Zur Startseite navigieren

Artikel 7 [Schulwesen]

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) 1 Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. 2 Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. 3 Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) 1 Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. 2 Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. 3 Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. 4 Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

I. Überblick über die Regelungsgehalte des Art. 7

Der jedenfalls in systematischer Hinsicht unübersichtliche Art. 7 enthält verschiedene, in sich nicht geschlossene (BVerfGE 26, 228 (238)) Regelungen für den Bereich des Schulrechts, und zwar in Gestalt von Einrichtungsgarantien, Grundrechtsnormen, Auslegungsregeln sowie organisationsrechtlichen Vorschriften (vgl. BVerfGE 6, 309 (355)). Die Regelungen in Art. 7 I und VI sind organisationsrechtliche Bestimmungen, die zugleich Grundrechtsschranken darstellen. Grundrechtliche Gewährleistungen finden sich in Art. 7 II, III 1 und 2, III 3 sowie IV und V. Gleichzeitig enthält Art. 7 IV 1 eine Einrichtungsgarantie.

II. Schulbegriff

Schulen iSd Art. 7 sind nach tradierter Auffassung auf gewisse Dauer berechnete, unabhängig vom Wechsel der Lehrer oder Schüler bestehende Einrichtungen mit einem zusammenhängenden, allgemein- oder berufsbildenden Unterrichtsprogramm (krit. zum überkommenen Schulbegriff MKS/Robbers Art. 7 Rn. 52; Dreier/Brosius-Gersdorf Art. 7 Rn. 34). Es kommt weder auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Schulpflicht noch auf das Lebensalter der Schüler an (BVerfGE 75, 40 (77)). Diesem Schulbegriff unterfallen daher etwa auch berufsbildende Ausbildungsstätten, bei denen der Anteil allgemeinbildender Fächer zurücktritt (BVerwG NVwZ 1987, 680). Nicht erfasst sind hingegen zB Volkshochschulen, Fahrschulen, Tanzschulen, Kindergärten oder bloße Kurse, Lehrgänge oder ähnliche Lehrveranstaltungen (vgl. BVerfGE 75, 40 (77)), ebensowenig „Koranschulen“ (Sachs/Thiel Art. 7 Rn. 8). Für Hochschulen gilt nicht Art. 7 I, sondern Art. 5 III (BVerfGE 37, 314 (320)).

III. Staatliche Schulaufsicht

Art. 7 I weist dem Staat die Aufsicht über das gesamte staatliche wie nichtstaatliche (BVerfGE 27, 195 (201)) Schulwesen zu einschließlich der Befugnis „zur zentralen Ordnung und Organisation des Schulwesens mit dem Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet“ (BVerfGE 26, 228 (238)) und „ihnen so eine möglichst ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit und damit ihrer Anlagen und Befähigungen ermöglicht“ (BVerfGE 159, 355 (427)). Aus Art. 7 I resultiert somit auch ein Verfassungsauftrag an den Staat, die Schulaufsicht auszuüben und für ein leistungsfähiges Schulwesen zu sorgen (Jarass/Pieroth/Pieroth Art. 7 Rn. 1; Sachs/Thiel Art. 7 Rn. 38). Die Befugnis des Staates erstreckt sich etwa auf die Einrichtung und organisatorische Gliederung von Schulen, die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und der Unterrichtsziele, die Aufnahme (vgl. BVerfG [K] NJW 2013, 2813 f.), Versetzung und Verweisung von Schülern, die Auswahl des Lehrmaterials, die Regelung des laufenden Schulbetriebs etc (vgl. BVerfGE 47, 46 (71 f.); MKS/Robbers Art. 7 Rn. 70 ff.). Aus Art. 2 I iVm Art. 7 I folgt daher ein grds. Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf die Unterstützung und Förderung ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit auch in der Gemeinschaft durch schulische Bildung (BVerfGE 159, 355 (382)). Dieses Recht auf schulische Bildung ist das subjektiv-rechtliche „Gegenstück“ zur objektiv-rechtlichen Pflicht aus Art. 7 I, schulische Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen, die der Persönlichkeitsentwicklung dienen (Stern/Sodan/Möstl/Leisner-Egensperger § 104 Rn. 56). Auch die allgemeine Schulpflicht bzw. deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit beruhen auf dem sich aus Art. 7 I ergebenden Erziehungsauftrag des Staates (BVerwGE 94, 82 (84); DHS/Badura Art. 7 Rn. 54). Der Staat ist mithin befugt, die Schulpflicht mit Mitteln des Strafrechts durchzusetzen. Da der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 1 nicht abschließend Gebrauch gemacht hat, können die Länder die Sanktionierung von Schulpflichtverletzungen regeln (BVerfG [K] NJW 2015, 44 (45 f.)). Wegen des dem Staat bei der Wahrnehmung seines Auftrags zur Gestaltung von Schulen nach Art. 7 I zustehenden weiten Spielraums und des insoweit geltenden „Vorbehalt[s] des Möglichen“ kommt ein mit der Schulpflicht und den an sie anknüpfenden Regelungen korrespondierender Anspruch auf ein ganz bestimmtes Schulangebot hingegen nicht in Betracht (BVerfGE 159, 355 (384)). Die durch die mit dem Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 22.4.2021 (sog. Bundesnotbremse ) zeitweise eingeführten Verbote von Präsenzunterricht und entsprechende Schulschließungen erfolgte „schwerwiegende“ Beeinträchtigung des Rechts auf schulische Bildung soll dem BVerfG zufolge angesichts ihrer Erforderlichkeit im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung vor infektionsbedingten Gefahren für Leib und Leben sowie die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems und aufgrund ihrer diesbezüglichen Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne insgesamt verfassungsrechtlich gerechtfertigt gewesen sein (BVerfGE 159, 355 (409 ff., 412 ff.) – „Bundesnotbremse II“; s. zu einem Überblick über die Rspr. des BVerfG zur sog. Bundesnotbremse Stern/Sodan/Möstl/Sodan § 87 Rn. 78 f.).

