Artikel 105 [Gesetzgebungsrecht]
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.
(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. 2 Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.
(2a) 1 Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. 2 Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.
(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
I. Regelungsgegenstand und systematische Stellung
Von den verschiedenen Elementen der Finanzhoheit (Vor Art. 104a Rn. 4) verteilt das GG in Art. 105 I, II, IIa die Gesetzgebungskompetenz für die Steuern (zum Steuerbegriff → Vor Art. 104a Rn. 7; zur historischen Perspektive Härtel/Leisner-Egensperger, HdB des Föderalismus, 2012, § 40 Rn. 9 ff.). Art. 105 verdrängt insoweit die Art. 70 ff. (BVerfGE 162, 277 (301)), wird für die Kirchensteuern aber selbst durch Art. 140 GG iVm Art. 137 VI WRV verdrängt (BFHE 177, 303 (306)). Mit Rücksicht auf die Ertragskompetenz der Länder und der Gemeinden statuiert Art. 105 III für Bundesgesetze über Steuern, an denen diese ganz oder zT beteiligt sind, ein Zustimmungserfordernis des BRats. Seit der großen Finanzreform von 1969 ist Art. 105 im Jahr 2006 durch die Föderalismusreform I (Rn. 22) und zuletzt 2019 in Reaktion auf eine Entscheidung des BVerfG zur Grundsteuer geändert worden (Rn. 9).
Die Spezialität des Art. 105 gegenüber Art. 70 ff. gilt auch für Lenkungssteuern, dh Steuern, die neben dem Finanzierungszweck oder sogar vorrangig auf eine wirtschafts-, sozial- oder etwa umweltpolitische Verhaltenslenkung gerichtet sind (Vor Art. 104a Rn. 8). Die Gesetzgebungskompetenz für Lenkungssteuern setzt keine Sachkompetenz für den Bereich voraus, in dem sich die Lenkungswirkung entfalten soll (BVerfGE 98, 106 (118)). Dem damit verbundenen Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgebungskompetenz nimmt das BVerfG die Schärfe, indem die intendierte Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufen darf. Abgeleitet wird dieses Erfordernis aus dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Konkretisierung des Rechtsstaats- wie des Bundesstaatsprinzips (BVerfGE 98, 106 (118 f.)). Missachtet der Steuergesetzgeber diese Anforderungen, überschreitet er seine Gesetzgebungskompetenz (BVerfGE 98, 106 (119)). Eine Verletzung der Kompetenzordnung können Abgabenschuldner im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen (BVerfGE 161, 1 (34)).
Nichtsteuerliche Abgaben, namentlich Sonderabgaben (Vor Art. 104 Rn. 6, 15), dürfen hingegen nur auf Grundlage der Art. 70 ff. erlassen werden, wobei die Gesetzgebungshoheit als Annex der Sachkompetenz folgt (BVerwGE 95, 188 (192 f.); 156, 358 (364)), soweit diese nicht, wie bei Art. 74 I Nr. 22, explizit geregelt ist. Unabdingbar ist die Aufkommenswirksamkeit zugunsten der öffentlichen Hand (BGHZ 201, 355 (359)).
Die Kompetenz zum Erlass des steuerrechtlichen Organisations- und Verfahrensrechts, die mit dem Erlass der AO ausgeübt wurde, leitet sich aus Art. 108 V ab (Art. 108 Rn. 15 f.), die Kompetenz für das allg. Steuerschuldrecht, welches ebenfalls in der AO geregelt ist, hingegen aus Art. 105 II, III.
II. Kompetenzverteilung
In Art. 105 I benennt das GG Gegenstände der ausschließlichen Bundeskompetenz, konkurrierende Bundeskompetenzen für die Steuergesetzgebung sind dem Bund dagegen in Art. 105 II zugewiesen. Art. 105 IIa begründet ausschließliche Landeskompetenzen. Die Gesetzgebungskompetenz setzt nicht zwingend die Ertragskompetenz voraus (Rn. 10). Ebenso wenig vermag in umgekehrter Richtung die in Art. 106 geregelte Ertragshoheit die Gesetzgebungshoheit zu begründen. Zur Einordnung einer Steuer in den Kompetenzkatalog, zum Typuscharakter des Art. 105 und zur Zuordnung eines Regelwerkes nach seinem Schwerpunkt Vor Art. 104a Rn. 11.
