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Artikel 80 [Erlass von Rechtsverordnungen]

(1) 1 Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. 2 Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. 3 Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. 4 Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

I. Allgemeines

Art. 80 regelt die Rechtsetzung durch die vollziehende Gewalt iF von RVOen. Das GG räumt der Exekutive kein originäres, sondern ein derivatives Verordnungsrecht ein (Ziekow JZ 1999, 963 (964)). Der parlamentarische Gesetzgeber wird ermächtigt, sich durch Übertragung rechtsetzender Gewalt auf die Exekutive zu entlasten (BVerfGE 7, 267 (274); 55, 207 (228, 241 f.)). Zugleich soll Art. 80, indem er für die Möglichkeit der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen Schranken normiert, einer Selbstentmachtung des Gesetzgebers entgegenwirken. Das Parlament soll gehindert werden, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern (BVerfGE 78, 249 (272)). Nach der rechtsstaatlich-demokratischen Verfassungsordnung des GG ist die Rechtsetzung grds. Sache der Legislative. Die Rechtsetzung durch die Exekutive ist die Ausnahme (BVerfGE 24, 184 (197)). Art. 80 zieht damit die Lehren aus den historischen Erfahrungen der Weimarer Republik. Mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ v. 24.3.1933, dem sog. Ermächtigungsgesetz (RGBl. 1933 I 141), hatte sich der Reichstag zugunsten der Reichsregierung entmachtet und den Weg in die NS-Diktatur geebnet.

Art. 80 stellt sich zugleich als Konkretisierung des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips dar. Die exekutive Rechtsetzung wird, da sie sich nur innerhalb des von der Legislative gesetzten Rahmens bewegen darf, demokratisch rückgebunden. Zudem grenzt die Bestimmung gewaltenteilend die Befugnisse von Legislative und Exekutive gegeneinander ab. Indem eine VO-Ermächtigung nur durch Gesetz erteilt werden darf (Art. 80 I 1), ist Art. 80 eine Ausprägung des Vorbehalts des Gesetzes und des Vorrangs des Gesetzes und dient, da eine Ermächtigung hinreichend bestimmt sein muss (Art. 80 I 2), auch der Rechtssicherheit.

II. Begriff und Rang der Rechtsverordnung

1. Begriff der Rechtsverordnung

Der Anwendungsbereich von Art. 80 ist auf den Erlass von RVOen beschränkt. RVOen sind materielle Rechtssätze, die von der Exekutive aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassen werden und denen rechtlich verbindliche Außenwirkung zukommt (so die hM vgl. etwa BK/Nierhaus Art. 80 Rn. 142 ff.). Von formellen Parlamentsgesetzen unterscheiden sich RVOen durch ihre Gesetzesabhängigkeit und die exekutive Urheberschaft. Anders als RVOen besitzen Verwaltungsvorschriften keine Außenwirkung. Von Satzungen grenzen sich RVOen dadurch ab, dass sie von einer staatlichen Exekutive und nicht wie Satzungen von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Regelung von Selbstverwaltungsangelegenheiten erlassen werden (vgl. BVerfGE 10, 20 (49 f.)). Auf den Erlass von formellen Gesetzen (BVerfGE 114, 196 (238 f.)), Satzungen (BVerfGE 33, 125 (156 ff.); 97, 332 (343)) und Verwaltungsvorschriften (BVerfGE 78, 214 (227)) findet Art. 80 ebenso wenig Anwendung wie auf Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen (BVerfGE 44, 322 (349)), auf den Erlass von Richtlinien zur Vergabe von Fördermitteln (BVerwGE 58, 45 (49)), auf Festsetzungen von Heimarbeiterausschüssen (BVerfGE 34, 307 (315 f.)) sowie auf Kirchensteuerregelungen (BVerfGE 73, 388 (400)). Auf Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 SGB V ist Art. 80 ebenfalls nicht anwendbar, jedoch soll nach der Rspr. des BSG das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 I 2 entspr. Anwendung finden (vgl. BSGE 78, 70 (80); s. auch Borchert NZS 2004, 287 ff.).

