Artikel 3 [Gleichheit vor dem Gesetz]
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) 1 Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 2 Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) 1 Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. 2 Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
I. Überblick und Allgemeines
Art. 3 I statuiert den allgemeinen Gleichheitssatz, nach welchem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Rn. 3 ff.). Art. 3 II und III enthalten spezielle Gleichheitsgebote, welche die Ungleichbehandlung in Bezug auf bestimmte, dort genannte Merkmale verbieten (Rn. 22 ff.). Weitere spezielle Gleichheitssätze regelt das Grundgesetz etwa in Art. 6 V und 33 I–III, ferner in Art. 21 und 38 I 1. Bei Anwendbarkeit eines speziellen Gleichheitsrechts geht dieses dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I vor.
Während Freiheitsrechte sich auf einen gegenständlich umgrenzbaren Lebensbereich des Einzelnen (etwa „Glauben“, „Versammlungen“, „Beruf“ oder „Eigentum“) beziehen, haben Gleichheitsrechte als Anknüpfungspunkt eine im Hinblick auf staatliches Handeln bestehende Relation zwischen mehreren Rechtsunterworfenen. Daher werden Gleichheitsrechte im Gegensatz zu den gemeinhin dreistufig geprüften Freiheitsrechten (Schutzbereich – Eingriff – Rechtfertigung, näher Vor Art. 1 Rn. 45 ff.) nur zweistufig geprüft: Auf der ersten Stufe wird nach dem Vorliegen einer Ungleichbehandlung (Rn. 9 ff.) zwischen den Rechtsunterworfenen gefragt (im Falle eines speziellen Gleichheitssatzes aufgrund des von ihm in Bezug genommenen Merkmals, etwa „Geschlecht“, „Rasse“ etc gem. Art. 3 III); auf der zweiten Stufe wird ermittelt, ob die festgestellte Ungleichbehandlung in hinreichender Weise gerechtfertigt ist (insbes. Rn. 13 ff. hinsichtlich Art. 3 I), um nicht eine Verletzung des Gleichheitsrechtes zu bewirken.
II. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I
1. Grundsätzliches zum Schutzgehalt
a) Verbot nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlungen
Art. 3 I enthält als Positivierung der grdl. Gerechtigkeitsidee der Gleichheit vor dem Gesetz (vgl. BVerfGE 1, 208 (233)) ein allgemeines Gebot der Gleichbehandlung der Grundrechtsträger durch die Staatsgewalt (vgl. Rn. 6 ff.). Wie sich jedoch bereits aus systematischen Gründen im Umkehrschluss aus Art. 3 III ergibt, wonach gerade kein kategorisches Verbot der Ungleichbehandlung aus den in ihm nicht genannten Kriterien besteht, ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I nicht iS einer umfassenden („absoluten“) Gleichbehandlung unter Nivellierung aller in den Individuen begründeten Unterschiede zu verstehen, sondern als Verbot von Ungleichbehandlungen ohne hinreichenden Grund, also prinzipiell als ein Verbot staatlicher „Willkür“ (näher Rn. 13 ff.). Schlagwortartig wird der Schutzgehalt des Art. 3 I daher dahin gehend formuliert, dass weder „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich“ behandelt werden darf noch „wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“ (s. etwa BVerfGE 4, 144 (155); 78, 104 (121); vgl. ferner BVerfGE 112, 164 (174); 112, 268 (279); 116, 164 (180); 117, 1 (30); 126, 268 (277); s. speziell zum Verbot der Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem auch noch Rn. 12). Positiv gesprochen gebietet Art. 3 I also, „wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln“ (BVerfGE 112, 164 (174); 112, 268 (279); 116, 164 (180); 117, 1 (30); 130, 52 (65); 130, 240 (252); 131, 239 (255); 132, 179 (188); 137, 1 (20)). Diese Grundrechtsnorm ist auf ungleiche Belastungen ebenso wie auf ungleiche Begünstigungen anwendbar (BVerfGE 110, 412 (431); 116, 164 (180); 122, 210 (230); 123, 111 (119); 129, 49 (68); 130, 52 (66); 130, 240 (252); 131, 239 (255); 132, 179 (188)). Auch faktische Ungleichbehandlungen bei einer „formalen Gleichbehandlung“ sind erfasst (BVerfGE 161, 163 (253)). Die Bindung der grundrechtsverpflichteten Hoheitsträger besteht dabei nur innerhalb ihrer Kompetenzbereiche, dh eine Ungleichbehandlung durch unterschiedliche Hoheitsträger, etwa durch Bundes- und Landesgesetzgeber oder durch verschiedene Landesgesetzgeber, Gemeinden, Behörden oder Gerichte, führt nicht zu einer Verletzung des Art. 3 I (s. etwa BVerfGE 1, 332 (345); 10, 354 (371); 16, 6 (24); 21, 87 (91); 32, 346 (360); 42, 20 (27); 75, 329 (347); 87, 273 (278); 93, 319 (351)).
b) Abwehrrecht sowie Verfassungsgrundsatz
Art. 3 I gewährt dem Einzelnen ein subjektives Abwehrrecht gegenüber Ungleichbehandlungen der oben genannten Art (allg. Ansicht, s. etwa Dreier/Heun Art. 3 Rn. 18; vgl. BVerfGE 6, 84 (91)). Darüber hinaus manifestiert sich in Art. 3 I ein objektiv-rechtlicher „Verfassungsgrundsatz in allen Bereichen“ (BVerfGE 6, 84 (91)), der insofern bspw. auch Geltung für die Beziehungen innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus beansprucht (BVerfGE 76, 130 (139)), selbst wenn die betr. Staatsglieder, etwa öffentlich-rechtliche Körperschaften, insoweit nicht grundrechtsberechtigt (dazu Art. 19 Rn. 22 ff.) sind (vgl. BVerfGE 35, 263 (271 f.); 76, 130 (139) – jew. zur Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im gerichtlichen Verfahren).
c) Leistungs- und Teilhaberechte
Aus der subjektiv-rechtlichen Dimension des Art. 3 I können sog. derivative Leistungs- und Teilhaberechte (vgl. Vor Art. 1 Rn. 18 f.) auf gleiche Begünstigung hinsichtlich existierender öffentlicher Leistungen resultieren (vgl. BVerfGE 60, 16 (42)), etwa auf gleichen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Hochschulen, auf gleiche Teilhabe an Subventionen oder Sozialleistungen oder auf Gewährung bestimmter, auch anderen zukommender Privilegierungen (vgl. hierzu etwa BVerfGE 25, 101 (110 ff.) betr. Steuerprivilegien; s. grdl. zu derivativen Leistungs- und Teilhaberechten Stern III/1, 700 ff.). Soweit indes die Nichtbegünstigung aus gesetzestechnischen Gründen nicht durch Nichtigerklärung der streitgegenständlichen Norm beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 22, 349 (360 f.)) oder wenn dem Gesetzgeber verschiedene Wege offenstehen, den Gleichheitsverstoß zu beseitigen (BVerfGE 25, 101 (110 ff.); 25, 236 (252); 52, 369 (379)), spricht das BVerfG – zur Vermeidung von Eingriffen in den Gewaltenteilungsgrundsatz und den insoweit bestehenden gesetzgeberischen Spielraum – die Begünstigung nur in Ausnahmefällen zu, insbes. bei Vorliegen eines ausdrücklichen Verfassungsauftrages (BVerfGE 22, 349 (361 f.)). Ansonsten „begnügt“ sich das BVerfG mit der Feststellung des Verstoßes gegen Art. 3 I und überlässt dem Gesetzgeber die Beseitigung des gleichheitswidrigen Zustandes (s. dazu etwa BVerfGE 22, 349 (360 ff.); 52, 369 (379)). Originäre Leistungsrechte, dh solche auf Schaffung bestimmter Leistungen, lassen sich dagegen nicht allein aus Art. 3 I herleiten, sondern nur aus konkreten Verfassungsaufträgen (dazu Vor Art. 1 Rn. 14 f.; vgl. auch BVerfGE 60, 16 (42 f.)) oder aus Art. 3 I iVm anderen Verfassungsgrundsätzen. So ergibt sich aus Art. 3 I iVm Art. 20 III das Gebot der weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfGE 81, 347 (356); BVerfG [K] NVwZ 2012, 1390 f.; 2012, 1391 (1392); NJW 2012, 3293; 2013, 1727 (1728); 2013, 2013 (2014); 2013, 3714 (3715); 2015, 2322 (2323); 2016, 1377 f.; BVerfG [K] BeckRS 2017, 126345 Rn. 9 leitet diese Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 I iVm Art. 19 IV her). Daher ist einem Unbemittelten Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn ein die Prozessaussichten vernünftig abwägender Bemittelter in der gleichen Situation unter Berücksichtigung des Kostenrisikos gerichtlichen Rechtsschutz suchen würde (BVerfGE 81, 347 (357); BVerfG [K] NJW 2012, 2393; 2013, 2013 (2014)).
