Artikel 110 [Haushaltsplan des Bundes]
(1) 1 Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haushaltsplan einzustellen; bei Bundesbetrieben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen eingestellt zu werden. 2 Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen.
(2) 1 Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt. 2 Für Teile des Haushaltsplanes kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedliche Zeiträume, nach Rechnungsjahren getrennt, gelten.
(3) Die Gesetzesvorlage nach Absatz 2 Satz 1 sowie Vorlagen zur Änderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes werden gleichzeitig mit der Zuleitung an den Bundesrat beim Bundestage eingebracht; der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen, bei Änderungsvorlagen innerhalb von drei Wochen, zu den Vorlagen Stellung zu nehmen.
(4) 1 In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften aufgenommen werden, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Bundes und auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird. 2 Das Haushaltsgesetz kann vorschreiben, daß die Vorschriften erst mit der Verkündung des nächsten Haushaltsgesetzes oder bei Ermächtigung nach Artikel 115 zu einem späteren Zeitpunkt außer Kraft treten.
I. Regelungsgegenstand und systematische Stellung
Gegenstand des Art. 110 sind der Haushaltsplan und das Haushaltsgesetz. Da diese der Bezugspunkt aller vier Stadien des Haushaltskreislaufes sind (Vor Art. 104a Rn. 3), gilt Art. 110 zu Recht als Kernbestimmung der Haushaltswirtschaft des Bundes (s. auch BVerfGE 79, 311 (329)). Abs. 1 enthält Vorgaben für die Aufstellung des Haushaltsplanes. Abs. 2 normiert die Feststellung des Haushaltsplanes durch das Haushaltsgesetz. In Abs. 3 finden sich besondere Verfahrensbestimmungen für das Verfahren der Haushaltsgesetzgebung. Weitere inhaltliche Vorgaben für das Haushaltsgesetz ergeben sich aus Abs. 4. Der Anwendungsbereich der Art. 110 ff. beschränkt sich auf die Haushaltsführung des Rechtsträgers Bund; nicht erfasst sind hingegen seine verselbstständigten juristischen Personen, gleich ob öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsnatur (BK/Gröpl Art. 110 Rn. 122; BVerfGE 129, 356 (366)). Auch eine vollständige Kontrolle des Bundes ändert hieran nichts (BeckOK GG/Reimer Art. 110 Rn. 22). Ebenso wenig kann Art. 110 oder einer sonstigen Norm des ungeschriebenen Verfassungsrechts das Erfordernis einer parlamentarischen Zustimmung zu Veräußerungsgeschäften solcher juristischer Personen entnommen werden (BVerfGE 129, 356 (365)).
II. Haushaltsplan (Abs. 1)
Nach Art. 110 I sind alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen. Der Haushaltsplan, der nach Art. 110 II 1 durch das Haushaltsgesetz (Rn. 8) festgestellt wird, ist ein Wirtschaftsplan und zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform (BVerfGE 79, 311 (328 f.); 130, 318 (343)). Zeitlich begrenzt (Rn. 8) und ausgabenbezogen enthält er ein Regierungsprogramm in Gesetzesform und spiegelt die Regierungspolitik in Zahlen wider (BVerfGE 79, 311 (329)). Der Haushaltsplan setzt sich aus den Einzelplänen und dem Gesamtplan zusammen (§ 13 I BHO). Die Einzelpläne (§ 13 II BHO) enthalten die Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen, die auf einen einzelnen Verwaltungszweig oder bestimmte Gruppen bezogen sind, und werden in Kapitel und Titel eingeteilt (Sachs/Siekmann Art. 110 Rn. 32). Der Gesamtplan (§ 13 IV BHO) enthält eine Haushaltsübersicht, dh eine Zusammenfassung der Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen der Einzelpläne, eine Berechnung der nach dem G 115 zulässigen Kreditaufnahme, die Finanzierungsübersicht, dh die Berechnung des Finanzierungssaldos, sowie einen Kreditfinanzierungsplan.