2. Rang von Rechtsverordnungen

RVOen, die von der BReg, einem BMinister oder im Wege der Subdelegation (Rn. 21 ff.) von einem sonstigen Organ des Bundes erlassen werden, stehen, hier gilt der Vorrang des Gesetzes, aufgrund ihrer Gesetzesabhängigkeit im Rang unter dem förmlichen Bundesgesetz (BVerfGE 8, 155 (169)). Formellen Landesgesetzen gehen RVOen des Bundes im Rang jedoch vor (Art. 31). RVOen, die aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung von einer Landesregierung oder im Wege der Subdelegation (Rn. 21 ff.) von einem sonstigen Organ des Landes erlassen werden, stehen im Rang unter dem förmlichen Landesgesetz.

3. Rechtsverordnungsändernde Gesetze

a) Entstehung hybrider Normgebilde

Dem Bundesgesetzgeber steht es frei, eine auf der Grundlage seiner Ermächtigung erlassene RVO durch förmliches Gesetz ganz oder teilweise aufzuheben, zu ersetzen oder zu ändern (BVerfGE 114, 196 (235 f.)). Ändert die Legislative eine RVO durch ein förmliches Gesetz, müsste bei formaler Betrachtung ein Regelwerk entstehen, das teilweise, nämlich in den vom Gesetzgeber unangetasteten Bestimmungen, untergesetzlichen RVO-Charakter besäße. Den gesetzlich geänderten Teilen müsste jedoch der Charakter eines förmlichen Gesetzes zugesprochen werden (so BVerwGE 117, 313 (318); Dreier/Bauer Art. 80 Rn. 47 f.; Uhle DÖV 2001, 241 (241 f.)). Dies ist im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit nicht hinnehmbar. Die unterschiedlichen Teile eines so entstandenen hybriden Normgebildes unterlägen unterschiedlichen Rechtsschutzformen, nämlich einerseits oberverwaltungsgerichtlicher Normenkontrolle nach § 47 I Nr. 2 VwGO und andererseits der Gesetzesverfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a. Der rechtsschutzsuchende Normadressat könnte nur mit größter Mühe erkennen, welcher Rechtsweg in seinem konkreten Fall der richtige wäre. Und selbst für ein im Verfahren nach § 47 I Nr. 2 VwGO angerufenes OVG wäre es schwierig zu entscheiden, welche Bestimmungen einer gesetzlich geänderten RVO von ihm selbst verworfen werden dürfen und hinsichtlich welcher Bestimmungen eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 I zu richten wäre (vgl. BayVGH NJW 2001, 2905 (2906 f.)).

b) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Es spricht daher vieles dafür, einer durch förmliches Gesetz geänderten RVO aus Gründen der Rechtssicherheit einen einheitlichen Rang zuzuweisen. Das BVerfG hat sich – dogmatisch wenig überzeugend – dafür ausgesprochen, das durch Änderungen des Gesetzgebers entstandene Normgebilde aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als RVO zu qualifizieren (BVerfGE 114, 196 (238)). Die Durchbrechung des Grundsatzes, wonach es dem parlamentarischen Gesetzgeber verwehrt ist, RVOen zu erlassen, könne, so das BVerfG, nur hingenommen werden, wenn es sich um eine Anpassung im Rahmen einer Änderung eines Sachbereichs durch den Gesetzgeber handele. Die Änderung einer RVO durch den parlamentarischen Gesetzgeber unabhängig von sonstigen gesetzgeberischen Maßnahmen sei hingegen unzulässig (BVerfGE 114, 196 (238)). Die im Verfahren förmlicher Gesetzgebung in eine VO eingefügten Teile stehen nach Ansicht des BVerfG abermaligen Änderungen durch die Exekutive offen. Es bedürfe deshalb weder einer Herabstufung der durch die Änderung eingefügten VO-Teile noch einer besonderen, weiteren Ermächtigung der Exekutive, diese Teile erneut zu ändern (sog. „Entsteinerungsklausel“). Solche Klauseln sind nach der Rspr. des BVerfG lediglich deklaratorischer Natur (BVerfGE 114, 196 (240)).