2. Grundrechtsverpflichtete
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I besagt, dass alle Menschen „vor dem Gesetz“ gleich sind. Damit ist zunächst die Gleichheit bei der Rechtsanwendung gemeint, also bei Maßnahmen von Exekutive und Judikative. Die Exekutive ist dabei insoweit an den Gleichheitssatz gebunden, als ihr Handlungsspielräume zustehen, also insbes. beim Erlass von RVOen oder Satzungen oder bei einzelfallbezogenen Ermessensentscheidungen. Vor allem bei letzteren kann sich für die Verwaltung aus dem Gleichheitssatz eine Selbstbindung ergeben: Hat die Behörde ihr Ermessen in bestimmten Fallkonstellationen regelmäßig auf eine bestimmte Art und Weise bzw. nach bestimmten Kriterien ausgeübt, darf sie für vergleichbare Fälle nicht ohne sachlichen Grund hiervon abweichen (s. etwa BVerfGE 73, 280 (299 f.); BVerwGE 118, 379 (383 f.)). Auch außerhalb der Gesetzesanwendung, dh bei der nicht-gesetzesakzessorischen Verwaltung, ist die Exekutive an Art. 3 I gebunden (v. Münch/Kunig/Boysen Art. 3 Rn. 40 ff.; Kluckert JuS 2019, 536 (537 ff.)). Die Judikative hat den Gleichheitssatz insbes. im Hinblick auf die Auslegung von Gesetzen oder die richterliche Rechtsfortbildung zu beachten. Damit Rechtsentwicklung und Rechtsfortbildung aber nicht behindert werden, lehnt das BVerfG eine Selbstbindung der Rspr. grds. ab (s. BVerfGE 19, 38 (47); 71, 354 (362 f. mwN)). Die Grenze ist dort zu ziehen, wo „einzelne Entscheidungen so sehr die Bahnen organischer Fortentwicklung der Rechtsprechung“ verlassen, dass „sie als willkürlich bezeichnet werden“ müssen (BVerfGE 18, 224 (240); vgl. ferner BVerfG [K] NVwZ 2009, 169; 2009, 1035 f.; 2012, 426 f.; NJW 2013, 1588 ff.; 2013, 3569 f.; 2013, 3774 ff.). Ferner verwehrt Art. 3 I den Gerichten, „bestehendes Recht zugunsten oder zu Lasten einzelner Personen oder Personengruppen nicht anzuwenden“ (BVerfGE 71, 354 (362)). Gleichermaßen für das Handeln von Exekutive wie Judikative ist indes anerkannt, dass die bloße Falschanwendung des einfachen Rechts vom BVerfG grds. ebensowenig an Art. 3 I wie an Art. 2 I gemessen wird, da ansonsten das BVerfG zu einer „Superrevisionsinstanz“ für die allgemeine Rechtmäßigkeit würde (s. hierzu näher Sodan/Ziekow § 30 Rn. 6 und § 51 Rn. 60 ff.). Etwas anderes gilt aber bei schweren, schlechterdings unhaltbaren Rechtsanwendungsfehlern, deren Begehung den Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf „sachfremden Erwägungen“ beruht und insoweit gegen das Willkürverbot des Art. 3 I verstößt (vgl. hierzu im Einzelnen BVerfGE 62, 338 (343); 70, 93 (97); 74, 102 (127); 81, 132 (137); 82, 159 (194); 83, 82 (85); 86, 59 (62 f.); 87, 273 (279); BVerfG [K] NJW 2012, 1863; 2016, 1242 (1243); 2016, 3295 (3296); 2017, 1232 f.; 2017, 1731 (1734); 2017, 2459). Ferner gibt es keine Gleichheit im Unrecht, dh aus Art. 3 I ergibt sich kein Anspruch auf Wiederholung von Rechtsanwendungsfehlern, die bei der Behandlung eines anderen, vergleichbaren Sachverhaltes begangen wurden (BVerfGE 50, 142 (166)).
Obwohl der bloße Wortlaut von Art. 3 I dies nicht unbedingt nahelegt, gilt Art. 3 I nicht nur bei der Rechtsanwendung, sondern er bindet – wegen Art. 1 III und weil es dem Kerngedanken dieser überpositiven Gerechtigkeitsidee (vgl. BVerfGE 1, 208 (233)) entspricht – auch die Legislative (BVerfGE 1, 14 (52)). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit Art. 3 I ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 122, 151 (174); BVerfG [K] NVwZ-RR 2009, 985).
3. Grundrechtsberechtigte
Grundrechtsberechtigt sind „alle Menschen“. Hierzu zählen zunächst alle natürlichen Einzelpersonen unabhängig von deren Nationalität. Aber auch auf Personenvereinigungen und juristische Personen des Privatrechts ist Art. 3 I wesensmäßig anwendbar (BVerfGE 4, 7 (12); 35, 348 (357)), nicht jedoch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts (BVerfGE 78, 101 (102)) mit Ausnahme der Religionsgesellschaften (BVerfGE 19, 1 (5)). Gleichwohl kann sich ein Verbot willkürlichen Verhaltens unter Hoheitsträgern aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 3 I (dazu bereits Rn. 4) sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben (vgl. BVerfGE 21, 362 (372); 89, 132 (141)).
4. Ungleichbehandlung
a) Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem
Ein Verstoß gegen Art. 3 I setzt zunächst eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem voraus (Rn. 3; zur Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem Rn. 12). Zur Ermittlung dessen sind Vergleichspaare unter Einschluss desjenigen zu bilden, den die Ungleichbehandlung trifft, für den sie also nachteilig wirkt (nur aus dessen Sicht kann eine relevante Ungleichbehandlung vorliegen, s. dazu BVerfGE 67, 239 (244); 71, 39 (50)). Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn die diese Vergleichspaare bildenden Personen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen belegt werden. Die Ungleichbehandlung kann dabei sowohl eine personelle sein, dh die betreffenden Rechtsfolgen orientieren sich unmittelbar an personenbezogenen Merkmalen, oder es kann eine sachliche Ungleichbehandlung vorliegen, bei der die Rechtsfolgen unmittelbar an bestimmte Sachverhalte anknüpfen (diese Unterscheidung vermag sich auf die Rechtfertigungsanforderungen auszuwirken, Rn. 15). Ein personenbezogenes Merkmal soll ein „von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal“ sein (BVerfG [K] NVwZ-RR 2011, 567 (568); s. zu der in BVerfGE 132, 372 (388 ff.) ohne Begründung vorgenommenen Einbeziehung von nicht grundrechtsberechtigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts in den Kreis der Vergleichspersonen Reimer DVBl 2013, 496 ff.). Rein sachbezogen sollen bspw. Ungleichbehandlungen sein, die an verschiedene Gerichtsbarkeiten anknüpfen (s. BVerfGE 83, 1 (22) – zur unterschiedlichen Höhe von Anwaltsgebühren; BVerfGE 93, 99 (111) – zu Unterschieden bezüglich Rechtsmittelbelehrung); ebenso rein sachbezogen sei die Unterscheidung des Rechtsschutzes gegen Vergabeentscheidungen oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte nach § 100 GWB iVm der VgV (BVerfGE 116, 135 (161)) oder die Festlegung einer „Kappungsgrenze“ für die gesetzlichen Gebühren der Rechtsanwaltsvergütung bei besonders hohen Streitwerten (BVerfGE 118, 1 (26 f.)).
