Artikel 27 [Handelsflotte]
Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.
Der historische Begriff „Kauffahrteischiffe“ – gleicher Eigentümer von Schiff und Ladung – ist durch faktische Entwicklung überholt. Dem GG unterfallen damit heute alle Wasserfahrzeuge, die in ein deutsches Schiffs(bau)register einzutragen sind und dem Transport von Waren und Dienstleistung(smöglichkeiten) dienen; auch Non-profit-Verkehr gehört dazu. Erfasst sind daher insbes. Seehandels-, Passagier- und Fischereischiffe, nicht aber Seefahrzeuge mit Hoheitsaufgaben iSd Völkerrechts (etwa Kriegs-, Polizei-, Umweltschutzschiffe), sowie private Yachten und Schiffe, welche Binnengewässer befahren (zur Abgrenzung vgl. § 1 FlaggenVO, BGBl. 1990 I 1389).
„Deutsche“ Schiffe sind nur solche, welche die deutsche Flagge (Art. 22) führen müssen (nach dem FlaggenrechtsG, BGBl. 1951 I 79; §§ 1, 2, 10, 11 FlaggenVO). Art. 27 iVm 22 ermächtigt den Bund zu dieser Gesetzgebung, im Rahmen von allg. Regeln des Völkerrechts (Art. 25) und Konventionsrecht (Art. 4, 5 Genfer Abkommen über die Hohe See, BGBl. 1978 II 1091; Art. 4 ff. UN-Seerechtskonvention, BGBl. 1994 II 1799; Art. 90 ff.). Diese „Staatsangehörigkeit“ der deutschen Schiffe folgt grds. der ihres Eigentümers bzw. der Inhaber des gesellschaftsrechtlich begründeten Bestimmungsrechts (Ausnahmen nach §§ 2, 10, 11 FlaggenrechtsG). Eine Eintragung in das Internationale Seeschifffahrtsregister (ISR) ändert daran nichts. Was die rechtlichen Regelungen hinsichtlich der Besatzung anbelangt, so ist Anheuern nach dem Recht ihres Heimatstaates zulässig (§ 21 IV FlaggenrechtsG), es gilt aber deutsches Arbeitsschutz- und Sozialversicherungsrecht. Bindung an ausländische Tarifverträge darf Art. 9 III nicht verletzen (BVerfGE 92, 26 (38 ff.)). Auf den Schiffen gilt ausschließlich deutsches Recht, Kontrollrechte stehen nur deutschen Staatsinstanzen zu.
Art. 27 bindet alle Staatsorgane des Bundes und der Länder, letztere aber nur im Rahmen der für die Schifffahrt geltenden föderalen Ordnung (vgl. Art. 73 Nr. 5, 74 I Nr. 21, 89 II 1, 2); eine „Landesflotte“, Rechtsbestimmungen nur für sie, ist ausgeschlossen. Privaten gegenüber entfaltet Art. 27 Rechtswirkungen im Rahmen des FlaggenrechtsG, ein grds. Ausflaggungsverbot lässt sich daraus aber nicht ableiten. Ebenso wenig begründet Art. 27 einen Rechtsanspruch auf Schaffung und Erhaltung von Schifffahrtseinrichtungen (Hafenanlagen, Lotsendiensten) durch den Bund (offen nach BVerfGE 92, 26 (43)). Soweit dieser solche Aufgaben wahrnimmt (vgl. SeeaufgabenG, BGBl. 1965 II 833), muss dies gleichermaßen allen deutschen und nun auch allen Schiffen der EU-Mitgliedstaaten zugutekommen (vgl. VO des Rates Nr. 3577/92 – Dienstleistungsfreiheit [Kapotage] – ABl. 1992 L 364, 7). Von einer „Einrichtungsgewährleistung“ kann allenfalls iSd Aufgabenstellung und der Regelungsbefugnis nach Rn. 2 die Rede sein, nicht aber in dem eines einheitlichen Unternehmens „Deutsche Handelsflotte“.
Einen Auftrag zum Schutz der deutschen Handelsflotte wird man Art. 27 nicht entnehmen können (offenlassend BVerfGE 92, 26 (43)), jedoch einen Grund, der Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen vermag (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 27 Rn. 2).