 5 I 2 Var. 2 schließt es aus, „dass der Staat eine Anstalt oder Gesellschaft beherrscht, die Rundfunksendungen veranstaltet“ (BVerfG [K] NVwZ 2007, 1304 (1305); vgl. bereits BVerfGE 12, 205 (261)). Die Veranstaltung von Rundfunk durch eine Hochschule verstößt allerdings nicht gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, wenn das gesendete Programm thematisch den gesetzlichen Aufgaben der Hochschule entspricht (BVerfG [K] NVwZ 2007, 1304 (1305)). Ein absolutes Verbot für politische Parteien, sich an privaten Rundfunkveranstaltungen zu beteiligen, stellt keine zulässige gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit dar (BVerfGE 121, 30 (64 ff.)).

6. Filmfreiheit

Art. 5 I 2 Var. 3 garantiert die Filmfreiheit. Filme sind alle Übermittlungen von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektion bestimmt sind (vgl. Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 118; v. Münch/Kunig/Wendt Art. 5 Rn. 103). Daher werden auch Videobänder und DVDs vom Schutzbereich erfasst. Dieser erstreckt sich von der Herstellung bis zur Verbreitung bzw. Aufführung des Films. Auch die Erstellung eines Drehbuchs ist von der Filmfreiheit erfasst. Die praktische Bedeutung der Filmfreiheit ist begrenzt. Denn regelmäßig können sich Filmschaffende in ihrem Wirken auf die in Art. 5 III garantierte Kunstfreiheit berufen und genießen aufgrund des Fehlens eines ausdrücklichen Schrankenvorbehalts ein höheres Schutzniveau.

Trägerinnen des Grundrechts sind alle natürlichen oder inländischen juristischen Personen bzw. nach der Rspr. des BVerfG als Folge einer „Anwendungserweiterung“ des Art. 19 III auch solche mit einem Sitz im EU-Ausland (näher Art. 19 Rn. 18), welche die geschützten Tätigkeiten ausüben (vgl. Vor Art. 1 Rn. 33 ff.). Dagegen können sich die Filmrezipienten nicht auf die Filmfreiheit berufen, wohl aber auf ihre Informationsfreiheit. Die Filmförderung kann in die Filmfreiheit nicht subventionierter Konkurrenten eingreifen, wenn diese erheblich benachteiligt werden (Dreier/Schulze-Fielitz Art. 5 I, II Rn. 131).

7. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Grundrechtsschranken

Gem. Art. 5 II finden die Grundrechte aus Art. 5 I ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, den Gesetzen zum Schutze der Jugend und im Recht der persönlichen Ehre. Diese Schrankentrias gilt lediglich für die in Art. 5 I gewährleisteten Grundrechte, nicht dagegen für die durch Art. 5 III geschützte Kunst- und Wissenschaftsfreiheit.

aa) Allgemeine Gesetze

Große praktische Bedeutung weist die Schranke der allgemeinen Gesetze auf. Dazu können förmliche Gesetze und andere Rechtsnormen gehören (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 66). Die Auslegung des Begriffs „allgemein“ ist umstr. Nach der Sonderrechtslehre liegt ein Sondergesetz und damit kein allgemeines Gesetz iSd Art. 5 II vor, wenn es sich gegen eine bestimmte Meinung (HStR VII/Schmidt-Jortzig § 162 Rn. 50) bzw. gegen die Meinungsfreiheit als solche richtet (Bettermann JZ 1964, 601 (603)). Allgemeine Gesetze sind insoweit zB die Vorschriften des Straßenrechts, welche Sondernutzungserlaubnisse – etwa für Informationstische – vorschreiben (SB/Fechner Art. 5 Rn. 124). Nach der Abwägungslehre ist ein Gesetz dann allgemein, wenn es dem Schutz eines gegenüber dem beschränkten Grundrecht aus Art. 5 I höherrangigen Rechtsgutes dient (Smend VVDStRL 4 [1928], 44 (52)). Gegen das alleinige Abstellen auf die Überlegenheit des zu schützenden Rechtsgutes spricht insbes., dass sich Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 5 I ohnehin am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen müssen, der die Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und der Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes vorschreibt (vgl. Vor Art. 1 Rn. 66). Das BVerfG entschied sich frühzeitig für die Kombination beider Lehren. Danach sind allgemeine Gesetze diejenigen Normen, „die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit oder die Freiheit von Presse und Rundfunk an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen. Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann“ (BVerfGE 117, 244 (260); vgl. ferner BVerfGE 111, 147 (155); 120, 180 (200); 124, 300 (321 ff.); anders noch etwa BVerfGE 7, 198 (209 f.); s. hierzu HGR IV/Jestaedt § 102 Rn. 72 f.). Die Allgemeinheit des Gesetzes verbürgt damit ein „spezifisches und striktes Diskriminierungsverbot gegenüber bestimmten Meinungen. Gesetze, die an den Inhalt von Meinungsäußerungen anknüpfen und durch solche verursachte Rechtsgutverletzungen unterbinden oder sanktionieren, sind nur unter strenger Neutralität und Gleichbehandlung zulässig. […] Je mehr eine Norm so angelegt ist, dass sie absehbar allein Anhänger bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Auffassungen trifft und somit auf den öffentlichen Meinungskampf einwirkt, desto mehr spricht dafür, dass die Schwelle zum Sonderrecht überschritten ist“ (BVerfGE 124, 300 (324 f.) – ohne die Hervorhebung). Nach einem Beschl. des BVerfG v. 4.11.2009 ist § 130 IV StGB kein allgemeines Gesetz iSv Art. 5 II; zwar schütze er den öffentlichen Frieden, allerdings „nicht in inhaltsoffener, allgemeiner Art […], sondern bezogen allein auf Meinungsäußerungen, die eine bestimmte Haltung zum Nationalsozialismus ausdrücken“ (BVerfGE 124, 300 (325) – „Wunsiedel“). Die Norm bestrafe „Meinungsäußerungen, die sich allein aus einer bestimmten Deutung der Geschichte und einer entsprechenden Haltung ergeben können“, und normiere damit „bereits im Tatbestand konkret-standpunktbezogene Kriterien“ (BVerfGE 124, 300 (326)); gleichwohl solle das Gesetz ausnahmsweise nicht das Grundrecht verletzen (sogleich Rn. 32).