Ferner ist zu ermitteln, ob die Ungleichbehandlung auch „wesentlich Gleiches“ betrifft: Entscheidend hierfür ist nicht jede oder gar die umfassende Vergleichbarkeit der die Vergleichsgruppe bildenden Personen, sondern nur deren wesentliche Vergleichbarkeit hinsichtlich desjenigen Vergleichskriteriums, das für den Anlass der (ungleich wirkenden) Behandlung maßgeblich ist, hierzu also in einem engen inneren Sachzusammenhang steht (Stern/Sodan/Möstl/Reimer § 128 Rn. 38 ff.). Insoweit ist es dogmatisch nicht gerade gelungen, wenn das BVerfG bspw. im Hinblick auf die gesetzliche Verpflichtung zu Geldleistungen vereinzelt vertritt, dass die Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten (also die Pflicht, bei höherem Leistungsvermögen entspr. höhere Geldleistungen zu erbringen als andere, weniger Leistungsfähige) bereits keine Ungleichbehandlung von Gleichem sei (so aber BVerfGE 108, 52 (68)). Denn hierbei vermengt das BVerfG die Ermittlung der Ungleichbehandlung mit der nachgelagerten Frage nach deren Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Grund (Rn. 13 ff.). Vielmehr ist in diesen Fällen hinsichtlich der Vergleichbarkeit bzw. der wesentlichen Gleichheit der Vergleichspersonen auf denjenigen Sachumstand abzustellen, der Anknüpfungspunkt für die Behandlung als solche (Geldleistungspflicht) ist. Das unterschiedliche Leistungsvermögen hingegen kann erst als möglicher sachlicher Rechtfertigungsgrund für die unterschiedliche Behandlung herhalten. Werden also zB nach dem Leistungsvermögen der Eltern gestaffelte und insoweit unterschiedlich hohe Kindergartengebühren erhoben, so ist das maßgebliche Vergleichskriterium nicht das Einkommen der Eltern, sondern die Kindergartennutzung, da diese als unmittelbare „Gegenleistung“ für die Gebührenentrichtung in sachnächstem Zusammenhang zur Gebührenerhebung steht. Im Hinblick auf dieses Vergleichskriterium sind aber alle Eltern „wesentlich gleich“, da jew. die gleiche staatliche Leistung – nämlich die Unterbringung eines Kindes im Kindergarten – in Anspruch genommen wird; die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse können nur als möglicher Rechtfertigungsgrund herangezogen werden (so zutr. BVerfGE 97, 332 (344 ff.): Danach war die an sozialen Gesichtspunkten orientierte Gebührenstaffelung vor allem deshalb zulässig, weil selbst die höchste Gebühr nicht kostendeckend war und die betr. Nutzer daher nicht zusätzlich sowie voraussetzungslos zur Finanzierung allgemeiner Lasten herangezogen und nicht übermäßig belastet wurden).
Wesentlich ungleich sind jedenfalls Sachverhalte, „die anderen rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozial-geschichtlichen Zusammenhängen stehen“ (BVerfGE 11, 283 (293) – hinsichtlich unterschiedlichen Renten-„Systemen“; BVerfGE 40, 121 (140) – bezüglich unterschiedlichen Sozialleistungen für Sozialversicherte und Beamte). Wesentlich ungleich sind ferner bspw. natürliche und juristische Personen im Hinblick auf den „auf Gleichheit im sozialen Bereich ausgerichteten Aspekt“ des Art. 3 I (BVerfGE 35, 348 (357)).
b) Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem
Soweit Art. 3 I wegen einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (Rn. 3) betroffen sein soll, gilt das zuvor Ausgeführte (Rn. 9 ff.) prinzipiell in „umgekehrter“ Weise: Es muss gerade eine Gleichbehandlung vorliegen und an einer Vergleichbarkeit der Vergleichspaare fehlen. Dabei ist Ungleiches aber nicht unter allen Umständen ungleich zu behandeln, sondern nur dann, wenn nach einer „am Gerechtigkeitsgedanken“ orientierten Betrachtungsweise „die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind“, dass eine differenzierende Behandlung verfassungsrechtlich geboten ist (BVerfGE 86, 81 (87); vgl. auch BVerfGE 1, 264 (275 f.); 90, 226 (239)).
5. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
a) Erfordernis eines hinreichenden sachlichen Rechtfertigungsgrundes
Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (oder eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem) führt nur dann zu einem Verstoß gegen Art. 3 I, wenn sie ohne hinreichenden sachlichen Grund erfolgt. Um von einem sachlich einleuchtenden Differenzierungsgrund sprechen zu können, muss „ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung bestehen, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von einigem Gewicht anführen lässt“ (BVerfGE 126, 29 (47 f.)). Die geläufige Formel von Art. 3 I als staatlichem Willkürverbot (Rn. 3) ist dabei streng genommen nicht ganz präzise, da das BVerfG seit geraumer Zeit neben der „Willkürformel“ vermehrt auch die stärker auf Verhältnismäßigkeitsaspekte abstellende „neue Formel“ heranzieht, um das Vorliegen eines hinreichenden Rechtfertigungsgrundes für eine Ungleichbehandlung zu ermitteln.
b) Willkürformel und neue Formel
Nach der auf die ursprüngliche Rspr. des BVerfG zu Art. 3 I zurückgehenden Willkürformel liegt eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dann vor, wenn sich (irgend)ein vernünftiger, aus der Natur der Sache resultierender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt (s. BVerfGE 1, 14 (52); ausführl. zu den Anforderungen an einen sachlichen Grund Stern/Sodan/Möstl/Reimer § 128 Rn. 79 ff.). Dabei handelt es sich um eine Art „Evidenzprüfung“, bei der einleuchtende sachliche Gründe insbes. für eine legislative Ungleichbehandlung schlechterdings nicht mehr erkennbar sein dürfen (vgl. BVerfGE 50, 142 (162); 88, 87 (97); 91, 389 (401); s. zur Anwendung der Willkürformel auf richterliche Entscheidungen BVerfG [K] NJW 2014, 3213 ff.; 2014, 3504 ff.; NJW-RR 2019, 1211; NJW 2019, 2690). Strengere Prüfungsanforderungen gelten demgegenüber bei der vom BVerfG seit 1980 verwandten „neuen Formel“, nach welcher die Prüfung stärker an Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auszurichten ist (s. hierzu Britz NJW 2014, 346 (347 ff.)). Hiernach ist Art. 3 I „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“ (BVerfGE 55, 72 (88); vgl. auch BVerfGE 107, 133 (141); 112, 50 (67); 117, 316 (325); 120, 125 (144); 121, 317 (369); 126, 29 (47); 129, 49 (69); 130, 52 (66); 130, 240 (253); 131, 239 (256)). Eine Rechtfertigung ist hiernach nur möglich, wenn Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund „in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“ (BVerfGE 82, 126 (146)). Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Freiheitsgrundrechten (Vor Art. 1 Rn. 62 ff.) sind demgemäß in sinnentsprechender Weise auf die gleichheitsrechtliche Prüfung zu übertragen: Folglich muss mit der Ungleichbehandlung ein legitimer Zweck verfolgt werden und diese zu dessen Erreichung auch geeignet sein. Ferner muss sich die Ungleichbehandlung als erforderlich erweisen, dh es dürfen – unter gebührender Berücksichtigung gesetzgeberischer Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume – keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 91, 389 (403 f.); 103, 225 (235 ff.)). Schließlich ist zu überprüfen, ob Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 89, 365 (377 f.)); dafür ist eine umfassende Abwägung zwischen Art und Gewicht, dem Zweck und den Auswirkungen der Ungleichbehandlung vorzunehmen.
