Artikel 104a [Ausgabenverteilung; Lastenverteilung]
(1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.
(2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben.
(3) 1 Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. 2 Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. 3 Bei der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird das Gesetz im Auftrage des Bundes ausgeführt, wenn der Bund drei Viertel der Ausgaben oder mehr trägt.
(4) Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Absatz 3 Satz 2 im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind.
(5) 1 Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. 2 Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(6) 1 Bund und Länder tragen nach der innerstaatlichen Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung die Lasten einer Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. 2 In Fällen länderübergreifender Finanzkorrekturen der Europäischen Union tragen Bund und Länder diese Lasten im Verhältnis 15 zu 85. 3 Die Ländergesamtheit trägt in diesen Fällen solidarisch 35 vom Hundert der Gesamtlasten entsprechend einem allgemeinen Schlüssel; 50 vom Hundert der Gesamtlasten tragen die Länder, die die Lasten verursacht haben, anteilig entsprechend der Höhe der erhaltenen Mittel. 4 Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
I. Überblick über die Systematik der Vorschrift
Regelungsgegenstand des Art. 104a, der 2006 in Teilen durch die Föderalismusreform I neu gefasst wurde (Vor Art. 104a Rn. 4 und Rn. 9a), ist die bundesstaatliche Verteilung der Ausgaben- und Finanzhilfekompetenz. Den Ausgangspunkt markiert das in Art. 104a I normierte Konnexitätsprinzip, demzufolge die Ausgabenverantwortung an die Aufgabenverantwortung gekoppelt ist (sog. Vollzugskausalität). Ausnahmen hiervon sind in Art. 104a II, III für die Bundesauftragsverwaltung und Geldleistungsgesetze vorgesehen. Art. 104a IV schützt die Finanzautonomie der Länder, indem er bestimmte ausgabenwirksame Gesetze an die Zustimmung des BRats bindet. Sonderregeln für die Verteilung der Verwaltungsausgaben und der Haftung im Bund-Länder-Verhältnis finden sich in Art. 104a V, Haftungsvorschriften für die Verletzung supranationaler und völkerrechtlicher Bestimmungen in Art. 104a VI.
II. Verbot der Mischfinanzierung und Konnexitätsprinzip (Abs. 1)
Art. 104a I ordnet eine getrennte Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern an. Die Ausgabenverantwortung folgt der Aufgabe (BVerfGE 86, 148 (152); Konnexitätsprinzip oder Vollzugskausalität ). Die Norm ist nicht nur im Bund-Länder-Verhältnis, sondern ebenso im Verhältnis Bund-Gemeinden anwendbar (BVerfGE 86, 148 (215 f.); BVerwGE 100, 56 (59)). Schutz vor einer kostenwirksamen Übertragung von Aufgaben durch Bundesgesetze auf die kommunale Ebene bieten seit der Föderalismusreform I von 2006 (Vor Art. 104a Rn. 4) aber nunmehr Art. 84 I 7, 85 I 2, die allerdings auf Ebene der Aufgabenzuweisung ansetzen (Art. 84 Rn. 7, Art. 85 Rn. 3). Nicht entspr. anwendbar ist die Norm im Verhältnis Land-Gemeinden (StGH BW DVBl 1999, 1351 (1354)). Hier können aber landesverfassungsrechtliche Konnexitätsgebote zu beachten sein (BVerfGE 155, 310 (341 f.)). Das in Abs. 1 normierte Konnexitätsprinzip gilt nicht absolut, sondern wird durch eine Vielzahl von Sonderregeln überlagert (Art. 104a II, 91a, 91b, 91c, 91d, 91e, 104b, 104c, 104d, 106, 106a, 120; Jarass/Pieroth/Kment Art. 104a Rn. 3). Diese folgen unterschiedlichen Rationalitäten, wirken sich aber im Ergebnis zugunsten der Länderhaushalte aus.
