Artikel 135 [Vermögen bei Änderung des Gebietsstandes]
(1) Hat sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten dieses Grundgesetzes die Landeszugehörigkeit eines Gebietes geändert, so steht in diesem Gebiete das Vermögen des Landes, dem das Gebiet angehört hat, dem Lande zu, dem es jetzt angehört.
(2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder und nicht mehr bestehender anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes geht, soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, oder nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung überwiegend Verwaltungsaufgaben dient, auf das Land oder die Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechtes über, die nunmehr diese Aufgaben erfüllen.
(3) Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht einschließlich des Zubehörs, soweit es nicht bereits zu Vermögen im Sinne des Absatzes 1 gehört, auf das Land über, in dessen Gebiet es belegen ist.
(4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besondere Interesse eines Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelung getroffen werden.
(5) Im übrigen wird die Rechtsnachfolge und die Auseinandersetzung, soweit sie nicht bis zum 1. Januar 1952 durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Ländern oder Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes erfolgt, durch Bundesgesetz geregelt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(6) 1 Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechtes gehen auf den Bund über. 2 Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das auch Abweichendes bestimmen kann.
(7) Soweit über Vermögen, das einem Lande oder einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechtes nach den Absätzen 1 bis 3 zufallen würde, von dem danach Berechtigten durch ein Landesgesetz, auf Grund eines Landesgesetzes oder in anderer Weise bei Inkrafttreten des Grundgesetzes verfügt worden war, gilt der Vermögensübergang als vor der Verfügung erfolgt.
Regelungsgegenstand der Übergangsvorschrift des Art. 135 ist die Vermögensnachfolge bei Auflösung (Braunschweig, Lippe, Lippe-Schaumburg, Oldenburg, Preußen) oder Gebietsänderung (Bremerhaven, Pfalz) eines Landes oder anderer nicht mehr bestehender Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zwischen dem 8.5.1945 und dem Inkrafttreten des GG am 24.5.1949 (BVerfGE 95, 250 (263 f.)). Um für Neugliederungen nach Art. 29, 118, 118a Gestaltungsspielräume offenzuhalten, ist die Vorschrift für spätere Gebietsveränderungen nicht anwendbar (DHS/Schwarz Art. 135 Rn. 5; Dreier/Wollenschläger Art. 135 Rn. 1) und gilt insbes. nicht im Beitrittsgebiet (BVerfGE 95, 250 (263 f.); BeckOK GG/Barczak Art. 135 Rn. 7).
Die Norm enthält in Abs. 1–3, 6 Verteilungsregelungen, die an unterschiedliche Vermögensarten anknüpfen, und in Abs. 4, 5 Regelungsermächtigungen für den Bundesgesetzgeber, die seine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz begründen. Für die Verbindlichkeiten wird Art. 135 V durch Art. 135a konkretisiert (Art. 135a Rn. 1). Bei den Verteilungsregeln kommt im Fall der Normkonkurrenz Abs. 2 Vorrang vor Abs. 1 und Abs. 6 Vorrang vor Abs. 2 zu (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 135 Rn. 2).
(1) Art. 135 I geht vom Grundsatz der Gebietsnachfolge aus, was wegen des vorrangigen Abs. 2 aber letztlich nur für Finanzvermögen gilt. Finanzvermögen dient der Verwaltung lediglich mittelbar durch seinen Kapitalwert und seine Erträge. Gegenbegriff ist der des Verwaltungsvermögens, das unmittelbar den Zwecken der Verwaltung dient (BVerfGE 10, 20 (37)). (2) Art. 135 II, der Abs. 1 vorgeht, bezieht sich auf das Verwaltungsvermögen aufgelöster Länder und anderer öffentlich-rechtlicher Rechtsträger. Die Vorschrift folgt dem Grundsatz der Funktionsnachfolge und ordnet den Vermögensübergang auf den neuen Funktionsträger an. (3) Art. 135 III gilt für das Grundvermögen aufgelöster Länder, das nicht nach Abs. 1 verteilt werden kann, und weist derartige Vermögensexklaven nunmehr dem neuen Belegenheitsland zu. (4) Bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 135 IV beschränkt sich das BVerfG auf eine Missbrauchskontrolle (BVerfGE 10, 20 (40)). Wichtiger Anwendungsfall ist das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz“ v. 25.7.1957 (BGBl. I 841). (5) Art. 135 V ist zur Vermögensverteilung nach Abs. 1–4 subsidiär und setzt zudem voraus, dass zwischen den beteiligten Rechtsträgern keine Einigung erzielt wurde. Auf seiner Grundlage ist u. a. das Rechtsträgerabwicklungsgesetz v. 6.9.1965 (BGBl. I 1065) erlassen worden. (6) Von der Regelungskompetenz des Art. 135 VI 2 hat der Gesetzgeber im Reichsvermögensgesetz Gebrauch gemacht (Gesetz v. 16.5.1961, BGBl. I 597). (7) In Art. 135 VII legitimiert das GG Verfügungen der nach Abs. 1–3 berechtigten Rechtsträger, die bereits vor Inkrafttreten des GG erfolgt sind.