c) Anwendungsbereiche für Willkürformel und neue Formel
Ob sich die Grenzen für Ungleichbehandlungen nach der Willkürformel oder einer Verhältnismäßigkeitsprüfung („neue Formel“) bemessen, hängt vom Regelungsgegenstand und den Differenzierungsmerkmalen ab; diese Grenzen können nach der neueren Rspr. des BVerfG „stufenlos von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen“ (BVerfGE 129, 49, Ls. 1; vgl. auch BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389 (401); 107, 218 (244); 107, 257 (270); 108, 52 (67 f.); 110, 274 (291); 116, 164 (180); 126, 268 (277); 130, 52 (66); 131, 239 (255 f.); 132, 179 (188 f.); 151, 101 (127); 152, 274 (312)). Nicht ausgeschlossen ist ferner die Herausbildung weiterer Kriterien für die Bestimmung der Prüfungsdichte bei Ungleichbehandlungen (vgl. Britz NJW 2014, 346 (349 mwN)). Der strengere Maßstab iS einer Verhältnismäßigkeitsprüfung wird dabei vor allem dann zur Anwendung gebracht, wenn personelle bzw. personenbezogene Ungleichbehandlungen zur Prüfung gestellt werden und nicht nur sachbezogene (vgl. BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 91, 389 (401); 110, 274 (291); 151, 101 (127); BVerfG [K] NJW 2013, 1220 (1221); NJW 2019, 3054 (3061); NZA 2020, 37 (38); zur Unterscheidung Rn. 9). „Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung von Personengruppen sind umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 genannten Merkmalen annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt“ (BVerfGE 131, 239 (256); vgl. auch BVerfGE 133, 1 (14); 139, 1 (13)). Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auch erforderlich, wenn sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96); 99, 341 (355); 99, 367 (388); 107, 133 (141); 111, 160 (169); 111, 176 (184); 126, 29 (48); 133, 1 (14); 136, 152 (180); 139, 1 (13)). Da ferner die strengeren Prüfungsmaßstäbe der „neuen Formel“ sogar dann anzuwenden sind, wenn „eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt“ (BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22); 99, 367 (388); 108, 52 (68); 118, 79 (100) – jew. ohne die Hervorhebung), verbleibt für die Willkürformel nur noch ein recht eingeschränkter Anwendungsbereich (vgl. BVerfGE 92, 53 (69)). So kann diese etwa im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit zur Anwendung gelangen, bei welcher der Gesetzgeber einen weiten Spielraum hat (vgl. etwa BVerfGE 100, 195 (205); 122, 1 (23); BVerfG [K] NVwZ-RR 2010, 505 f. betr. Hinterbliebenenversorgung; s. auch Jarass/Pieroth/Jarass Art. 3 Rn. 23, 31), ferner bei der Überprüfung von Gerichtsentscheidungen (vgl. Rn. 6). Hinsichtlich letzterer wird die primär für gesetzgeberisches Handeln entwickelte „neue Formel“ aber wiederum dann herangezogen, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung zu einer dem Gesetzgeber nach der „neuen Formel“ verwehrten Differenzierung gelangen (s. BVerfGE 70, 230 (240)); Gleiches muss prinzipiell für den Gesetzesvollzug durch die Exekutive gelten.
Geringere Anforderungen an den Prüfungsmaßstab können nach der Rspr. des BVerfG ferner bei der Ordnung von komplexen Massenerscheinungen gelten, insbes. im Hinblick auf die Zulässigkeit von generalisierenden, typisierenden oder pauschalierenden Regelungen etwa im Sozialversicherungs- oder Steuerrecht (s. zB BVerfGE 70, 1 (34); 87, 234 (255); 96, 1 (6); 101, 297 (309); 103, 225 (235 f.); 110, 274 (292 ff.) – „Ökosteuer“; 117, 1 (30 ff.) – betr. Erbschaftsteuer; 139, 285 (308 f.); BVerfG [K] DVBl 2010, 1502 – betr. sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht für bestimmte Kapitalleistungen; auch noch Rn. 18 f.; BVerfGE 152, 274 (314) betr. Steuerfreiheit des Existenzminimums), wobei im Steuerrecht dem Gebot der Belastungsgleichheit (BVerfGE 160, 41 (65 f.); vgl. auch BVerfGE 161, 1 (53) betr. Lastengleichheit und zur Bedeutung individueller Leistungsfähigkeit für Art. 3 I) besondere Relevanz zukommt, insbes. auch bei der Besteuerung der Familie in Zusammenschau mit Art. 1 I, Art. 20 I und Art. 6 I (s. hierzu BVerfGE 162, 277 (309 f.) betr. Kindergeldleistungen an nicht erwerbstätige, aufenthaltsberechtigte Ausländer). Danach können hier bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammengefasst, Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigt sowie Begünstigungen oder Belastungen in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden (BVerfGE 111, 115 (137)). Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Typisierungen uä ist aber, dass die daraus resultierenden Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 100, 138 (174 mwN)) sowie der tatsächliche Anknüpfungspunkt für die Typisierung im Normzweck angelegt ist (BVerfGE 111, 115 (137)). Aus ähnl. gelagerten Erwägungen heraus sind Stichtagsregelungen und die aus deren formaler Starrheit resultierenden Ungleichheiten zulässig, wenn die Einführung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, vertretbar und insoweit willkürfrei ist (vgl. BVerfGE 75, 78 (106); 87, 1 (43); 101, 239 (270); 145, 20 (104 f.)). In besonderen Lagen können hier aber Übergangsregelungen geboten sein (BVerfGE 47, 85 (94); 71, 364 (397); vgl. auch BVerfG [K] NVwZ 2016, 56 (57)).
Die aufgezeigten Differenzierungen führen zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Willkürformel und „neuer Formel“. Die Rspr. des BVerfG hat die Willkürformel nicht verworfen, sondern wendet sie weiterhin neben der „neuen Formel“ an (BeckOK GG/Kischel Art. 3 Rn. 29.1; Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 25). Das BVerfG integriert in jüngerer Rspr. sogar Willkürverbot und Aspekte der Verhältnismäßigkeit iSe stufenlosen Prüfung auf einer gleitenden Skala unterschiedlich strenger Anforderungen (vgl. bereits → Rn. 15). „Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen“ (BVerfGE 130, 131 (142) – ohne die Hervorhebungen; s. auch BVerfGE 129, 49 (68 f.); DHS/P. Kirchhof Art. 3 I Rn. 268; Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 30 ff.).)
Dogmatisch konsequent wäre demgegenüber die generelle Anwendung der „neuen Formel“ und die damit einhergehende Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dies würde nicht nur der Gefahr einer gewissen Beliebigkeit bei der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsaspekten begegnen, sondern führte regelmäßig auch in den derzeit einer bloßen Willkürprüfung vorbehaltenen Fällen zu sachgerechten Ergebnissen; denn die Umstände, welche in den betreffenden Fällen einen geringeren Prüfungsmaßstab iSe Willkürprüfung rechtfertigen, hätten ebenso in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzufließen (ähnl. BeckOK GG/Kischel Art. 3 Rn. 29).
