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Artikel 60 [Ernennungs-, Entlassungs-, Begnadigungsrecht; Immunität]

(1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter, die Bundesbeamten, die Offiziere und Unteroffiziere, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(2) Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus.

(3) Er kann diese Befugnisse auf andere Behörden übertragen.

(4) Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 46 finden auf den Bundespräsidenten entsprechende Anwendung.

I. Ernennungs-/Entlassungsrecht (Abs. 1, 3)

Nach Art. 59 I steht dem BPräsidenten nur ein Ernennungs-/Entlassungsrecht, keine „Personalhoheit“ zu, mit Ausnahme des Bereichs des BPräsidialamts. Die Wahl der Bundesverfassungsrichter nehmen BT und BR (Art. 94 I 2) vor, die Bestellung der Richter an den Obersten Bundesgerichten der zuständige BMinister im Einvernehmen mit dem Richterwahlausschuss (Art. 95 I, II); die Auswahl der Bundesbeamten, Offiziere und Unteroffiziere steht dem zuständigen BMinister (Art. 65 S. 2) zu oder dafür gesetzlich bestimmten Organen. Daraus folgt, dass der BPräsident die Ernennung/Entlassung der ihm so Vorgeschlagenen nur vornehmen oder ablehnen kann; Vorschlags- oder sonstiges Initiativrecht steht ihm nicht zu. Die Ablehnung kann aus allen, aber auch nur aus Rechtsgründen erfolgen, immerhin auch aus den sehr weiten (BVerfGE 39, 334 (354)) nach Art. 33 II.

Bundesbeamte (vgl. § 2 I BBG) sind auch solche in bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, auch sog. „politische Beamte“ (§ 36 BBG, § 50 SoldG); gerade hier ist das Vertrauensverhältnis zum betreffenden BMinister und daher dessen Vorschlag idR entscheidend (aA BVerwGE 19, 332 (335 ff.) – st. Rspr: weites Ermessen des BPräsidenten). „Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten“ (SoldG) muss es nicht geben (Vorrang des Art. 87a I). Ernennung/Entlassung ist stets erforderlich, wenn es um Übertragung/Entzug eines öffentlichen Amtes im beamtenrechtlichen Sinn geht (Art. 33 IV, V), also bei Amtsstellungen auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe und auf Widerruf, nicht aber bei Versetzungen und Abordnungen.

Das Ernennungs-/Entlassungsrecht des BPräsidenten darf durch jedes im Übrigen verfassungsmäßige Gesetz in beliebigem Umfang eingeschränkt und es kann von ihm auf jede andere Behörde übertragen werden – im Einzelfall, für Kategorien oder allg. (Art. 59 III GG, § 10 BBG). Dazu sind zahlreiche Anordnungen des BPräsidenten allg. und für einzelne Geschäftsbereiche ergangen, die Rechtsnormcharakter (VOen) haben; derartige Delegationen bedürfen nicht der Gegenzeichnung.

II. Begnadigungsrecht (Abs. 2)

Begnadigung (durch den BPräs., vgl. Pieper FS Herzog 2009, 355) ist Erlass, Umwandlung, Aussetzung – auch teilweise – einer „Strafe“ (BVerfGE 25, 352 (358)) oder Nebenstrafe, nicht einer Maßnahme der Sicherung und Besserung. Nach hL (Sachs/Nierhaus Art. 60 Rn. 12) und Anordnung des BPräsidenten (BGBl. 1970 III 313) kann auch in Disziplinar-, Ehrengerichts- und Ordnungswidrigkeitssachen sowie bei Verwirkung von Grundrechten (Art. 18) begnadigt werden – ein bedenklich weites Verständnis von „Strafe“ – nicht aber kann eine Amtsenthebung nach Art. 61 rückgängig gemacht werden.

Begnadigung ist kein Akt der Gerichtsbarkeit. Es werden nur Rechtsfolgen eines solchen beseitigt (verändert), sie ist eine gerichtlich unüberprüfbare (BVerfGE 25, 352 (362); BVerfG [K] NJW 1983, 137 (138)) völlig freie (BayVerfGH BayVBl. 1979, 114 (115)) Exekutiventscheidung des BPräsidenten eigener Art („Gnade vor Recht“). Sie bedarf der Gegenzeichnung (hL; vgl. MKS/Fink Art. 58 Rn. 40), da sie die Amtsführung der Exekutivorgane nach Art. 65 berührt; die (Verweigerung der) Gegenzeichnung steht im ebenfalls freien Ermessen der dafür zuständigen Organe. Gegenstand der Begnadigung sind nur Rechtsfolgen von Gerichtsverfahren, die in allen Instanzen vor Bundesgerichten ablaufen, weil das Begnadigungsrecht hier für den Bund ausgeübt wird, nicht also nach Revisionsentscheidungen des BGH; im Übrigen ist das zuständige Organ des jew. Landes zuständig. Delegation ist nach Art. 60 III frei zulässig (vgl. die Anordnung Rn. 4), bedarf aber der Gegenzeichnung.

III. Immunität

Immunität genießt der BPräsident wie ein Mitglied des BTags (Art. 46 II–IV), nicht aber Indemnität für eine Äußerung im BT (Art. 46 I). Dass diese Immunität vom BT aufgehoben werden kann, ist problematisch, zeigt aber, dass der BPräsident kein „Organ über den Gewalten“ ist. Die völkerrechtliche Immunität als „Staatsoberhaupt nach außen“ (Art. 59 I 1) – eine allg. Regel des Völkerrechts (Art. 25) – schützt den BPräsidenten nicht gegen gerichtliche Verfolgung in Deutschland.