bb) Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend und Recht der persönlichen Ehre

Weiterhin kann durch gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend sowie zur Wahrung des Rechts der persönlichen Ehre in die Grundrechte des Art. 5 I eingegriffen werden (vgl. etwa §§ 185 ff. StGB, §§ 823, 826 BGB; beispielhaft dazu BVerfGE 34, 269 (281 f.)). Diese Grundrechtsschranken stehen eigenständig und erfordern daher kein allgemeines Gesetz (vgl. Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 159, 162). Davon weicht ein Beschl. des BVerfG v. 4.11.2009 ab, in dem es heißt, gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend oder der persönlichen Ehre unterlägen dem Sonderrechtsverbot „ebenso wie solche zum Schutz anderer Rechtsgüter“; zur Begründung beruft sich das BVerfG insbes. auf die geschichtliche Entwicklung der Meinungsfreiheit: Die ausdrückliche Aufnahme des Jugend- und Ehrschutzes in Art. 5 II habe nur die weitere Zulässigkeit solcher Vorschriften sicherstellen, nicht aber „die an alle Gesetze zu stellenden Anforderungen an eine rechtsstaatliche Distanz durch Meinungsneutralität zurücknehmen“ sollen (BVerfGE 124, 300 (327); krit. dagegen zu Recht Schaefer DÖV 2010, 379 (385 f.)).

„Das verfassungsrechtlich bedeutsame Interesse an einer ungestörten Entwicklung der Jugend berechtigt den Gesetzgeber zu Regelungen, durch welche der Jugend drohende Gefahren abgewehrt werden. Derartige Gefahren drohen auf sittlichem Gebiet von allen Druck-, Ton- und Bilderzeugnissen, die Gewalttätigkeiten oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhaß provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen und deswegen zu erheblichen, schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen führen können. Der Gesetzgeber kann deshalb Maßnahmen treffen, durch die der freie Zugang Jugendlicher zu solchen Erzeugnissen unterbunden wird. Die Auswahl der Mittel, mit denen diesen Gefahren zu begegnen ist, obliegt zunächst dem Gesetzgeber. Eine gesetzliche Bestimmung zum Schutze der Jugend muß aber die grundlegende Bedeutung der in Art. 5 Abs. 1 GG garantierten Rechte für die freiheitliche demokratische Staatsordnung beachten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren: Die Zulässigkeit der Mittel, mit denen der Gesetzgeber den Schutz der Jugend gewährleisten darf, hängt von einer Güterabwägung zwischen der Forderung nach umfassendem Grundrechtsschutz und dem verfassungsrechtlich hervorgehobenen Interesse an einem effektiven Jugendschutz ab“ (BVerfGE 30, 336 (347 f.)).

cc) Verfassungsimmanente Schranken

Neben den im Grundgesetz ausdrücklich genannten Schranken muss auch ein Eingriffsvorbehalt zum Schutz kollidierender Verfassungsgüter bestehen. Das BVerfG formuliert insoweit: „Schranken können sich aus den in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Gesetzen, aber auch unmittelbar aus der Verfassung selbst ergeben“ (BVerfGE 66, 116 (136); vgl. ferner BVerfGE 111, 147 (157)). Wenn nämlich in – nach dem Wortlaut der grundgesetzlichen Norm – schrankenlos gewährte Grundrechte im Wege der praktischen Konkordanz zugunsten kollidierender, höherwertiger Verfassungsgüter eingegriffen werden kann (Vor Art. 1 Rn. 53), muss dies erst recht für diejenigen Grundrechte gelten, die unter einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt stehen (aA Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 176). Folgerichtig können auch Sondergesetze für die Aktivitäten von Neonazis zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die Grundrechte aus Art. 5 I wirksam beschränken. Dass solche Gesetze keine „allgemeinen“ iSd Art. 5 II sind, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Dennoch hat der Gesetzgeber die Schrankentrias vorrangig zu beachten. Zur Vermeidung ihrer Umgehung sind eine restriktive Handhabung und eine formellgesetzliche Konkretisierung der Begrenzung geboten (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 79). Sehr zweifelhaft ist, ob diesem Maßstab folgende Ausführungen in einem Beschl. des BVerfG v. 4.11.2009 gerecht werden, der § 130 IV StGB zwar nicht als allgemeines Gesetz iSd Art. 5 II, aber dennoch iE als verfassungsmäßig bezeichnet: Art. 5 I und II sei für Grenzziehungen hinsichtlich propagandistischer Gutheißung des nationalsozialistischen Regimes „eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent“; diese Ausnahme ergebe sich vor dem Hintergrund „des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht“ habe und gründe sich darauf, dass die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland und das Grundgesetz „geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes gedeutet werden“ könnten (BVerfGE 124, 300 (327 f.); s. zur diesbezüglichen Kritik etwa Hong DVBl 2010, 1267 (1271 f.); Lepsius Jura 2010, 527 (533); Schaefer DÖV 2010, 379 (386 f.); Volkmann NJW 2010, 417 (418 ff.)).

