Artikel 87f [Post und Telekommunikation]
(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.
(2) 1 Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. 2 Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe eines Bundesgesetzes aus.
I. Allgemeines
Art. 87f ist im Zuge der Reform des Postwesens und der Telekommunikation durch Gesetz v. 30.8.1994 (BGBl. I 2245) in das GG eingefügt worden. Er bildet gemeinsam mit Art. 143b die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Privatisierung bei gleichzeitiger Übertragung einer Gewährleistungsverantwortung auf den Bund (BVerfGE 130, 52 (71 f.)).
II. Universaldienstgewährleistung
Art. 87f I begründet als Staatszielbestimmung einen Infrastruktursicherungsauftrag des Bundes. Dieser hat im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation für flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu sorgen. Damit soll verhindert werden, dass es infolge der Privatisierung und Liberalisierung des Post- und Telekommunikationsbereichs zu einer Unterversorgung kommt, weil der Wettbewerb noch nicht funktioniert oder sich auf lukrative Bereiche beschränkt (BVerfGE 108, 370 (393); 130, 52 (72)).
Die Begriffe des Postwesens und der Telekommunikation in Art. 87f entsprechen denen des Art. 73 I Nr. 7 (Art. 73 Rn. 16). Der Bund muss in diesem Bereich eine Grundversorgung sicherstellen (v. Lewinski RW 2011, 70 (76)), die angemessen ist, dh, die zu erbringenden Leistungen müssen in ausreichender Qualität und zu einem angemessenen Preis angeboten werden. Die Versorgung muss ausreichend sein, dh, die Leistungen müssen in ausreichender Quantität angeboten werden (MKS/Gersdorf Art. 87f Rn. 20). Und dies muss flächendeckend geschehen, also auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (DHS/Möstl Art. 87f Rn. 71; Friauf/Höfling/Mayen Art. 87f Rn. 129).
Gesetzliche Bestimmungen, die entspr. Universaldienstleistungspflichten normieren, bedürfen gem. Art. 87f I der Zustimmung des BRats. Sie finden sich in §§ 11 ff. PostG v. 22.12.1997 (BGBl. 1997 I 3294; zul. geänd. BGBl. 2021 I 324), in §§ 78 ff. TKG v. 22.6.2004 (BGBl. 2004 I 1190; zul. geänd. BGBl. 2023 I Nr. 71) sowie in auf diesen Gesetzen basierenden RVOen. Ist die geforderte Grundversorgung nicht gesichert, ist der Bund zum regulierenden Eingreifen verpflichtet (BVerfGE 108, 370 (393 f.)), wobei aber auch andere Maßnahmen, etwa die Bereitstellung finanzieller Mittel, nicht ausgeschlossen sind (MKS/Gersdorf Art. 87f Rn. 32; Sachs/Windthorst Art. 87f Rn. 18). Aufgrund von Art. 87f II 1 (Rn. 6) ist er jedoch daran gehindert, eine Grundversorgung durch eigene Dienstleistungen sicherzustellen.
III. Privatwirtschaftlichkeit der Leistungserbringung
Gem. Art. 87f II 1 sind Post- und Telekommunikationsdienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten zu erbringen. Dieser verfassungsrechtliche Privatisierungsauftrag erfasst alle aktuell angebotenen und künftigen Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (BVerwGE 119, 282 (302 f.)).
Anbieter dieser Dienstleistungen sind die aus der Organisationsprivatisierung nachArt. 143b I 1 (Art. 143b Rn. 2) hervorgegangenen Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost sowie andere private Anbieter. Bei den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost iSv Art. 87f II 1 handelt es sich um die Deutsche Post AG sowie die Deutsche Telekom AG, nicht jedoch um die ebenfalls auf der Grundlage von Art. 143b I 1 privatisierte Deutsche Postbank AG (MKS/Gersdorf Art. 87f Rn. 62). Bei letzterer handelt es sich nämlich nicht um einen Anbieter von Post- oder Telekommunikationsleistungen.
