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Artikel 87b [Bundeswehrverwaltung]

(1) 1 Die Bundeswehrverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. 2 Sie dient den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte. 3 Aufgaben der Beschädigtenversorgung und des Bauwesens können der Bundeswehrverwaltung nur durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, übertragen werden. 4 Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, soweit sie die Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen; das gilt nicht für Gesetze auf dem Gebiete des Personalwesens.

(2) 1 Im übrigen können Bundesgesetze, die der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie ganz oder teilweise in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau oder von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt werden. 2 Werden solche Gesetze von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt, so können sie mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß die der Bundesregierung und den zuständigen obersten Bundesbehörden auf Grund des Artikels 85 zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise Bundesoberbehörden übertragen werden; dabei kann bestimmt werden, daß diese Behörden beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften gemäß Artikel 85 Abs. 2 Satz 1 nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.

I. Bedeutung der Norm

Der durch die Wehrnovelle (BGBl. 1956 I 111) in das GG eingefügte Art. 87b normiert, dass neben den Streitkräften (Art. 87a) eine selbständige zivile Verwaltung des militärischen Bereichs existieren muss (näher Pieroth NVwZ 2011, 705 ff.; v. Graevenitz ZRP 2023, 187 ff.), in der nicht das Prinzip von Befehl und Gehorsam, sondern die allgemeinen Maßstäbe des öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns gelten (DHS/Depenheuer Art. 87b Rn. 27). Mit Ausnahme der Truppenverwaltung ist die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch Soldaten unzulässig (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87b Rn. 2; diff. DHS/Depenheuer Art. 87b Rn. 30 ff.). Unbeschadet dieses Trennungsgebots bilden Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung gemeinsam die Bundeswehr, die dem BMin für Verteidigung untersteht (zur Abgrenzung Sachs/Kokott/Hummel Art. 87b Rn. 7 ff., 12; krit. zur aktuellen Organisationspraxis Maaß NZWehrr 2019, 147 (154 ff.); Metzger DVBl 2023, 312 ff.). Art. 87b hat nicht zum Ziel, die Kompetenz aus Art. 87 III 1 zu verdrängen (BVerfGE 110, 33 (50 f.); BVerwG NVwZ-RR 1997, 350 (351)). Lediglich gegenüber Art. 87 III 2 ist Art. 87b II 1 lex specialis (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87b Rn. 1).

II. Bundeswehrverwaltung

Die Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b I ist Gegenstand obligatorischer unmittelbarer Bundesverwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau (hierzu SHH/Krieger Art. 87b Rn. 3, 7). Sie dient gem. S. 2 – originär – den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87b Rn. 5). Das Personalwesen erfasst die Rechtsverhältnisse aller unmittelbar im Dienst der Streitkräfte stehenden Personen (Dreier/Heun Art. 87b Rn. 8). Die Personalverwaltung der aus dem Dienst Ausgeschiedenen richtet sich nicht nach Art. 87b I, ist der Bundeswehrverwaltung aber gem. Art. 87b II übertragen. Unter dem Aspekt der Aus- und Fortbildung des Personals wird die Errichtung von Universitäten der Bundeswehr kompetenziell legitimiert (v. Münch/Kunig/Zeccola Art. 87b Rn. 10; Raap VR 2015, 48 (49); aA BeckOK GG/Schmidt-Radefeldt Art. 87b Rn. 18, 21). Bei der Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte ist der unmittelbare Bezug zu den Aufgaben der Streitkräfte maßgebend; es muss ein direkter Zusammenhang zwischen den Verwaltungsaufgaben und den militärischen Bedürfnissen bestehen (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87b Rn. 5). Dazu zählen etwa – neben der bundeswehrinternen Personalverwaltung – die Organisation von dienstlichen Veranstaltungen (BSGE 71, 60 (66)) sowie das Wehrdisziplinar- und -beschwerdewesen, das Beschaffungs-, Instandsetzungs-, Lager-, Unterkunfts-, Liegenschafts- und Haushaltswesen (näher Sachs/Kokott/Hummel Art. 87b Rn. 7 f.). Die Errichtung einer Schule für die Kinder von Soldaten gehört indes nicht mehr zur unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87b Rn. 5).

Aufgaben der Beschädigtenversorgung und des Bauwesens können der Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b I 3 nur durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des BR bedarf, übertragen werden (fakultative Bundeswehrverwaltung). Sie sind dem ausdrücklichen Zustimmungserfordernis des BR unterstellt worden, um eine Parallelität zu bestehenden Verwaltungseinheiten der Länder zu vermeiden. Allerdings ist die Möglichkeit der Landesverwaltung, und damit auch das Risiko der Parallelität, durch die Neufassung von § 88 I SVG zum 1.1.2016 wohl weitgehend hinfällig geworden. Soweit sie die Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen, bedürfen die Gesetze nach Art. 87b I 4 Hs. 1 ebenfalls der Zustimmung des BR. Dies gilt jedoch wegen Hs. 2 nicht für das Gebiet des Personalwesens; Angehörige der Bundeswehr sind nicht Dritte iSv Hs. 1 (Sachs/Kokott/Hummel Art. 87b Rn. 17). Deshalb entfällt die Zustimmungsbedürftigkeit, nicht aber der Vorbehalt des Gesetzes (Dreier/Heun Art. 87b Rn. 9).

Privatisierungen der Bundeswehrverwaltung sind grds. zulässig in den Bereichen Liegenschaften, Informationstechnik, Bekleidungs- und Fahrzeugflottenmanagement (Wieland NZWehrR 2003, 1; Altunay DÖV 2020, 23). Soweit Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte in Frage stehen, ist eine materielle Privatisierung der Streitkräfte aber wegen Art. 87b I 2 ausgeschlossen (Friauf/Höfling/Grzeszick Art. 87b Rn. 13). Im allein verbleibenden Bereich der Organisationsprivatisierung sind umfassende Kontroll- und Steuerungsbefugnisse sowie eine Anbindung an das Verteidigungsministerium zu sichern (Hömig/Wolff/Wolff Art. 87b Rn. 3; Sachs/Kokott/Hummel Art. 87b Rn. 2). Nur so ist eine mit Blick auf das Demokratieprinzip erforderliche durchgängige Legitimationsbindung garantiert (BeckOK GG/Schmidt-Radefeldt Art. 87b Rn. 15).

III. Sonstige Verteidigungsverwaltung

Die von Art. 87b II in den Blick genommene sonstige Verteidigungsverwaltung betrifft den Vollzug von Gesetzen gem. Art. 73 I Nr. 1, der weder unter Art. 87b I noch unter Art. 87a I fällt, also insbes. Wehrersatzwesen und Zivilschutz. Die Ermächtigungen nach Art. 87b II 1 stehen im Ermessen des Gesetzgebers; ohne ein Gesetz zur Einführung von unmittelbarer Bundesverwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau bleibt es bei der Landeseigenverwaltung (BVerfGE 48, 127 (178 f.)). Die Ermächtigung zu partieller Übertragung lässt nur Aufteilungen nach Sachgebieten, nicht aber vertikale Mischverwaltung zu (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87b Rn. 7; DHS/Depenheuer Art. 87b Rn. 91). Die Kompetenz umfasst auch die Verwaltung durch bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (MKS/Müller-Franken Art. 87b Rn. 56). Für den Fall der Verteidigungsverwaltung als Verwaltung im Auftrag des Bundes enthält Art. 87b II 2 die Ermächtigung zu Abweichungen gegenüber Art. 85, insbes. zur Freistellung vom Zustimmungserfordernis nach Art. 85 II 1.