1. Steuergesetzgebungskompetenzen des Bundes gem. Abs. 1, 2, 3
a) Ausschließliche Bundeskompetenz (Abs. 1)
Für Zölle und Finanzmonopole weist Art. 105 I dem Bund die ausschließliche Bundeskompetenz zu. Auch für Art. 105 gilt Art. 71, sodass der Bund die Länder ausdrücklich zur Gesetzgebung ermächtigen kann. In diesem Fall verbleibt die Ertragshoheit nach der eindeutigen Regelung des Art. 106 I Nr. 1 beim Bund (BK/Vogel/Walter Art. 105 Rn. 72; Jarass/Pieroth/Kment Art. 105 Rn. 31).
Zölle sind als Sonderform der Steuern Abgaben, die nach Maßgabe des Zolltarifs von der Warenbewegung über die Zollgrenze erhoben werden (BVerfGE 8, 260 (269)). Die entspr. Gesetzgebungskompetenz läuft angesichts der Vergemeinschaftung des Zollwesens weitgehend leer (Vor Art. 104a Rn. 17).
Finanzmonopole sind staatliche Monopole zur Beschaffung von Finanzmitteln (BVerwGE 114, 92 (99)). Als eine besondere Erhebungsform von Verkehrsteuern können, müssen sie aber nicht mit der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand verbunden sein (Sachs/Siekmann Art. 105 Rn. 16, dort auch zu unionsrechtlichen Fragen); zur Vereinbarkeit mit Art. 12 → Art. 12 Rn. 33. Nachdem Ende 2017 auch das Branntweinmonopol ausgelaufen ist, ist die Vorschrift obsolet geworden (DHS/Seiler Art. 105 Rn. 147).
b) Konkurrierende Bundeskompetenz (Abs. 2)
Abs. 2 weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die übrigen Steuern zu. Unter welchen Voraussetzungen der Bund diese ausüben und inwieweit die Länder von einer bundesrechtlichen Regelung abweichen können, wird im Einzelnen differenziert geregelt: (1) Für die Grundsteuer weist Abs. 2 S. 1 dem Bund eine konkurrierende Kernkompetenz zu, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 105 II zu prüfen sind. Allerdings sind die Länder nach Art. 72 III Nr. 7 n. F. befugt, abweichende Regelungen zu erlassen. Art. 125b III schränkt dies dahingehend ein, dass abweichendes Landesrecht frühestens ab 1.1.2025 der Erhebung der Grundsteuer zugrunde liegen darf. Mit dieser erst 2019 geschaffenen Regelung hat der verfassungsändernde Gesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des GrundStG reagiert, die dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2024 für eine Neuregelung gesetzt hatte. Zugleich waren in der Entscheidung Zweifel angemeldet worden, ob der Bund im Rahmen einer Neuregelung die Homogenitätsklausel zur Begründung seiner Gesetzgebungskompetenz (Art. 105 II 1 Var. 2 a. F.) für sich reklamieren könne (BVerfGE 148, 147 (181)). Die Neuregelung weist dem Bund nunmehr die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 72 II zu (BT-Drs. 19/11084, 6). (2) Nach Abs. 2 S. 2 Alt. 1 verfügt der Bund für die übrigen Steuern auch über eine konkurrierende Bundeskompetenz, sofern er zumindest teilweise am Ertrag beteiligt ist (Rn. 10). Insoweit steht den Ländern kein Recht zu, abweichende Regelungen zu erlassen. (3) Soweit nach Art. 72 II eine bundesrechtliche Regelung erforderlich ist, begründet Abs. 2 S. 2 Alt. 2 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Rn. 10). Auch hier können die Länder keine abweichenden Regelungen erlassen. Verdrängt wird Art. 105 II durch verschiedene Spezialregelungen. Dies sind die ausschließliche Landeskompetenz zur Regelung der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Abs. 2a S. 1; Rn. 15), durch die Landeskompetenz zur Bestimmung des Steuersatzes der Grunderwerbsteuer (Abs. 2a S. 2; Rn. 22) sowie die Regelung der Kirchensteuern (Art. 140 GG iVm Art. 137 VI WRV; dazu Art. 140 Rn. 13 f.). In Art. 105 II eingeschlossen ist auch das allgemeine, in der AO geregelte Steuerschuldrecht (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 105 Rn. 46).
