Artikel 125 [Altes Recht aus dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung]
Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht,
- soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt,
- soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai 1945 früheres Reichsrecht abgeändert worden ist.
I. Fortgeltendes Recht
In Ergänzung zu Art. 124 (Art. 124 Rn. 1) ordnet Art. 125 Recht, das nach Art. 123 fortgilt (Art. 123 Rn. 2 ff.), unter bestimmten Voraussetzungen dem Bundesrecht zu, sofern es den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft. Da Art. 125 die Zuordnung von Recht betrifft, das der Fortgeltungsanordnung des Art. 123 unterliegt, ist für die Beurteilung der Zeitpunkt des Zusammentritts des ersten BTags, dh der 7.9.1949, maßgeblich (BVerfGE 8, 143 (154); 11, 23 (28)).
II. Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung
Ob eine Norm der konkurrierenden Gesetzgebung zuzuordnen ist, bestimmt sich nach den Kompetenzvorschriften des GG in seiner ursprünglichen Fassung. Maßgebend sind die Art. 74, 72 I und Art. 105 II. Die Voraussetzungen des Art. 72 II müssen dagegen nicht vorliegen (BVerfGE 1, 283 (293 ff.); 7, 330 (337)). Die auf Rechtssicherheit zielende Vorschrift des Art. 125 sollte nicht mit der Bedürfnisfrage (Art. 72 Rn. 13) belastet werden, die schwer justitiabel und deren zeitlicher Anknüpfungspunkt im Falle vorkonstitutionellen Rechts unklar ist. Unerheblich ist, ob für die jew. Regelung nach den Verfahrensvorschriften des GG eine Zustimmungspflicht bestanden hätte (BVerfGE 9, 185 (190)). Da jede einzelne Regelung von den Kompetenzvorschriften getragen sein muss, kann es im Bereich des Art. 125 dazu kommen, dass Vorschriften desselben Gesetzes teilweise als Bundes- und teilweise als Landesrecht fortgelten (BVerfGE 33, 206 (216 f.)). Um eine Rechtszersplitterung zu vermeiden, ist dabei aber darauf zu achten, dass nach Möglichkeit die gesamte Regelung eines bestimmten Sachgebietes, einer in sich abgeschlossenen Rechtsmaterie, einheitlich behandelt und gegebenenfalls als Bundesrecht fortgilt (BVerfGE 4, 74 (84); 4, 178 (183 f.)).
III. Frühere Geltung
1. Geltung in Besatzungszonen
Vorschriften aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung erlangen Bundesrechtsqualität nur, wenn sie entweder die Voraussetzungen der Nr. 1 oder der Nr. 2 erfüllen. Art. 125 Nr. 1 erfasst Recht, das innerhalb mindestens einer Besatzungszone einheitlich gilt. Ausreichend ist die Existenz eines materiell einheitlichen Rechtszustandes. Es kommt also weder auf die Identität der Rechtsquelle noch auf den Wortlaut einschlägiger Normen, sondern allein auf die inhaltliche Übereinstimmung des geltenden Rechts an (BVerfGE 4, 178 (184)).
2. Reichsrecht ändernde Vorschriften
Art. 125 Nr. 2 erfasst Recht, das nach dem 8.5.1945 früheres Reichsrecht abänderte. Die Vorschrift geht davon aus, dass die Länder nach Kriegsende früheres Reichsrecht abändern konnten und auch abgeändert haben. Indem dieses abändernde Landesrecht als Bundesrecht fortgilt, soll einer Vertiefung der dadurch hervorgerufenen Rechtszersplitterung entgegengewirkt werden (BVerfGE 7, 18 (26 f.)). Als Reichsrecht ist – neben Reichsgewohnheitsrecht – jedes Recht anzusehen, das von einem Organ des Deutschen Reichs erlassen wurde (BK/Funke Art. 125 Rn. 15; MKS/Wolff Art. 125 Rn. 16). Unter Abänderung fällt jeder Eingriff in den reichsrechtlichen Rechtsbestand, ohne dass es auf dessen Art oder Umfang ankäme (BVerfGE 7, 18 (28); 9, 153 (158)).
IV. Umwandlung in Bundesrecht
Liegen die Voraussetzungen des Art. 125 vor, gilt die betr. Norm innerhalb ihres bisherigen Geltungsbereiches als vollwertiges Bundesrecht fort (BVerfGE 7, 18 (27)). Art. 125 enthält jedoch keine allg. Vermutung, dass fortgeltendes Reichsrecht eine erschöpfende Regelung iSd Art. 72 I darstellt (BVerfGE 1, 283 (296)).