dd) Art. 17a I

Gem. Art. 17a I kann die Meinungsfreiheit von Berufs- und Zeitsoldaten sowie Grundwehrdienst- und Zivildienstleistenden eingeschränkt werden. Angestellte in der Bundeswehrverwaltung und Zivilbedienstete sind nicht erfasst.

b) Grenzen der Einschränkbarkeit

aa) Wechselwirkungslehre

Dass ein Gesetz dem Merkmal „allgemein“ genügt oder dem Schutze der Jugend bzw. der persönlichen Ehre dient, begründet allein noch nicht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Art. 5 II überträgt dem Gesetzgeber keine unbegrenzte Eingriffsbefugnis. Nach der Wechselwirkungslehre des BVerfG ergibt sich gerade aus der für die freiheitliche demokratische Grundordnung fundamentalen Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit, „daß es vom Standpunkt dieses Verfassungssystems aus nicht folgerichtig wäre, die sachliche Reichweite gerade dieses Grundrechts jeder Relativierung durch einfaches Gesetz (und damit zwangsläufig durch die Rechtsprechung der die Gesetze auslegenden Gerichte) zu überlassen. Es gilt vielmehr im Prinzip auch hier, was oben allgemein über das Verhältnis der Grundrechte zur Privatrechtsordnung ausgeführt wurde: Die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt. Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und ‚allgemeinem Gesetz‘ ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die ‚allgemeinen Gesetze‘ aufzufassen; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die ‚allgemeinen Gesetze‘ zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen“ (BVerfGE 7, 198 (208 f.); vgl. ferner BVerfGE 12, 113 (124 f.); BVerfG [K] NJW 2012, 1273 (1274)). Zudem muss eine Güterabwägung im Einzelfall stattfinden und zugunsten des zu schützenden Gutes gegenüber dem beschränkten Grundrecht ausfallen (BVerfGE 7, 198 (210 f.); s. zur Unterscheidung zwischen den Ebenen der Normauslegung und Normanwendung etwa BVerfGE 93, 266 (292 f.)). Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht nach der Rspr. des BVerfG eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfGE 7, 198 (212); 61, 1 (11); 93, 266 (294 f.); s. zu Vorzugsregeln bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht ferner etwa BVerfGE 99, 185 (196 f.); 114, 339 (353 ff.)). Bei der Wechselwirkungslehre handelt sich letztlich um eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Vor Art. 1 Rn. 60 ff.; s. hierzu HGR IV/Jestaedt § 102 Rn. 72 f.). Auch das BVerfG verzichtet regelmäßig auf den ausdrücklichen Verweis auf die Wechselwirkungslehre und misst Eingriffe in Art. 5 I an dem für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltenden Prüfungskanon (vgl. etwa BVerfGE 59, 231 (265); 71, 162 (181); 77, 65 (75)). Da es „Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen“ ist, „daß ihr Sinn zutreffend erfaßt worden ist“, ergeben sich aus Art. 5 I 1 Hs. 1 Anforderungen „auch an die Deutung umstrittener Äußerungen“ (BVerfGE 93, 266 (295) – ohne die Hervorhebung; vgl. auch BVerfG [K] NJW 2018, 770 (771)). So muss bspw. in einem Strafverfahren wegen Beleidigung ermittelt werden, ob die streitgegenständliche Äußerung auch in einem Sinne gedeutet werden kann, die nicht den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt (BVerfGE 82, 43 (51 f.); 93, 266 (295 f.); BVerfG [K] NJW 2014, 3357 (3368)). Im Falle eines Unterlassungsanspruchs mit Wirkung für die Zukunft (§ 823 I oder II BGB, §§ 185 f. StGB jew. iVm § 1004 I BGB analog) gilt dieses Erfordernis hingegen nicht, weil hier nicht eine bereits getätigte Äußerung sanktioniert wird und der Äußernde sich bei zukünftigen Äußerungen präziser oder eindeutiger fassen kann (BVerfGE 114, 339 (348 ff.); vgl. ferner BVerfG [K] NJW 2014, 764 (765)).