Aus Art. 7 I können sich vor allem Schranken für andere Grundrechte ergeben, etwa für die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I) oder die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 I und II) von Schülern oder Lehrern sowie insbes. für das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 II und III (vgl. etwa BVerfG [K] NJW 2008, 72 (73) – „Ethikunterricht“; zum Ethikunterricht ebenfalls EGMR NVwZ 2010, 1353 ff. sowie BVerfG [K] NJW 2018, 728 (730); s. ferner BVerfG [K] NJW 2009, 3151 (3152) – Pflicht zur Teilnahme an einem Schul-Theaterprojekt „Mein Körper gehört mir“; BVerwGE 147, 362 ff. – Pflicht zur Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht; BVerwG NVwZ 2014, 237 ff. – Pflicht zur Teilnahme an einer schulischen Filmvorführung;. BVerfGE 108, 282 (302 f.); 138, 296 (338) – pauschales Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen; s. hierzu generell Uhle NVwZ 2014, 541 ff.). Das Elternrecht (näher Art. 6 Rn. 14 ff.) trifft für den Bereich der Schule auf den Erziehungsauftrag des Staates, der dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet ist (BVerfGE 34, 165 (183); 52, 223 (236); BVerfG [K] NVwZ-RR 2016, 281 f.). Die Erziehung von Kindern ist danach, soweit sie Schulen besuchen, die gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule; der Gesetzgeber ist gehalten, elterliches und staatliches Erziehungsrecht sinnvoll und im Wege praktischer Konkordanz (Vor Art. 1 Rn. 53) aufeinander zu beziehen (vgl. BVerfGE 98, 218 (244 f.); vgl. auch BVerfG [K] NVwZ 2018, 156 (158)). Die aus Art. 7 I resultierenden Eingriffe müssen dabei auf formellgesetzlicher Grundlage beruhen und verhältnismäßig sein. Daher verletzte nach Auffassung des BVerfG auch die sog. Rechtschreibreform nicht das elterliche Erziehungsrecht; denn die Vermittlung der Rechtschreibung sei vornehmlich Aufgabe von Staat und Schule, und die hierbei verbleibende Unterstützungsfunktion der Eltern könnten diese angesichts der insgesamt geringen Anzahl von Neuregelungen weitgehend nach wie vor ausüben (BVerfGE 98, 218 (244 ff.), allerdings unter bedenklicher Aufweichung der Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt; dem BVerfG genügten als formellgesetzliche Grundlage allein die Regelungen der Landesschulgesetze, welche in allgemeiner Weise die schulischen Bildungsziele festlegen). Auch gibt das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 II grds. keinen Anspruch darauf, die Erfüllung der auf Art. 7 I beruhenden Schulpflicht durch einen staatlich beaufsichtigten häuslichen Unterricht zu ersetzen (BVerwG NVwZ 2010, 525 f.).