c) Kritik

Dieser Rspr. kann nicht gefolgt werden. Der Grundsatz, dass es dem parlamentarischen Gesetzgeber verwehrt ist, VO-Recht zu setzen, kann nicht aus Gründen der Rechtssicherheit durchbrochen werden. Vielmehr muss eine durch förmliches Parlamentsgesetz geänderte RVO insgesamt als förmliches Bundesgesetz angesehen werden. Dies folgt daraus, dass der Gesetzgeber sich die geänderte RVO mit seinem Eingriff zu eigen macht und insgesamt in seinen Willen aufnimmt. Dies entspricht der Situation bei einer wesentlichen Änderung eines vorkonstitutionellen Gesetzes durch den nachkonstitutionellen Gesetzgeber. Auch dieses nimmt er mit der Änderung in seinen Willen auf, so dass es insgesamt den Charakter nachkonstitutionellen Rechts erhält (vgl. BVerfGE 11, 126 (131 f.); 66, 248 (254); 70, 126 (129 f.)). Ändert der Bundesgesetzgeber eine von einer Landesregierung erlassene RVO, entsteht dadurch partikular geltendes Bundesrecht.

Die in der Praxis üblichen Entsteinerungsklauseln sind daher keineswegs nur klarstellender Natur, sondern besitzen konstitutive Wirkung. Und sie müssen sich auf die parlamentarisch geänderte RVO insgesamt beziehen und nicht lediglich auf die ausdrücklich parlamentarisch geänderten Teile (so aber Schneider, Gesetzgebung, 2002, Rn. 663 f.; Conradi NVwZ 1994, 977; Külpmann NJW 2002, 3436 (3438 f.); Sendler NJW 2001, 2859 (2860); Sendler DVBl 2005, 423 (423)). Der VO-Recht ändernde Gesetzgeber ist, was das BVerfG insoweit zutr. erkannt hat (BVerfGE 114, 196 (238 f.)), an das Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. gebunden, wobei sich auch die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Änderungsgesetzes nach den allg. Regeln und nicht nach Art. 80 II richtet (BVerfGE 114, 196 (240)). Keine Bindung des Gesetzgebers besteht hinsichtlich einer RVO-Änderung an Art. 80 I 2 (aA BVerfGE 114, 196 (239)), da in der Änderung selbst keine Ermächtigung an den RVO-Geber liegt. Geht man aber davon aus, dass eine parlamentarisch geänderte RVO insgesamt im Rang eines förmlichen Bundesgesetzes steht, kommt einer sich auf die Gesamtregelung beziehenden Entsteinerungsklausel zugleich der Charakter einer erneuten VO-Ermächtigung zu. Die Entsteinerungsklausel muss daher den Vorgaben des Art. 80 I entsprechen. Greift die ermächtigte Exekutive aufgrund einer Entsteinerungsklausel in den freigegebenen Normbestand ihrerseits ändernd ein, nimmt sie die entsteinerte RVO wiederum in ihren Willen auf. Dies hat zur Folge, dass die RVO infolge einer exekutivischen Änderung insgesamt wieder zu Recht im VO-Rang wird.

III. Gesetzliche Verordnungsermächtigung

1. Bundesgesetzliche Ermächtigung

Art. 80 gilt nur für VO-Ermächtigungen, die durch Bundesgesetz erteilt werden. Landesgesetzliche VO-Ermächtigungen beurteilen sich nicht nach Art. 80 (BVerfGE 41, 251 (266); 55, 207 (226); 73, 388 (400)). Wenn das BVerfG ausführt, dass die in Art. 80 I ausgeprägten, aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des GG folgenden Grundsätze auch für die Landesgesetzgebung verbindlich sind (BVerfGE 73, 388 (400)), ist die Rechtsgrundlage für derartige Vorgaben, wie zB das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung und das Bestimmtheitsgebot, nicht etwa Art. 80 zu entnehmen (BVerfGE 107, 1 (15)), sondern vielmehr dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 (aA Jarass/Pieroth/Kment Art. 80 Rn. 4).