Ob dem Bund das Aufkommen einer Steuer ganz oder zT zusteht (Art. 105 II S. 2 Alt. 1), bestimmt sich nach der Verteilung der in Art. 106 geregelten Ertragskompetenz. Die Ertragskompetenzen des Bundes ergeben sich aus Art. 106 I, II. Um ein theoretisch denkbares Auseinanderfallen der Gesetzgebungszuständigkeit und der Ertragskompetenz des Bundes zu vermeiden, wird Art. 105 II Alt. 1 zT als ausschließliche Gesetzgebungskompetenz gedeutet (BK/Vogel/Walter Art. 105 Rn. 76 ff.), zT Art. 106 aber auch dahin gehend berichtigend ausgelegt, dass sich die Ertragshoheit des Bundes auf bundesrechtlich geregelte Quellen beschränken soll (AK/Schneider Art. 105 Rn. 27, 31). Richtigerweise bedarf es einer derartigen berichtigenden Auslegung nicht, weil der Bund eine unerwünschte Abhängigkeit von der Landesgesetzgebung durch Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz vermeiden kann (Sachs/Siekmann Art. 105 Rn. 20).
Ist der Bund nicht am Ertrag beteiligt, so ist er mit Ausnahme der Sonderregelung für die Grundsteuer (Rn. 9) gem. Art. 105 II 2 Alt. 2 nur zur Gesetzgebung befugt, sofern nach Art. 72 II die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Ein Grund, von der nunmehr vom BVerfG vertretenen strengeren Auslegung des Art. 72 II (Art. 72 Rn. 18 f.) im Rahmen des Art. 105 II abzuweichen, ist nicht ersichtlich (BVerfGE 125, 141 (155); 138, 136 (176); BeckOK GG/Kube Art. 105 Rn. 37). Die Wahrung der Rechtseinheit zielt darauf ab, eine Rechtszersplitterung zu vermeiden, die Wahrung der Wirtschaftseinheit darauf, Schranken und Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet zu vermeiden (BVerfGE 138, 136 (176 f.)). Dem Gesetzgeber ist im Hinblick auf die Zwecke einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse eine Einschätzungsprärogative zuzubilligen (BVerfGE 138, 136 (177)). Wichtige Aspekte, die eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich machen können, sind der Koordinierungs- und Verwaltungsaufwand zwischen den Ländern, der zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen notwendig wäre, sowie Beeinträchtigungen der Planungssicherheit bei Steuerabgrenzungen zwischen den Ländern (BVerfGE 138, 136 (178 f.)).
Eine Sperrwirkung der Bundesgesetzgebung setzt voraus, dass der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 I). Sie tritt jedoch nur ein, sofern eine landesrechtliche Steuer mit der bundesrechtlichen gleichartig ist (Bettensteuer). Dies bestimmt sich nach einem Vergleich der steuerbegründenden Tatbestände. Kriterien des Vergleichs sind der Steuergegenstand, der Steuermaßstab, die Art der Erhebung, die wirtschaftlichen Auswirkungen und die betroffene Quelle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BVerfGE 49, 343 (355 f.)). Enger ist der Begriff der Gleichartigkeit im Kontext des Art. 105 IIa zu verstehen (Rn. 19). Ein Gebrauchmachen kann auch in der Entscheidung liegen, eine Steuer nicht zu erheben bzw. abzuschaffen (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 105 Rn. 53).
Aus der Wendung „die übrigen Steuern“ lässt sich kein Steuererfindungsrecht des Bundes ableiten (BVerfGE 145, 171 (202 ff.); BeckOK GG/Kube Art. 105 Rn. 42; offen aber BVerfGE 98, 83 (101); aA Schmidt StuW 2015, 171 (175)). Unter den übrigen Steuern sind ausschließlich die in Art. 106 aufgeführten Steuern und Steuerarten zu verstehen (BVerfGE 145, 171 (194 f.)). Andernfalls würde das verfassungsrechtlich vorgegebene System der Vertragsverteilung zur Disposition des einfachen Gesetzgebers gestellt werden. Aus dem gleichen Grund steht auch den Ländern kein Steuererfindungsrecht zu (BVerfGE 145, 171 (204 f.); BeckOK GG/Kube Art. 105 Rn. 43).
c) Art. 105 III
Um die materiellen Interessen der Länder im Hinblick auf die in Art. 106 vorgenommene Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern zu wahren, statuiert Art. 105 III ein Zustimmungserfordernis des BRats für Bundesgesetze, sofern deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden und Gemeindeverbänden ganz oder zT zufließt (Art. 106 II, III, VI; BK/Vogel/Walter Art. 105 Rn. 128). Ein die Zustimmungsbedürftigkeit begründendes Gesetz muss aber speziell die Steuererhebung betreffen (BVerfGE 14, 197 (220)).