Der staatliche Erziehungsauftrag aus Art. 7 I ist unter Wahrung der aus Art. 4 I und II resultierenden Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität zu erfüllen; in welchem Umfang religiöse Bezüge in der Schule ihren Platz haben sollen oder dürfen, unterliegt den durch Art. 4 I und II gesteckten Grenzen (BVerfGE 108, 282 (299, 301); näher hierzu Art. 4 Rn. 11). Von dieser Neutralitätspflicht selbstverständlich ausgenommen ist indes die Vermittlung der elementaren, in der Ewigkeitsklausel des Art. 79 III niedergelegten Verfassungsprinzipien sowie der ihnen zugrunde liegenden Werte (etwa Humanität, Aufklärung, Toleranz, Friedlichkeit); bei ihnen handelt es sich nämlich nicht um Glaubens- oder Weltanschauungsfragen, sondern um die unverzichtbaren Fundamente für ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben, deren Beachtung von jedem einzufordern ist (s. auch Sachs/Thiel Art. 7 Rn. 28, der diese Prinzipien und Werte als „Verfassungsessenz“ bezeichnet).

Daher ist etwa die Einführung von Ethikunterricht verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Staat sich dabei auf die Vermittlung grdl. Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Darstellung auch von Werten unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen konzentriert und dabei seine Neutralitätspflicht in Weltanschauungs- und Glaubensfragen wahrt (vgl. BVerfG [K] NVwZ 2008, 72 (74 mwN)). Umgekehrt ist es grds. ebenso unbedenklich, wenn der Staat davon ausgeht, dass die ethisch-moralische Erziehung in ausreichendem Maße durch den Unterricht in den übrigen Schulfächern gewährleistet ist und deshalb auf die Einrichtung eines Ethikunterrichts verzichtet (BVerfG [K] NVwZ 2018, 728 (730)).

IV. Religionsunterricht

1. Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach

Art. 7 III 1 ist Ausdruck der Überlegung, dass einerseits die Schule den Schüler als Gesamtpersönlichkeit bildet und erzieht und daher religiöse Unterweisung nicht gänzlich außerschulisch erfolgen soll, andererseits aber der Staat aufgrund seiner religiösen und weltanschaulichen Neutralitätspflicht (Rn. 5) für die religiöse Erziehung nicht ohne weiteres prädestiniert ist. Daher erklärt Art. 7 III 1 den Religionsunterricht zwar zum ordentlichen Lehrfach, stellt also klar, dass die Erteilung des Religionsunterrichts staatliche Aufgabe und Angelegenheit sowie Gegenstand der staatlichen Schulaufsicht ist (BVerfGE 74, 244 (251)). Gleichzeitig aber verweist Art. 7 III 1 den Religionsunterricht insoweit in den Verantwortungsbereich der Kirchen, als er dessen inhaltliche Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften gebietet; der Religionsunterricht gehört daher zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche, bei denen die Verantwortungsbereiche beider Institutionen eng miteinander verknüpft sind (BVerfGE 74, 244 (251)). Ob man hierin eher eine Durchbrechung der grundsätzlichen Trennung von Kirche und Staat (vgl. Art. 140 GG iVm Art. 137 I WRV) sieht (so etwa Kingreen/Poscher Rn. 908) oder gerade einen konsequenten Ausdruck dieser Trennung (so bspw. MKS/Robbers Art. 7 Rn. 115), kann dahinstehen. Jedenfalls verpflichtet Art. 7 III den Staat zur Einrichtung bzw. Veranstaltung von Religionsunterricht innerhalb des staatlichen Schulwesens einschließlich der Kostentragung hierfür (s. näher MKS/Robbers Art. 7 Rn. 130 ff.). Diese Verpflichtung besteht jedoch nicht an bekenntnisfreien Schulen. Im Land Berlin und in der Freien Hansestadt Bremen findet Art. 7 III 1 gem. Art. 141 keine Anwendung.