Die von Art. 87f II 1 erfassten Dienstleistungen sind als privatwirtschaftliche Tätigkeiten zu erbringen. Das bedeutet zunächst, dass eine Wahrnehmung als Verwaltungsaufgabe – sei es in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form – von Verfassungs wegen ausgeschlossen ist (BT-Drs. 12/7269, 4). Die anbietenden Unternehmen müssen vielmehr nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt werden und auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein (MKS/Gersdorf Art. 87f Rn. 53). Für die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost gewährleistet Art. 87f II 1 daher eine an der unternehmerischen Rationalität ausgerichtete Entscheidungsautonomie. Letztlich zielt Art. 87f II 1 auf die Erbringung der betr. Dienstleistungen unter Wettbewerbsbedingungen ab (BVerwGE 114, 160 (180); 118, 352 (359)).
IV. Verwaltungskompetenzen des Bundes
1. Obligatorische bundeseigene Verwaltung
Nach Art. 87f II 2 sind die Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation Gegenstand der bundeseigenen Verwaltung. Es handelt sich um obligatorische unmittelbare Bundesverwaltung; eine mittelbare Bundesverwaltung ist nicht zulässig (DHS/Möstl Art. 87f Rn. 101; Dreier/Wieland Art. 87f Rn. 22). Ein eigener Verwaltungsunterbau ist möglich, verfassungsrechtlich aber nicht vorgeschrieben. Mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Post- und Telekommunikationsverwaltung hat der Bund die Bundesnetzagentur als selbständige Bundesoberbehörde betraut (vgl. Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen v. 7.7.2005, BGBl. 2005 I 1970 (2009); geänd. BGBl. 2021 I 3026).
Die Verwaltungskompetenz ist auf Hoheitsaufgaben beschränkt und umfasst in erster Linie die Regulierung zum Zweck der Infrastruktursicherung gem. Art. 87f I (BVerwGE 121, 192 (197)). Ebenso erstreckt sie sich auf Fragen der Standardisierung und Normierung, die Funkfrequenzverwaltung, die Erteilung von Genehmigungen für Funkanlagen und die Vorsorge für den Krisen- und Katastrophenfall (BVerfGE 108, 169 (183)). Sie erlaubt jedoch nicht die Erbringung von Post- oder Telekommunikationsdienstleistungen.
2. Mittelbare Bundesverwaltung
Art. 87f III erweitert die Verwaltungskompetenzen des Bundes über Art. 87f II 2 hinaus. Er begründet eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes und zugleich einen Verfassungsauftrag zur Errichtung einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87f Rn. 2). Es handelt sich mithin um mittelbare Bundesverwaltung. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit der Errichtung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost nachgekommen (BGBl. 1994 I 2325; zul. geänd. BGBl. 2021 I 3372). Da diese Anstalt gem. Art. 87f III jedoch nur für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben (Rn. 11) zu errichten war, ist ihre Aufrechterhaltung nach Erfüllung der betr. Aufgaben verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben (v. Münch/Kunig/Uerpmann-Wittzack Art. 87f Rn. 36; MKS/Gersdorf Art. 87f Rn. 93; BeckOK GG/Remmert Art. 87f Rn. 13.1; aA Sachs/Windthorst Art. 87f Rn. 40).
Die Aufgaben der Bundesanstalt erstrecken sich weder auf den Bereich der Post- und Telekommunikationsverwaltung gem. Art. 87f II 2 noch auf die Erbringung von Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Art. 87f II 1. Sie ist nach Art. 87f III vielmehr auf die Wahrnehmung einzelner Aufgaben beschränkt in Bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Nachfolgeunternehmen. Es handelt sich dabei um unternehmensbezogene arbeits-, dienst- und sozialrechtliche Aufgaben, wie zB die Weiterführung der Postbeamtenkrankenkasse.