2. Steuergesetzgebungskompetenzen der Länder gem. Abs. 2a
Art. 105 IIa begründet eine ausschließliche Landeskompetenz (BVerfGE 40, 56 (60)). Gegenständlich beschränkt ist diese auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern (zum Ganzen sehr instruktiv Wernsmann DStJG 2012, 95 ff.), solange und soweit diese nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Zugunsten der wirtschaftlichen Steuerschuldner entfaltet die Vorschrift keine Schutzwirkung und dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse, Steuereinnahmen zu erzielen (BVerwG NVwZ-RR 2013, 1014 (1015))
Verbrauchsteuern schöpfen die in der Einkommens- und Vermögensverwendung zutage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit ab. Verbrauchsteuern sind Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten (BVerfGE 98, 106 (123 f.); BVerwG NVwZ 2023, 1406 (1407)). Der Begriff der Verbrauchsteuern ist als Typusbegriff (Vor Art. 104a Rn. 11) weit zu verstehen (BVerfGE 145, 171 (211)). Gegenbegriff sind Unternehmenssteuern, die nicht die Einkommensverwendung, sondern an die Einkommenserzielung anknüpfen (BVerfGE 145, 171 (212 f.)). Typusprägende Merkmale sind die indirekte Erhebung beim Hersteller, die Abwälzbarkeit auf den (End-)Verbraucher, die Anknüpfung an den Verbrauch eines Gutes des ständigen Bedarfs sowie an das Verbringen eines Endprodukts in den freien Wirtschaftsverkehr (BVerfGE 145, 171 (211)). Der Einfachheit halber wird die Verbrauchsteuer idR beim Verteiler oder Hersteller des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben, während die wirtschaftliche Belastung vom Steuerschuldner auf den End- oder Letztverbraucher, dh den Konsumenten übergewälzt wird (BVerfGE 110, 274 (297 f.)). Anknüpfen kann eine Verbrauchsteuer auch an ein Produktionsmittel, dh an solche Güter, die zur Herstellung von Konsumgütern oder zur Erbringung von Dienstleistungen verwendet werden (BVerfGE 110, 274 (295 f.)). Nicht mehr als Verbrauchsteuer ist die Kernbrennstoffsteuer einzuordnen, weil sie nicht auf die Besteuerung der privaten Einkommensverwendung angelegt und auch im Übrigen durch die Besteuerung eines reinen Produktionsmittels typusfremd war (BVerfGE 145, 171 (228); aA Wernsmann NVwZ 2011, 1367 (1369)). Als Verbrauchsteuer einzuordnen ist hingegen eine kommunale Verpackungssteuer (BVerwG NVwZ 2023, 1406 (1407)).