Mit der Pflicht des Staates aus Art. 7 III 1 und 2 geht ein Anspruch der Religionsgemeinschaften auf Schaffung der organisatorischen und dienstlichen Voraussetzungen von Religionsunterricht innerhalb des staatlichen Schulwesens einher (BVerwGE 123, 49 (52 ff. und 73 ff.)); nach zutr. Auffassung besteht hingegen keine institutionelle Garantie des Religionsunterrichts (näher Korioth NVwZ 1997, 1041 (1044)). Zudem haben die Religionsgemeinschaften aus Art. 7 III 2 das Recht auf inhaltliche Übereinstimmung des Religionsunterrichts mit ihren Glaubensgrundsätzen. Dieses Übereinstimmungsgebot des Art. 7 III 2 verpflichtet den Staat dazu, den Religionsunterricht in „konfessioneller Positivität und Gebundenheit“ zu erteilen, wobei der Unterrichtsinhalt nicht auf eine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung beschränkt sein muss, sondern die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft zum Gegenstand haben darf (BVerfGE 74, 244 (252)). Dafür, wie dies zu geschehen hat, sind grds. die Vorstellungen der Kirchen über Inhalt und Ziel der Lehrveranstaltung maßgeblich (BVerfGE 74, 244 (252)). Beide aus Art. 7 III 1 und 2 resultierenden Ansprüche haben Grundrechtscharakter und sind (verfassungs)beschwerdefähig (vgl. MKS/Robbers Art. 7 Rn. 123 ff.). Ein Anspruch auf Einführung von Ethikunterricht ergibt sich weder aus Art. 7 III, 140 GG iVm Art. 137 VIII WRV noch aus dem elterlichen Erziehungsrecht (BVerfG [K] NVwZ 2018, 728 (730); BVerwG NVwZ 2014, 1163 ff.).

Der Begriff „Religionsgemeinschaften“ iSd Art. 7 III 2 ist gleichbedeutend mit dem der „Religionsgesellschaft“ in Art. 136 ff. WRV und umfasst Gruppen, die über ein Mindestmaß an dauerhafter Organisation und an festliegenden Glaubensinhalten mit einem gemeinsamen Bekenntnis nach außen verfügen (vgl. BVerwGE 123, 49 (55, 70)). Zudem müssen diese über eine Instanz mit tragfähigem Mandat verfügen, welche die Übereinstimmung der Unterrichtsinhalte mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft verbindlich feststellen kann, was etwa beim Islam zweifelhaft ist (s. MKS/Robbers Art. 7 Rn. 150, 154; Dreier/Brosius-Gersdorf Art. 7 Rn. 92). Hierfür kann auch ein Dachverband genügen, wenn dieser Aufgaben wahrnimmt, welche für die Identität der Religionsgemeinschaft wesentlich sind (BVerwGE 123, 49 (57 ff.)). Auf den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts kommt es nicht an (BVerwGE 123, 49 (70)). Indes ist in materieller Hinsicht vor allem die Verfassungstreue der betr. Gemeinschaft erforderlich: Genauso wie eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anstrebt, muss eine Religionsgemeinschaft, welche die Einführung von Religionsunterricht begehrt, Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 III umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährden wird (BVerwGE 123, 49 (73); vgl. BVerfGE 102, 370 (392); s. ferner zum islamischen Religionsunterricht speziell in Berlin, wo Art. 7 III 1 wegen Art. 141 nicht gilt, BVerwG NVwZ 2000, 922 ff.; OVG Bln NVwZ 1999, 786 ff.; VG Berlin NVwZ 2002, 1011 ff.; s. allg. zu islamischem Religionsunterricht neben BVerwGE 123, 49 ff. auch Korioth NVwZ 1997, 1041 ff.; Kreß ZRP 2010, 14 ff.; Kreß ZRP 2016, 115 ff.; Muckel JZ 2001, 58 ff.).

Art. 7 III 3 konkretisiert die Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 I und II) von Lehrern dahin gehend, dass diese unbeschadet ihrer öffentlichen Dienst- bzw. Beamtenstellung nicht gegen ihren Willen zur Erteilung von Religionsunterricht verpflichtet werden können und durch die Ablehnung, Religionsunterricht zu erteilen, keine Nachteile erleiden dürfen (vgl. Kingreen/Poscher Rn. 913).

2. Bestimmungsrecht der Eltern

Art. 7 II gibt den Erziehungsberechtigten in Konkretisierung des elterlichen Erziehungsrechts bzgl. religiöser und weltanschaulicher Fragen (Art. 6 II iVm Art. 4) die Befugnis, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Sobald das Kind indes „religionsmündig“ ist, darf es auf der Grundlage von Art. 4 selbst über seine Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden; insoweit findet das Bestimmungsrecht der Eltern aus Art. 7 II eine verfassungsimmanente Schranke (vgl. Vor Art. 1 Rn. 53) in der Glaubensfreiheit des Kindes. Ab wann ein Kind „religionsmündig“ ist und selbst über die Teilnahme am Religionsunterricht bestimmen darf, hat seine einfachgesetzliche Ausprägung in § 5 RelKiErzG gefunden (vgl. Vor Art. 1 Rn. 39).