Das Konnexitätsprinzip betrifft nicht nur die Finanzierungslast, sondern auch die Finanzierungsbefugnis. Dies schließt nach Abs. 1 Hs. 2 Mischfinanzierungen vorbehaltlich anderweitiger verfassungsrechtlicher Regelungen (Art. 104a II, III, 104b, 104c, 91a, 91b, 120, 120a) aus. Ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten sind nicht anzuerkennen (MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 118; Dreier/Heun Art. 104a Rn. 14). Insbes. ist es dem Bund verwehrt, über Finanzierungszusagen Einfluss in den den Ländern überantworteten Politikbereichen auszuüben. Umgekehrt dürfen sich die Länder und Gemeinden aber auch nicht an Ausgaben des Bundes beteiligen. Dem steht eine Mitfinanzierung eines Landes an den Bundesschienenwegen, wie sie im Kontext des Großprojektes Stuttgart 21 vereinbart wurde, nicht entgegen, weil der Bau von Schienenwegen seit der Bahnreform keine öffentliche Aufgabe des Bundes iSd Art. 104a mehr ist (BVerwGE 155, 230 Rn. 22 ff.; aA Meyer DVBl 2011, 449). Die Länder dürfen den Bund auch nicht zwangsweise über Abgaben an der Ausgabentragung beteiligen (BVerwG NVwZ 2000, 674 (675)). Nur eine scheinbare Ausnahme stellen faktisch verschränkende Bundes- und Landesaufgaben dar. Hier hat jeder diejenigen Kosten zu tragen, die dem Anteil seiner Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung entsprechen (BVerwGE 81, 312 (314)). Unzulässig ist auch eine gegenseitige Besteuerung hoheitlicher Tätigkeit zwischen Bund und Ländern (BVerfGE 31, 314 (323 ff.)). Zulässig ist dagegen die Mitfinanzierung der Aufgaben eines Landes durch andere Länder (Friauf/Höfling/Schmehl/Braun Binder Art. 104a Rn. 23; aA BK/Tappe Art. 104a Rn. 111). Soweit dies nicht bundesgesetzlich ausgeschlossen ist, steht Art. 104a I nicht entgegen, dass ein Land für die Erfüllung einer Aufgabe Beiträge erhebt (BVerwG RdL 2012, 23 (24)). Ausweislich des Wortlautes und der systematischen Stellung zu Art. 104a V stellt Art. 104a I keine Anspruchsgrundlage für Haftungsansprüche dar (BVerfGE 116, 271 (313)).
Der Begriff der Aufgabe knüpft an die Verwaltungskompetenz und damit an Art. 30, 83 ff. an (BVerwGE 98, 18 (21 f.); BayVGH BeckRS 2015, 41636 Rn. 29; s. auch BVerfGE 26, 338 (390)). Die Finanzierungslast folgt der Vollzugszuständigkeit (BVerfGE 155, 310 (341 f.); s. auch BVerfGE 159, 355 (401 f.)). Irrelevant ist hingegen, wer die Kosten durch entspr. ausgabenwirksame Gesetze verursacht hat (Gesetzeskausalität). Abs. 1 gilt nur für die Wahrnehmung von hoheitlichen Aufgaben (MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 46). Nicht erfasst ist damit die auf der privatrechtlichen Eigentümerstellung beruhende Zustandshaftung an Bundeswasserstraßen (BVerwGE 87, 169 (186 f.); MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 46). Nicht anzuerkennen sind Ausnahmen für Baulasten (Jarass/Pieroth/Kment Art. 104a Rn. 4). In Fällen der rechtmäßigen Amts- und Katastrophenhilfe, der Organleihe sowie der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag wird die helfende Körperschaft kraft eigener Zuständigkeit tätig. Damit hat sie nach Art. 104a I, V jedenfalls die Verwaltungsausgaben selbst zu tragen (BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 16 f.). Für die Zweckausgaben lässt Art. 104a I GG in diesen Fällen dagegen die Begründung von Erstattungspflichten durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung zu (BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 16; BVerwG NJW 1976, 1468; BVerwGE 102, 119 (124); 162, 296 (304)). Für judikative und legislative Aufgaben gilt das Konnexitätsprinzip entspr., ebenso für die Ausführung des Rechts der EU (Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 4, 6). Sofern es überhaupt ungeschriebene Verwaltungskompetenzen gibt, gilt für diese ebenfalls das Konnexitätsprinzip (MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 115; Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 4).