6. Der Gleichheitssatz in einzelnen Rechtsgebieten
a) Steuerrecht
Im Steuerrecht folgt aus Art. 3 I ein „grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit“ (BVerfGE 66, 214 (223)), dessen Ausfluss wiederum die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist (BVerfGE 43, 108 (120); 61, 319 (343 f.); 66, 214 (223); 145, 106 (142); ferner Vor Art. 104a Rn. 10). Im Rahmen dessen ist die „Lastengleichheit“ zu wahren (BVerfGE 84, 239 (268 ff.)). In „horizontaler“ Hinsicht muss bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden, in „vertikaler“ Hinsicht hat die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot zu genügen (BVerfGE 105, 73 (126); vgl. auch BVerfGE 92, 60 (89); 99, 246 (260); BVerfG [K] DStR 2015, 2757 (2760); NJW 2016, 469 (470)). Zudem ist die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umzusetzen (BVerfGE 107, 27 (47 mwN)). Ferner resultiert aus Art. 3 I das „Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung“ (s. näher BVerfGE 105, 73 (126 f.)). Die Vorteile einer Typisierung (Rn. 16) müssen „im rechten Verhältnis“ zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (BVerfGE 110, 274 (292)). Im Übrigen ist dem Gesetzgeber der oben (Rn. 16) beschriebene weite Gestaltungsspielraum eingeräumt, etwa hinsichtlich der Auswahl des Steuergegenstandes oder bei der Bestimmung des Steuersatzes (BVerfGE 99, 88 (95); 126, 400 (416 f.); 138, 136 (181 f.)). S. aus der jüngeren bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. etwa BVerfGE 121, 1 (29 ff.) und 121, 108 (118 ff.) betr. Steuerprivilegierungen; 122, 210 (230 ff.) zur Pendlerpauschale; 123, 1 (18 ff.) betr. Besteuerung von Gewinnspielautomaten; 123, 111 (119 ff.) zur Nichtanerkennung von Jubiläumsrückstellungen als gewinnmindernd; 124, 282 ff. betr. Hinzurechnung des Kindergeldes zur Steuerschuld; 125, 1 ff. zur Gleichheitswidrigkeit bestimmter Übergangsregelungen im Körperschaftsteuerrecht; 126, 268 ff. betr. teilweise Verfassungswidrigkeit des Abzugsverbots für Arbeitszimmeraufwendungen; 137, 350 ff. betr. Verfassungsmäßigkeit der Luftverkehrsteuer; BVerfG [K] NVwZ 2010, 902 ff. zur Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen; BVerfG [K] NVwZ 2010, 1022 ff. betr. Zweitwohnungsteuer für Studierende (vgl. nunmehr zur Verfassungswidrigkeit eines degressiven Zweitwohnungsteuertarifs BVerfGE 135, 126 ff.); BVerfG [K] NJW 2014, 139 ff. betr. Festsetzungsfrist bei einkommensteuerrechtlicher Antragsveranlagung; BVerfGE 139, 285 (310 ff.) betr. Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nach § 8 II EStG iVm §§ 138 ff. BewG; BVerfG [K] DStR 2015, 2757 (2760); NJW 2016, 469 (470) betr. die differenzierte Besteuerung von Alterseinkünften. Der verfassungsrechtliche Status der Ehe nach Art. 6 I erlaubt eine Besserstellung von Eheleuten bei der Besteuerung; jedenfalls sind steuerrechtliche Diskriminierungen der Ehe prinzipiell unzulässig (BVerfG [K] NVwZ 2017, 617 (621); BeckOK GG/Uhle Art. 6 Rn. 40 ff.). Die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe verstößt nach Ansicht des BVerfG gegen Art. 3 I und kann insoweit auch nicht durch den Hinweis auf Art. 6 I gerechtfertigt werden, wenn Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen vergleichbar sind (BVerfGE 126, 400 (420 f.); vgl. auch BVerwG NJW 2011, 1466 (1467)). Das gilt auch für den Ausschluss eingetragener Lebenspartnerschaften vom sog. Ehegattensplitting (BVerfGE 133, 377 (409)). Zu der vom BVerfG in den letzten Jahren betriebenen Vollangleichung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft näher Art. 6 Rn. 13.
b) Sozialrecht
Ebenfalls im Sozialrecht und hier insbes. im Sozialversicherungsrecht wird dem Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 3 I ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden (vgl. etwa BVerfGE 113, 167 (215); 122, 151 (174 ff.); sowie Rn. 16), mitunter aber auch hier der an Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten orientierte, strengere Maßstab der „neuen Formel“ (Rn. 14) zugrunde gelegt (s. etwa BVerfGE 89, 365 (377 f.) hinsichtlich Beitragssatzunterschieden zwischen einzelnen Krankenkassen; BVerfG [K] DVBl 2014, 775 (776) betr. die unterschiedliche Höhe von Pflegesachleistungen und Pflegegeld). In der Sozialversicherung wird zur Rechtfertigung der trotz gleicher Leistungen unterschiedlichen, am Einkommen bemessenen Beitragsbelastungen von Versicherten vor allem das in der Sozialversicherung angelegte „Solidaritätsprinzip“ herangezogen (vgl. etwa BVerfGE 79, 223 (236 f.)). Auch fremdnützige Sozialversicherungsabgaben wurden hierüber gerechtfertigt (s. etwa BVerfGE 75, 108 (159 f.) – betr. die Künstlersozialabgabe). Hinsichtlich der Bestimmung des in der Sozialversicherung pflichtversicherten Personenkreises betont das BVerfG in besonderer Weise nicht nur den Aspekt der Bedürftigkeit der einbezogenen Personen, sondern vor allem den der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung, sodass der Gesetzgeber den einbezogenen Personenkreis so abgrenzen dürfe, wie es für die Begründung und den Erhalt einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich sei (BVerfGE 113, 167 (220 mwN); vgl. zur grds. Kritik Schaks, Der Grundsatz der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, 2007, 156 ff.; Sodan/Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 16 Rn. 2a ff.; s. zu den Einwänden gegen eine „Bürgerversicherung“ Sodan ZRP 2004, 217 (218 ff.); Sodan VVDStRL 64 [2005], 144 (149 ff.)).
c) Arbeitsrecht
Bei der Schaffung und Ausgestaltung privatrechtlicher Normen ist der Gesetzgeber ebenfalls an die Grundrechte, mithin auch und vor allem an Art. 3 I gebunden (s. Stern III/1, 1565 ff., insbes. 1569); deswegen entfaltet der allgemeine Gleichheitssatz gerade auch im Arbeitsrecht Wirkung (Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 191). So sind etwa unterschiedliche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte gleichheitswidrig (BVerfGE 82, 126 (146 ff.)), ebenso die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Nachtarbeit von Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten (BVerfGE 85, 191 (210 f.)) oder diejenige der Verfallbarkeit von betrieblichen Altersrenten in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (BVerfGE 98, 365 (388 ff.)). Eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung (Rn. 12) sah das BVerfG etwa in derjenigen von unterschiedlich hohen Versorgungszusagen desselben öffentlichen Arbeitgebers bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BVerfGE 98, 365 (384 ff.)). Vereinbar mit Art. 3 I ist hingegen der Ausschluss des Kündigungsschutzes bei Kleinbetrieben (BVerfGE 97, 169 (180 ff.); vgl. hierzu auch BVerfGE 97, 186 (193 ff.)). Dagegen ist der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit vom Anwendungsbereich des Massenentlassungsschutzes mit Art. 3 I iVm Art. 6 I nicht in Einklang zu bringen (BVerfG [K] NZA 2016, 939 (940)).