bb) Zensurverbot

Das Zensurverbot des Art. 5 I 3 statuiert kein eigenständiges Grundrecht, sondern eine Schranke des Art. 5 II, dh eine Schranken-Schranke. Für eine Einordnung als eigenständiges Grundrecht besteht neben den in Art. 5 I 1 und 2 genannten Grundrechten kein Bedarf; hiergegen spricht auch die Systematik von S. 1 und 2 einerseits sowie S. 3 andererseits (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 129). „Die Verfassung kann mit diesem kategorischen Verbot jeder Zensur nur die Vorzensur gemeint haben. Ist das Geisteswerk erst einmal an die Öffentlichkeit gelangt und vermag es Wirkung auszuüben, so gelten die allgemeinen Regeln über die Meinungs- und Pressefreiheit und ihre Schranken, wie sie sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 GG ergeben. Diese würden gegenstandslos, wenn das Zensurverbot auch die Nachzensur umfaßte, d. h. Kontroll- und Repressivmaßnahmen, die erst nach der Veröffentlichung eines Geisteswerkes einsetzen“ (BVerfGE 33, 52 (72) – ohne die Hervorhebung). Unter Präventivzensur „werden einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) bezeichnet. […] Schon die Existenz eines derartigen Kontroll- und Genehmigungsverfahrens lähmt das Geistesleben. Das Zensurverbot soll die typischen Gefahren einer solchen Präventivkontrolle bannen. Deswegen darf es keine Ausnahme vom Zensurverbot geben, auch nicht durch ‚allgemeine Gesetze‘ nach Art. 5 Abs. 2 GG“ (BVerfGE 33, 52 (72)).

II. Kunst- und Wissenschaftsfreiheit

1. Bedeutung der Freiheit von Kunst und Wissenschaft

Die jeweils in Art. 5 III 1 geschützte Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sind von fundamentaler Bedeutung für die geistig-kommunikative Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen. „Als Teil des grundrechtlichen Wertsystems ist die Kunstfreiheit insbesondere der in Art. 1 GG garantierten Würde des Menschen zugeordnet“ (BVerfGE 30, 173 (193)). Kunst- und Wissenschaftsfreiheit dienen dem Schutz der schöpferischen Kraft des Menschen. „Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung […]. Dem Freiheitsrecht liegt auch der Gedanke zu Grunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient“ (BVerfGE 111, 333 (354); fast wortgleich BVerfGE 127, 87 (115); 136, 338 (362)).

2. Freiheit der Kunst

a) Schutzbereich

aa) Kunstbegriff

„Den bisherigen Versuchen der Kunsttheorie (einschließlich der Reflexionen ausübender Künstler über ihr Tun), sich über ihren Gegenstand klar zu werden, läßt sich keine zureichende Bestimmung entnehmen, so daß sich nicht an einen gefestigten Begriff der Kunst im außerrechtlichen Bereich anknüpfen läßt“ (BVerfGE 67, 213 (224)). Frühen Versuchen in der Literatur, den Schutzbereich der Kunstfreiheit nach einem formalen Kunstbegriff abzustecken, wonach Kunst nur Arbeiten meint, welche die Gattungsanforderungen bestimmter Werktypen (Malerei, Bildhauerei, Poesie) erfüllen (F. Müller JZ 1970, 87 (89 mwN)), folgte das BVerfG zu Recht nicht. Denn dieser Begriff würde neue, avantgardistische Kunstformen nicht erfassen (vgl. Henschel NJW 1990, 1937 (1939)). In seiner „Mephisto-Entscheidung“ entwickelte das BVerfG zunächst einen materiellen Kunstbegriff: „Der Lebensbereich ‚Kunst‘ ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“ (BVerfGE 30, 173 (188 f.)). Nach dem später ebenfalls durch das BVerfG geformten offenen Kunstbegriff ist Kunst dadurch gekennzeichnet, „daß es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen“ (BVerfGE 67, 213 (227) – „Anachronistischer Zug“).

Wie auch bei den Kommunikationsfreiheiten aus Art. 5 I 1 und 2 lässt das BVerfG eine Niveaukontrolle, dh eine Differenzierung zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst, aufgrund der Gefahr staatlichen „Kunstrichtertums“ grds. nicht zu (vgl. BVerfGE 75, 369 (377)). Gleichwohl kann nicht jede Betätigung, die als Kunst deklariert wird, den Schutz von Art. 5 III 1 genießen. Der offene Kunstbegriff vermag keine uferlose Anwendung zu beanspruchen. Wird daher bei einer Gesamtbetrachtung des Kunstwerks offensichtlich, dass die „Kunstform missbraucht wurde und lediglich eine Mogelpackung, ein Transportmittel ist, um bestimmte Personen zu beleidigen, zu verleumden oder verächtlich herabzuwürdigen, dann ist dies nicht mehr von der Kunstfreiheit gedeckt“ (BVerfGE 119, 1 (37, 47) [Sondervotum]; vgl. auch BVerfGE 30, 218 (224)).

