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Artikel 87 [Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung]

(1) 1 In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. 2 Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.

(2) 1 Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. 2 Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, werden abweichend von Satz 1 als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.

(3) 1 Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. 2 Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.

I. Allgemeines

Art. 87 nennt Materien, die in die bundeseigene Verwaltung gem. Art. 86 fallen. Es handelt sich um anderweitige Regelungen iSv Art. 83 Hs. 2, die Ausnahmen vom Grundsatz der landeseigenen Verwaltung entweder selbst normieren (obligatorische Bundesverwaltung) oder zulassen (fakultative Bundesverwaltung). Art. 87 begründet in den genannten Bereichen die Kompetenz des Bundes, Verwaltungseinrichtungen für bestimmte Aufgaben zu errichten, und weist ihnen materielle Verwaltungskompetenzen zu. Zugleich differenziert Art. 87 die Verwaltungsformen der bundeseigenen Verwaltung über Art. 86 hinaus aus.

II. Auswärtiger Dienst

Art. 87 I 1 Var. 1 sieht für den Auswärtigen Dienst eine obligatorische bundeseigene Verwaltung gem. Art. 86 mit eigenem Verwaltungsunterbau vor. Es handelt sich um unmittelbare Bundesverwaltung durch Behörden (Art. 86 Rn. 7). Da Art. 87 I einen eigenen Verwaltungsunterbau verlangt, ist der Bund verpflichtet, eine regional gegliederte eigene Verwaltungsorganisation bereitzuhalten (Dreier/Hermes Art. 87 Rn. 23). Ausnahmsweise dürfen auch privatrechtliche Organisationsformen eingesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass ein sachlicher Grund vorliegt, dass es sich um abgrenzbare, nicht typusprägende Teilaufgaben handelt und dass eine fortdauernde Anbindung an den Staat besteht (Jarass/Pieroth/Kment Art. 87 Rn. 16; MKS/Burgi Art. 87 Rn. 24).

Der Auswärtige Dienst ist zuständig für auswärtige Angelegenheiten des Bundes, also die Pflege der diplomatischen und konsularischen Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten und int. Organisationen (Sachs/Sachs Art. 87 Rn. 25). Diese Aufgaben werden wahrgenommen von den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland, also von Botschaften, Konsulaten und ständigen Vertretungen.

In die Verwaltungskompetenz des Bundes nach Art. 87 I 1 Var. 1 fällt auch der Bereich der Entwicklungshilfe mit seinen zahlreichen privatrechtlich organisierten Mittlerorganisationen wie zB der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ). Ebenso erfasst ist die auswärtige Kulturpolitik mit den Goethe-Instituten und Auslandsschulen (MKS/Burgi Art. 87 Rn. 15 f.; BeckOK GG/Suerbaum Art. 87 Rn. 17; aA Sachs/Sachs Art. 87 Rn. 28).

III. Bundesfinanzverwaltung

Art. 87 I 1 Var. 2 legt die Bundesfinanzverwaltung obligatorisch in die bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau. Der Begriff der Bundesfinanzverwaltung meint zum einen die in der insoweit spezielleren Bestimmung des Art. 108 beschriebenen Aufgaben der Abgabenverwaltung, zum anderen aber auch sonstige Aufgaben, wie etwa die Bau- und Vermögensverwaltung des Bundes (BVerwG NVwZ-RR 1990, 44 (45); Dreier/Hermes Art. 87 Rn. 29).

IV. Bundeswasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung

Für die Bundeswasserstraßen und die Schifffahrt schreibt Art. 87 I 1 Var. 3 gleichfalls eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau vor. Verwiesen wird dabei allerdings auf den spezielleren Art. 89, der es zulässt, die Verwaltung der Bundeswasserstraßen in die Auftragsverwaltung der Länder zu überführen (Art. 89 II 3; Art. 89 Rn. 5 f.).

V. Bundessicherheitsverwaltung

1. Bundesgrenzschutzbehörden

Gem. Art. 87 I 2 Var. 1, der dem Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zuspricht, können durch Bundesgesetz, das keiner Zustimmung des BRats bedarf, Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden. Es handelt sich mithin um den Fall einer fakultativen bundeseigenen Verwaltung iF der unmittelbaren Bundesverwaltung. Ein mehrstufiger Aufbau mit Mittel- und Unterbehörden ist zulässig, verfassungsrechtlich aber nicht vorgegeben (MKS/Burgi Art. 87 Rn. 31; Dreier/Hermes Art. 87 Rn. 45; Wagner DÖV 2009, 66 (67)).