Ausgaben sind alle finanziellen Mittel, die für die Tätigkeit des Staates erforderlich sind (Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 7). Im Rahmen des Art. 104a I fallen unter den Ausgabenbegriff sowohl die Zweck- wie die Verwaltungsausgaben (BVerwGE 96, 45 (51)). Da die Sonderregel für die Verwaltungsausgaben in Art. 104a V zum gleichen Ergebnis führt, kann die Abgrenzung zwischen Zweck- und Verwaltungsausgaben (Rn. 13) im Rahmen des Art. 104a I aber auf sich beruhen. Art. 104a I verteilt nur die Ausgabenlast, begründet aber keine materiellen Ansprüche bspw. darauf, Schüler mit den für den Schulbesuch notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten (BVerfGE 125, 175 (242)).
Verfassungspolitisch steht der Konnexitätsgrundsatz vielfach in der Kritik (Hey VVDStRL 66 [2007], 277 (288 f.); Kirchhof DVBl 2004, 977 (984 f.); Tappe DVBl 2013, 1079 (1080 f.)), weil er dem Bund eine Politikgestaltung zu Lasten der Länder erlaubt, die die Bundesgesetze im Verwaltungsföderalismus des GG im Regelfall auszuführen haben und damit auch mit den Kosten belastet sind. Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass die Art. 104a II–IV (mittlerweile) Schutzvorkehrungen gegen eine finanzielle Überforderung der Länder enthalten und ein Abrücken vom Konnexitätsprinzip die Gefahr in sich birgt, im Verwaltungsvollzug auf Länderebene Kostenentscheidungen zu Lasten des Bundes zu treffen (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 104a Rn. 7; Schenke NJW 2014, 2542 (2544)).
III. Ausnahme: Auftragsverwaltung (Abs. 2)
Abw. von Art. 104a I und mit Blick auf die weitreichenden Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes hat der Bund im Bereich der Auftragsverwaltung (→ Art. 85) selbst die Kosten zu tragen. Unter Kosten sind allerdings nur die Zweckausgaben, nicht hingegen die Verwaltungsausgaben (Rn. 13) zu verstehen (BGH NVwZ 2014, 389 (390)). Für Verwaltungsausgaben ist Abs. 5 zu beachten (Rn. 12). Irrelevant ist, ob dem Land bewusst war, dass es im Auftrag des Bundes handelte (BVerwG NVwZ 2017, 56 (59)). Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Art. 104a II ist das BVerwG nach § 50 I Nr. 1 VwGO erstinstanzlich zuständig (BVerwG NVwZ 2009, 599). Der Anspruch unterliegt der Verjährung und kann verwirkt werden (BVerwG NVwZ 2009, 599 (601)). In entspr. Anwendung des § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Der Beginn der Frist bestimmt sich nach § 199 I BGB (BVerwG NVwZ 2017, 56). Von Art. 104a II unberührt bleibt das Recht, Kosten direkt auf Dritte abzuwälzen (BVerwGE 95, 188 (195)).