2. Formelles Gesetz

Die Ermächtigung zur Setzung von RVOen muss durch ein formelles Bundesgesetz erfolgen. Der Exekutive ist es daher verwehrt, eine ihr erteilte Ermächtigung durch RVO weiterzudelegieren (BVerfGE 91, 148 (165)). Eine Ausnahme normiert insoweit allerdings Art. 80 I 4. Danach kann in einer formell gesetzlichen Ermächtigungsnorm ausdrücklich vorgesehen werden, dass die erteilte Ermächtigung durch die Exekutive weiterübertragen werden darf. Die Weiterübertragung der Ermächtigung erfolgt dann ausnahmsweise durch RVO.

Das ermächtigende Gesetz muss im Zeitpunkt der Verkündung einer RVO (Art. 82 I 2) gültig sein, wobei es ausreicht, dass das Gesetz am Tag der Verkündung der RVO in Kraft tritt (BVerfGE 3, 255 (259 f.)). Das nachträgliche Erlöschen einer Ermächtigungsnorm ist auf den Bestand der auf ihrer Grundlage erlassenen RVO ohne Einfluss (BVerfGE 9, 3 (12); 12, 341 (347)). Anders ist dies jedoch, wenn die Ermächtigungsnorm ex tunc nichtig war. In diesem Fall ist eine auf dieser Norm erlassene RVO mangels gültiger gesetzlicher Grundlage bei ihrem Erlass ebenfalls nichtig (Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, 1999, 159 f.). Auch eine nachträgliche Änderung der Ermächtigungsnorm hat auf den Bestand von einmal erlassenen RVOen keine Auswirkung (BVerfGE 14, 245 (249)).

3. Vor- und nachkonstitutionelle Ermächtigungen

Art. 80 gilt für alle nachkonstitutionellen, dh nach Inkrafttreten des GG erlassenen gesetzlichen VO-Ermächtigungen auf Bundesebene. Darüber hinaus besitzt Art. 80 aber auch Maßstäblichkeit für vorkonstitutionelle VO-Ermächtigungen, die gem. Art. 129 fortgelten, sofern der nachkonstitutionelle Gesetzgeber sie in seinen Willen aufgenommen hat (BVerfGE 9, 39 (47)). Ein Indiz dafür ist etwa, dass der nachkonstitutionelle Gesetzgeber das materielle Recht, zu dessen Durchführung die zu erlassenden RVOen dienen sollen, nach Inkrafttreten des GG wesentlich geändert hat (BVerfGE 22, 180 (214 f.); BVerwGE 31, 345 (355)).

4. Parlamentsvorbehalt als Delegationssperre

Materiell unterliegt der Bundesgesetzgeber einer Delegationssperre, soweit ein Parlamentsvorbehalt besteht. Der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes erschöpft sich nicht in der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage, sondern verlangt im Zusammenspiel mit dem Demokratieprinzip darüber hinaus auch, dass das Parlament alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu entscheiden hat und diese nicht anderen Normgebern überlassen werden dürfen (BVerfGE 34, 165 (192 f.); 49, 89 (126 f.); 98, 218 (251); 136, 69 (114); 150, 1 (96)). Dies soll gewährleisten, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite in einem Verfahren gefasst werden, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären (BVerfGE 139, 19 (46); 150, 1 (96 f.)). Die iS dieser „Wesentlichkeitstheorie“ (Art. 20 Rn. 49) grdl. Fragen unterliegen einem parlamentarischen Zuständigkeitsvorbehalt und dürfen nicht im Wege einer Delegation der Rechtsetzung durch die Exekutive überantwortet werden.

5. Bestimmtheit der Ermächtigung

Soweit aufgrund eines Parlamentsvorbehalts keine Delegationssperre besteht, muss das ermächtigende Gesetz nach Art. 80 I 2 Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung festlegen. Dieses ausdrücklich normierte Bestimmtheitsgebot stellt einen Ausschnitt aus dem allg. aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Bestimmtheitsgebot dar. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen gezwungen zu entscheiden, welche Fragen durch eine RVO geregelt werden sollen (Inhalt). Zugleich muss er die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen (Ausmaß). Und er muss angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll (Zweck; BVerfGE 23, 62 (72)). Diesem Konkretisierungsgebot wird der Gesetzgeber nicht gerecht, wenn nicht mehr vorhersehbar ist, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die zu erlassende RVO haben könnte (BVerfGE 1, 14 (60); 19, 354 (361 f.)). Ausreichend ist, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Wege der Auslegung des ermächtigenden Gesetzes ermitteln lassen (BVerfGE 58, 257 (277); 150, 1 (99 ff.)). Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung steigen, je schwerwiegendere Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen durch den VO-Geber ermöglicht werden (BVerfGE 41, 251 (266); 58, 257 (277 f.); 62, 203 (210)). Das Bestimmtheitsgebot gilt aber auch bei begünstigenden Regelungen (BVerfGE 23, 62 (73)).