Die Vorgabe des Art. 110 I, alle Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan einzustellen (Grundsatz der Vollständigkeit), ist eine Kernbestimmung des Haushaltsverfassungsrechts (BVerfGE 79, 311 (329)). In ihn eingeschlossen ist der Grundsatz der Wahrheit, dh der Schätzgenauigkeit (BVerfGE 119, 96 (119, 129)). Der Grundsatz der Vollständigkeit zielt darauf ab, der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung das gesamte staatliche Finanzvolumen zu unterstellen (BVerfGE 119, 96 (118 f.); 110, 370 (388)). Damit ist das Budgetrecht ein zentrales Element der demokratischen Willensbildung (BVerfGE 129, 124 (177); 132, 195 (239)). Es gewährleistet, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält (BVerfGE 82, 159 (179)). Damit ist die Haushaltsbewilligung eines der wesentlichsten Instrumente parlamentarischer Regierungskontrolle und aktualisiert darüber hinaus den fundamentalen Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten (BVerfGE 55, 274 (302); 129, 124 (177)). Dies gebietet, das Aufkommen aus Sonderabgaben in den Haushaltsplan einzustellen (BVerfGE 101, 141 (145); → Vor Art. 104a Rn. 15). Strikt unzulässig sind schwarze Kassen (BeckOK GG/Reimer Art. 110 Rn. 25).
Einnahmen sind sämtliche im Rechnungsjahr objektiv zu erwartenden Deckungsmittel ohne Rücksicht auf ihre Art oder Herkunft. Neben Steuern und anderen Abgaben zählen hierzu auch einmalige Einnahmen, etwa aus Verkäufen, sowie Einnahmen aus Krediten (BVerfGE 119, 96 (119); MKS/Hillgruber Art. 110 Rn. 15). Nicht einzubeziehen sind Kassenkredite, die nur der Zwischenfinanzierung dienen, ebenso nicht durchlaufende Mittel (BVerfGE 4, 7 (14, 26)). Ausgaben sind die Geldzahlungen, die der Bund im Rechnungsjahr voraussichtlich leisten wird, bspw. Personalkosten, sachliche Verwaltungsausgaben, Investitionen oder Ausgaben zur Schuldentilgung (MKS/Hillgruber Art. 110 Rn. 16). Nicht zwingend aufzunehmen sind Verpflichtungsermächtigungen (§ 6 BHO; s. MKS/Hillgruber Art. 110 Rn. 32; str.). In der Praxis sind Ausgaben im Haushaltsplan häufig mit Sperrvermerken versehen (§ 22 BHO), die eine Inanspruchnahme der Ausgaben von einer vorherigen Genehmigung des BTags, des Haushaltsausschusses oder auch des Bundesministers für Finanzen abhängig machen. Verfassungsrechtliche Einwände sind hiergegen im Ergebnis nicht zu erheben (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 110 Rn. 8; v. Münch/Kunig/Heintzen vor Art. 110 Rn. 11 ff. mwN; LVerfG MV NordÖR 2020, 221 (228)).
Eine verfassungsrechtliche Konkretisierung des Vollständigkeitsprinzips, alle Einnahmen und Ausgaben zu veranschlagen, ist das Bruttoprinzip, wonach Einnahmen und Ausgaben nicht saldiert, sondern generell getrennt aufzuführen sind. Abweichungen hiervon sind aber in begründeten Ausnahmefällen zulässig, sofern die Funktion des Haushaltsgesetzes nicht beeinträchtigt wird (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 110 Rn. 4); unzulässig ist hingegen eine generelle Nettoveranschlagung der Kreditaufnahme (Sachs/Siekmann Art. 110 Rn. 50). Bei Bundesbetrieben und Sondervermögen brauchen gem. Art. 110 I 1 Hs. 2 dagegen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen eingestellt zu werden. Dies ist sachlich gerechtfertigt, weil sich ein Sondervermögen einer einzelnen Aufgabe widmen muss (LVerfG MV NordÖR 2020, 221 (228)). Zulässig ist aber auch eine volle Etatisierung (DHS/Kube Art. 110 Rn. 99). Dies kann sogar verfassungsrechtlich geboten sein, wenn die Zweckbestimmung eines Sondervermögens nicht hinreichend präzise ist (LVerfG MV NordÖR 2020, 221 (228)). Um Art. 110 I nicht leerlaufen zu lassen, ist ein Ausweichen in rechtlich selbstständige Personen bzw. in Sondervermögen nur unter einschränkenden Voraussetzungen möglich (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 110 Rn. 14 f.; aA MKS/Hillgruber Art. 110 Rn. 23 ff.). Es bedarf eines hinreichend gewichtigen sachlichen Grundes. Außerdem unterliegt die Absonderung dem Vorbehalt des formellen Gesetzes. Je intensiver das Budgetrecht beeinträchtigt wird, desto höhere Anforderungen sind zu erfüllen (StGH Hess NVwZ 2022, 147). Da die Kreditaufnahme durch ein Sondervermögen in die Schuldenbremse einbezogen ist, hat sich die Thematik aber tendenziell entschärft (DHS/Kube Art. 110 Rn. 107).