d) Sonstige Bereiche
Bei der Ordnung und Lenkung des Wirtschaftslebens kommt dem Gesetzgeber grds. ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 50, 290 (338); vgl. BVerfGE 110, 274 (293)). Allerdings verengt sich dieser Spielraum umso mehr, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Freiheiten, namentlich die durch Art. 12 I geschützte Berufsbetätigung, auswirkt (BVerfGE 121, 317 (369 f.) – betr. landesrechtliche Rauchverbote in Gaststätten; vgl. ferner BVerfGE 62, 256 (274); s. auch BVerfGE 135, 155 ff. – betr. Verfassungsmäßigkeit einer Filmabgabe nach dem Filmfördergesetz). Durch das BVerfG beanstandet wurden insoweit etwa eine rabattrechtliche Schlechterstellung von Warenhäusern gegenüber anderen Großunternehmen (BVerfGE 21, 292 (298 ff.)) oder die Bevorzugung von Sparkassen gegenüber privaten Banken bei der Grundbucheinsicht (BVerfGE 64, 229 (238 ff.)). Im Prüfungsrecht ergeben sich aus Art. 3 I (bei Abschlussprüfungen ggf. iVm Art. 12 I) vor allem der Grundsatz der Chancengleichheit (BVerfGE 52, 380 (388); BVerwGE 152, 330 (334 ff.)), etwa im Hinblick auf die äußeren Prüfungsbedingungen (BVerwGE 87, 258 (261)), sowie iVm dem Rechtsstaatsprinzip das Fairnessgebot (BVerwGE 70, 143 (144)). Bei der Festsetzung von Rückmeldegebühren für Hochschulen ist nach Art. 3 I die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen zu berücksichtigen (BVerfGE 144, 369 (397 ff.)). Hinsichtlich der Höhe des Rundfunkbeitrags für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge hat das BVerwG entschieden, dass die Bemessung des abzugeltenden Vorteils am Maßstab der Beschäftigtenzahl in Kombination mit einer degressiven Staffelung der Beitragshöhe vertretbar sei und keine Verletzung des Gebots der Belastungsgleichheit darstelle (BVerwGE 156, 358 (382 ff.)). Bei statistischen Stichprobenerhebungen gebietet der Gleichheitsgrundsatz ein Auswahlverfahren, das die Belastung gleichmäßig auf die auskunftspflichtigen Unternehmen verteilt, soweit es der Zweck der Erzielung repräsentativer Ergebnisse zulässt (BVerfG [K] NJW 2017, 2570 (2572)). Ebenfalls aus Art. 3 I im Zusammenspiel mit dem Rechtsstaatsprinzip resultiert im Prozessrecht das Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfGE 81, 347 (356); näher Rn. 5) sowie überhaupt eine prinzipielle Rechtsschutzgleichheit (Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 204), etwa im Hinblick auf die „gleiche Anrufungschance“ und die grundsätzliche „Waffengleichheit“ im Prozess (BVerfGE 52, 131 (144); s. auch BVerfGE 122, 39 (50 ff.) zu der sich aus Art. 3 I iVm Sozial- und Rechtsstaatsprinzip ergebenden Verpflichtung zur Schaffung von Rechtswahrnehmungsgleichheit auch im außergerichtlichen Bereich; vgl. BVerfG [K] BeckRS 2017, 126345 Rn. 9 zur Herleitung aus Art. 3 I iVm Art. 19 IV). Die begründete Umsetzung eines Richters wegen Spannungen im Spruchkörper stellt keine Verletzung des Willkürverbots nach Art. 3 I dar (BVerfG [K] NVwZ 2017, 51 (52 f.)); ebenso wenig der Vorzug eines Bewerbers mit gleichem Leistungsurteil, aber niedrigerem Statusamt als der unterlegene Bewerber, da der Grundsatz vom Statusamt nicht schematisch auf jede Beförderungskonkurrenz angewandt werden kann (BVerfG [K] NVwZ 2017, 1133 (1135)).
III. Die besonderen Gleichheitssätze des Art. 3 II und III
1. Allgemeines
a) Rechtliche Bedeutung der besonderen Gleichheitssätze
Art. 3 II und III enthalten spezielle Gleichheitssätze, die im Rahmen ihrer Anwendungsbereiche dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I vorgehen sowie dessen Schutzgehalt „verstärken“, indem sie der dem Gesetzgeber darin eingeräumten Gestaltungsfreiheit engere Grenzen ziehen (BVerfGE 85, 191 (206)). Neben subjektiv-grundrechtlichen Abwehransprüchen begründen sie zugleich einen objektiven Wertmaßstab für die gesamte Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 17, 1 (27); s. zu den Auswirkungen des Art. 3 III 2 auf die Bewertung des Mitverschuldens nach § 254 BGB BVerfG [K] NJW 2016, 3013 f.). Die speziellen Gleichheitssätze verbieten Ungleichbehandlungen aufgrund der speziellen, in ihnen genannten Merkmale (Geschlecht, Abstammung, Rasse etc). Das Kriterium der sexuellen Identität wurde bewusst nicht aufgenommen (Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission aus dem Jahr 1993, BT-Drs. 12/6000, 54). Die in Art. 3 II und III genannten Merkmale dürfen „grundsätzlich nicht Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung sein“ (BVerfGE 85, 191 (206); 114, 357 (364)). Die besondere Bedeutung dieser speziellen Sätze gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz besteht somit vor allem darin, dass Ungleichbehandlungen aufgrund der in ihnen aufgeführten Merkmale zumindest im Grundsatz gerade nicht durch einen „sachlichen Grund“ gerechtfertigt werden können (zu Ausnahmen sogleich Rn. 24). Zugleich folgt daraus, dass diese Merkmale grds. nicht als „sachlicher Grund“ für eine Rechtfertigung im Rahmen des Art. 3 I herhalten dürfen (vgl. etwa BVerfG [K] NJW 2009, 661).
b) Kausale und mittelbare Diskriminierungen
Die speziellen Gleichheitssätze verbieten jedenfalls die finale, dh ziel- und zweckgerichtet auf eines der betreffenden Merkmale bezogene Diskriminierung oder Privilegierung (vgl. die Formulierung „wegen“ in Art. 3 III 1). Nach überwiegender Ansicht beziehen sie sich ferner auf jede Ungleichbehandlung, welche kausal an eines der betreffenden Merkmale anknüpft, auch wenn die Maßnahme in erster Linie andere Ziele verfolgt (BVerfGE 85, 191 (206 f.); 97, 35 (43); Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 255 f.; vgl. ferner BVerfGE 89, 276 (288 f.); anders – nur finale Diskriminierung – noch BVerfGE 75, 40 (70)). Erfasst werden nach hM zudem sog. mittelbare (indirekte) Diskriminierungen, dh Regelungen, welche zwar geschlechtsneutral formuliert sind, aber aufgrund natürlicher oder gesellschaftlicher Unterschiede überwiegend nur ein Geschlecht betreffen (BVerfGE 104, 373 (393); 121, 241 (254 ff.); 126, 29 (53 f.); BVerfG [K] NJW 2009, 661 f.; vgl. auch BVerfGE 97, 35 (43); 109, 64 (89 ff.); aA BK/Rüfner Art. 3 Rn. 566 ff. [Stand der Kommentierung: Mai 1996]). Dem ist (nur) insoweit zuzustimmen, als die betr. Merkmale materiell und nicht bloß formal ermittelt werden müssen und die staatliche Gewalt sich nicht allein aufgrund geschickter Regelungstechnik den verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten in Art. 3 II und III entziehen kann. Andererseits darf nicht jedes in einem bestimmten Regelungsbereich tatsächlich vorhandene, rein zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern (etwa in dem von Frauen „dominierten“ Bereich der Teilzeitbeschäftigung) dazu (ver)führen, in der Schlechterstellung dieses – gleichwohl beide Geschlechter umfassenden – Bereiches gegenüber anderen (etwa dem der Vollzeitbeschäftigung) sofort auch eine mittelbare Diskriminierung des zahlenmäßig stärker bzw. schwächer vertretenen Geschlechts zu erblicken (vgl. BK/Rüfner Art. 3 Rn. 566 [Stand der Kommentierung: Mai 1996]). Regelmäßig ist in diesen Fällen vielmehr nur die Ungleichbehandlung zwischen den unterschiedlich behandelten Bereichen an Art. 3 I zu messen, nicht aber das statistische Geschlechter-Ungleichgewicht innerhalb des schlechter behandelten Bereiches an Art. 3 II und III (BK/Rüfner Art. 3 Rn. 566 [Stand der Kommentierung: Mai 1996]). Wird eine mittelbare Diskriminierung im Rahmen von Art. 3 II und III festgestellt, so muss diese umso geringeren Rechtfertigungsanforderungen unterliegen, je stärker und sachgerechter sie unmittelbar an ein anderes Unterscheidungskriterium anknüpft (aA Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 256 f.).