bb) Geschützte Verhaltensweisen

Geschützt ist nicht nur die eigentliche künstlerische Tätigkeit, dh die Schöpfung des Kunstwerkes (Werkbereich), sondern auch dessen Darbietung und Verbreitung ( Wirkbereich – BVerfGE 30, 173 (189); 36, 321 (331); 67, 213 (224); 77, 240 (251); BVerfG [K] NJW 2008, 2568; NJW 2019, 1277 (1278)). Der Schutzbereich beinhaltet jede Form der Vermittlung des Kunstwerkes. „Die Werbung für ein Kunstwerk ist zwar kein Medium, welches das Kunstwerk selber oder seinen Inhalt transportiert. Sie bildet aber ein Kommunikationsmittel, das ebenfalls zum Wirkbereich künstlerischen Schaffens gehört; denn die Kunst ist wie die Schutzgüter der anderen ‚Kommunikationsgrundrechte‘ öffentlichkeitsbezogen und daher auf öffentliche Wahrnehmung angewiesen. Aus diesem Grund fällt auch die Werbung für ein Kunstwerk unter den Schutz dieses Grundrechts“ (BVerfGE 77, 240 (251) – ohne die Hervorhebung).

Umstr. ist, ob auch die wirtschaftliche Verwertung des Kunstwerkes erfasst ist. Das BVerfG hat dies im Hinblick auf verwertungsrechtliche Regelungen aus dem Urheberrecht ausdrücklich ausgeschlossen und insoweit die Eigentumsgarantie des Art. 14 für einschlägig gehalten (BVerfGE 31, 229 (238 f.)). Demgegenüber sieht das BVerwG die Verwertung eines Kunstwerks als geschützt an, soweit Darbietung und Verwertung unauflöslich miteinander verknüpft sind, wie etwa bei der Straßenkunst (BVerwGE 84, 71 (74)). Die Kunstfreiheit erstreckt sich auch auf die eigenmächtige Inanspruchnahme fremden Eigentums oder anderer geschützter Positionen zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung (BVerfGE 142, 74 (104) in Bezug auf die Übernahme von Ausschnitten aus fremden Tonträgern; vgl. auch BVerfG [K] NJW 2024, 575 (576) hinsichtlich sog. „Adbusting“-Aktionen; aA noch BVerfG [Vorprüfungsausschuss] NJW 1984, 1293 (1294)).

cc) Personeller Schutzbereich

Da sich die Kunstfreiheit schon sachlich sowohl auf den Wirk- als auch den Werkbereich der künstlerischen Betätigung erstreckt, erfasst der personelle Schutzbereich nicht nur die künstlerisch tätigen natürlichen Personen selbst, sondern auch solche, die für die Kunstschöpfung und -verbreitung eine „unentbehrliche Mittlerfunktion“ übernehmen. So können sich etwa auch Verleger und Schallplattenhersteller auf die Freiheit der Kunst berufen (vgl. BVerfGE 30, 173 (191); 36, 321 (331)). Die Kunstfreiheit ist auf inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar, nach der Rspr. des BVerfG auch auf juristische Personen des Privatrechts mit einem Sitz im EU-Ausland als Folge einer „Anwendungserweiterung“ des Art. 19 III (näher Art. 19 Rn. 18). Mit entspr. Inkorporation sind etwa Autorenteams, Orchester, Theatergruppen, aber auch Fördervereine geschützt (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 191). Kunstrezipienten sind nicht geschützt (Dreier/Wittreck Art. 5 III [Kunst] Rn. 48; aA Hoffmann NJW 1985, 237 (241)).

Darüber hinaus können sich auch künstlerisch tätige Organisationseinheiten des öffentlichen Rechts wie etwa Staatstheater auf die Kunstfreiheit berufen. Insoweit sind Parallelen zur grundrechtsdienenden Eigenschaft von Rundfunkanstalten, Universitäten und Religionsgemeinschaften unübersehbar. Auch solche Institutionen befinden sich in derselben grundrechtstypischen Gefährdungslage wie natürliche Personen (vgl. Art. 19 Rn. 25). Im Übrigen wird das Programm eines kommunalen Theaters bzw. eines Staatstheaters „vom Intendanten verantwortet, nicht von der Gemeinde und/oder dem Staat“ (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 192).

b) Eingriffe

Eingriffe in die Kunstfreiheit liegen vor, wenn Verhaltensweisen im Werk- oder Wirkbereich durch Verbote, Sanktionen oder bloß faktische Maßnahmen des Staates behindert oder unmöglich gemacht werden. Dies ist etwa beim Verbot des Vertriebs eines Romans der Fall (BVerfGE 30, 173 (188 ff.); 119, 1 ff.).