Eine analoge Anwendung des Art. 7 II für den Ethikunterricht scheidet aus, da der Staat bei dessen Erteilung an seine Neutralitätspflicht in Weltanschauungs- und Glaubensfragen gebunden ist (vgl. BVerfG [K] NJW 2008, 72 (74); NVwZ 2018, 728 (720)) und es daher an einer vergleichbaren Interessenlage wie hinsichtlich des gerade nicht zwingendermaßen glaubensneutralen Religionsunterrichts fehlt (Dreier/Brosius-Gersdorf Art. 7 Rn. 84).

V. Privatschulfreiheit

1. Institutionelle Garantie und Freiheitsrecht

Art. 7 IV 1 enthält eine institutionelle Garantie zugunsten privater Schulen (BVerfGE 6, 309 (355); 75, 40 (61 f.)) und gewährleistet als Freiheitsrecht jedermann – allerdings vorbehaltlich staatlicher Genehmigung – deren freie Errichtung einschließlich der eigenverantwortlichen Ausgestaltung des Schulbetriebs (s. BVerfGE 27, 195 (200 f.); 75, 40 (61); BVerwGE 145, 333 (342)). Im Hinblick auf den Schulbetrieb ist das Recht geschützt, Prägung und Ausgestaltung des in der Privatschule erteilten Unterrichts – insbes. bezüglich der Erziehungsziele, der weltanschaulichen Basis, der Lehrmethode und der Lehrinhalte – eigenverantwortlich zu bestimmen sowie die Schüler so auszuwählen, dass ein den Vorstellungen des Privatschulträgers entspr. Unterricht durchgeführt werden kann (BVerfGE 112, 74 (83)). Die darin zum Ausdruck kommende Absage an ein staatliches Schulmonopol enthält eine mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung übereinstimmende Entscheidung gegen eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen gegenüber den entspr. staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte (BVerfGE 27, 195 (201); 34, 165 (197 f.); 75, 40 (62)). Das Grundrecht der Privatschulfreiheit bedeutet allerdings nicht, dass die Privatschule eine staatsfreie Schule ist. Vielmehr unterstehen auch die Privatschulen der staatlichen Schulaufsicht nach Art. 7 I, und das Grundgesetz bekennt sich mit verstärkten Garantien zu dem „System der begrenzten Unterrichtsfreiheit“ der Privatschulen (vgl. BVerfGE 27, 195 (201)).

2. Verfassungsunmittelbarer Genehmigungsvorbehalt für Ersatzschulen

Der freiheitsrechtliche Gehalt von Art. 7 IV 1 wird durch die Genehmigungsvorbehalte in Art. 7 IV 2–4 und V verfassungsunmittelbar beschränkt: Sofern private Schulen als Ersatz für vorhandene oder grds. vorgesehene öffentliche Schulen errichtet werden ( „Ersatzschulen“, s. BVerfGE 27, 195 (201 f.), zB Waldorfschulen, BVerfGE 90, 107 (121)), bedürfen sie nach Art. 7 IV 2 der staatlichen Genehmigung. Für deren Erteilung ist erforderlich, dass die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte genügend gesichert ist (Art. 7 IV 4) und die Ersatzschule im Hinblick auf Lehrziele, Einrichtungen und Ausbildung der Lehrkräfte nicht hinter öffentlichen Schulen zurücksteht (Art. 7 IV 3). Ob die Ersatzschule diesen Anforderungen genügt, darf durch die Schulaufsicht überprüft werden. Es ist „von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn am Ende eines 4. Schuljahres geprüft wird, ob die im […] Landesschulrecht für die Grundschule getroffenen Aussagen über die zu vermittelnde Qualifikation von einer als Ersatz für eine solche öffentliche Schule genehmigten Privatschule im Sinne eines Gesamtergebnisses tatsächlich erreicht worden sind oder nicht“ (BVerfG [K] NVwZ 2011, 1384 (1385)). Darüber hinaus darf eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert werden (sog. Sonderungsverbot nach Art. 7 IV 3; s. zur landesrechtlichen Umsetzung Wrase/Helbig NVwZ 2016, 1591 (1594 ff.); zu den zulässigen und unzulässigen Schulmodellen außerdem Brosius-Gersdorf NVwZ 2018, 761 (766 f.)).