Bei der Umsetzung von Rechtsakten der EU, insbes. bei der Richtlinienumsetzung, ist der deutsche Gesetzgeber uneingeschränkt an die Vorgaben des Bestimmtheitsgebots des Art. 80 I 2 gebunden (BVerfGE 150, 1 (115); BVerwGE 121, 382 (386 f.); Weihrauch NVwZ 2001, 265 (268); Ossenbühl DVBl 1999, 1 (7); aA Calliess NVwZ 1998, 8 (12 f.); Dreier/Bauer Art. 80 Rn. 37).

IV. Adressaten der Verordnungsermächtigung

1. Erstdelegatare

a) Allgemeines

Art. 80 I 1 umreißt den Adressatenkreis von VO-Ermächtigungen. Nur die BReg, einzelne BMinister oder die Landesregierungen können Delegatare einer formell gesetzlichen Ermächtigung sein. Diese Aufzählung der Erstdelegatare ist abschließend (BVerfGE 8, 155 (163)). Innerhalb des Kreises potentieller Adressaten kommt dem Bundesgesetzgeber Ermessen zu, wen er zum VO-Geber berufen will (BVerfGE 56, 298 (311)). Nur ausnahmsweise legt das GG in Art. 109 IV 1 einen bestimmten Delegatar, dort die BReg, fest (Art. 109 Rn. 9).

b) Bundesregierung

Ist die BReg Adressat, ist damit das Kollegium bestehend aus BKanzler und BMinistern (Art. 62) gemeint. Der Erlass einer RVO bedarf dann eines Kabinettsbeschlusses. Diesem Erfordernis ist nicht allein dadurch Genüge getan, dass der Beschluss die BReg formell als Urheberin ausweist. Vielmehr muss er ihr auch materiell zugerechnet werden. Die Zurechnung setzt voraus, dass sämtliche Mitglieder der BReg von der anstehenden Entscheidung und ihrem Gegenstand in Kenntnis gesetzt werden und Gelegenheit erhalten, an der Entscheidung mitzuwirken. Des Weiteren müssen sich an der Entscheidung so viele Mitglieder der BReg beteiligen, dass noch von einem Handeln des Kollegiums gesprochen werden kann. Schließlich muss von den Beteiligten eine Mehrheit die Entscheidung befürworten (BVerfGE 91, 148 (166)). Aus der Tatsache, dass Art. 80 I 1 es auch zulässt, einen einzelnen BMinister zum VO-Erlass zu ermächtigen, kann nicht geschlossen werden, dass es auch bei einer Delegation an die BReg ausreiche, wenn nur einzelne Regierungsmitglieder an der Beschlussfassung mitwirken.

c) Bundesminister

Möglich ist auch eine Ermächtigung eines BMinisters. Während dadurch eine Ermächtigung des BKanzlers oder der Gesamtheit der BMinister ausgeschlossen wird, ist eine Ermächtigung mehrerer BMinister zum Erlass einer gemeinsamen RVO möglich (MKS/Brenner Art. 80 Rn. 53). Der Bundesgesetzgeber ist bei der Ermächtigung einzelner Minister nicht an die regierungsinterne Zuständigkeitsverteilung gebunden (Sachs/Mann Art. 80 Rn. 16; aA SHH/Sannwald Art. 80 Rn. 91).