Art. 5 III 1 Alt. 1 stellt als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst „dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung auch als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern“ (BVerfGE 36, 321 (331)). Daher „mag auch ein allgemeiner Anspruch aller sich im Kunstleben betätigenden Personen und Richtungen bestehen, von positiven staatlichen Förderungsmaßnahmen nicht von vornherein und schlechthin ausgeschlossen zu werden. Das heißt aber nicht, daß jede einzelne positive Förderungsmaßnahme gleichmäßig allen Bereichen künstlerischen Schaffens zugutekommen müsse. Bei der Ausgestaltung solcher Maßnahmen hat der Staat vielmehr im Rahmen seiner Kulturpolitik weitgehende Freiheit“ (BVerfGE 36, 321 (332)). Einen Anspruch auf finanzielle Förderung beinhaltet die Kunstfreiheit daher trotz ihres anerkannten objektiv-rechtlichen Gehalts prinzipiell nicht. Aus Art. 5 III 1 kann gleichfalls „kein Vorrecht auf Steuerfreiheit jeder künstlerischen oder wissenschaftlichen Betätigung hergeleitet werden“ (BVerfGE 81, 108 (116)).

3. Freiheit der Wissenschaft

a) Schutzbereich

aa) Sachlicher Schutzbereich

Art. 5 III 1 Alt. 2 schützt mit „Forschung und Lehre“ die Wissenschaftsfreiheit und erstreckt sich damit „auf jede wissenschaftliche Tätigkeit, d. h. auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“ (BVerfGE 35, 79 (113); vgl. ferner BVerwGE 149, 194 (203)). Kennzeichnend sind daher die Wahrheitssuche und die prinzipielle Unabgeschlossenheit des Wissenschaftsprozesses. „Gegenstand dieser Freiheit sind vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe. Damit sich die Wissenschaft ungehindert an dem für sie kennzeichnenden Bemühen um Wahrheit ausrichten kann, ist sie zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung erklärt worden […]. Jeder, der wissenschaftlich tätig ist, genießt daher Schutz vor staatlichen Einwirkungen auf den Prozeß der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (BVerfGE 90, 1 (11 f.) – ohne die Hervorhebungen; vgl. ferner BVerfGE 35, 79 (112 f.); 47, 327 (367 f.); 122, 89 (105); 126, 1 (19); 128, 1 (40); 136, 338 (362); BVerwGE 144, 195 (201); 149, 194 (203)). Forschung ist „die geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen“, Lehre die „wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse“ (BVerfGE 35, 79 (113)). Das Einhalten der einer wissenschaftlichen Leistung angemessenen Form zählt zu den allgemeingültigen und unabdingbaren Grundsätzen, die Bestandteil einer Prüfungsordnung sind und wegen des öffentlichen Interesses an der geordneten Berufsausbildung zur Disposition weder der Prüfer noch der Prüflinge stehen (OVG Bln DVBl 1979, 355 (357)).

Art. 5 III 1 Alt. 2 stellt auch eine objektive Wertentscheidung dar, die das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Staat regelt (BVerfGE 136, 338 (362)). Die Wissenschaftsfreiheit weist daher ferner eine objektiv-rechtliche Dimension auf. Die in Art. 5 III 1 Alt. 2 getroffene Wertentscheidung „beruht auf der Schlüsselfunktion, die einer freien Wissenschaft sowohl für die Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zukommt. Diese Wertentscheidung bedeutet nicht nur die Absage an staatliche Eingriffe in den zuvor gekennzeichneten Eigenbereich der Wissenschaft; sie schließt vielmehr das Einstehen des Staates, der sich als Kulturstaat versteht, für die Idee einer freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung ein und verpflichtet ihn, sein Handeln positiv danach einzurichten, d. h. schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen. […] Der Staat hat die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern. Das bedeutet, daß er funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen hat. […] Im Bereich des mit öffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetriebs, d. h. in einem Bereich der Leistungsverwaltung, hat der Staat durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist“ (BVerfGE 35, 79 (114 f.); vgl. ferner BVerfGE 85, 360 (384); 88, 129 (137); 111, 333 (353); 127, 87 (114); 136, 338 (362); 139, 148 (182 f.)). So hat der Staat etwa der herausgehobenen Stellung der Hochschullehrer nach Art. 5 III 1 iVm Art. 3 I durch folgende organisatorische Vorkehrungen (vgl. BVerfGE 127, 87 (114 f.); BVerwGE 144, 195 (201 f.)) Rechnung zu tragen: Bei unmittelbar die Lehre betr. Entscheidungen muss der Gruppe der Hochschullehrer der maßgebende Einfluss verbleiben, was voraussetzt, dass diese Gruppe in einem gruppenmäßig zusammengesetzten Kollegialorgan über die Hälfte der Stimmen verfügt; bei unmittelbar Fragen der Forschung oder die Berufung der Hochschullehrer betr. Entscheidungen muss der Gruppe der Hochschullehrer ein weitergehender, ausschlaggebender Einfluss vorbehalten bleiben (BVerfGE 35, 79, Ls. 8b und c, S. 131 ff.). Ansonsten ist die Frage, ob das organisatorische Gesamtgefüge der Hochschule den in der Wissenschaft Tätigen genügend Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten einräumt, anhand einer Gesamtwürdigung zu beantworten. Dabei gilt: Je mehr Kompetenzen der Gesetzgeber dem Leitungsorgan in Bereichen mit Wissenschaftsbezug überträgt, desto substanzieller müssen im Gegenzug auch die Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Kollegialorgane sein (BVerfGE 127, 87 (117 f.); 149, 1 (32)); vgl. auch Hillgruber Forschung und Lehre 2011, 286 (289)). Störungen und Behinderungen der Wissenschaftsfreiheit durch Dritte hat der Staat soweit wie möglich auszuschließen (BVerfGE 55, 37 (68); vgl. zu besoldungsrechtlichen Auswirkungen BVerfGE 130, 263 (299 f.)). Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit begründet keine gesonderten Beteiligungsrechte der Hochschulen, Fakultäten oder einzelnen Wissenschaftler beim Zustandekommen eines Gesetzes zur Fusion von zwei Hochschulen; ein öffentliches Gesetzgebungsverfahren bietet die Möglichkeit, die Interessen der wissenschaftlich Tätigen und der betroffenen Einrichtungen hinreichend zur Geltung zu bringen (BVerfGE 139, 148 (177); anders VerfGH Bln LVerfGE 5, 37 (44 ff.)).