Nach dem Grundsatz der Spezialität sind Einnahmen und Ausgaben unter ausreichend spezifizierter Angabe des Zwecks aufzuführen (Dreier/Heun Art. 110 Rn. 24). Ausnahmen sind unter zwingenden Gründen möglich und vom BT zu prüfen (BVerfGE 70, 324 (358)). Leertitel sind unzulässig (VerfGH NRW NVwZ 1992, 470 (471)).
Nach Art. 110 I 2 sind im Haushaltsplan Einnahmen und Ausgaben auszugleichen (Grundsatz des Haushaltsausgleichs). Damit darf der Haushaltsplan nicht mehr Ausgaben vorsehen, als Einnahmen voraussichtlich zu erwarten sind. Auf einen materiell ausgeglichenen Haushalt kommt es hingegen nicht an; zu den Einnahmen zählen also auch Kredite (BVerfGE 119, 96 (119)). Deren Begrenzung ist Regelungsgegenstand des Art. 115 II (Art. 115 Rn. 1). Gem. Art. 109 II hat die Haushaltsplanung dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht Rechnung zu tragen.
III. Feststellung durch das Haushaltsgesetz (Abs. 2)
Feststellung des Haushaltsplanes durch das Haushaltsgesetz iSd Art. 110 II bedeutet die Annahme des Haushaltsplanes, dh Haushaltsgesetz und Haushaltsplan bilden eine Einheit (BVerfGE 38, 121 (126)), obwohl über beide getrennt abgestimmt wird. In der Praxis wird der Haushaltsplan für ein Rechnungsjahr festgestellt, kann nach Abs. 2 S. 1 aber auch für mehrere Rechnungsjahre, dann aber getrennt nach Jahren, festgestellt werden (Grundsatz der Jährlichkeit). Der Grundsatz sichert das Budgetrecht des Parlaments, weil das Budget bei längeren Haushaltsperioden seine Aussagekraft und Verbindlichkeit verlöre (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1899)). In einem engen funktionalen Zusammenhang mit ihm steht das Prinzip der Jährigkeit des Haushaltsvollzugs. Danach dürfen Ermächtigungen nur zu im Haushaltsplan gezeichneten Zwecken und Leistungen, soweit und solange sie fortdauern, und nur bis zum Ende des Haushaltsjahres geleistet oder in Anspruch genommen werden. Anschließend verfallen sie ersatzlos, soweit nichts anderes bestimmt ist (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1899)). Als Durchbrechungen sind Ausgabenreste (§ 27 I 2, II-IV HGrG, § 45 I 2, II-V BHO) sowie die vorläufige Fortgeltung von Kreditermächtigungen (Art. 110 IV 2, § 18 III BHO) anerkannt (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1900)). Nach dem Fälligkeitsgrundsatz dürfen nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben veranschlagt werden, die im Haushaltsjahr voraussichtlich kassenwirksam werden (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1900)). Diese drei Grundsätze gelten grundsätzlich auch für die sich aus Art. 109 III (iVm Art. 115) ergebenden Vorgaben zur Kreditaufnahme (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1894)). Dabei existiert für notlagenbedingte Kreditermächtigungen keine normierte Ausnahme von den Grundsätzen der Jährigkeit und Jährlichkeit (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1901)). Ebenso wenig können diese Grundsätze durch juristisch unselbstständiges Sondervermögen (Nebenhaushalte) außer Kraft gesetzt werden (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1901)). Die Einhaltung der Grundsätze unterliegt auch in Fällen der Art. 109 III 2, 115 II 6 und auch im Falle des Einsatzes von Sondervermögen einer strikten verfassungsrechtlichen Kontrolle (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1902)). Nur geringe praktische Bedeutung hat die in Abs. 2 S. 2 offen gehaltene Möglichkeit einer unterschiedlichen zeitlichen Geltung der Teile des Haushaltsplanes (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 110 Rn. 6). Der Deutsche BT darf seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure übertragen. Insbes. darf er sich keinen finanzwirksamen Mechanismen ausliefern, die zu nicht überschaubaren haushaltsbedeutsamen Belastungen ohne vorherige konstitutive Zustimmung führen können (BVerfGE 129, 124 (179)). Allerdings hat sich das BVerfG bei der Feststellung einer verbotenen Entäußerung der Haushaltsautonomie im Hinblick auf den Umfang von Gewährleistungsübernahmen auf evidente Verletzungen zu beschränken und den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich des Eintrittsrisikos von Gewährleistungen zu respektieren (BVerfGE 129, 124 (182)).