Aufwandsteuern sind Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungs- bzw. Konsumfähigkeit (BVerfGE 123, 1 (15); 135, 126 (142); 161, 1 (38); BVerwGE 143, 210 (211 f.); 143, 301 (303); 176, 272 (274); BFHE 229, 572 (574); BStBl. II 2016, 126 Rn. 25). Sie stellen nicht auf einen (einmaligen) Verbrauchsvorgang, sondern auf den Gebrauch von – in der Regel nicht verbrauchsfähigen, also nach dem Gebrauch noch existenten – Gütern und Dienstleistungen ab (BVerwG NVwZ 2023, 1406 (1407)). Dabei dient das Merkmal der Einkommensverwendung der Abgrenzung von den Einkommensentstehungssteuern (BVerfGE 65, 325 (347)) bzw. Unternehmenssteuern (BVerwGE 176, 272 (274)). Eine Aufwandsteuer kann nicht für Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben werden, die nicht der Einkommensverwendung, sondern allein der Einkommenserzielung dienen (BVerwGE 143, 301 (303); BFH BStBl. II 2016, 126 Rn. 27). Das Merkmal „für den persönlichen Lebensbedarf“ ist bereits erfüllt, wenn der Steuerträger den Aufwand selbst betreibt. Dies gilt auch dann, wenn die Verwendung von Einkommen beruflich veranlasst ist (BVerfGE 161, 1 (38 f.); aA BVerwGE 143, 301 (304 f.)). Dem Steuergesetzgeber bleibt es aber unbenommen, von einer Besteuerung beruflich veranlassten Konsums abzusehen (BVerfGE 161, 1 (39)). Aufwandsteuern können als direkte oder als indirekte Steuern erhoben werden (so zur Spielgerätesteuer: BVerwGE 110, 237 (240)). Um nicht in Konflikt mit dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit zu geraten, bestand in der früheren Rspr. bisweilen die Tendenz, den Steuergegenstand auf einen besonderen, über den die Befriedigung des allg. Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand zu begrenzen (BVerfG [K] NVwZ 1989, 1152). Nicht gefordert ist allerdings, den Begriff der Aufwandsteuer auf Luxussteuern zu verengen. Daher kann eine Zweitwohnsteuer auch Zweitwohnungen erfassen, die aus Gründen der Ausbildung bewohnt werden (BFHE 229, 572 (575); s. auch BVerwGE 143, 301 (304) zur kommunalen Übernachtungssteuer). Ebenso zulässig ist die Anknüpfung an entgeltliche Übernachtungen (BFH BStBl. II 2016, 126 Rn. 26). Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eines „allein vom Konsumwillen“ veranlassten Aufwandes kennt der Begriff der Aufwandsteuer nicht (BVerwG HFR 2013, 652 f.). Die Tauglichkeit des Steuermaßstabes ist für die rechtliche Einordnung als Aufwandsteuer ebenso irrelevant wie die Abwälzbarkeit bei der indirekten Steuererhebung (BVerfGE 123, 1 (16 ff.)). Mit Aufwandsteuern können prinzipiell auch Lenkungszwecke verfolgt werden, beispielsweise wenn der besteuerte Sachverhalt unerwünscht ist (BVerwGE 150, 225 (227) zur Kampfhundehaltung). Allerdings darf die Besteuerung keine erdrosselnde Wirkung haben, dh ersichtlich darauf angelegt sein, den besteuerten Sachverhalt praktisch unmöglich zu machen (BVerwGE 150, 225 (229); aA aber wohl BVerwGE 153, 116 (120 f.): „Nur“ unzulässiger Eingriff in die Freiheit der Berufswahl, wenn es die Steuer in aller Regel unmöglich macht, den angestrebten Beruf zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen). Kein Wesensmerkmal der Aufwandsteuer ist es, als Steuerschuldner denjenigen heranzuziehen, der den Aufwand betreibt. Aufwandsteuern können damit auch indirekte Steuern sein (BFH BStBl. II 2016, 126 Rn. 31).
Örtliche Steuern sind nur solche Abgaben, die an örtliche Gegebenheiten, vor allem an die Belegenheit einer Sache oder an einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde anknüpfen und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen können (BVerfGE 65, 325 (349); BVerwG NVwZ 2023, 1406 (1408)). Bei der Beurteilung der örtlichen Radizierung ist auf den typischen Fall abzustellen (BVerfGE 98, 106 (124)). Die örtliche Radizierung muss sich auch aus der normativen Gestaltung des Steuertatbestandes ergeben (BVerwG NVwZ 2023, 1406 (1408)). Eine Steuer behält auch dann ihren örtlichen Charakter, wenn sie in vergleichbarer Weise von anderen Gemeinden erhoben wird (BFHE 160, 61 (65)). Ebenso wenig entfällt dieser, wenn eine Zweitwohnsteuer an das Kriterium der überwiegenden Ortsabwesenheit anknüpft (BVerfGE 65, 325 (350)). Keinen örtlichen Charakter hat dagegen eine Steuer, die einheitlich für ein ganzes Land erhoben wird und deren wirtschaftliche Auswirkungen über das Land hinausgehen (BVerfGE 7, 244 (258)). Bei einer Hundesteuer ist unerheblich, dass Hunde mit ihren Haltern mobil sind und das Gemeindegebiet eventuell verlassen (BVerwG NVwZ 2013, 1426 (1427)).