Die Verwaltungskompetenz des Bundes für den Grenzschutz umfasst die polizeiliche Überwachung der Bundesaußengrenzen und des anschließenden Hinterlandes einschließlich der Abwehr von Gefahren für diese Grenzen sowie die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, auch soweit er auf Bahnhöfen und Flughäfen stattfindet (BVerfGE 97, 198 (214)). Weitere Aufgabenzuweisungen für den Bundesgrenzschutz finden sich in Art. 35 II, III (Art. 35 Rn. 4 ff.), in Art. 91 I, II 1 (Art. 91 Rn. 7, 12) sowie in Art. 115f I Nr. 1 (Art. 115f Rn. 2). Den Bundesgrenzschutzbehörden können darüber hinaus weitere Polizeiaufgaben übertragen werden, sofern erstens dem Bund aufgrund anderer Bestimmungen die Verwaltungskompetenz zusteht, zweitens diese Aufgaben nicht einem anderen Verwaltungsträger vorbehalten sind und drittens der Bundesgrenzschutz hierdurch nicht das Gepräge einer Sonderpolizei mit nur begrenzten Aufgaben verliert (BVerfGE 97, 198 (217 f.)).

Von seiner Kompetenz nach Art. 87 I 2 Var. 1 hat der Bundesgesetzgeber mit dem BPolG v. 19.10.1994 (BGBl. 1994 I 2979; zul. geänd. BGBl. 2024 I Nr. 149) Gebrauch gemacht. Im Jahr 2005 ist die einfachgesetzliche Umbenennung des bisherigen Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei erfolgt (BGBl. 2005 I 1818; dazu Scheuring NVwZ 2005, 903 ff.).

2. Zentralstellen

Art. 87 I 2 Var. 2 erlaubt die bundesgesetzliche Errichtung von Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Auch hier handelt es sich um Fälle einer fakultativen bundeseigenen Verwaltung. Der Begriff der Zentralstelle meint Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung, die keinen eigenen Verwaltungsunterbau haben und die – anders als Bundesoberbehörden – auf die Koordinierung des Handelns von Bund und Ländern beschränkt sind (Gusy DVBl 1993, 1117 (1121 ff.)).

Von dieser ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz hat der Bund zum einen durch die Errichtung des BKA durch das BKAG v. 7.7.1997 (BGBl. 1997 I 1650; zul. geänd. BGBl. 2024 I Nr. 149) sowie zum anderen durch die Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz durch das BVerfSchG v. 20.12.1990 (BGBl. 1990 I 2970; zul. geänd. BGBl. 2024 I Nr. 149) Gebrauch gemacht. Die einfachgesetzliche Bezeichnung des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde in § 2 I 1 BVerfSchG ändert nichts an seiner Qualifikation als Zentralstelle (DHS/Ibler Art. 87 Rn. 146; Sachs/Sachs Art. 87 Rn. 48). Keine Zentralstellen iSv Art. 87 I 2 Var. 2 sind hingegen der Militärische Abschirmdienst und der BND.

VI. Länderübergreifende Sozialversicherungsträger

1. Obligatorische mittelbare Bundesverwaltung

Nach Art. 87 II 1 werden Sozialversicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich über das Gebiet eines Landes hinausreicht, als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts geführt. Der Begriff der Körperschaften des öffentlichen Rechts umfasst auch rechtsfähige Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (MKS/Burgi Art. 87 Rn. 71; Breuer VVDStRL 44 [1986], 211 (236); aA Sachs/Sachs Art. 87 Rn. 54; Jarass/Pieroth/Kment Art. 87 Rn. 10) und umschreibt die mittelbare Bundesverwaltung durch bundesunmittelbare rechtsfähige Verwaltungsträger (Art. 86 Rn. 8). Art. 87 II 1 räumt dem Bundesgesetzgeber einen großen Spielraum für die Regelung der Organisation und des Verfahrens der Sozialversicherung ein (BVerfGE 113, 167 (201)). So ist der Bund etwa berechtigt, auch Verbindungen zwischen Sozialversicherungsträgern herzustellen oder länderüberschreitende Leistungsbeziehungen zu regeln (BVerfG [K] NVwZ-RR 2017, 169 (170)). Art. 87 II enthält hingegen keine Kompetenz zur Errichtung weiterer Sozialversicherungsträger; dies kann allein auf der Grundlage von Art. 74 I Nr. 12 erfolgen (Dreier/Hermes Art. 87 Rn. 57). Zudem ist Art. 87 II 1 keine Garantie der Sozialversicherung als staatlicher Einrichtung zu entnehmen (BVerfGE 39, 302 (314 f.); 113, 167 (201 f.)).