c) Grenzen der speziellen Diskriminierungsverbote
Die speziellen Gleichheitssätze wirken nach den zuvor angestellten Überlegungen (Rn. 22) zwar als „grundsätzliche“ (vgl. BVerfGE 114, 357 (364)), nicht aber als absolute Diskriminierungs- und Privilegierungsverbote, verbieten also nicht schlechthin jede Ungleichbehandlung, die an eines der betr. Merkmale anknüpft (vgl. BVerfGE 85, 191 (207)). Gem. der allgemeinen Grundrechtsdogmatik unterliegen diese Sätze nämlich – vergleichbar den vorbehaltlos gewährleisteten Freiheitsgrundrechten – zumindest verfassungsimmanenten Grenzen (s. etwa BVerfGE 114, 357 (364); BVerfG [K] NJW 2009, 661 (663); allgemein zu verfassungsimmanenten Grenzen Vor Art. 1 Rn. 53). Das insoweit kollidierende Verfassungsrecht und der Schutzgehalt der Diskriminierungs- und Privilegierungsverbote sind dann im Wege praktischer Konkordanz bzw. einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 267 ff.) in Ausgleich zu bringen (BVerfGE 92, 91 (109); 114, 357 (364)). Darüber hinaus können ausnahmsweise Ungleichbehandlungen zulässig sein, soweit sie sich gerade aus der (vor allem biologischen) Natur einer bestimmten Gruppe von Merkmalsträgern ergeben und im Hinblick darauf „zwingend erforderlich“ sind (s. BVerfGE 85, 191 (207); 92, 91 (109); 114, 357 (364); dazu auch Rn. 25 aE, 29 aE).
2. Die besonderen Gleichheitssätze im Einzelnen
a) Gleichberechtigung von Männern und Frauen
aa) Verbot von Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts
Art. 3 III 1 Var. 1 statuiert ein Verbot von Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts, legt also ein diesbezügliches Diskriminierungs- und Privilegierungsverbot sowie ein entspr. Abwehrrecht fest. Die Zulässigkeit von an das Geschlecht anknüpfenden Ungleichbehandlungen kann sich lediglich in engen Grenzen ergeben (Rn. 24). In Betracht kommen insbes. verfassungsimmanente Rechtfertigungen: Eine solche enthält etwa Art. 12a I, der die Wehrpflicht nur für Männer vorsieht (s. dazu BVerfGE 12, 45 (52 f.); 48, 127 (161, 165); 105, 61 (70 ff.); freiwilligen Wehrdienst dürfen hingegen auch Frauen leisten, wie der im Anschluss an EuGH Slg. 2000, I-69 ff. – „Kreil“ geänderte Art. 12a IV 2 klarstellt). Ebenso soll sich aus Art. 6 II 1 iVm V die Rechtfertigung für die Zuordnung des nichtehelichen Kindes zur Mutter herleiten (BVerfGE 56, 363 (388 ff.); s. ferner BVerfGE 84, 168 (181)). Keine Rechtfertigung bietet hingegen Art. 12 II für eine auf Männer beschränkte Feuerwehrdienstpflicht und hieran geknüpfte Abgaben (BVerfGE 92, 91 (111 ff.)). Über verfassungsimmanente Rechtfertigungen hinaus können Ungleichbehandlungen ausnahmsweise dann zulässig sein, „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind“ (BVerfGE 85, 191 (207); 92, 91 (109) – jew. ohne die Hervorhebungen; s. ferner BVerfG [K] NJW 2009, 661 (662 f.) betr. Ungleichbehandlung von männlichen gegenüber weiblichen Gefangenen hinsichtlich des Erwerbs von Kosmetika und der Einräumung von Möglichkeiten zum Telefonieren). Daraus folgt, dass allein biologisch begründete Unterschiede zwischen den Geschlechtern Berücksichtigung finden dürfen, nicht auch rein „funktionale“, welche aus einem traditionellen Rollenverständnis resultieren, dessen Verfestigung Art. 3 III 1 gerade entgegenwirken will (v. Münch/Kunig/Boysen Art. 3 Rn. 164; MKS/Starck Art. 3 Rn. 321 ff.; vgl. ferner BVerfGE 85, 191 (207 f.); anders noch BVerfGE 74, 163 (179)). Sowohl auf biologische Besonderheiten als auch auf Art. 6 V gestützt sein können insoweit etwa bestimmte, geburts- bzw. schwangerschaftsbedingte Mutterschutzregeln. Dass allerdings die Abgrenzung zwischen „biologischen“ und eher soziologisch-funktionalen Eigenheiten des jeweiligen Geschlechts nicht immer haarscharf gelingen will, zeigt eine Entscheidung des BVerwG zu der allein Soldatinnen eingeräumten Möglichkeit, im Dienst lange Haare zu tragen: Das Gericht ließ darin die zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung gegenüber männlichen Soldaten vorgetragene Erwägung unbeanstandet, dass Frauen „das Tragen langer Haare als besonderen Ausdruck von Weiblichkeit empfänden“ und sie insoweit „der Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbildes einschließlich der Möglichkeit, die Haare ohne Rücksicht auf Schwankungen der jeweiligen Mode mehr oder weniger lang zu tragen, allgemein und regelmäßig weit größere, grundlegende Bedeutung beimessen“ (BVerwGE 103, 99 (103)). Zu beachten ist aber, dass Art. 3 III 1 nicht nur Männer und Frauen vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts schützt, sondern auch Menschen, die sich diesen beiden Kategorien in ihrer geschlechtlichen Identität nicht zuordnen lassen (insbes. Intersexuelle ); das BVerfG hat daher die Regelungen für die Eintragung des Geschlechts in das Geburtenregister als verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff angesehen (BVerfGE 147, 1 (27 ff.)). „§ 21 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 22 Abs. 3 PStG behandelt Menschen, die nicht männlichen oder weiblichen Geschlechts sind, ungleich und benachteiligt sie wegen ihres Geschlechts insofern, als diese im Gegensatz zu Männern und Frauen nicht ihrem Geschlecht gemäß registriert werden können. § 22 Abs. 3 PStG lässt ausdrücklich nur die Eintragung als weiblich oder als männlich zu. Andere Menschen müssen im geltenden Personenstandsrecht entweder die unzutreffende Zuordnung zu einem der beiden genannten Geschlechter oder aber einen Eintrag hinnehmen, der den Eindruck erweckt, sie hätten kein Geschlecht“ (BVerfGE 147, 1 (27 f.)).
bb) Gleichberechtigungsgebot
Der über das Diskriminierungsverbot des Art. 3 III 1 hinausreichende Regelungsgehalt des Art. 3 II besteht dem BVerfG zufolge darin, dass er „ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt“, um „für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter“ durchzusetzen, indem er „auf die Angleichung der Lebensverhältnisse“ abzielt (BVerfGE 85, 191 (206 f.); vgl. auch BVerfGE 92, 91 (109); 113, 1 (15); BVerfG [K] NJW 2007, 137). Art. 3 II soll damit im Ergebnis klarstellen, dass faktische „Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, […] durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden dürfen“ (BVerfGE 85, 191 (207)). Das BVerfG geht insoweit davon aus, dass das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 II eine (verfassungsimmanente) Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung iSd Art. 3 III 1 darstellen kann (vgl. BVerfGE 92, 91 (109, 112)), jedoch nicht für das Prinzip der Bestenauslese iSd Art. 33 II (OVG NRW DVBl 2017, 643 (647 f.)). Im Unterschied zu Art. 3 II 1 enthält Art. 3 II 2 aber kein subjektiv-öffentliches Recht, sondern statuiert ein Staatsziel (Ossenbühl NJW 2012, 417 (418); Stern/Sodan/Möstl/Reimer § 129 Rn. 73).