Um den Vorrang des Haushaltsgesetzgebers gegenüber der Exekutive zu wahren (BVerfGE 66, 26 (38)), ist das Haushaltsgesetz zur Sicherstellung der Budgethoheit des Parlaments (BVerfGE 119, 96 (120); NVwZ 2023, 1892 (1904 f.).) nach Abs. 2 S. 1 vor Beginn des ersten Rechnungsjahres festzustellen (Grundsatz der Vorherigkeit). Daraus leitet sich die verfassungsrechtliche Verpflichtung aller am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ab, den Haushaltsplan vor Ablauf des vorherigen Rechnungsjahres zu verabschieden, was insbes. die BReg betrifft, der für das Haushaltsgesetz ein Initiativmonopol zukommt (Rn. 12; BVerfGE 119, 96 (120)). Wird die zeitliche Vorgabe des Abs. 2 S. 1 missachtet, führt dies im Umkehrschluss zu Art. 111 aber nicht zur Unwirksamkeit des Haushaltgesetzes (BVerfGE 119, 96 (121); v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 110 Rn. 7). Sofern sich Haushaltsansätze als zu eng erweisen oder Ausgaben überhaupt nicht berücksichtigt wurden, bedarf es eines Nachtrags- oder Ergänzungshaushalts (BVerfGE 45, 1 (34)). Für den Nachtragshaushalt (§ 33 BHO), der ein bereits beschlossenes Haushaltsgesetz korrigiert, gilt die verkürzte Frist des Abs. 3 Hs. 2 Alt. 2 (Rn. 12). Das Gebot der Vorherigkeit gilt auch für einen Nachtragshaushalt (offen noch BVerfGE 119, 96 (122 f.)) und wird dann zu einem Verfassungsgebot rechtzeitiger, nicht willkürlich verzögerter Korrektur oder Anpassung ursprünglich oder nachträglich realitätsfremder Haushaltsansätze (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1904 f., 1906)). Dessen Missachtung verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Organtreue (BVerfGE 119, 96 (122 f.)), sondern schlägt auch auf die Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushaltes durch (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1906)). Das Anliegen, möglichst nur einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, begründet ein legitimes arbeitsökonomisches Interesse der BReg (BVerfGE 119, 96 (125)). Mit Ablauf des Haushaltsjahres ist der Haushaltsvollzug abgeschlossen, ein erst im Folgejahr beschlossener Nachtragshaushalt ist deshalb unzulässig (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1905)). Eine dem Art. 111 entsprechende Vorschrift existiert nicht (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1905)). Vom Nachtragshaushalt sind Ergänzungen zum Entwurf des Haushaltsplanes nach § 32 BHO zu unterscheiden. Auch für Ergänzungsvorlagen gilt Abs. 3 Hs. 2 Alt. 2 (Rn. 12).
Rechtswirkungen entfaltet das Haushaltsgesetz nur im organschaftlichen Rechtskreis von Parlament und Regierung (BVerfGE 20, 56 (91)). Das Haushaltsgesetz enthält neben der Feststellung zugleich die Bewilligung der im Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel, dh die Ermächtigung, diese für die im Haushaltsplan festgelegten Zwecke auszugeben (BVerfGE 20, 56 (90)). Dabei ist die Exekutive an die angegebenen Zwecke gebunden und darf bei der Ausgabe die Haushaltsansätze nicht überschreiten (BVerfGE 45, 1 (34)). In umgekehrter Richtung lässt sich aus dem Haushaltsplan aber keine Verpflichtung ableiten, die vorgesehenen Ausgaben tatsächlich auch zu leisten (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 110 Rn. 34 f.; § 3 I HGrG, § 3 I BHO).
