Artikel 87c [Bestimmungen über Erzeugung und Nutzung der Kernenergie]
Gesetze, die auf Grund des Artikels 73 Abs. 1 Nr. 14 ergehen, können mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt werden.
I. Allgemeines
Art. 87c regelt die Ausführung von Gesetzen, die auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 14 erlassen werden, also die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken betreffen. Da die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diesen Bereich durch die Föderalismusreform (BGBl. 2006 I 2034) von einer bis dahin konkurrierenden (Art. 74 I Nr. 11a aF) in eine ausschließliche Kompetenz des Bundes umgewandelt wurde, musste Art. 87c entspr. angepasst werden.
II. Fakultative Auftragsverwaltung der Länder
Art. 87c stellt eine anderweitige Regelung iSv Art. 83 Hs. 2 dar und ermöglicht dem Bundesgesetzgeber zu bestimmen, dass Gesetze, die auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 14 erlassen werden, im Wege der Auftragsverwaltung der Länder gem. Art. 85 ausgeführt werden. Art. 87c verleiht dem Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, eine fakultative Auftragsverwaltung der Länder anzuordnen (BeckOK GG/Remmert Art. 87c Rn. 3; aA Sachs/Windthorst Art. 87c Rn. 19: Kompetenz kraft Natur der Sache). Die bundesgesetzliche Anordnung, die gem. Art. 87c nur mit Zustimmung des BRats erfolgen darf, muss den Gesetzesvollzug nicht vollständig in die Auftragsverwaltung der Länder überführen, sondern kann dies auch nur für Teilbereiche vorsehen (Sachs/Windthorst Art. 87c Rn. 21; v. Münch/Kunig/Uerpmann-Wittzack Art. 87c Rn. 5; Papier NVwZ 2010, 1113 (1116)).
Art. 87c betrifft die Ausführung von Bundesgesetzen auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 14, findet aber ebenso Anwendung auf die Ausführung von RVOen des Bundes, zu deren Erlass ein Gesetz auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 14 ermächtigt (Dreier/Hermes Art. 87c Rn. 7; MKS/Horn Art. 87c Rn. 23; BeckOK GG/Remmert Art. 87c Rn. 1). Da Art. 73 I Nr. 14 dem Bund nur die Gesetzgebungskompetenz für die Erzeugung und Nutzung von Kernenergie zu friedlichen Zwecken einräumt, findet Art. 87c keine Anwendung auf die Ausführung von Gesetzen, die auf anderer Kompetenzgrundlage zB die Verwendung von Kernenergie zu militärischen Zwecken regeln (SHH/Krings Art. 87c Rn. 3; BeckOK GG/Remmert Art. 87c Rn. 2). Art. 87c ist entspr. anzuwenden auf die Ausführung von unmittelbar anwendbarem EU-Recht und Recht der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG), das die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken betrifft.
Der Gesetzgeber hat von der Möglichkeit des Art. 87c Gebrauch gemacht im Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (AtG) v. 23.12.1959 (neugefasst BGBl. 1985 I 1565; zul. geänd. BGBl. 2022 I 2153). § 24 I 1 AtG legt Teile des Gesetzesvollzugs in die Hände der Länder. Außerdem sieht § 184 II des Gesetzes zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung, das StrlSchG v. 27.6.2017 (BGBl. 2017 I 1966), eine Auftragsverwaltung der Länder vor. Die der Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken dienende Änderung des AtG (BGBl. 2010 I 1814) bedurfte nicht der Zustimmung des BRats, da es sich lediglich um eine quantitative Vermehrung, hier Verlängerung, der Aufgabenlast der Länder handelt. Zustimmungsbedürftig sind nur Regelungen, die den Aufgabenbestand der Länder vergrößern (vgl. zu Art. 87d II BVerfGE 126, 77 (103 f.); ebenso Scholz NVwZ 2010, 1385 (1388 ff.); Schwarz JZ 2010, 1118 (1121 f.); Ruttloff/Moench DVBl 2010, 865 (869); Kotulla/Kilic NVwZ 2010, 1449 (1450); aA Papier NVwZ 2010, 1113 (1116 f.)).
III. Verhältnis zu Art. 87 III
Teilbereiche des Kernenergierechts auf der Grundlage von Art. 73 I Nr. 14 werden gem. Art. 87 III 1 Var. 1 im Wege bundeseigener Verwaltung durch eine selbständige Bundesoberbehörde (Art. 87 Rn. 16), das Bundesamt für Strahlenschutz, ausgeführt. Dies wirft die Frage nach dem Verhältnis von Art. 87c zu Art. 87 III auf. Zutreffend ist davon auszugehen, dass Art. 87c lex specialis zu Art. 87 III 2 ist, dem Bund die Möglichkeit zur Errichtung eigener Mittel- und Unterbehörden daher nicht offensteht (Sachs/Windthorst Art. 87c Rn. 31; BK/Gundel Art. 87c Rn. 29 f.; aA MKS/Horn Art. 87c Rn. 56; Friauf/Höfling/Durner Art. 87c Rn. 31). Art. 87 III 1, der den Bund zur Errichtung von selbständigen Oberbehörden ermächtigt, ist hingegen neben Art. 87c anwendbar (BVerfGE 104, 238 (247); Sachs/Windthorst Art. 87c Rn. 32; aA Burgi NVwZ 2005, 247; Dreier/Hermes Art. 87c Rn. 20).