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Artikel 53a [Gemeinsamer Ausschuss]

(1) 1 Der Gemeinsame Ausschuß besteht zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages, zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates. 2 Die Abgeordneten werden vom Bundestage entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestimmt; sie dürfen nicht der Bundesregierung angehören. 3 Jedes Land wird durch ein von ihm bestelltes Mitglied des Bundesrates vertreten; diese Mitglieder sind nicht an Weisungen gebunden. 4 Die Bildung des Gemeinsamen Ausschusses und sein Verfahren werden durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Bundestage zu beschließen ist und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(2) 1 Die Bundesregierung hat den Gemeinsamen Ausschuß über ihre Planungen für den Verteidigungsfall zu unterrichten. 2 Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse nach Artikel 43 Abs. 1 bleiben unberührt.

I. Allgemeines – Stellung des Gemeinsamen Ausschusses (Abs. 1)

Art. 53a wurde 1968 im Rahmen der Notstandsverfassung (I BGBl. I 709) eingefügt. Bei (auch bereits drohendem) Angriff mit Waffengewalt auf das Bundesgebiet (Art. 115a I) hat der GA unter den Voraussetzungen des Art. 115e I die Stellung von BT und BR und nimmt deren Rechte einheitlich wahr (Art. 115a II). Sein Gesetzgebungsrecht ist dabei durch Art. 115e II und 115g beschränkt. Als eine derartige Ersatzinstanz im Verteidigungsfall, die aber bereits in Friedenszeiten zu Beginn jeder Legislaturperiode des BTags zu bestellen (vgl. Rn. 2) ist und laufend von der BReg zu unterrichten (Art. 53a Rn. 6), ist der GA zwar trotz seines Namens kein Parlamentsausschuss (vgl. §§ 12, 68 GeschOBTag), wohl aber ein oberstes Bundesorgan (BVerfGE 84, 304 (334)); als solches ist er im Organstreit (Art. 93 I Nr. 1) beteiligungsfähig.

II. Zusammensetzung

1. Mitglieder des Bundestags

Insgesamt 48 Mitglieder hat der GA, weil jedes Land von einem Mitglied vertreten wird und 2/3 des GA Mitglieder des BTags sind (Art. 53 I 1, 3). Dieses Übergewicht des BTags wird durch dessen stärkere Stellung in der Gesetzgebung in Friedenszeiten, vor allem aber durch die Abhängigkeit der BReg von seinem Vertrauen gerechtfertigt, die sich dem GA gegenüber fortsetzt. Die Mitglieder des BTags werden zwar von dessen Fraktionen vorgeschlagen (§ 2 I 2 GeschOBTag), jedoch vom BT selbst bestimmt, allerdings nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen (Art. 53 I 2). Da Fraktionsbegriff wie (erforderliche) Fraktionsstärke vom BT aufgrund seiner Geschäftsordnungsautonomie festgelegt werden (vgl. § 10 GeschOBTag), könnte dieser die Opposition aus dem GA ausschließen, nach hL (vgl. MKS/Fink Art. 53a Rn. 12) soll daher der BT bei der Bestimmung der Fraktionsstärke die demokratische Legitimation des GA berücksichtigen müssen. Das BVerfG hat allerdings eine solche Majorisierungsgefahr nicht gesehen (BVerfGE 84, 304 (334)). Art. 53a entspricht eben der verfassungsmäßigen Geschäftsordnungsautonomie des BTags (vgl. BVerfGE 96, 264 (280 f.)). Fraktionslose Abgeordnete müssen bei der Besetzung des GA nicht berücksichtigt werden. Stellvertreter der Mitglieder aus dem BT ergänzen deren Anzahl im GA zu Fraktionsstärke, wenn der Mitgliederanteil des BTags nicht aus dessen anwesenden oder erreichbaren ordentlichen Mitgliedern erreicht werden kann (§ 1 III GeschOGA). Die BTags-Mitglieder im GA haben die volle Rechtsstellung der BTags-Abgeordneten; der BReg dürfen sie allerdings nicht angehören (Art. 53a I 2 Hs. 2).

2. Mitglieder des Bundesrats

Jedes Land bestellt einen Vertreter im GA; dieser muss Mitglied des BRats oder Stellvertreter eines solchen sein (§ 4 I 1 GeschOGA). Weisungsgebundenheit besteht weder gegenüber der Landes- (Art. 53 I 3 Hs. 2) noch gegenüber der BReg, der solche Vertreter auch nicht angehören dürfen (§ 4 BMinG). Den Mitgliedern des BRats im GA kommt in dieser ihrer letzteren Qualität die Rechtsstellung der Abgeordneten des BTags zu. Als solche bilden sie keine eigenständige Gruppe, ebenso wenig wie Mitglieder des BTags, können durch diese also überstimmt werden.

III. Geschäftsordnung

Die Bildung des GA, sein Verfahren und die Rechtstellung seiner Mitglieder werden durch eine vom BT mit Zustimmung des BRats beschlossene GeschOGA (näher) geregelt (Art. 53a I 4; GeschO v. 23.7.1969, BGBl. I 1102; 25.3.1991, BGBl. I 868). Dem GA steht also in Friedenszeiten keine Satzungshoheit zu wie BT und BR, wohl aber im Verteidigungsfall. Dass diese GeschO bereits zu Friedenszeiten erlassen werden muss, folgt ebenfalls aus Art. 53 I 4; sie unterliegt nicht der parlamentarischen Diskontinuität der Legislativperioden. Die GeschOGA regelt insbes. auch die Stellvertretung der GA-Mitglieder.

IV. Verfahren

Die Mitglieder müssen sicherstellen, dass sie jederzeit vom BTags-Präsidenten erreicht werden und auch an kurzfristig einberufenen Sitzungen des GA teilnehmen können (§ 6 I GeschOGA) – eine unter dem selbstverständlichen Vorbehalt außergewöhnlicher Situationen stehende Verpflichtung (höhere Gewalt – Verteidigungsfall). Diese „Rufbereitschaft“ berührt ihren Freiheitsstatus nicht (aA DHS/Herzog Art. 53a Rn. 47). Vorgesehen sind Beschlussfähigkeit (Anwesenheit der Hälfte) (§ 12 GeschOGA) und Beschlussfassung nach Mehrheit der Anwesenden (§ 13 I GeschOGA) bei gleichem Stimmgewicht. Die erforderlichen raschen Entscheidungen verlangen dies; Staatsstreichssorgen sind, schon angesichts der manipulationsfesten Zusammensetzung des Ausschusses (Rn. 2 f.), unbegründet. Dasselbe gilt für die Nicht-Öffentlichkeit der Beratungen (§ 10 GeschOGA) und für Geheimhaltungen (§ 11 III GeschOGA).

V. Informationsrechte in Friedenszeiten (Abs. 2)

Schon in Friedenszeiten muss die BReg den GA über ihre Planungen – nicht über irgendwelche „Planspiele“ – „für den Verteidigungsfall“ unterrichten (Art. 53a II 1); dies betrifft alle Maßnahmen, die „für“ diesen beabsichtigt sind, nicht (nur) bereits vorbereitet werden, also gerade und ausschließlich im Verteidigungsfall in Kraft treten sollen, auf den Gesamtbereichen der Außen-, Militär- und Innenpolitik. Rechte des BTags und seiner Ausschüsse auf gleiche oder ähnliche Informationen bleiben unberührt (Art. 53a II 1, 43 I); auf Geheimhaltung(srechte) kann sich die BReg im Verhältnis BT – GA hier also nicht berufen.