IV. Ausnahme: Geldleistungsgesetze (Abs. 3)
Eine weitere Ausnahme sieht Abs. 3 vor, wenn Bundesgesetze (auch Rechtsverordnungen, Jarass/Pieroth/Kment Art. 104a Rn. 10), die von den Ländern ausgeführt werden, Geldleistungen an Dritte gewähren. Beteiligt sich der Bund an den Kosten, hat er einen der festgesetzten Quote entspr. Anteil an den Kosten zu übernehmen (Abs. 1 S. 1). Bei einer Kostentragung von 50 % und mehr (Abs. 3 S. 2) wird das Gesetz in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt (→ Art. 85). Dieses Quorum wird für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugunsten der Kommunen modifiziert und auf 75 % angehoben ( Abs. 3 S. 3; Rn. 9a). Abs. 3 S. 2 und 3 sind leges speciales zu Abs. 2, sodass die Kosten nicht vollständig vom Bund übernommen werden, sondern die einfachgesetzliche Kostenquote gilt (BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 40). Mit Blick auf die an eine Kostenquote anknüpfende Regelung des Abs. 3 S. 2, 3 ist es unzulässig, dass sich der Bund mit einem festen Geldbetrag beteiligt (BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 38; aA aber MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 92; Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 35e). Sieht das Bundesgesetz gar keine Beteiligung vor, bleibt es bei der alleinigen Kostenlast der Länder nach Art. 104a I. Art. 104a III ist eine spezielle Regelung für Geldleistungsgesetze, die keine Vorgaben für Zweck- und Verwaltungsausgaben in sonstigen Fällen der Bundesauftragsverwaltung enthält (BVerwGE 175, 373 (386)).
Geldleistungen sind einmalige oder laufende Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln an Dritte, die nicht Gegenleistung für eine empfangene Leistung sind (Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 27). Nicht erfasst sind Sach- und Dienstleistungen. Gewähren bedeutet, die Leistung freiwillig zu erbringen, nicht hingegen aufgrund vertraglicher, deliktischer oder sonstiger Verpflichtungen zu leisten (näher v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 104a Rn. 50; s. auch MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 86). Abs. 3 scheidet aus, wenn die Leistung im freien Ermessen der Verwaltung steht (Dreier/Heun Art. 104a Rn. 28).
Abs. 3 S. 3 ist erst 2020 durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104a und 143h) v. 29.9.2020 eingefügt worden (BGBl I 2048). Die Ergänzung zielt darauf, die Kommunen dauerhaft zu entlasten, indem bei der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende (s. § 22 Abs. 1 SGB II) das Gesetz erst im Auftrage des Bundes ausgeführt wird, wenn der Bund drei Viertel der Ausgaben oder mehr trägt (BT-Drs. 19, 20595, 1). Von dieser Option hat der Bund mit Art. 3 des Gesetzes zur finanziellen Entlastung der Länder und Kommunen v. 6.10.2020 (BGBl I 2072) Gebrauch gemacht.
V. Zustimmungsbedürftigkeit für Bundesgesetze (Abs. 4)
Art. 104a IV ist 2006 durch die Föderalismusreform I (Vor Art. 104a Rn. 4) eingefügt worden (BGBl. 2006 I 2034 (2036)) und an die Stelle des bisherigen Art. 104a III 3 aF getreten. Die Norm begründet ein Zustimmungserfordernis des BRats, das die Länder vor „kostenbelastenden Bundesgesetzen“ schützen soll (BT-Drs. 16/813, 18), aufgrund derer sie Dritten ohne nennenswertes eigenes Verwaltungsermessen kostenaufwendige Vorteile zukommen lassen müssen (BVerfGE 159, 355 (403)). Die Anwendung setzt voraus (Jarass/Pieroth/Kment Art. 104a Rn. 13 ff.): (1) Ein Bundesgesetz, das die Länder zur Erbringung von Geldleistungen (Rn. 9), geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten verpflichtet. (2) Die Ausführung des Gesetzes durch die Länder entweder als eigene Angelegenheit oder nach Abs. 3 S. 2 im Auftrag des Bundes. (3) Die Belastung der Länder mit den durch (1) begründeten Ausgaben.