Richtigerweise ist das Merkmal der Gleichartigkeit im Kontext des Art. 105 IIa enger als bei Art. 105 II zu verstehen (BVerwGE 176, 272 (276 f.); BVerfGE 161, 1 (42 f.); v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 105 Rn. 63; aA Sachs/Siekmann Art. 105 Rn. 44). Einmal spricht die Entstehungsgeschichte dafür, bei den am Stichtag des 1.1.1970 herkömmlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern von vornherein nicht von der Vergleichbarkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern auszugehen, um so den Ländern einen substantiellen Kompetenzbereich zu erhalten (BeckOK GG/Kube Art. 105 Rn. 50; BVerfGE 40, 56 (60 f.); 161, 1 (42); BVerwGE 143, 301 (308 f.); 176, 272 (276 f.)). Im Übrigen muss auch bei neuen Steuern die Gleichartigkeitsschranke des Art. 105 IIa enger als das ungeschriebene Gleichartigkeitskriterium bei Art. 105 II iVm Art. 72 I zu verstehen sein, weil sonst Art. 105 IIa praktisch leerlaufen würde (BVerwGE 176, 272 (276 f.); BVerfGE 161, 1 (42 f.)). Deshalb darf die bundesrechtliche Umsatzsteuer keine Sperrwirkung auslösen. Die ausdrückliche Entscheidung des GG für eine eigenständige Steuerkompetenz der Länder nach Art. 105 IIa 1 wird durch den akzessorischen Grundsatz der Bundestreue nicht konterkariert (BVerfGE 161, 1 (50 f.)). Wohl aber ist es Ländern und Gemeinden verwehrt, aus einer speziellen Steuerquelle zu schöpfen, die der Bund bereits einer besonderen Besteuerung unterzogen hat (BVerwGE 176, 272 (277)). Ungeschriebene Schranke der sich aus Art. 105 IIa ergebenden Gesetzgebungskompetenz ist die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (Rn. 2), sodass der kommunale Satzungsgeber durch eine Lenkungssteuer nicht in den Regelungsbereich des Bundesgesetzgebers einwirken darf (BVerwG NVwZ 2023, 1406 (1409)).
Bsp. Für nicht gleichartige und damit zulässige örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern sind: Gemeindegetränkesteuer (BVerfGE 44, 216 (226 f.); 69, 174 (183 f.)), Hundesteuer (BVerwGE 110, 265 (268); 150, 225; BVerwG NVwZ 2013, 1426), Jagdsteuer (BVerwG NVwZ-RR 1991, 423; BVerwGE 143, 210: Steuerpflichtig können auch Jagdgenossenschaften sein; 143, 216: keine Jagdsteuerpflicht von Gemeinden), Spielgerätesteuer (BVerfGE 123, 1 (14); BVerwGE 110, 237 (240); BFHE 160, 61 ff.; 180, 497 (501 f.)), Vergnügungsteuer für Tanzveranstaltungen (BVerfGE 40, 56 (64); OVG NRW KStZ 1998, 96 (97)); Vergnügungsteuer auf Glücksspiele (BVerwG BeckRS 2013, 56315: kann neben der Mehrwertsteuer erhoben werden; BVerwGE 153, 116 Rn. 11), Vergnügungsteuer für Bordellbetriebe (BVerwG NVwZ 2015, 378), Zweitwohnungsteuer (BVerfGE 135, 126 (142); 65, 325 (349 ff.); BVerfG [K] NVwZ 2010, 1022; BVerwGE 99, 303 (305); BVerwG NVwZ-RR 2014, 657; NVwZ 2015, 376; BFHE 229, 572 (574); der Steuerpflichtige muss Verfügungsmacht ausüben, diese bleibt bei der unentgeltlichen Leihe unberührt, ausreichend ist bei Miteigentümern die gemeinschaftliche Verfügungsmacht (BVerwG NJW-Spezial 2017, 130); nicht zweitwohnungssteuerpflichtig ist ein Leihverhältnis, das nur nach §§ 573 ff. BGB gekündigt werden kann oder wenn die Wohnung nur nach Maßgabe des § 604 II BGB zurückgefordert werden kann (BVerwG DÖV 2017, 643 Rn. 4); Übernachtungsteuer in entgeltlichen Beherbergungsbetrieben (BFH BStBl. II 2016, 126). Wählt der Gesetzgeber bei der Vergnügungsteuer statt eines Wirklichkeitsmaßstabs einen anderen, so muss dieser einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich machen (BVerwGE 135, 367 (374); BVerwG NVwZ 2015, 378 (379)). Bei Spielgeräten verbietet dies eine Besteuerung nach der Stückzahl (BVerfGE 123, 1 (29 ff.); BVerwGE 137, 123 (130)). Eine Übernachtungsteuer kann auch Übernachtungen einbeziehen, die mit der Berufs- oder Gewerbeausübung oder einer freiberuflichen Tätigkeit zwangsläufig verbunden sind (BVerfGE 161, 1; aA BVerwGE 143, 301; BFH BStBl. II 2016, 126 Rn. 20). Bei einer Übernachtungsteuer darf nicht an Hotelkategorien, sondern allein an den Übernachtungspreis anknüpft werden (NdsOVG BeckRS 2015, 42634). Ebenso unvereinbar mit Art. 3 I ist es, eine Übernachtungsteuer ohne eine sachliche Rechtfertigung nur in Teilen des Gemeindegebiets zu erheben (NdsOVG BeckRS 2015, 42634). Zulässig kann eine kommunale Verpackungssteuer auch dann sein, wenn die verkauften Speisen und Getränke zum Mitnehmen angeboten werden (BVerwG NVwZ 2023, 1406).
Von der Rspr. nicht als örtliche Verbrauch- oder Aufwandsteuer akzeptiert wurden: Einwohnersteuer (BVerfGE 16, 64 (74): weder Anknüpfung an einen Verkehrsvorgang noch Ausdruck besonderer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit); Zweitwohnungsteuer bei Dauervermietung (BVerwGE 99, 303 (305): reine Kapitalanlage). Bei einer Zweiwohnung kann die Gemeinde zunächst von der Vermutung ausgehen, dass diese Wohnung für die persönliche Lebensführung vorgehalten wird. Diese Vermutung wird aber widerlegt, wenn die Nutzung ausschließlich zu Zwecken der Kapitalanlagen durch objektive Umstände belegt werden kann (BVerwG NVwZ 2015, 376). Unzulässig sind kommunale Wettbürosteuern, weil diese den bundesrechtlich geregelten Steuern des RennwLottG gleichartig sind (BVerwGE 176, 272). Verworfen wurde auch eine Besteuerung von Automatenspielen im Internet, die durch Betreiber und auf Servern außerhalb des Gemeindegebietes vorgehalten werden (BVerwG NVwZ-RR 2022, 354).
Die Föderalismusreform I von 2006 (Vor Art. 104a Rn. 4) hat den Ländern in Art. 105 IIa 2 die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer zugewiesen, deren Ertrag nach Art. 106 II Nr. 4 den Ländern zusteht. Damit ermöglicht die Vorschrift einen Steuerwettbewerb der Länder, was konsequent auch Änderungen im Rahmen des primären horizontalen Finanzausgleichs nach Art. 107 I 4 nach sich gezogen hat (Art. 107 Rn. 8).
3. Finanzhoheit der Kommunen
Nach Art. 28 II 3 Hs. 1 schließt die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch die Finanzhoheit der Kommunen ein (Art. 28 Rn. 25). Daraus leitet sich aber noch kein kommunales Steuererfindungsrecht ab (BVerwGE 96, 272 (280); 106, 280 (286 f.); Wernsmann DStJG 2012, 95 (96 ff.)). Vielmehr lassen die Art. 105, 106 nur eine von den Ländern abgeleitete Kompetenz zur Steuererhebung zu (Sachs/Siekmann Art. 105 Rn. 48 ff.). Verfassungsrechtlich garantiert ist den Kommunen aber gem. Art. 28 II 3 Hs. 2 die Befugnis, den Hebesatz einer wirtschaftskraftbezogenen Steuerquelle zu bestimmen (Art. 28 Rn. 25). Als solche kommen nur die Gewerbe- oder die Einkommensteuer (Art. 106 V, VI) in Betracht (Sachs/Nierhaus/Engels Art. 28 Rn. 87).