d) Landesregierungen

Weiterhin darf der Bundesgesetzgeber die Landesregierungen zur VO-Gebung ermächtigen. Damit ist eine Delegation an einen einzelnen Landesminister ausgeschlossen (BVerfGE 11, 77 (85); 88, 203 (332)). Was „Landesregierung“ ist, bestimmt sich allerdings nach dem einschlägigen Landesverfassungsrecht. Nur wenn nach dem Verfassungsrecht eines Landes unter „Landesregierung“ (auch) der zuständige Minister verstanden werden kann, darf die durch Bundesgesetz der „Landesregierung“ erteilte Ermächtigung unmittelbar durch den einzelnen Minister ausgeübt werden (BVerfGE 11, 77 (86)). Grds. darf der Bundesgesetzgeber nur die Landesregierungen aller sechzehn Länder zum VO-Erlass ermächtigen. Abweichungen von diesem aus der bundesstaatlichen Gleichheit der Länder (Art. 20 Rn. 13) folgenden Grundsatz sind nur zulässig, wenn es einen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden sachlichen Grund gibt (Sachs/Mann Art. 80 Rn. 19). Eine Delegation auf mehrere Landesregierungen zum VO-Erlass zur gesamten Hand ist unzulässig (MKS/Brenner Art. 80 Rn. 61).

e) Mehrere Delegatare

Nicht zulässig ist es, verschiedene Delegatare zur gesamten Hand zu ermächtigen. Der Bundesgesetzgeber darf Rechtsetzungskompetenzen nicht auf die Landesregierungen und die BReg oder auf die Landesregierungen und einen BMinister zum gemeinsamen VO-Erlass übertragen. Dies würde der grds. Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern widersprechen und einen weiteren, über Art. 91a bis Art. 91e hinausgehenden und daher unzulässigen Fall von Mischzuständigkeiten begründen (MKS/Brenner Art. 80 Rn. 61).

2. Subdelegatare

a) Gesetzesvorbehalt

Die Weiterübertragung einer erteilten VO-Ermächtigung steht gem. Art. 80 I 4 unter dem Vorbehalt einer gesetzlich eingeräumten Subdelegationsbefugnis. Die Möglichkeit, eine Ermächtigung weiter zu übertragen, muss im ermächtigenden Gesetz selbst oder einem anderen formellen Gesetz gestattet sein (BVerfGE 150, 1 (103); DHS/Remmert Art. 80 Rn. 82; MKS/Brenner Art. 80 Rn. 63). Auch die Möglichkeit einer Weiterübertragung der Ermächtigung durch den Subdelegatar, eine sog. Kettensubdelegation, kann gesetzlich vorgesehen werden (MKS/Brenner Art. 80 Rn. 66). Obwohl die Grenzen wirksamer Ermächtigungen gem. Art. 80 I 1 und 2 ausdrücklich nur für Verordnungsermächtigungen durch Gesetz gelten, müssen sie entsprechende Anwendung auf eine Subdelegation durch RVOen finden. Andernfalls könnten die Vorgaben des Art. 80 I im Wege einer Subdelegation unterlaufen werden (BVerfGE 136, 69 (92); 150, 1 (103)).

b) Weiterübertragung durch Rechtsverordnung

Die Subdelegation ihrerseits muss nach Art. 80 I 4 durch RVO erfolgen (BVerfGE 38, 139 (147)). Dies gilt auch für den Fall einer Kettensubdelegation. Die durch den Gesetzgeber erteilte Ermächtigung darf im Wege einer Subdelegation nicht erweitert werden.

c) Kreis der Subdelegatare

Der Kreis möglicher Subdelegatare wird in Art. 80 I 4 nicht ausdrücklich eingegrenzt (BVerfGE 150, 1 (103)). In Betracht kommen die obersten Bundes- oder Landesbehörden, nachgeordnete Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts. Unzulässig ist eine Subdelegation auf außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Stellen, insbes. auf Private.

V. Verordnungsgebung

1. Verordnungsermessen

Sofern die Ermächtigungsnorm keine Pflicht zum Tätigwerden statuiert, steht die VO-Gebung im Ermessen des Ermächtigungsadressaten (DHS/Remmert Art. 80 Rn. 119). Eine Pflicht zum VO-Erlass kann sich ausnahmsweise auch aus dem EU-Recht ergeben, wenn den innerstaatlich zuständigen Normgeber etwa die Pflicht zur Umsetzung einer EU-Richtlinie trifft (MKS/Brenner Art. 80 Rn. 75).