Fraglich ist dabei aber jedenfalls der Umfang der aus Art. 3 II resultierenden Rechtfertigungsmöglichkeit, vor allem im Hinblick auf die Zulässigkeit sog. „Frauenförderquoten“ bei der Zulassung zum bzw. der Beförderung im öffentlichen Dienst, durch welche bei gleicher Eignung Frauen gegenüber männlichen Mitbewerbern bis zur Erreichung einer bestimmten (idR 50-prozentigen) Quote bevorzugt behandelt werden sollen (s. dazu näher Sodan/Ziekow § 47 Rn. 3; Papier/Heidebach DVBl 2015, 125 ff.). Quotenregelungen werden auch im Wahlrecht diskutiert, seit erste Bundesländer in ihrem Wahlrecht paritätisch besetzte Landeslisten verlangten. Gegen starre Quotenregelungen spricht jedoch, dass Art. 3 II 2 auf die Herstellung von Chancen-, nicht von Erfolgsgleichheit abzielt (vgl. Sodan/Ziekow § 6 Rn. 50).
b) Die übrigen Diskriminierungsverbote des Art. 3 III 1
Dem BVerfG zufolge stellen die Diskriminierungsverbote des Art 3 III eine Konkretisierung des Menschenwürdeschutzes dar (BVerfG NJW 2024, 645 (658)). Die Diskriminierungsverbote des Art. 3 III 1 untersagen Benachteiligungen oder Bevorzugungen aufgrund der in ihnen genannten besonderen Merkmale und räumen ein damit einhergehendes Abwehrrecht ein. „Abstammung“ ist „die natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren“ (BVerfGE 9, 124 (128)), „Rasse“ die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit tatsächlich oder vermeintlich vererbbaren, gemeinsamen Merkmalen (Sachs/Nußberger Art. 3 Rn. 295; MKS/Starck Art. 3 Rn. 387). „Sprache“ meint die Muttersprache (vgl. BK/Kingreen Art. 3 Rn. 534). Der Begriff der „Heimat“ umfasst „die örtliche Herkunft eines Menschen nach Geburt oder Ansässigkeit im Sinne der emotionalen Beziehung zu einem geographisch begrenzten, den Einzelnen mitprägenden Raum (Ort, Landschaft)“ (BVerfGE 102, 41 (53)). „Herkunft“ bezeichnet „die sozialstandesmäßige Verwurzelung“ (BVerfGE 9, 124 (128); fast wortgleich bereits BVerfGE 5, 17 (22)). Die verfassungsimmanente Rechtfertigung (Rn. 24) für eine Bevorzugung aufgrund des „Glaubens“ (s. zu diesem Begriff und zu den „religiösen Anschauungen“ Art. 4 Rn. 2 ff.) kann sich insbes. aus Art. 4 I und II ergeben, etwa wenn Angehörigen einer Glaubensgruppe eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot des Tierschächtens gewährt wird (s. dazu BVerfGE 104, 337 ff.; ferner Art. 4 Rn. 8). Eine Diskriminierung aufgrund des Glaubens liegt allerdings nicht vor, wenn das alleinige Differenzierungskriterium für die Ungleichbehandlung der Körperschaftsstatus einer Religionsgemeinschaft ist (BVerfG [K] NVwZ 2016, 135 (136)). Der Begriff „politische Anschauungen“ ist weit zu verstehen und umfasst die Einstellung zu staatlichen oder gesellschaftlichen Vorgängen (näher BK/Rüfner Art. 3 Rn. 862 ff. [Stand der Kommentierung: Mai 1996]). In der Rspr. ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, inwieweit diese Diskriminierungsverbote Drittwirkung in der Privatrechtsordnung entfalten können (BVerfG [K] NJW 2019, 3769 (3770)).
c) Verbot der Benachteiligung von Behinderten
Art. 3 III 2 verbietet Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung, dh „der Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht“ (so BVerfGE 96, 288 (301) in Wiedergabe der Legaldefinition in § 3 I 1 des mittlerweile außer Kraft getretenen Schwerbehindertengesetzes; s. zur neuen, inhaltlich gleichbedeutenden Terminologie § 3 BGG; vgl. auch § 2 I SGB XI). Anders als Art. 3 III 1 hinsichtlich der dortigen Merkmale enthält Art. 3 III 2 damit nur ein Verbot nachteiliger Ungleichbehandlungen, nicht auch bevorzugender. Daher resultieren aus ihm nicht nur Abwehrrechte hinsichtlich Maßnahmen, welche die Situation des Behinderten wegen seiner Behinderung gegenüber jedermann verschlechtern (etwa durch den Ausschluss schreib- und sprechunfähiger Personen von der Testiermöglichkeit, s. dazu BVerfGE 99, 341 (356 ff.); s. allg. auch BVerfGE 96, 288 (303), zur Drittwirkung des Grundrechts im Privatrecht BVerfG [K] NJW 2020, 1282 (1283)), sondern in gewissem Umfang zumindest auch derivative Leistungs- und Teilhaberechte (vgl. Rn. 5) auf Fördermaßnahmen zur Kompensation von aufgrund der Behinderung erschwerten Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten (BVerfGE 151, 1 (24); vgl. auch BVerfG [K] NJW 2011, 2035 (2038)), bspw. im Bereich schulischer Einrichtungen (s. BVerfGE 96, 288 (303 ff.); näher Beaucamp DVBl 2002, 997 (1002 f.)); ferner kann sich der grundrechtliche Schutzauftrag aus Art. 3 III 2 „zu einer Handlungspflicht des Staates verdichten“ (BVerfGE 160, 79 (114)). Auch „mittelbare Benachteiligungen, bei denen sich der Ausschluss von Betätigungsmöglichkeiten nicht als Ziel, sondern als typische Nebenfolge einer Maßnahme der öffentlichen Gewalt darstellt“, bedürfen vor dem Hintergrund des Art. 3 III 2 einer Rechtfertigung (BVerfGE 151, 1 (24)). Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Beseitigung mittelbarer Benachteiligungen kann sich aber „allenfalls ergeben, um behinderungsbedingte schwerwiegende Nachteile für die Betroffenen […] abzuwenden“ (BVerwGE 152, 330 (337 f.)). Andererseits können behinderungsbedingte Benachteiligungen aber gerechtfertigt sein, wenn sie auf zwingenden, sich aus der Natur der Behinderung ergebenden Gründen beruhen: so etwa die Rechtsverwehrung für eine Person, welcher aufgrund ihrer Behinderung die geistigen oder körperlichen Voraussetzungen für die Rechtswahrnehmung fehlen (BVerfGE 99, 341 (357); BVerwGE 145, 275 (280 f.); vgl. BVerfG [K] NJW 2014, 3567 ff.: keine umfassende Pflicht zur Zugänglichmachung von Prozessunterlagen in Blindenschrift).