Artikel 120a [Lastenausgleich]
(1) 1 Die Gesetze, die der Durchführung des Lastenausgleichs dienen, können mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie auf dem Gebiete der Ausgleichsleistungen teils durch den Bund, teils im Auftrage des Bundes durch die Länder ausgeführt werden und daß die der Bundesregierung und den zuständigen obersten Bundesbehörden auf Grund des Artikels 85 insoweit zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise dem Bundesausgleichsamt übertragen werden. 2 Das Bundesausgleichsamt bedarf bei Ausübung dieser Befugnisse nicht der Zustimmung des Bundesrates; seine Weisungen sind, abgesehen von den Fällen der Dringlichkeit, an die obersten Landesbehörden (Landesausgleichsämter) zu richten.
(2) Artikel 87 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.
Systematisch gehört der erst 1952 eingefügte Art. 120a (Gesetz v. 14.8.1952, BGBl. I 445) zum VIII. Abschn. des GG über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen ( Art. 83 ff. ). Die Vorschrift steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zeitgleich beschlossenen Lastenausgleichsgesetz, das die durch den Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Bevölkerungsteile entschädigen und deren Wiedereingliederung ermöglichen sollte (Präambel Lastenausgleichsgesetz). Die Durchführung des Lastenausgleichs zählte damit zu den vordringlichsten und wichtigsten Gestaltungsaufgaben der jungen Bundesrepublik. Einbezogen wurden in den Lastenausgleich 1969 auch die sog. Zonenschäden in der SBZ sowie der DDR. Nach der Wiedervereinigung wurde der Lastenausgleich dagegen nicht auf die neuen Bundesländer ausgedehnt (DHS/Butzer Art. 120a Rn. 56). Nachdem gem. § 230 II Lastenausgleichsgesetz auch für Vertreibungsschäden keine neuen Ansprüche mehr begründet werden können, wird der Anwendungsbereich des Lastenausgleichs immer geringer (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 120a Rn. 1). Die aktuelle Bedeutung des Lastenausgleichsrechts liegt gegenwärtig allein bei der Rückforderung von Leistungen (s. zuletzt BVerwG NVwZ-RR 2015, 681), die durch den Schadensausgleich im Zuge der Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung nach der Wiedervereinigung bedingt sind (zur geschichtlichen Entwicklung SHH/Rodenbach, 14. Aufl. 2017, Art. 120a Rn. 4 ff.). Einem Risikostrukturausgleich unter den Versicherungsträgern steht Art. 120a nicht entgegen (BVerfGE 113, 167 (211)).
Um eine zentrale und straffe Steuerung des Vollzugs des Lastenausgleichsgesetzes zu ermöglichen, gestattet Art. 120a eine Modifikation der Grundmodelle der in Art. 83 ff. geregelten Ausführung von Bundesgesetzen iSe gemischten Bundes- und Bundesauftragsverwaltung (MKS/Muckel Art. 120a Rn. 4). Damit gehört Art. 120a zu den wenigen Bestimmungen des GG, nach denen eine sonst unzulässige Mischverwaltung statthaft ist (Art. 83 Rn. 12, Vor Art. 91a Rn. 2).
In Anlehnung an § 1 Lastenausgleichsgesetz ist mit Lastenausgleich der Ausgleich der Schäden und Verluste infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegs- und Nachkriegszeit gemeint. Abweichend vom Begriff der Kriegsfolgelasten nach Art. 120 I wird der Begriff des Lastenausgleichs weit ausgelegt, sodass auch nur noch sehr mittelbar kriegsbedingte und lange nach Kriegsende entstandene Schäden erfasst sind (v. Münch/Kunig/Schaefer Art. 120 Rn. 9). Hierzu zählt auch das BVFG (Bekanntmachung v. 10.8.2007, BGBl. I 1902; Sachs/Siekmann Art. 120a Rn. 6). Art. 120a gilt auch für die Rückforderung von Lastenausgleichszahlungen im Zuge der Wiedervereinigung (Rn. 1). Art. 120a I 1 gestattet es dem Bund, ein Bundesausgleichsamt einzurichten, dem die der BReg nach Art. 85 II und der zuständigen obersten Bundesbehörden nach Art. 85 III zustehenden Befugnisse übertragen werden können. Abweichend von Art. 85 II 1 ist das Bundesausgleichsamt beim Erlass von Verwaltungsvorschriften nicht an die Zustimmung des BRats gebunden (Art. 120 I 2; s. BVerwG LKV 2012, 24 (26)). In diesen können auch Zuständigkeiten geregelt werden (BVerfGE 8, 155 (167 ff.)). Auf Länderebene wird in Art. 120 II 2 Hs. 2 die Einrichtung von Landesausgleichsämtern vorausgesetzt.
Durch den Verweis auf Art. 87 III 2 erlaubt es Art. 120a II dem Bund, zur Durchführung des Lastenausgleichs bei dringendem Bedarf mit Zustimmung des BRats und der Mehrheit der Mitglieder des BTags bundeseigene Mittel- und Unterbehörden einzurichten. Der Verweis verdeutlicht, dass mit Art. 120a hinsichtlich Art. 87 III 2 gerade keine abschließende Spezialregelung beabsichtigt war (BR-Drs. 625/51), womit der Vorschrift lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt (SHH/Rodenbach, 14. Aufl. 2017, Art. 120a Rn. 43). Da keine bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden errichtet worden sind, hat der Vorbehalt des Art. 120a II bislang auch bei der Abwicklung des Lastenausgleichs noch keine praktische Relevanz erlangt.