Nicht unter Sachleistungen fallen reine Genehmigungen, Erlaubnisse oder sonstige VAe, die nur die Vereinbarkeit mit dem materiellen Recht feststellen (BT-Drs. 16/813, 18). Von einer vergleichbaren Dienstleistung ist auszugehen, wenn einem Dritten Vorteile gewährt oder sonstige Maßnahmen gegenüber Dritten veranlasst werden, die zu erheblichen Kosten führen (BT-Drs. 16/813, 18). Nicht ausreichend sind Aufwendungen, die bei Gelegenheit der Anwendung bundesgesetzlicher Regelungen mit ganz anderer Zwecksetzung entstehen, selbst wenn sich diese im Einzelfall als objektiv drittnützig erweisen können (BVerfGE 159, 355 (403)). Abs. 4 ist mangels Ausgabenlast der Länder nicht anwendbar, wenn die Leistungen vollständig aus Beitragsmitteln, Zuschüssen aus dem EU-Haushalt oder, wie im Fall des Art. 104a II, aus dem Bundeshaushalt finanziert werden oder die Länder nicht als staatliches Organ, sondern wie ein privater Dritter betroffen sind (BT-Drs. 16/813, 18 f.). Die Änderung bereits bestehender Geld-, Sach- oder Dienstleistungsgesetze nach Art. 104a IV GG ist jedoch nicht zustimmungspflichtig, wenn Leistungen nach einem bestehenden zustimmungspflichtigen Gesetz gestrichen oder gemindert werden (BVerfGE 162, 378 (416)).
VI. Verwaltungsausgaben und Haftung (Abs. 5)
Art. 104a V 1 Hs. 1 enthält für die Verwaltungskosten eine Sonderregel der bundesstaatlichen Finanzverfassung, wonach Bund und Länder die Verwaltungsausgaben ihrer Behörden stets selbst zu tragen haben. Damit wird der Konnexitätsgrundsatz des Abs. 1 bestätigt (BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 46). Abs. 5 S. 1 Hs. 2 regelt die Kosten für die Haftung im Bund-Länder-Verhältnis. Abs. 5 S. 2 räumt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz ein, zur Ausführung der Vorschrift das Nähere gesetzlich zu regeln. Abs. 5 verleiht dem Bund darüber hinaus auch eine begrenzte Verwaltungskompetenz (Rn. 15).
Verwaltungsausgaben (Abs. 5 S. 1 Hs. 1) sind diejenigen Kosten, die für den Betrieb und die Unterhaltung des Verwaltungsapparats anfallen, insbes. die Kosten des Verwaltungspersonals und der Verwaltungseinrichtungen (BVerwGE 175, 373 (379); BT-Drs. 5/2861, 51 Ziff. 301; MKS/Hellermann Art. 104a Rn. 144). Gegenbegriff sind die Zweckausgaben, die unmittelbar für die Erfüllung der einzelnen Verwaltungsaufgabe anfallen (Dreier/Heun Art. 104a Rn. 17). Zweckausgaben sind auch projektbezogene Personalkosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der übernommenen Aufgabe stehen (BVerwG NVwZ 2009, 599 (600)). Kosten für Dienstkräfte und Verwaltungseinrichtungen, die für die Wahrnehmung einer bestimmten Ausgabe anfallen, können abstrakt sowohl Zweck- als auch Verwaltungsausgaben sein. Sie sind Zweckausgaben, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden Aufgabe eindeutig zurechenbar sind (BVerwGE 175, 373 (380)). Keine Zweckausgaben, sondern stets Verwaltungsausgaben sind Ausgaben, die aus der fehlerhaften Wahrnehmung der Verwaltungstätigkeit erwachsen (Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 46; aA aber BGH NVwZ 2014, 389 (390)). Verwaltungsausgaben hat nach Abs. 5 S. 1 Hs. 1 stets der Aufgabenträger zu übernehmen, so dass insoweit eine strikte Konnexität von Aufgaben und Ausgaben gilt (Jarass/Pieroth/Kment Art. 104a Rn. 16). Bedeutung kommt dem aber allein dort zu, wo das Konnexitätsprinzip in Abweichung von Art. 104a I für die Zweckausgaben durchbrochen wird (OVG NRW DÖV 1992, 1066 (1067)). Abs. 5 S. 1 statuiert kein Erstattungsverbot für Kosten, die für die Unterstützung des anderen Rechtsträgers bei dessen Aufgabenwahrnehmung anfallen (BVerwGE 162, 296 (304); Rn. 4). Ein Ausführungsgesetz nach Abs. 5 S. 2 ist bislang noch nicht erlassen worden (Sachs/Siekmann Art. 104a Rn. 10). Die Rspr. lässt auch Verwaltungsvereinbarungen über die Kostentragung in Bereichen sich überschneidender Wahrnehmungszuständigkeiten zu (BVerwGE 81, 312 (314); krit. Dreier/Heun Art. 104a Rn. 38).