Der Begriff der sozialen Versicherungsträger bezeichnet die Träger öffentlicher Verwaltung, die Aufgaben der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung wahrnehmen (BVerfGE 63, 1 (35); 114, 196 (223)). Art. 87 II 1 erfasst nur überregionale Sozialversicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich über ein einziges Land hinausreicht.

2. Fakultative mittelbare Landesverwaltung

Erstreckt sich der Zuständigkeitsbereich eines Sozialversicherungsträgers zwar über das Gebiet eines Landes, aber nicht über drei Länder hinaus, wird dieser gem. Art. 87 II 2 als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt, dh in die mittelbare Landesverwaltung überführt, sofern die beteiligten Länder das über die Körperschaft aufsichtführende Land bestimmen. Durch den am 1.6.1997 in Kraft getretenen Staatsvertrag über die Bestimmung aufsichtführender Länder nach Art. 87 II 2 (GVBl. NRW 1996, 566) haben die Länder eine entspr. Regelung getroffen. Aufsichtführend ist danach das Land, in dem der betr. Sozialversicherungsträger seinen Sitz hat.

VII. Fakultative Bundesverwaltung für Gegenstände der Bundesgesetzgebung

1. Anwendungsbereich

Für Angelegenheiten, die in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegen, kann der Bund durch Bundesgesetz selbständige Bundesoberbehörden, ausnahmsweise auch Mittel- und Unterbehörden sowie bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts errichten. Es muss sich um einen Sachbereich handeln, für den dem Bund eine ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht. Den auf der Grundlage von Art. 87 III errichteten Verwaltungsträgern obliegt dann der Vollzug der auf der Grundlage der Bundesgesetzgebungskompetenzen erlassenen Gesetze sowie des unmittelbar anwendbaren EU-Rechts, das im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes besteht.

2. Fakultative unmittelbare Bundesverwaltung

a) Selbständige Bundesoberbehörden

Nach Art. 87 III 1 Var. 1 kann der Bund durch Gesetz selbständige Bundesoberbehörden errichten. Es handelt sich dabei um Stellen der unmittelbaren bundeseigenen Verwaltung, die für das gesamte Bundesgebiet zuständig sind und die zentrale Verwaltungsaufgaben erledigen (BVerwGE 35, 141 (145)). Art. 87 III 1 zieht der Begründung einer Verwaltungszuständigkeit durch den Bund insofern eine Grenze, als nur bestimmte Sachaufgaben zur zentralen Erledigung durch eine Bundesoberbehörde geeignet sind (BVerfGE 14, 197 (211); 110, 33 (49)). Eine selbständige Bundesoberbehörde darf nur für Aufgaben errichtet werden, die von ihr ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder wahrgenommen werden können (BVerfGE 110, 33 (49)).

b) Bundeseigene Mittel- und Unterbehörden

Erwachsen dem Bund auf einem Gebiet, für das ihm die Gesetzgebungskompetenz zusteht, neue Aufgaben, kann er gem. Art. 87 III 2 bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden errichten. Ein dringender Bedarf ist anzunehmen, wenn für eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung eine bundeseigene dezentrale Verwaltung erforderlich ist (DHS/Ibler Art. 87 Rn. 275; Dreier/Hermes Art. 87 Rn. 100). Die Errichtung von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden darf jedoch nur durch ein Gesetz erfolgen, welches der BTag mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt und das der Zustimmung des BRats bedarf.

3. Fakultative mittelbare Bundesverwaltung

Nach Art. 87 III 2 Var. 2 besitzt der Bundesgesetzgeber auch die Möglichkeit, im Wege mittelbarer Bundesverwaltung bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten sowie, über den Wortlaut hinaus, auch Stiftungen des öffentlichen Rechts zu errichten (Art. 86 Rn. 8). Die Errichtung erfolgt durch Bundesgesetz, wobei keine Zustimmung des BRats erforderlich ist.