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Artikel 121 [Mehrheit des Bundestages und der Bundesversammlung]

Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung im Sinne dieses Grundgesetzes ist die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl.

Die Legaldefinition der „Mehrheit der Mitglieder“ als „Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl“ gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nur für „Bundestag und Bundesversammlung“ (Art. 54 VI 1), also nicht für ein anderes im GG vorgesehenes Gremium, etwa BR oder BReg; Voraussetzung ist, dass die betr. Bestimmungen eine „Mehrheit der Mitglieder“ verlangen. Sie können im GG, in Bundesgesetzen sowie aufgrund der Parlamentsautonomie in der GeschOBTag enthalten sein, da auch letztere insoweit eine „gesetzliche“ Mitgliederzahl festlegen; dies ist daher keine „analoge“ Anwendung des Art. 121, welche unzulässig wäre. Wenn deshalb die GeschOBTag oder ein Gesetz nicht die Mehrheit der Mitglieder des BTags verlangt, etwa §§ 1–5 Richterwahlgesetz oder die GeschOBTag für Enquete-Kommissionen (§ 56), so ist nicht Art. 121 anzuwenden, sondern die Regel der einfachen Mehrheit (Art. 42 II 1), soweit nichts anderes bestimmt ist. Art. 121 gilt folglich auch nicht für die Ausschüsse des BTags (§§ 54, 55), die GA von BT und BR (Art. 53a, 77 II, 115a II, 115e), die Entscheidungen der Länderparlamente zur Vorbereitung der Wahl des BPräsidenten sowie Volksentscheide und Volksbefragungen nach Art. 29 I–VI.

Art. 121 verlangt die einfache Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl in Art. 29 VII 2, 61 I 3, 63 II, IV 2, 3, 67 I, 68 I 1, 77 IV 1, 2, 80a III 2, 87 III 2, 115a I 2, eine dieser Zahl in Art. 61 I 3, 79 II, eine in Art. 39 III 3, 93 I 2, eine in Art. 44 I 1, 61 I 2, eine in Art. 42 I 2. Die Mehrheit der Mitglieder des BTags wird in Bundesgesetzen etwa verlangt in § 16 II WPG, § 5 I 2 BRHG sowie § 13 I WBeauftrG, ferner in zahlreichen Bestimmungen der GeschOBTag, etwa §§ 2 I 1, 56 I 2, 126.

Was „Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ ist, wird durch eine reine Verweisung auf die „gesetzliche“ Bestimmung der Mitgliederzahl nach GG, Bundesgesetzen und GeschOBTag festgelegt; Art. 121 fügt dem nichts hinzu, er ist daher, nach der Norm auf die verwiesen wird und dem Zusatz „iVm“, zu zitieren und nur insoweit auch Verfassungsmaßstab. Hinzukommen muss sodann idR noch der inhaltliche Hinweis auf das, was nach Bundeswahlrecht im jew. Fall diese „gesetzliche Mitgliederzahl“ konkret darstellt; dieser Begriff ist daher „Verfassung nach (Bundeswahl-)Gesetz“, wobei dessen Bestimmungen allerdings an den Wahlrechtsgrundsätzen der Art. 38 ff. zu messen sind.

Nach Bundeswahlrecht ist Ausgangspunkt der zu Beginn jeder Wahlperiode festzulegende Soll-Stand der Mitgliederzahl (§ 1 I 1 BWG; vgl. DHS/Klein Art. 121 Rn. 19). Dieser konnte sich sodann nur durch Überhangmandate erhöhen (vgl. ehemaliger § 6 V BWG, Art. 38 Rn. 24a), was aber nach der Wahlrechtsreform 2023 entfallen ist (vgl. Art. 38 Rn. 39a). Verringerungen sind zu beachten, soweit eine Vakanz vorliegt, bei Listenmandaten durch Erschöpfung der Parteilisten (§§ 6 II, 48 I 3 BWG), bei Wahlkreismandaten Ausscheiden eines Abgeordneten, solange nicht eine Nach- oder Ersatzwahl stattgefunden hat – wenn sie noch stattfinden kann (vgl. §§ 44 III 2, 46 IV 2, 48 II 3 str.; vgl. MKS/Muckel Art. 121 Rn. 13, 14). Für letzteren Fall nimmt die hL Vakanz an, mit der nicht überzeugenden Begründung, dass diese Wahlen bis zu sechs Monate später stattfinden könnten (vgl. § 44 III 1, 47 II 2 BWG), seien zwischenzeitlich unsichere Mehrheitsverhältnisse möglich. Diese sind aber hinzunehmen. Die Regelungen über Parteiverbote (§ 46 IV BWG) sind auch in diesem Zusammenhang bedenklich (Art. 38 Rn. 21). Keine Verringerung tritt ein bei nur vorübergehender Abwesenheit von Abgeordneten, auch nicht im Fall des Pairing, einer zwischen den Fraktionen jew. abgesprochenen verhältnismäßigen Abwesenheit von Abgeordneten aller Fraktionen: eine in engen Grenzen notwendige Praxis, deren Ausweitung jedoch zu demokratisch delegitimierender ständiger parlamentarischer Unterbesetzung führen kann.