2. Zitiergebot

Nach Art. 80 I 3 trifft den VO-Geber die Pflicht, die konkrete Ermächtigungsnorm in der VO anzugeben. Dieses Zitiergebot dient zum einen der Selbstkontrolle der Exekutive und erleichtert zum anderen die externe Rechtmäßigkeitskontrolle durch die VO-Adressaten und die Judikative (BVerfGE 24, 184 (196); 101, 1 (42); Füßer/Stöckel NVwZ 2010, 414 (416)). Eine RVO, die auf mehreren Ermächtigungsgrundlagen beruht, muss diese vollständig zitieren und bei inhaltlicher Überschneidung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen diese gemeinsam angeben. Dabei muss allerdings nicht zu jeder Bestimmung der RVO im Einzelnen angegeben werden, auf welcher der Ermächtigungsnormen sie beruht (BVerfGE 20, 283 (292); 101, 1 (42)). Ein Verstoß gegen das Zitiergebot führt zur Nichtigkeit der RVO. Förmliche Gesetze, die eine RVO ändern, unterliegen nicht dem Zitiergebot des Art. 80 I 3 (aA die abw. Meinung v. Osterloh und Gerhardt BVerfGE 114, 196 (250, 257)).

3. Zustimmungsbedürftigkeit

a) Allgemeines

Art. 80 II knüpft an drei bestimmte Gruppen von RVOen (Rn. 29 ff.) das Erfordernis einer Zustimmung des BRats. Weitere Zustimmungspflichten normieren Art. 109 IV 3, 119 S. 1, 130 I 2 und 132 IV. Das in Art. 80 II niedergelegte Zustimmungserfordernis gilt auch für RVOen, die im Wege der Subdelegation erlassen werden (Sachs/Mann Art. 80 Rn. 37). Die vollständige Aufhebung einer zustimmungsbedürftigen RVO bedarf hingegen nicht der Zustimmung des BRats (SHH/Sannwald Art. 80 Rn. 116). Zustimmungspflichtig nach Art. 80 II sind ausschließlich RVOen der BReg oder eines BMinisters (v. Münch/Kunig/Wallrabenstein Art. 80 Rn. 62).

b) Initiativrecht des Bundesrates

Aufgrund von Art. 80 III besitzt der BRat bei RVOen, die nach Art. 80 II seiner Zustimmung bedürfen, ein Initiativrecht. Er muss einer von ihm vorgeschlagenen RVO, selbst wenn sie vom VO-Geber unverändert angenommen wird, gleichwohl später zustimmen. Der BRat ist bei der Ausübung seines Initiativrechts inhaltlich an die Vorgaben des ermächtigenden Gesetzes gebunden (BeckOK GG/Uhle Art. 80 Rn. 44).

c) Zustimmungsbeschluss des Bundesrates

Wird dem BRat eine zustimmungsbedürftige RVO zugeleitet, hat dieser analog Art. 77 IIa in angemessener Frist über die Zustimmung zu beschließen (BK/Nierhaus Art. 80 Rn. 762; Sachs/Mann Art. 80 Rn. 47). Anders als bei der Beschlussfassung über die Zustimmung im Gesetzgebungsverfahren darf der BRat einer RVO nach Maßgabe bestimmter inhaltlicher Änderungen zustimmen (Sachs/Mann Art. 80 Rn. 48). Stimmt die BReg oder der betr. BMinister den Änderungswünschen des BRats zu, bedarf es dann keiner weiteren Zustimmung des BRats.

d) Verkehrsverordnungen

Zustimmungsbedürftig sind nach Art. 80 II Var. 1 sog. Verkehrs-VOen aus den Bereichen Post, Telekommunikation und Eisenbahn. Im Einzelnen sind dies RVOen über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes sowie über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen.