Sofern die Ausgabenverantwortung für die Zweckausgaben und die Wahrnehmungszuständigkeit auseinanderfallen, begründet Art. 104a V 1 Hs. 2 einen Haftungsanspruch gegen den zuständigen Verwaltungsträger, um den durch einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung entstehenden Mehraufwand auszugleichen (BVerfGE 127, 165 (204 f.); Dreier/Heun Art. 104a Rn. 36). Da das in Abs. 5 S. 2 vorgesehene Ausführungsgesetz bislang noch nicht ergangen ist, kann ein Haftungsanspruch unmittelbar aus Abs. 5 S. 1 abgeleitet werden (BVerfGE 116, 271 (317 ff.); BVerwGE 96, 45 (54); BSGE 105, 100 (105 f.)). Allerdings muss sich der Anspruch mangels gesetzlicher Konkretisierung auf einen Kernbereich von Haftungsfällen beschränken (BVerwGE 96, 45 (55); BVerwG LKV 2012, 24; offen BVerfGE 116, 271 (318)), zu dem jedenfalls die Haftung für Vorsatz zählen soll (BVerwGE 104, 29 (33 f.); weiter BVerwGE 96, 45 (58): auch grobe Fahrlässigkeit; BVerfGE 116, 271 (322): tendenziell verschuldensunabhängig). Vermögensnachteile, die aus der Missachtung einer rechtswidrigen Weisung resultieren, sind nicht ersatzfähig, weil dem vermeintlich Geschädigten hier nur ein Vorteil entgeht, den er ausschließlich infolge rechtswidrigen Verwaltungshandelns erlangt hätte (BVerwG LKV 2012, 24 (26)). Da nur für einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gehaftet wird, scheiden judikatives Handeln und der Erlass förmlicher Gesetze als haftungsbegründende Tatbestände aus (BK/Tappe Art. 104a Rn. 337). Eine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen lässt sich Art. 104a V 1 nicht entnehmen. § 288 BGB ist nicht anwendbar (BVerwGE 128, 99 (118); 96, 45 (59)). Dagegen finden auf den Anspruch die Vorschriften über Prozesszinsen gem. §§ 291, 288 BGB entspr. Anwendung (BVerwGE 128, 99 (118); BSGE 105, 100 (116)). Nach dem Rechtsgedanken des § 254 BGB hat sich der Anspruchssteller ein Mitverschulden anrechnen zu lassen (BVerfGE 116, 271 (323 ff.); BSGE 105, 100 (116)). Nicht gefordert ist die Einleitung eines Mängelrügeverfahrens nach Art. 84 IV (BSGE 105, 100 (116)). Im Bund-Länder-Verhältnis ist Art. 104a V 1 Hs. 2 keine die Haftung abschließend regelnde Norm. Daneben können auch andere Anspruchsgrundlagen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für § 839 BGB iVm Art. 34 S. 1, sofern die geschädigte Körperschaft im Verhältnis zur schädigenden ausnahmsweise geschützter Dritter ist (BGH NVwZ 2014, 389 (390)).