bb) Personeller Schutzbereich

Personell geschützt ist jeder, der wissenschaftlich tätig ist oder werden will (BVerfGE 88, 129 (136); BVerfG [K] NVwZ 2011, 486 (489)). Dazu zählen primär die Hochschullehrer „als geborene Rechtssubjekte der Wissenschaftsfreiheit“ (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 207; s. auch BVerfGE 130, 263 (299)) und deren wissenschaftliches Personal. Geschützt wird damit auch derjenige, der zB über eine Habilitation den Zugang zu einem wissenschaftlichen Beruf erst noch anstrebt (s. hierzu BVerfG [K] NVwZ 2015, 431 f.). Nach dem materiellen Hochschullehrerbegriff des BVerfG ist als Hochschullehrer „der akademische Forscher und Lehrer zu verstehen, der aufgrund der Habilitation oder eines sonstigen gleichbewerteten Qualifikationsbeweises mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut ist“ (BVerfGE 95, 193 (210); fast wortgleich BVerfG [K] NVwZ 2011, 486 (489)). Einem Beschl. des BVerfG v. 13.4.2010 zufolge können sich auf die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre auch Fachhochschullehrer berufen, „denen die eigenständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre übertragen worden ist“ (BVerfGE 126, 1, Ls.; s. dazu Kaufhold NJW 2010, 3276; krit. Hillgruber Forschung und Lehre 2011, 286 (288 f.); vgl. auch BVerfG [K] NVwZ 2011, 432 (433); s. zur Frage eines Promotionsrechts für Fachhochschulen Pautsch NVwZ 2012, 674 ff.). Nicht ausgeschlossen sind wissenschaftliche Aktivitäten Studierender (vgl. BVerfGE 55, 37 (67 f.)). Deren Lernfreiheit wird nicht durch Art. 5 III 1, sondern durch Art. 12 I garantiert (aA Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 208). Ferner genießen juristische Personen, die Wissenschaft betreiben, Grundrechtsschutz. Dies gilt insbes. für – zumeist als Körperschaften des öffentlichen Rechts errichtete – Universitäten. „In der Regel können zwar weder der Staat noch seine Einrichtungen Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte in Anspruch nehmen, insofern sie nicht gleichzeitig Träger und Adressat von Grundrechten sein können. Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht, wenn Einrichtungen des Staates Grundrechte in einem Bereich verteidigen, in dem sie vom Staat unabhängig sind. Das ist insbesondere bei den deutschen Universitäten der Fall, die zwar in der Regel vom Staat gegründet sind und auch von ihm unterhalten werden, aber in Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind“ (BVerfGE 15, 256 (262); vgl. ferner BVerfGE 21, 362 (373 f.); 31, 314 (322)). Auch die einzelnen Fakultäten (BVerfG [K] NVwZ 2013, 1145 (1146 mwN)) und die privatrechtlich organisierte Wissenschaft (BVerfGE 141, 143 (164)) können sich auf Art. 5 III 1 berufen.

b) Eingriffe

Als Abwehrrecht (Vor Art. 1 Rn. 11 ff.) schützt die Wissenschaftsfreiheit vor jeglicher staatlichen Einwirkung auf den Prozess der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. BVerfGE 47, 327 (367)). Ein Eingriff kann sowohl in der Einflussnahme auf einzelne Wissenschaftler als auch auf die Hochschulen liegen, deren Hochschulautonomie geschützt ist (DHS/Scholz Art. 5 III Rn. 131 [Stand der Kommentierung: Mai 1977]). Anweisungen gegenüber einem selbständig wissenschaftlich tätigen Hochschullehrer, bestimmte Lehrveranstaltungen durchzuführen, berühren dessen Recht, sein Fach in Forschung und Lehre eigenständig zu vertreten, und beeinträchtigen daher die Wissenschaftsfreiheit (BVerfGE 126, 1 (24); BVerfG [K] NVwZ 2015, 432 (433)).