Da die letztgenannte Voraussetzung regelmäßig dazu führt, dass private Ersatzschulen Schulgelder nicht in einer Höhe erheben dürfen, die im Hinblick auf den hohen Finanzierungsaufwand zur Erfüllung der anderen beiden Voraussetzungen kostendeckend wären, leitet das BVerfG aus Art. 7 IV und V eine grds. Schutz- und Förderpflicht der für die Schulgesetzgebung ausschließlich zuständigen Länder (vgl. Art. 7 IV 2 Hs. 2) zugunsten solcher Schulen ab (s. im Einzelnen BVerfGE 75, 40 (62 ff.); 90, 107 (115 ff.)). Die Förderpflicht besteht aber von vornherein nur unter dem Vorbehalt dessen, „was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann“ (BVerfGE 90, 107 (116)). Sofern ein finanzieller Ausgleich landesrechtlich vorgesehen ist, obliegt dem Landesgesetzgeber die Konkretisierung dieses subjektivrechtlichen Anspruchs (BWStGH NVwZ 2015, 1382 f.). Daher folgt aus Art. 7 IV auch kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, schon gar nicht in einer bestimmten Höhe; vielmehr bezieht sich der gerichtliche Rechtsschutz hinsichtlich der Förderpflicht nur auf eine gänzliche Untätigkeit, eine grobe Vernachlässigung oder einen ersatzlosen Abbau getroffener Maßnahmen (BVerfGE 90, 107 (117)). Auch darf der Staat seine Finanzhilfe von einer hinreichend soliden Existenzbasis der Ersatzschule abhängig machen, die der Gründung Aussicht auf dauerhaften Bestand verleiht (BVerfGE 90, 107 (117)). Ferner genießt die einzelne Ersatzschule keinen Bestandsschutz (BVerfGE 112, 74 (84)). Auch Wartefristen sind mit der staatlichen Schutz- und Förderpflicht vereinbar, wenn sie dem Zweck dienen, den Einsatz öffentlicher Mittel an einen Erfolgsnachweis zu binden, und sich nicht als Sperre für die Errichtung neuer Schulen auswirken (BVerfGE 90, 107 (117)). Nach neuerer Fortentwicklung der Rspr. zur Schutz- und Förderpflicht ist der Staat zudem nur dann zur finanziellen Förderung privater Ersatzschulen verpflichtet, wenn ohne eine solche Förderung der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (s. BVerfGE 112, 74 (83 ff.)). Landeskinderklauseln sind nach der Judikatur des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 112, 74 (87 ff.)).

3. Private Volksschulen

Private Volksschulen – dazu gehören jedenfalls private Grundschulen (s. BVerfGE 88, 40 (45 f.)), nach weit verbreiteter Ansicht aber auch (private) Hauptschulen (s. etwa MKS/Robbers Art. 7 Rn. 227) – sind nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 7 V zuzulassen, also bei Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung (grdl. hierzu BVerfGE 88, 40 (50 ff.)) oder auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als (konfessionsübergreifende) Gemeinschaftsschulen, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen errichtet werden sollen und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht (BVerfG [K] NVwZ 2018, 156 (157)). Soweit es sich bei Volksschulen zugleich um Ersatzschulen handelt, müssen zusätzlich die Genehmigungsanforderungen des Art. 7 IV 3 und 4 gewahrt sein (BVerfGE 88, 40 (47)).

4. Ergänzungsschulen

Die Errichtung von „Ergänzungsschulen“ unterliegt nicht dem Genehmigungsvorbehalt des Art. 7 IV 2–4 und V. Ergänzungsschulen sind (private) Schulen, „für die vergleichbare öffentliche Schulen in der Regel nicht bestehen und in denen der Schulpflicht nicht genügt werden kann“ (BVerfGE 27, 195 (202)). Angesichts des relativ engen Schulbegriffs zählen hierzu primär die berufsbildenden Schulen.

VI. Aufhebung von Vorschulen

Mit den – von Verfassungs wegen verbotenen – „Vorschulen“ sind nicht Kindergärten oder schulische Einrichtungen für Kinder im Vorschulalter gemeint, sondern Sondereinrichtungen für den Elementarunterricht solcher Kinder, welche später höhere Lehranstalten besuchen sollten (s. Anschütz, 676), sofern diese Einrichtungen wegen der Erhebung eines entspr. Schulgeldes „Standesschulen mit […] elitärem Anspruch“ (BVerfGE 88, 40 (55)) darstellten.