Das Ausführungsgesetz nach Abs. 5 S. 2 muss keinen Kodifikationscharakter tragen, sondern kann im Zusammenhang bereichsspezifischer Sachregelungen auch lediglich Teilbereiche erfassen. Möglich ist eine verschuldensunabhängige Haftung, die sich nicht auf evidente oder grobe Rechtsverstöße beschränken muss (zum Ganzen BVerfGE 127, 165 (205)). Mit dem sich aus Abs. 5 ergebenden Haftungsanspruch korrespondiert eine Verwaltungskompetenz, die sich bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für die Möglichkeit eines Haftungsanspruchs konkretisiert (BVerfGE 127, 165 (206)). Bei gesetzlicher Anordnung kann auch eine Sachverhaltserforschung am Sitz der Landesbehörde und bei nachgeordneten Behörden und Kommunen zulässig sein. Im Übrigen kann der Bund nur Informationen und Unterlagen von den Landesbehörden anfordern (BVerfGE 127, 165 (207)).
VII. Verletzung supranationaler oder völkerrechtlicher Verpflichtungen (Abs. 6)
Art. 104a VI geht auf die Föderalismusreform I von 2006 zurück (Vor Art. 104a Rn. 4), erfasst aber ebenso wie das die Norm konkretisierende Lastentragungsgesetz auch Altfälle (BVerwGE 128, 342 (346)). Regelungsgegenstand ist die früher umstr. Frage der Lastentragung im Falle finanzwirksamer Entscheidungen zwischenstaatlicher Einrichtungen wegen der Verletzung supranationaler oder völkerrechtlicher Pflichten (s. zum alten Recht BVerfGE 116, 271 (307 ff.)). Als Anwendungsbeispiele nennt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/813, 19) die Verhängung von Zwangsgeldern oder Pauschalbeträgen, Finanzkorrekturen aufgrund fehlerhafter Verausgabung von EU-Mitteln sowie Verurteilungen durch den EGMR (BVerwGE 128, 342 (348)). Art. 104a VI beschränkt sich damit nicht nur auf exekutive, sondern erfasst auch legislative und judikative Pflichtverletzungen (BT-Drs. 16/813, 19; BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 60). Verdrängt wird Art. 104a VI durch die in Art. 109 II, V getroffene Regelung zum nationalen Stabilitätspakt bei der Überschreitung der Defizitgrenzen des Art. 126 AEUV (Art. 109 Rn. 5, 21).
Die finanzielle Last einer Pflichtverletzung hat nach Abs. 6 S. 1 diejenige Gebietskörperschaft zu tragen, in deren Verantwortungsbereich sich die Pflichtverletzung ereignet hat ( „Verursacherprinzip“, BT-Drs. 16/813, 19). Ausnahmen vom Verursacherprinzip sind für länderübergreifende Finanzkorrekturen in Abs. 6 S. 2, 3 vorgesehen, die eine Solidarhaftung verwirklichen wollen. Die Pauschalierung der Kostenverantwortung dient der Streitvermeidung und dem Rechtsfrieden (BVerwGE 177, 237 (246 f.)). Der Begriff der länderübergreifenden Finanzkorrekturen ist einfachgesetzlich in § 2 II 1 LastG (Rn. 18) definiert.
Der Regelungsauftrag des Abs. 6 S. 4 begründet eine ausschließliche Bundeskompetenz, deren Ausübung an die Zustimmung des BRats gebunden ist. Von ihr hat der Bund bereits im Rahmen des Föderalismusbegleitgesetzes durch das LastG v. 5.9.2006 (BGBl. I 2089) Gebrauch gemacht, das im Einzelnen sehr differenzierte Regelungen vorsieht (s. BeckOK GG/Kube Art. 104a Rn. 60 ff.).