4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Treue zur Verfassung

Art. 5 III 2 enthält eine spezifische Schranke der Wissenschaftsfreiheit (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 225), nicht dagegen eine besondere Schutzbereichsbegrenzung (so aber Dreier/Britz Art. 5 III [Wissenschaft] Rn. 50). Nach dieser sog. Treueklausel entbindet die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung. Eingriffe in die Freiheit der Wissenschaft aufgrund eines Gesetzes können daher zur Sicherstellung der Verfassungstreue gerechtfertigt sein (vgl. Jarass/Pieroth/Jarass Art. 5 Rn. 150 mwN). Die Treueklausel schließt freilich Denkverbote aus; lediglich aggressive Angriffe auf fundamentale Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind als Verstöße gegen die Treueklausel zu werten. Sachliche Kritik an Verfassungsprinzipien, deren Änderung Art. 79 III nicht verbietet, ist dagegen regelmäßig gerade schützenswerter Ausdruck der Wissenschaftsfreiheit (Sachs/Bethge Art. 5 Rn. 227).

b) Kollidierende Verfassungsgüter

Die Freiheiten aus Art. 5 III 1 unterliegen weder den Schranken des Art. 5 II noch denen des Art. 2 I (BVerfGE 83, 130 (139)). Dennoch werden sie nicht schrankenlos gewährleistet, sondern finden verfassungsimmanente Schranken in kollidierenden Verfassungsgütern (BVerfGE 30, 173 (191); 47, 327 (368); 83, 130 (139); 119, 1 (23 f.); 122, 89 (107); 126, 1 (24); 128, 1 (41); BVerfG [K] NVwZ 2015, 432 (433); zur Spannungslage zwischen dem Recht auf Kunstfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz s. etwa BVerfG [K] NJW 2018, 1744 (1745); NJW 2019, 1277 (1278 f.); s. ferner dazu Schröder DVBl 2008, 146 ff.). Ziel einer Abwägung zwischen der beeinträchtigten Freiheit aus Art. 5 III 1 und dem kollidierenden Verfassungsgut ist die Herstellung praktischer Konkordanz (vgl. dazu Vor Art. 1 Rn. 53). „Die Konflikte zwischen der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit und dem Schutz anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgüter müssen daher nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsystems durch Verfassungsauslegung gelöst werden. In diesem Spannungsverhältnis kommt der Wissenschaftsfreiheit gegenüber den mit ihr kollidierenden, gleichfalls verfassungsrechtlich geschützten Werten nicht schlechthin Vorrang zu. Auch ohne Vorbehalt gewährte Freiheitsrechte müssen im Rahmen gemeinschaftsgebundener Verantwortung gesehen werden […]. Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Grenzziehung oder Inhaltsbestimmung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden“ (BVerfGE 47, 327 (369)). Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit eines Hochschullehrers können insbes. durch das Ziel der – ihrerseits durch Art. 5 III 1 geschützten – Erhaltung und Förderung der Funktionsfähigkeit der betreffenden Hochschule sowie des Schutzes anderer Grundrechtsträger gerechtfertigt sein (BVerfGE 126, 1 (25); BVerfG [K] NVwZ 2015, 432 (433); vgl. auch bereits BVerfGE 55, 37 (68 f.); 95, 193 (212); 111, 333 (353 f.); 122, 89 (114)). Die staatliche Einsetzung eines Leitungsorgans einer Hochschule ist grds. nur zu rechtfertigen, „wenn dies unabweisbar geboten erscheint, um die Funktionsfähigkeit einer wissenschaftlichen Einrichtung zu sichern“; dabei muss der Gesetzgeber die Mitwirkung der Wissenschaftler an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen soweit wie möglich vorsehen und die Befugnisse einer staatlich eingesetzten Leitung begrenzen (BVerfGE 139, 148 (183 f.)). Durch Urt. v. 1.11.2004 hat der VerfGH Bln Regelungen, die den Berliner Universitäten als mündliche Promotionsleistung ausschließlich die Disputation als Verteidigung der Dissertation vorschrieben, als verfassungswidrigen Eingriff in den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der betroffenen Hochschulen qualifiziert, der nicht im Hinblick auf andere, kollidierende Verfassungsgüter gerechtfertigt war; in einer anderen Vorschrift, welche die Universitäten dazu verpflichtete, die Dissertation von mindestens einem Gutachter bewerten zu lassen, der nicht der verleihenden Hochschule angehört, sah das Gericht einen verfassungswidrigen Eingriff in den Kernbereich akademischer Selbstverwaltung (LVerfGE 15, 34 (53 ff.)). Die Entscheidung des VerfGH Bln erfolgte in Anwendung des mit Art. 5 III 1 wörtlich übereinstimmenden Art. 21 S. 1 BerlVerf. (s. zu dieser Vorschrift näher HGR VIII/Sodan § 247 Rn. 51). Der in der mittelbaren Pflicht zur externen Akkreditierung von Studiengängen liegende Eingriff insbes. in die Freiheit der Hochschulen, über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz ihrer Studiengänge selbst zu entscheiden, kann durch das Ziel der Qualitätssicherung der wissenschaftlichen Lehre gerechtfertigt sein (BVerfGE 141, 143 (164 ff. und 169 ff.)). Der Gesetzgeber darf aber die wesentlichen Entscheidungen zur Akkreditierung „nicht weitgehend anderen Akteuren überlassen, sondern muss sie unter Beachtung der Eigenrationalität der Wissenschaft selbst treffen“ (BVerfGE 141, 143, Ls.).