e) Rechtsgrundlagebedingte Zustimmungsbedürftigkeit

Eine weitere Gruppe zustimmungsbedürftiger RVOen sind solche, deren gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der Zustimmung des BRats bedurfte (Art. 80 II Var. 2). Damit sollen die Beteiligungsrechte des BRats im Fall der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Exekutive gewahrt bleiben. Da sich entgegen der hM die Zustimmung des BRats aber nur auf die Teile eines Gesetzes bezieht, die ihrerseits zustimmungsbedürftig sind (Art. 77 Rn. 2), pflanzt sich die Zustimmungsbedürftigkeit auf RVOen nach Art. 80 II Var. 2 nur fort, wenn gerade die Ermächtigungsnorm ihrerseits der Zustimmung des BRats bedurfte (Ossenbühl AöR 99 [1974], 369 (434 f.); Sachs/Mann Art. 80 Rn. 36; aA BVerfGE 24, 184 (194 ff.); MKS/Brenner Art. 80 Rn. 96).

f) Vollzugsbedingte Zustimmungsbedürftigkeit

Der Zustimmung des BRats bedürfen weiterhin RVOen auf Grund von Bundesgesetzen, die von den Ländern im Auftrag des Bundes (Art. 85) oder als eigene Angelegenheit (Art. 83) ausgeführt werden (Art. 80 II Var. 3). Die Zustimmungsbedürftigkeit einer RVO besteht nur, wenn die Ermächtigungsnorm dem Teil eines Gesetzes zu entnehmen ist, dessen Ausführung den Ländern zur Ausführung übertragen ist.

g) Vorbehalt anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung

Die Zustimmungsbedürftigkeit von RVOen nach Art. 80 II steht unter dem Vorbehalt einer anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung. Die Bestimmung eröffnet dem Gesetzgeber nicht nur die Möglichkeit, die Zustimmungsbedürftigkeit von RVOen auszuschließen, sondern auch die Zustimmungsbedürftigkeit auf weitere RVOen auszudehnen (v. Münch/Kunig/Wallrabenstein Art. 80 Rn. 55; MKS/Brenner Art. 80 Rn. 100). Das eine anderweitige Regelung treffende Gesetz bedarf seinerseits der Zustimmung des BRats, da andernfalls die Vorschrift des Art. 80 II unterlaufen werden könnte (BVerfGE 28, 66 (77 ff.); v. Münch/Kunig/Wallrabenstein Art. 80 Rn. 60; Sachs/Mann Art. 80 Rn. 38; aA BVerwGE 28, 36 (40)).

4. Ausfertigung, Verkündung, Inkrafttreten

Ausfertigung, Verkündung und Inkrafttreten von RVOen sind in Art. 82 geregelt. Die Ausfertigung von RVOen obliegt gem. Art. 82 I 2 dem VO-Geber. Ihre Verkündung erfolgt, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, im Bundesgesetzblatt (Art. 82 Rn. 23). Eine RVO tritt zu dem von ihr bestimmten Zeitpunkt in Kraft (Art. 82 II 1). Bei Fehlen einer solchen Bestimmung sieht Art. 82 II 2 vor, dass eine RVO vierzehn Tage nach ihrer Verkündung in Kraft tritt.

VI. Verordnungsvertretende Gesetze der Länder

Art. 80 IV verfolgt das Ziel einer Stärkung der Länderparlamente und eröffnet den Ländern die Möglichkeit, in den Fällen, in denen die Landesregierungen zum Erlass von RVOen ermächtigt sind, von dieser Ermächtigung durch förmliches Landesgesetz Gebrauch zu machen. Dies kommt sowohl bei einer Erst- als auch bei einer Subdelegation auf die Landesregierungen in Betracht, da die Ermächtigung nach Art. 80 IV entweder durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen kann. Die RVO-vertretenden Landesgesetze müssen sich dabei im Rahmen der bundesgesetzlichen Ermächtigung halten („soweit“). Das Zitiergebot des Art. 80 I 3 ist entspr. anzuwenden (BK/Nierhaus Art. 80 Rn. 842; BeckOK GG/Uhle Art. 80 Rn. 45a; Schütz NVwZ 1996, 37 (38)). Das Gesetzgebungsverfahren folgt den jew. Bestimmungen der einschlägigen Landesverfassung.