Das Haushaltsgesetz ist ein förmliches Bundesgesetz (BVerfGE 129, 356 (367)). Grds. kommt ihm keine Außenwirkung zu, was es etwa ausschließt, aus ihm unmittelbar Ansprüche auf Gewährung einer Subvention abzuleiten (BVerfGE 38, 121 (126); s. auch § 3 II HGrG, § 3 II BHO). Ebenso wenig steht umgekehrt eine materiellrechtliche Rechtsposition unter dem Vorbehalt eines entspr. Haushaltsansatzes (BAGE 46, 394 (400 f.)). Eine mittelbare Relevanz erlangt das Haushaltsgesetz aber doch insoweit, als es iVm Vergaberichtlinien eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage für Subventionen bieten kann (BVerfGE 41, 291 (304); BVerwGE 58, 45 (48)). Die parlamentarische Entscheidung über die Verwendung des Steueraufkommens erfolgt im Rahmen der Budgetverantwortung des Parlaments losgelöst von der Beteiligung der einzelnen Steuerzahler. Diesen wird durch das Haushaltsgesetz daher kein eigenständiges Verhalten abverlangt, das, etwa unter dem Aspekt der Gewissensfreiheit (Art. 4 Rn. 20 f.), zu einer unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit führen könnte (BVerfG [K] BeckRS 2012, 55227). An die Stelle einer ex-tunc-Nichtigkeit eines verfassungswidrigen Haushaltsgesetzes kann prinzipiell auch eine bloße Unvereinbarkeitserklärung treten (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1905)). Dies wird angenommen, sofern eine Rückabwicklung nicht mehr möglich ist (DHS/Kube Art. 110 Rn. 189). Keine Veranlassung hierzu sah das BVerfG im Fall der Verfassungswidrigkeit des zweiten Nachtragshaushaltes 2021 (BVerfG NVwZ 2023, 1892 (1905)).
IV. Verfahren der Haushaltsgesetzgebung (Abs. 3)
Abs. 3 enthält für die Haushaltsgesetzgebung eine Reihe von Sondervorschriften. So steht das Recht der Gesetzesinitiative nach Abs. 3 Hs. 1 allein der BReg zu (BVerfGE 45, 1 (46)). Gleiches gilt für Nachtragsvorlagen (BVerfGE 70, 324 (357)) sowie für Ergänzungsvorlagen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 110 Rn. 11). In Abweichung von Art. 76 II ist der Entwurf des Haushaltsgesetzes zur Beschleunigung des Verfahrens gleichzeitig dem BR und dem BT zuzuleiten (Abs. 3 Hs. 1). Die Frist für die Stellungnahme des BRats verkürzt sich beim Haushaltsgesetz im Gegensatz zu Art. 76 II auf sechs Wochen, bei Änderungsvorlagen, dh Ergänzungs- oder Nachtragsvorlagen (Rn. 9), auf drei Wochen (Abs. 3 Hs. 2 Alt. 2).
Über das Haushaltsgesetz ist öffentlich zu beraten; aus zwingenden Gründen des Geheimnisschutzes kann aber eine geheime Beratung in gesonderten Gremien zulässig sein (BVerfGE 70, 324 (358 f.)). Sofern es nach Maßgabe des Abs. 4 (Rn. 15) nicht einzelne zustimmungsbedürftige Regelungen enthält, bedarf das Haushaltsgesetz als bloßes Einspruchsgesetz nicht der Zustimmung des BRats (v. Münch/Kunig/Heintzen Art. 110 Rn. 44).
Das Haushaltsgesetz ist zu verkünden. Dabei gestattet es Art. 82, die Verkündung auf den Gesamtplan zu begrenzen (§ 1 S. 2 BHO), um so das Verkündigungsblatt zu entlasten. Gleichwohl kommt auch den Einzelplänen Gesetzeskraft zu (BVerfGE 20, 56 (93)).
V. Bepackungsverbot (Abs. 4)
Abs. 4 S. 1 schränkt den Inhalt des Haushaltsgesetzes in zwei Richtungen ein: Nach dem sachlichen Bepackungsverbot darf es nur Vorschriften enthalten, die sich auf Einnahmen und Ausgaben des Bundes beziehen; nach dem zeitlichen Bepackungsverbot muss es sich auf den Zeitraum beschränken, für den der Haushalt beschlossen ist (Sachs/Siekmann Art. 110 Rn. 87). Das Bepackungsverbot dient der Normenklarheit und der Verfahrensbeschleunigung und schützt gleichermaßen das Parlament und die Öffentlichkeit (VerfG MV LKV 2006, 26 (29)). Abs. 4 S. 2 sieht Ausnahmen vor, um einen kontinuierlichen Übergang zum nächsten Haushaltsgesetz zu ermöglichen (HW/Kienemund Art. 110 Rn. 8). Die Aufnahme materieller Vorschriften in das Haushaltsgesetz widerspricht dem Bepackungsverbot und seiner Rechtsnatur als Organgesetz (Sachs/Siekmann Art. 110 Rn. 88; BVerfGE 38, 121 (125)). Rechtsfolge einer Verletzung des Bepackungsverbotes ist die Nichtigkeit (VerfG MV LKV 2006, 26 (29 f.))